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givemeabook

Bewertungen

Insgesamt 25 Bewertungen
Bewertung vom 24.06.2024
Das Dorf der acht Gräber / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.3
Yokomizo, Seishi

Das Dorf der acht Gräber / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Ein zinnoberroter Tropfen im Grau des Lebens

Das Dorf der acht Gräber verdankt seinen Namen einer blutigen Legende. Im sechzehnten Jahrhundert wurden acht Samurai, die dort mit einem geheimen Schatz Zuflucht gesucht hatten, von den Bewohnern ermordet, was einen schrecklichen Fluch über ihr Dorf brachte. Dann, fast vierhundert Jahre später, wird Yozo Tajimi, das Oberhaupt der Tajimi-Familie, wahnsinnig und beginnt, fast alle im Dorf zu töten.

Sechsundzwanzig Jahre später erfährt Tatsuya Terada, dass er Erbe des großen Tajimi Anwesens im Dorf Acht Gräber ist. Doch in dem Moment, in dem er mit seinem Erbe in Berührung kommt, beginnen die Dorfbewohner unter qualvollen Umständen zu sterben. Da der Vater des jungen Erben selbst ein Massenmörder war, sind die Dorfbewohner sicher, dass der in seiner Kindheit verwaiste Mann für die neue Mordserie verantwortlich sein muss. Alle im Dorf glauben, dass der Fluch der Samurai wieder auf ihnen lastet.

Das Buch wurde bereits 1971 als dritter Band einer Reihe um den Privatdetektiv Kosuke Kindaichi veröffentlicht. Seishi Yokomizos Schreibstil unterscheidet sich von dem heutigen in erfrischender Weise, wie auf Seite 76: ...und ihre Gesichter und Körper waren so winzig, dass sie zusammengerollt in eine Handfläche gepasst hätten.
Diese klassische Kriminalgeschichte wird aus der Sicht der Hauptperson Tatsuya erzählt. Er berichtet aus der Vergangenheit und richtet sich dabei direkt an den Leser, was den Zugang zu seinen Gefühlen und zu der Geschichte sehr einfach macht.
Die Kapitel erzeugen durch ihre Kürze Spannung und den Wunsch, immer weiter zu lesen.
Der Kriminalroman ist aber auch eine Detektivgeschichte, die mich von Anfang an in die Aufklärung der Todesfälle mit einbezogen hat. Der verschrobene Detektiv Kosuke Kindaichi steht nicht im Mittelpunkt, er ließ mich anfänglich mit meinen "Ermittlungen" allein und trat erst später in den Verlauf der Handlung ein. Seine abgetragene Kleidung und das dauernde nachdenkliche Kopfkratzen des Detektivs wirken nicht sehr vertrauenserweckend. Doch gerade diese Nachlässigkeit, seine Intuition und Ermittlungsgabe ließen ihn den Fall lösen (wobei ich dem Täter nicht auf die Spur kommen konnte).

Das perfekt passende Cover erinnert durch den mittig angeordneten Kreis an die japanische Flagge. Am Anfang des Buches findet man ein Personenregister, in dem alle handelnden Personen und ihre Zugehörigkeit aufgeführt ist. Auch das hinten angehängte Glossar ist sehr hilfreich.

"Das Dorf der acht Gräber" ist eine wirklich lesenswerte Geschichte, die von mir fünf Sterne erhält. Unbedingte Leseempfehlung für Leser, die nicht nur in die gängigen Krimiländer reisen möchten, sondern in die alten Traditionen des Landes der aufgehenden Sonne eintauchen möchten.

