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Benutzername: 
Marie
Wohnort: 
Diekhof

Bewertungen

Insgesamt 28 Bewertungen
Bewertung vom 15.03.2023
Leonard und Paul
Hession, Rónán

Leonard und Paul


ausgezeichnet

Mit viel Einfühlungsvermögen hat Rónán Hession seine Charaktere, vor allem die beiden titelgebenden Männer, geschaffen. Leonard und Paul wissen, dass sie Außenseiter sind, doch reiben sie sich nicht daran auf. Sie wenden keine Kraft auf, um „dazuzugehören“. Im Gegenteil, sie fühlen sich wohl in ihrer Haut und geben dieses Gefühl mit ihrer stillen Art auch an andere weiter. Gerade Paul, dessen Schwester Grace ihn immer wieder dazu bewegen möchte, das Elternhaus zu verlassen, um auf eigenen Füßen zu stehen, geht einfach seinen Weg. Es mag kein besonders ehrgeiziger sein, aber es ist sein Weg und der Autor zeigt, dass es dafür kein richtig oder falsch gibt.

"Es ist wichtig, dass wir die Menschen wertschätzen, so lange uns noch Zeit dazu bleibt. Vertröste sie nicht auf später. Verschiebe es nicht, weil du denkst, du kannst es ja irgendwann nachholen. (Zitat Seite 119)

In Erinnerung bleiben wird mir auch, wie wundervoll der Umgang der Protagonisten miteinander ist. Wie schön wäre es, wenn jeder Mensch dem anderen mit Freundlichkeit und Respekt gegenüber treten würde, anstatt es darauf anzulegen, den anderen zu verletzen. Hach, "Leonard und Paul" hat einfach mein Herz erwärmt. Dabei hat der Autor auch genau den richtigen Ton gefunden. Mal gefühlvoll, mal mit viel Humor erzählt er die Geschichte dieser beiden Männer, die mich am Ende mit einem Lächeln zurücklässt. Dafür braucht es auch keinen großen Spannungsbogen. Es braucht einfach viel Herz.

Fazit: "Leonard und Paul" ist eine liebevolle Geschichte um zwei Männer, die auf sanfte, zurückhaltende Art ihren Platz in der Welt finden. Ein Roman, der ohne große Spannung auskommt, aber sehr viel Herz bietet. Ein Buch wie Balsam für die Seele.

Bewertung vom 27.02.2023
Dead Romantics
Poston, Ashley

Dead Romantics


sehr gut

Ich lese selten Liebesgeschichten. Oft sind sie mir zu kitschig und seicht. Aber ab und zu habe ich Lust auf so eine leichte Geschichte und greife zu, natürlich in der Hoffnung, einen Glücksgriff zu tätigen. So einen Glücksgriff hatte ich mit "Dead Romantics". Mit Witz und einer gut geschriebenen Geschichte hat mir Ashley Poston einige vergnügliche Lesestunden verschafft. Zudem konnte mich die Liebesgeschichte dank der Geisterthematik und einiger wunderbarer Charaktere überzeugen.

Ab dem Moment, in dem Florence in ihrer verschlafenen Heimatstadt ankommt, wird die Geschichte zauberhaft. Der Bürgermeister ist ein Hund (und erledigt seine Aufgaben bestimmt auch nicht schlechter als so mancher Mensch), die Zimmer in der Pension sind nach giftigen Pflanzen benannt und Florence' Familie sorgt trotz der Trauer um den Vater für witzige Momente. Ihr gehört das städtische Bestattungsinstitut, weshalb die Familie einen besonderen Umgang mit dem Tod pflegt. Die Familie ist liebenswert und authentisch. Am emotionalsten fand ich die Momente, in denen der verstorbene Vater mit der Familie „interagiert“ und der letzte Gruß an die Tochter hat mir tatsächlich eine Träne entlockt.

"Dead Romantics" kommt natürlich nicht ohne kitschige Momente aus. Aber diese sind erfrischen spärlich gesät und oft werden sie von Ashley Poston auch gleich selbst zurechtgestutzt.

"Ich wusste gar nicht, dass du tanzen kannst“, sage ich scherzhaft. „Welche männliche Hauptfigur kann das nicht?“ (Zitat Seite 386)

Natürlich hat jeder seine eigene Kitsch-Grenze, aber da ansonsten der humorvolle Ton überwiegt, hat die Menge für mich gepasst. Ich hatte große Freude an diesem Buch und kann euch Dead Romantics als eine gespenstisch gute (ach ja, das Buch enthält einige Wortwitze Liebesgeschichte empfehlen.

