Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Lesehäsin

Bewertungen

Insgesamt 3 Bewertungen
Bewertung vom 09.09.2021
In allen Punkten
Wlasak, Helmut

In allen Punkten


gut

Eine leicht düstere Stimmung vermittelt das Cover und verspricht damit etwas, das das Buch selbst gar nicht so hält. Natürlich, wer Probleme damit hat, zu lesen, wie jemand erschossen wird, wird das Cover passend finden, aber ansonsten bleiben die meisten Fälle relativ harmlos. Aber dabei dennoch sehr faszinierend aus der "Täter"-Perspektive geschrieben.
Der Schreibstil ermöglicht es, direkt in den Kopf des Täters oder der Täterin zu schauen, bleibt aber dennoch auf einer Ebene, die es ermöglicht, sich selbst etwas davon distanzieren. So werden manche Fälle auf jeden Fall nachvollziehbar, wie es dazu kommen konnte, auch wenn "man" trotzdem noch sieht, dass es nicht so hätte sein müssen und "man" selbst anders gehandelt hätte. Hoffentlich.
Täter:innen werden manchmal auch von den Umständen erschaffen.
So schafft das Buch eine komplett neue Perspektive, gerade für jene, die bisher wenig Berührungspunkte mit Kriminalität im echten Leben hatten und schafft auch etwas Verständnis, der vielleicht auch dazu führt, anders mit Vorgestraften umzugehen.
Das Buch ist für alle geeignet, die Krimis mögen, aber auch für jene, die einfach etwas Sozialstudie betreiben wollen.

Bewertung vom 19.05.2021
Cryptos
Poznanski, Ursula

Cryptos


ausgezeichnet

Eine Welt, die nicht mehr lebenswert erscheint und in der die Menschheit die Flucht in virtuelle Welten gesucht hat. Erschreckend nah dran an dem, was die Zukunft tatsächlich für uns bereithalten könnte.
Immer mehr wird das scheinbar fantastische Leben in der VR aufgebrochen und die Probleme dahinter sichtbar, die Probleme, die das RL betreffen und den wahren Zustand der Welt offenbaren.

Ich habe das Hörbuch gehört und bin begeistert. Die Sprecherin liest sehr gut. Die Sprache des Thrillers selbst ist nicht allzu kompliziert, erscheint aber auch nicht billig. Der Spannungsaufbau funktioniert hervorragend. Bis zum Schluss gibt es immer wieder auch kleinere Spannungsbögen, die in den großen eingebunden werden.

Der Thriller eignet sich nicht nur für Jugendliche hervorragend, sondern auch für alle älteren Leser*innen, die der VR und dem Klimawandel ins Gesicht schauen mögen.

Bewertung vom 19.05.2021
Viktor
Fanto, Judith

Viktor


ausgezeichnet

Das Cover: Schlicht und hübsch, aber hat nur bedingt etwas mit dem Buch zu tun.

Die Geschichte: Die Familiengeschichte einer jüdischen Familie. Wie kam es, dass die Familie der in den Niederlanden lebenden Geertje/Judith aus Wien dorthin kam? Zwei Geschichten, eine Familie. Geertje in den 80er/90er Jahren und ihr Großvater und sein Bruder Viktor in den Vorkriegs- und ersten Kriegsjahren. Aber Viktor, der lebt nicht mehr, genauso wie viele andere Mitglieder der Familie, die aber in den Geschichten und Erinnerungen noch da sind.

Die Charaktere: Geertje, die sich im Laufe des Buches in Judith umbenennt, geht auf Spurensuche ihrer jüdischen Identität. Denn eigentlich ist ihre Familie gar nicht mehr praktizierend-jüdisch. Sie gehören sozusagen dem 13. Stamm an. Also dem, den es gar nicht gibt, weil es nur 12 Stämme Israels gibt. Es ist die Geschichte der Autorin selbst, die sie spannend niederschreibt. So erfährt man mit ihr, wie sie auch immer weitere Teile der Familiengeschichte entdeckt.
Viktor ist der Protagonist der Vor- und Kriegsjahre. Er wird in seiner Familie kritisch gesehen, weil er seinem eigenen Kopf folgt, oft auch an Konventionen und Regeln vorbei. Die Familiengeschichte, die aus Erzählungen und Briefen und gefundenen Dokumenten zusammengetragen wurde, ist sehr authentisch. Man könnte fast meinen, selbst in Wien dabei gewesen zu sein.
Beide Zeitlinien werden wunderbar miteinander verknüpft.

Die Sprache: Einfach wunderschön!

Leseempfehlung: Jede*r, der*die gute Literatur mag, sollte das Buch lesen. Und alle, die Interesse daran haben, der jüdischen Identität nachzuspüren. Wer ahnt auch nur, wie es ist, aus einer jüdischen Familie zu stammen und wie es ist, mit den Traumata umzugehen, die die Verfolgung hinterlassen hat, auch noch in der 2. Nachkriegsgeneration. Es ist ein nicht plötzlich auftretendes Trauma. Auch vor dem 2. WK wurden jüdische Menschen schon anders betrachtet. So kann man in der Erzählung dazu verfolgen, die sich manches mit der Zeit schleichend verschlimmert hat und wie vielleicht auch Menschen damals es erlebt haben könnten.
Aber Vorsicht: Natürlich sind die Erfahrungen und Erlebnisse aus der Zeit, die erzählt werden, nur Mutmaßungen der Autorin. Kein Gespräch davon, wird 1 zu 1 so stattgefunden haben.