Bewertung vom 09.05.2024
Die Stimme der Kraken
Nayler, Ray

Die Stimme der Kraken


ausgezeichnet

Bewusstsein, Empfindungsvermögen und Leben

Nicht allzuweit in der Zukunft wird Evrim erschaffen, der erste und einzigste empfindungsfähige Android der Welt. Die Erschaffung solcher weiteren Wesen wurde sofort verboten. Die Welt wurde durch Kriege umgestaltet, ist aber weiterhin durch internationale Behörden und ein mächtiges Cyberimperium mit Sitz in Tibet funktionsfähig. Der Verkehr wird größtenteils von KI gesteuert, fortschrittliche Drohnen und andere Geräte sind allgegenwärtig.
Auf erschreckende Weise wird das Leben auf einem KI-gesteuerten Fischereifahrzeug geschildert, auf dem die Besatzung aus Sklaven besteht, die nie einen Fuß an Land setzen und nicht kommunizieren können. Auf einem dieser Schiffe erfährt der Fischer Eiko von seinem vietnamesischen Freund Son die Legende eines formwandelnden Seeungeheuers im Con Dao-Archipel.
Auf dem Con Dao-Archipel wurde Dr. Ha Nyguen gerade angeheuert, um eine möglicherweise empfindungsfähige Tintenfischart zu untersuchen. Einige der Gründe, die Tintenfische von einer Zivilisation abgehalten haben sind ein kurzes Leben, keine Eltern-Kind-Bindung und fehlende symbolische Kommunikation. Mit Ha auf dem abgelegenen Atoll sind nur Evrim und Altantsetseg, der rätselhafte Wächter, der eine Reihe automatisierter Verteidigungsanlagen befehligt. Der Leser lernt auch Has Fernfreund Kamran kennen, sowie das Cybergenie Rustem, die Wissenschaftlerin der DIANIMA Corporation, Arnkatia Minervudottir-Chan, und eine mysteriöse Frau, die durch eine KI-Gesichtsmaske verborgen ist und die Menschen rücksichtslos zum Vorteil von DIANIMA manipuliert. Mit „Punkt fünf“ wird ein KI-Begleiter vorgestellt, der so ausgefeilt ist, dass er Diskussionen und Argumente führen kann. Er besteht fast jeden Turing Test, und ich bin mir nicht immer sicher, wer wirklich menschlich ist.
Die Tintenfische sind nicht das, was man erwarten würde. Sie versuchen, uns zu verstehen, so wie Ha und Evrim versuchen, sie zu verstehen. Die verschiedenen Kapitel treffen buchstäblich an einem Punkt aufeinander, an dem wir herausfinden, was wirklich auf der Insel passiert, wer das Sagen hat und was die wahren Beweggründe der Hauptfiguren sind.
Gut gefallen haben mir die Auszüge aus den Büchern von Dr. Nyguen und Minervudottir-Chan, die wichtige Einblicke in das Denken und die Welt der Charaktere geben. Ray Nayler hat einen hervorragend und tiefgründigen Roman geschrieben. Mit umfangreichen Recherchen und einer furchtlosen Herangehensweise an das größte aller Themen - Bewusstsein, Empfindungsvermögen und Leben - ist ihm ein Roman gelungen, der von mir fünf Sterne erhält.

Bewertung vom 12.04.2024
The Hike
Clarke, Lucy

The Hike


ausgezeichnet

Ein Wildnisthriller, adrenalingeladen, fesselnd und unterhaltsam

"Die Berge sind brutal und gleichgültig. Ihnen ist es egal wer sich an ihren Flanken die Knochen zerschmettert. Sie kennen weder Trauer noch Freude. Deswegen zieht es so viele Menschen hierher. Die Wildnis fällt kein Urteil über sie. Hier können sie alles sein, was sie wollen."

Eine weibliche Leiche liegt am Fuße des Blafjell-Bergs in Norwegen, eine stumme Zeugin dessen, was geschehen ist.



Maggie, Liz, Helena und Joni sind vier Freundinnen, die sich jedes Jahr zu einem gemeinsamen Urlaub treffen. Dieses Jahr entscheidet Liz, wohin die Reise geht. Liz kämpft mit Eheproblemen und beschließt, dass es an der Zeit ist, eine Reise anzutreten, von der sie schon seit ihrer Kindheit träumt: eine Wanderung in Norwegen. Nicht nur Liz braucht eine Auszeit, auch Maggie, Helena und Joni fliehen vor etwas aus ihren Leben. Wanderschuhe, schwere Rucksäcke, wildes Zelten, atemberaubende Landschaften, das scheint für Liz das richtige zu sein, um den Kopf wieder freizukriegen.