Außerdem möchte ich euch unbedingt ans Herz legen, den „Hintergrund zum Buch“ (nach der Danksagung) zu lesen. Mit diesem kurzen Text hat mich Ashley Poston sehr berührt.

Fazit: "Dead Romantics" ist eine gut geschriebene romantische Komödie mit Geistern, tollen Charakteren und einigen „hach“-Momenten. Ein großes Lesevergnügen. 4,5 Sterne!

Bewertung vom 19.10.2022
Café Leben
Leevers, Jo

Café Leben


weniger gut

Was bleibt von uns, wenn wir sterben? Gibt es jemanden, der unsere Geschichte erzählt? Sich erinnert? Oder sind wir dann einfach „weg“? In "Café Leben" beschäftigt sich Jo Leevers mit dieser Frage und gibt Menschen eine Chance, ihre Lebensgeschichte in Buchform zu hinterlassen. Eine schöne Idee.

Die Idee von "Café Leben" hat mir sehr gefallen und auch die Leseprobe ließ darauf schließen, dass sich Jo Leevers Roman lohnen wird. Leider war dem dann nicht so.

Die Geschichte von Annie, die schon früh ihre Schwester verliert (der Tod der Schwester steht bereits auf dem Klappentext, also kein wirklicher Spoiler), und der stoischen Henrietta, die ihre Gefühle fest verschlossen hält, bringt so viel Potenzial mit. Leider hat es die Autorin nicht geschafft, daraus einen mitreißenden oder zumindest bewegenden Roman zu schaffen. Dabei gibt sie sich alle Mühe: Jo Leevers hat einige überraschende Wendungen in ihren Debütroman eingebaut und geizt auch nicht mit Cliffhangern.

Das Problem ist jedoch, dass der Schreibstil mich absolut nicht gepackt hat. Trotz der Prämisse ist das Buch erstaunlich emotionslos, irgendwie distanziert erzählt. Womöglich soll dieser Stil die abgestumpften Gefühle der beiden Protagonistinnen wiedergeben? Leider hat es mir als Leserin gepaart mit einem insgesamt sehr zähen Schreibstil nur ein Gefühl der Langeweile verschafft.

Es passiert sehr selten, dass ich mir beim Lesen eines Buches keine Zitate aufschreibe. Diesmal war es tatsächlich nur ein einziges, nämlich: "Mit einem Buch ist man nie allein, würde meine Mum sagen." (Seite 254)

Schön, nicht wahr? Allerdings ist dieser Satz der einzige, den ich mir notiert habe, und das heißt schon was. Das Buch war leider eine (kleine) Enttäuschung. Sehr schade!

Fazit: "Café Leben" wartet mit einer sehr guten Idee auf. Leider hat Joe Leevers diese aber recht emotionslos und mit einigen Längen umgesetzt. Enttäuschend.

Bewertung vom 27.09.2022
This Charming Man / The Stranger Times Bd.2
McDonnell, C. K.

This Charming Man / The Stranger Times Bd.2


ausgezeichnet

Im September 2021 habe ich mit "The Stranger Times" des irischen Schriftstellers C. K. McDonnell einige sehr spaßige Lesestunden verbracht. Ein Jahr später ist mit "This Charming Man" endlich die Fortsetzung erschienen und ich habe sie innerhalb weniger Tage verschlungen.

In Manchester geht es eh schon nicht mit rechten Dingen zu, wie die Mitarbeiter der Wochenzeitung "The Stranger Times" wissen. Aber jetzt treiben auch noch blutrünstige Vampire ihr Unwesen. Vampire? Die gibt es doch gar nicht. Zumindest ist es das, was Hannah, Banecroft und die anderen Mitarbeiter der Zeitung bei ihrer Recherche stets zu hören bekommen. Nur dumm, dass die Vampire das nicht wissen. Und dann will auch noch jemand Stella entführen. Ob es hier Zusammenhänge gibt?

Wie habe ich mich gefreut, wieder nach Manchester zu den lieb gewonnenen Charakteren der Stranger Times-Zeitung zu reisen. Die Mitarbeiter bestehend aus Mr. Banecroft, Hannah, Stella, Grace, Ox und Reggie sowie dem ominösen Manny, der eigentlich 2 ist, wurden alle bereits im ersten Teil ausgiebig vorgestellt, so dass sich die Geschichte diesmal auf außerhalb der Zeitung konzentriert. Die Vampirplage betrifft nämlich nicht nur die Zeitungsmitarbeiter, sondern auch eine ganze Reihe anderer Menschen, sei es Pub-Besitzer und sprechende Hunde, Polizisten oder App-Entwickler.