Das Tempo des Romans ist anfangs langsam, nimmt aber sobald die Wanderung begonnen hat, deutlich zu. Die Atmosphäre ist sehr gut, die norwegische Kulisse sorgt für viel Stimmung und fügt dem sich entwickelnden Drama viel hinzu. Momente der Freude und Begeisterung wechseln sich mit stetig wachsender Furcht und Anspannung ab.

Der Hintergrund dieser Geschichte hat viel mit weiblicher Freundschaft zu tun. Die relativ kurzen Kapitel geben einen Einblick in die Sichtweise von Maggie, Liz, Helena und Joni. Es gibt aber auch Kapitel mit der Überschrift "Die Suche" und diese Kombination sorgt für viel Spannung. Irgendwo da draußen weiß jemand genau, warum eine Frau gestorben ist. Und in dieser tiefen, dunklen Wildnis ist der Mörder auch den Freundinnen auf der Spur.

Welche der vier ist mir am sympathischsten? Ich kann es nicht sagen. Sie sind so unterschiedlich und das trägt gut zur Handlung bei, anstatt sie zu beeinträchtigen. Dafür gibt es einige norwegische Charaktere, die unbedingt Anlass zur Sorge geben. Manchmal scheint die Zeit stillzustehen und gerade dadurch nimmt das Gefühl, dass gleich etwas Schlimmes passiert, enorm zu.

"The Hike" von Lucy Clarke ist ein Wildnisthriller, der in der wunderschönen, aber auch gefährlichen Natur Norwegens spielt. Ich fand die adrenalingeladene Geschichte so fesselnd und unterhaltsam, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Ich kann diesen Thriller, der mich von der ersten Zeile bis zum letzten Wort in seinen Bann gezogen hat, nur empfehlen. Fünf Sterne!

Bewertung vom 10.04.2024
Todschwarze Nacht
Gray, Jules

Todschwarze Nacht


ausgezeichnet

Wenn ein Buch das Prädikat Pageturner verdient, dann dieses

Das Obdachlosenmilieu, in dem dieser Thriller angesiedelt ist, hat mich neugierig gemacht. So ein Setting hat man nicht alle Tage.
Lou, seit kurzem wohnungslos, ist der eisigen Winterkälte schutzlos ausgeliefert. Als sie aus Verzweiflung eine Jacke mitgehen lässt, setzt sie eine gefährliche Jagd in Gang und gerät in das Fadenkreuz eines Killers. Doch Lou setzt sich zur Wehr und kommt nach und nach auf die Spur des Mörders.

Schon die ersten Zeilen haben es in sich. Alles ist so gut beschrieben, dass man beim Lesen die Verzweiflung und die Angst, die vor allem bei weiblichen Obdachlosen besonders groß ist, fast körperlich spüren kann. Erschreckend, und doch nicht neu, ist die bittere Erkenntnis, dass dieses Leben mit dem Missbrauch von Alkohol und Drogen Hand in Hand geht. Kaum vorstellbar, in solch einer Abwärtsspirale gefangen zu sein.

Ich rätsle gerne mit und es war spannend, wie sich die einzelnen Teile zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen gefügt haben.

"Todschwarze Nacht" hat mich gepackt und gut unterhalten. Dafür vergebe ich gerne fünf Sterne.

Bewertung vom 25.03.2024
Ein Echo aus stählerner Zeit
Lano, Ralf

Ein Echo aus stählerner Zeit


sehr gut

Zeitgeschichte trifft Krimi
Kommt mit nach Disselbach. Da haben sogar die Misthaufen Augen.

"Ein Echo aus stählener Zeit" ist ein informativer Krimi, der den Leser mit Leichtigkeit in die Eifel und ins Jahr 1946 mitnimmt. Vorstellbare Begebenheiten dieser Zeit wurden von Ralf Lano geschickt mit fiktiven Personen verknüpft. Durch den bildlichen Schreibstil und die anschaulichen Beschreibungen- nicht nur von Disselbach, sondern auch von den Menschen - bin ich schnell in der Geschichte angekommen.
Karl Bermes, der Schmied des Örtchens ist mir sehr sympathisch. Das gleiche gilt für das "Fräulein", der Lehrerin von Disselbach. Ich habe eine richtiggehende Bindung zu den Protagonisten aufbauen können.

Mit dem Tod von Karls bestem Freund Werner, der bei der Detonation einer Mine getötet wird, wird eine unheilvolle Spirale der Gewalt in Gang gesetzt. Nicht nur Kriegsheimkehrer und Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten, sondern auch undurchsichtige Fremde, die nichts Gutes im Sinn haben, kommen nach Disselbach.
In Bezug auf Erzählung, Stil und Spannungsniveau kann ich "Ein Echo aus stählerner Zeit" gerne empfehlen und vergebe vier Sterne.

Bewertung vom 06.03.2024
Der Stich der Biene
Murray, Paul

Der Stich der Biene


ausgezeichnet

Eine Familie, gefangen in einer stetigen Abwärtsspirale

Die ersten Sätze beschreiben einen Mord. Im Nachbarort hatte ein Mann seine Familie umgebracht. Als er fertig war, richtete er die Waffe gegen sich selbst. Warum? Was für Geheimnisse hat er gehabt? Affären, Sucht und versteckte Dateien auf seinem Computer? Cass' Freundin Elaine schaut die trostlose Hauptstraße ihrer Stadt hinunter und wundert sich, dass so etwas nicht öfter passiert.

Der Stich der Biene spielt in einer irischen Kleinstadt in der Nähe von Dublin. Cass gehört zu der einst wohlhabenden Familie Barnes, die von der Finanzkrise 2008 hart getroffen wurde. Zur Familie Barnes gehören Dickie, der das von seinem Vater gegründete Autohaus mit Werkstatt übernommen hat und das er leitet. Dickie hat leider kein Händchen für den Autoverkauf. Erschwerend kommt hinzu, dass Dickie nach einem Gespräch mit seiner Tochter Cass über die Umwelt seinen Kunden lieber vom Kauf eines Autos abraten würde, als ihnen eines zu verkaufen. Darüber hinaus stiehlt ein zwielichtiger Mechaniker Katalysatoren und schadet dem Ruf der Familie Barnes. Die Umsätze beginnen immer mehr zu sinken, und das Autohaus steht kurz vor dem Zusammenbruch.

Imelda, die glamouröse Mutter, ist der Meinung, dass Dickie nicht genug tut, um das Unternehmen zu retten. Sie, das einst "schönste Mädchen der vier Provinzen" beginnt verärgert ihre Besitztümer zu verkaufen, um über die Runden zu kommen.

Cass, die Tochter, hat gerade die Highschool abgeschlossen und reagiert auf die Krise mit zuviel Alkohol. Sie hofft aus der Kleinstadt wegzukommen und mit ihrer besten Freundin Elaine das Trinity College in Dublin besuchen zu können.

Ihr bekümmerter jüngerer Bruder PJ wird von einem Jungen bedroht, der behauptet, daß seine Mutter bei der Autoreparatur von seinem Vater Dickie betrogen wurde. Er verbringt seine Tage damit, mit einem Fremden Videospiele zu spielen und SMSen auszutauschen, um seine Flucht zu planen und der Misere zu entkommen.

Die Geschichte wird aus der Perspektive jedes einzelnen Familienmitglieds erzählt. Rückblenden enthüllen die frühere Armut Imeldas und wie sie mit einem gewalttätigen Vater aufwächst. Imeldas Abschnitte enthalten keine Zeichensetzung, was vielleicht ein Hinweis auf ihre mangelnde Bildung oder das Durcheinander in ihren Gedanken sein könnte. Frank, Imeldas große Liebe, kam bei einem tragischen Autounfall ums Leben. Frank war ein gutaussehender Fußballspieler - und Dickies Bruder. Imelda ist völlig durcheinander und von Trauer überwältigt, als sie an seiner Stelle seinen Bruder Dickie heiratet. An ihrem Hochzeitstag wird Imelda von einer Biene gestochen, die sich unter ihrem Schleier verirrt hat. War das ein böses Omen oder etwas wie eine Strafe, dass sie an Franks Stelle seinen Bruder Dickie geheiratet hat?

Die Rückblicke enthüllen auch Dickies alte Leidenschaften aus seiner Studentenzeit vor zwanzig Jahren am Trinity College in Dublin. Er wird von seinen sexuellen Abenteuern eingeholt, die seine geschäftlichen Sorgen noch übertreffen, als ein Erpresser droht, ihn zu vernichten. Doch anstatt seine Ängste zu äußern, baut Dickie mit Hilfe seines Handwerkers, dem Prepper Victor, einen Bunker im Wald. Es scheint, als versuche sich Dickie mit diesem Sicherheitsbereich vor negativen Einflüssen aus seiner Umgebung zu schützen.

Der Stich der Biene ist eine epische Geschichte, die 700 Seiten umfasst. Die unzähligen persönlichen Dramen der Familie Barnes sind düster und voller Widersprüche und doch auch voller Möglichkeiten. Es gibt kein eindeutiges Ende, es sei denn, man spürt, dass sich der Kreis geschlossen hat. Das zu entscheiden bleibt dem Leser überlassen.

Paul Murray hat die Vergangenheit zur Gegenwart gemacht aus deren Bann ich mich nicht entziehen konnte. Ein zum Nachdenken anregender Roman, den ich weiterempfehlen möchte.

Bewertung vom 15.02.2024
Die Influencerin
Russ, Rebecca

Die Influencerin


gut

Das Leben mit der Öffentlichkeit teilen und in die Abgründe der Social Media-Welt stürzen

Ein tolles Cover. Wie tausend Scherben, blutrot eingefärbt, glänzend und scharfkantig. Das geniale haptische Feeling beim darüberstreichen mit den Fingern lässt die kommende Zerstörung erahnen...
Auch der Klappentext klingt gut und ich habe einen spannenden Thriller erwartet.

Sarah ist eine einflussreiche Fitness Influencerin, ein Vorbild, dem man vertrauen kann. Doch als eine junge Followerin stirbt, gibt die Online-Welt Sarah die Schuld an ihrem Tod. Eine Welle aus Hass schlägt ihr entgegen und sie löscht all ihre Social-Media-Apps und verkriecht sich in ihrem Haus. Doch plötzlich erscheint ein neuer Instagram-Account in Sarahs Namen. Wer steckt hinter dem Fake-Account? Wie kann es sein, dass der Betreiber ihre persönlichen Geheimnisse kennt? Die Bedrohung wächst und macht auch vor ihrer Familie nicht halt.

Schon auf den ersten Seiten wird klar, wie Sarah die Bewunderung ihrer Follower bekam, als sie bekannte, dass sie vieles nur aufgenommen hat, weil es hip und in war und zu der Rolle passte, die sie spielte. Das hat sie bei mir einige Sympathiepunkte gekostet und mein Mitleid mit ihr hielt sich in Grenzen. Auf der anderen Seite wird gut beschrieben, wie sehr sich Sarah mit ihrem Influencer-ich identifizieren musste und wie viel Arbeit in den Posts und Stories steckt. Dazu noch der Druck, der auf Sarah lastet, dreht sich doch alles nur um Klicks und Follower. Obwohl Sarah ihr ganzes Leben mit ihrer Community teilt, schafft sie es nicht, sich den Vorwürfen zum Tod von Leonie zu stellen. Warum auf einmal so schüchtern?

Es hat eine Zeitlang gedauert, bis die Geschichte an Tempo aufgenommen hat. Die Story wird aus Sarahs Perspektive erzählt, die Kapitel wechseln zwischen ihrer Sicht und der einer ominösen Person, die sie stalked. Durch die Titelergänzung auf dem Cover "Ich folge dir. Ich verfolge dich. Ich zerstöre dich" wurden in mir Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt wurden. Sarahs Kapiteln sind Hasskommentare vorangestellt, die verletzend sind und ihr Selbstwertgefühl weiter angreifen.

"Die Influencerin" ist ein Buch über die Abgründe und Oberflächlichkeit der Social Media-Welt, bei dem die Spannung jedoch im unteren Bereich blieb. Rebecca Russ hat Sarahs Geschichte flüssig und realitätsnah dargestellt. Ich habe das Buch innerhalb von zwei Tagen gelesen und kann es als unterhaltsame Lektüre empfehlen.

Ich vergebe drei Sterne, weil ich bei einem Thriller mehr Spannung und Nervenkitzel erwarte.

Bewertung vom 04.02.2024
Gestehe
Faber, Henri

Gestehe


ausgezeichnet

Ich gestehe: einer der besten Thriller, die ich seit langem gelesen habe

Der Buchtitel "Gestehe" ist einprägsam und hat sofort meine Neugierde auf den Inhalt geweckt. Aber auch die haptische Wahrnehmung des Titels mit den feinverzweigten Blutgefäßen ließ mich immer wieder darüber streichen. Sehr gelungen!

Was macht man, wenn man als Star-Ermittler an einen Tatort kommt, der zwar die Polizei vor ein Rätsel stellt, den man selbst aber kennt? Diese Frage muss sich der Wiener Star-Ermittler Johann "Jacket" Winkler stellen. Das Opfer wurde grausam ermordet und mit einem mysteriösen Wort markiert: GESTEHE. GESTEHE ist der Titel seines eigenen, bis jetzt jedoch unveröffentlichten Romans, den bis zum heutigen Tag noch keiner gelesen hat. Oder doch? Ein neuer Fall, der es in sich hat...

Johann "Jacket" Winkler würde durch einen spektakulären Fall zur nationalen Berühmtheit.
Über den Fall hat er ein Buch herausgebracht und ist seither für das Volk ein Held, für seine Kollegen aber nur ein Showbulle.
Mir war er sofort unsympathisch. Seine Bekanntheit und die Vertrautheit mit einigen seiner Vorgesetzten erlauben es ihm, Regeln außer Kraft zu setzen. An Tatorten scheint er alle Vorgaben vergessen zu haben und inszeniert selbstherrliche Auftritte.

Zur Aufklärung des neuen Falls bekommt Jacket ausgerechnet Mohammad Moghaddam zur Seite gestellt. Für Momo, wie er zu seinem Ärger von den Kollegen genannt wird, ist dies endlich die Gelegenheit, sich zu bewähren und sich als Ermittler einen Namen zu machen. Eigentlich ist Momo ein waschechter Niederösterreicher. Sein Name (Mohammad Moga-dingsda) und seine Hautfarbe machen es ihm schwer, ohne die üblichen Vorurteile behandelt zu werden. Er ist anständig, arbeitet genau, hat eine zu ihm haltende Freundin und war mir sofort sympathisch.

Jacket macht während dem Fortgang der Geschichte eine ziemliche Wandlung durch. Vorbei ist es mit dem mir unsympathisch sein. Auch Momo wächst über sich hinaus und mausert sich zu einem selbstbewussten und erfolgreichen Ermittler.
Die Spannung ist hoch, genauso wie das mitfiebern und gieren nach dem nächsten Kapitel. Die Kapitel haben die perfekte Länge und wechseln zwischen Jacket's Sicht und Momo's Sicht hin und her. Unvorhersehbare Wendungen haben mich wie ein Blitz getroffen.

Henry Waber, oder Laber oder so ähnlich (lese unbedingt diesen Thriller um diesen Gag zu verstehen) hat sich selbst übertroffen. Für mich der bis jetzt beste Thriller von ihm.
Fünf Sterne+

Bewertung vom 14.01.2024
Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt / Die Mordclub-Serie Bd.4
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt / Die Mordclub-Serie Bd.4


ausgezeichnet

Der Donnerstagsmordclub is back and better than ever! Dieses Buch zu lesen ist eine wahre Freude

Das hätten sie sich ja denken können, die Hobbyermittler des Donnerstagsmordclubs. Ein Jahr ohne Mordfall haben sie sich zu Weihnachten gewünscht, doch nur wenig später – dahin der fromme Wunsch. Der Tote: Kuldesh Shamar, ein Antiquitätenhändler, der am Morgen nach den Festtagen unglücklicherweise in ein Drogengeschäft verwickelt wird, was er am Abend mit seinem Leben bezahlt. Von dem wertvollen Paket, das er aufbewahren sollte, fehlt jedoch jede Spur. Nicht unbedingt zur Freude der Beteiligten. Mittendrin in dieser Löwengrube aus Dealern, Fälschern und Betrügern, die dem Paket hinterherjagen, die vier Senioren aus Coopers Chase. Und sie sind wütend, denn der Tote war nicht irgendwer, sondern ein alter Freund von Elizabeths Ehemann Stephen. Zieht euch warm an, möchte man den Ganoven da zurufen - aber nicht, weil gerade Winter ist.

Die Mitglieder des Donnerstagsmordclubs sind Elizabeth - eine ehemalige Geheimagentin, Ron - ein ehemaliger Gewerkschaftsführer, Ibrahim - ein ehemaliger Psychiater und nicht zuletzt Joyce – die inzwischen achtzig Jahre alt ist. Richard Osman scheut sich nicht, die gesundheitlichen Herausforderungen darzustellen, die mit dem Älterwerden einhergehen. Auch die unvermeidlichen Verluste und die Suche nach Möglichkeiten weiterleben zu können, wenn die Liebe des Lebens stirbt. Ehrlich gesagt habe ich in diesem Buch eine der berührendsten Szenen meines Lebens gelesen, Tränen inklusive. Wenn Sie das Buch gelesen haben, wissen Sie, wovon ich spreche.

„Ein Teufel stirbt immer zuletzt" gibt aufschlussreiche Einblicke in das Antiquitätengeschäft, Kunstfälschungen, Drogenschmuggel und Online-Liebesbetrug. Die vier Senioren sind mir bereits durch die Vorgängerbände bekannt und ich mag sie sehr. Ich liebe ihre Kameradschaft, ihre Scherze und Joyces Tagebucheinträge. Der Autor lässt den Leser das Geschehen durch die Augen der verschiedenen Personen erleben, so daß sich das Lesen sehr abwechslungsreich gestaltet. Durch diese Erzählweise erfährt man viel mehr über die Handlung und bekommt Einblicke in die Ansichten der Charaktere. Es war wieder eine Freude, die fabelhaften, wenn auch alternden Mitglieder des Donnerstagsmordclubs bei ihren Ermittlungen zu begleiten. Sie bleiben auch beim überschreiten von Grenzen und beim brechen von Regeln sympathisch und authentisch, müssen sie doch ihren Freunden bei der Polizei helfen, eine ganze Anzahl von Teufeln unschädlich zu machen.

Meine Meinung: Sehr empfehlenswert. Wenn Sie Joyce, Elizabeth, Ron und Ibrahim (und vielleicht ein Neuzugang Computer-Bob?) noch nicht kennen, würde ich Ihnen empfehlen, ihre Bekanntschaft zu suchen. Ernsthaft. Machen Sie es!

Bewertung vom 21.07.2022
Samson und Nadjeschda
Kurkow, Andrej

Samson und Nadjeschda


ausgezeichnet

Historischer Kriminalroman in den Wirren nach der Russischen Revolution

Im Frühjahr 1919 kommt es in Kiew zu Unruhen, die dem jungen Samson und seinem Vater zum Verhängnis werden. Sein Vater kommt zu Tode und Samson verliert ein Ohr. Aufgrund seltsamer Umstände – dank des Schreibtisches des verstorbenen Vaters – bekommt Samson eine Stelle bei der Polizei. Obwohl er keinerlei Erfahrung besitzt, beginnt Samson ohne zu zögern sofort mit der Arbeit.
Sein erster Fall ist gleich äußerst mysteriös: ein Knochen aus reinem Silber, ein Anzug aus feinem englischem Tuch und ein rätselhafter Mordfall geben ihm Rätsel auf. Zum Glück steht ihm die patente Nadjeschda zur Seite, die ihm bei den Ermittlungen hilft und in die er sich schon bald verliebt.

Samson und Nadjeschda ist ein erbaulicher Kriminalroman vor sehr interessantem historischem Hintergrund. Das Alltagsleben in den Wirren der Russischen Revolution ist teils absurd und fantastisch dargestellt. Ich mag das Skurrile und habe die Lektüre sehr genossen.

Ich bin voller Erwartung, wie Samsons und Nadjeschdas Geschichte weitergeht.

Von mir eine Leseempfehlung und fünf Sterne.

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