Da einiges an Geschichte Platz haben muss, ist "This Charming Man" auch um knapp 70 Seiten länger geworden als sein Vorgänger. Kein Nachteil, da die Fortsetzung erneut rasant und mit vielen skurrilen Ideen daher kommt. Wenn ich kurz auf hohem Niveau meckern dürfte, würde ich sagen, dass mir diesmal die Zeitungstruppe als Einheit zu wenig Raum bekommen hat. Meist sind sie in ihren eigenen Erzählsträngen beschäftigt und bewegen sich viel außerhalb des Zeitungsgebäudes. Aber gerade die Wortgefechte im Verlag gehörten im ersten Teil zu meinen liebsten Stellen.

Zum Glück verzichtet C. K. McDonnell nicht gänzlich auf die Kabbeleien und ich habe wieder Tränen über Banecroft und Co. gelacht. Dass für meinen Geschmack die Wortgefechte etwas zu kurz kamen, soll aber nicht heißen, dass ihr auf den britischen und manchmal recht schwarzen Humor verzichten müsst. Im Gegenteil: Der Autor hat ihn auch auf einige neue Charaktere ausgeweitet. Ein der Wahrheit verpflichteter Mann mit einer sprechenden Bulldogge auf einem Hausboot sind dabei meine Lieblinge.

"This Charming Man" macht riesigen Spaß. Auf jeder Seite passiert irgendwas und einmal angefangen, kann man das Buch nur sehr schwer zur Seite legen, so unterhaltsam ist es. Der Cliffhanger am Ende des Buches macht zum Glück deutlich: Das war noch nicht das Ende der Stranger Times.

Wie auch der erste Band schließt die Fortsetzung mit einer sehr humorvollen Danksagung des Autors, die dem Witz der Geschichte in nichts nachsteht. Eigentlich überfliege ich Danksagungen fast immer, aber bei dieser Reihe lohnt es sich wirklich, sie komplett zu lesen.

Fazit
Mit "This Charming Man" hat C. K. McDonnell eine würdige Fortsetzung zu "The Stranger Times" geschrieben. Ein rasantes Erzähltempo, skurrile Ideen und Charaktere sowie jede Menge britischer Humor zeichnen das Buch aus. Ich freue mich auf den dritten Band.

Bewertung vom 28.06.2022
Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. / Emer Murphy Bd.1
Getz, Kristine

Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. / Emer Murphy Bd.1


sehr gut

"Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu". (so der Langtitel des Buches) ist der Debütroman der in Colorado (USA) lebenden Autorin Kristine Getz.

Worum geht’s?
Die zweijährige Poppy und ihre Mutter Lotte sind Instagram-Stars. Lottes Mann Jens setzt die beiden in Szene, sei es für Werbekunden oder auch nur, um die Menschen an ihrem scheinbar perfekten Familienleben teilhaben zu lassen. Dann wird Poppy entführt und einige Geheimnisse kommen ans Licht. Wie viel kann die perfekte Familie aushalten?

Schöne Influencer-Welt
Lotte und Jens Wiig leben ein Leben, um das sie wohl von vielen beneidet werden. Gratis bekommen sie teure Dinge nach Hause geschickt; Hotels laden sie ein, die luxuriösesten Suiten zu bewohnen, ebenfalls zum Nulltarif, versteht sich. Dafür müssen sie nur Fotos von sich und den Dingen machen und diese mit hunderttausenden Menschen teilen. Ganz besonders viel Aufmerksamkeit bekommen die Wiigs, wenn sie ihr kleines Kind in die Kamera halten. Poppys Instagram-Popularität begann schon bei ihrer Geburt. Seitdem verfolgen die Menschen jeden Schritt der Kleinen. Dass das auch Menschen anzieht, die nichts Gutes mit dem Kind in Sinn haben, ist logisch. Kristine Getz zeigt, wie schnell aus einem Traumleben ein Alptraum werden kann.

Verschiedene Perspektiven
Die Geschichte von "Poppy" spielt an nur vier Tagen und wird mittels verschiedener Perspektiven erzählt. Hauptsächlich wird aus der Sicht der Kommissarin Emer Murphy erzählt, die wegen psychischer Probleme krankgeschrieben ist. Da sie der Fall der verschwundenen Poppy aber auch aus persönlichen Gründen mitnimmt, will sie unbedingt ihren Teil beitragen. Auch wenn darunter ihre Gesundheit leidet. Neben Emer kommen abwechselnd auch Lotte und Jens Wiig sowie Jens‘ Mutter Marie zu Wort. Vorangetrieben wird die Handlung zudem mit Auszügen aus einem Pädophilen- und einem Mama-Forum sowie durch Mails und Twitter-Nachrichten.

Tempo und Spannung
Schon ab der ersten Seite hat mich dieser Thriller gepackt. Kristine Getz schreibt tempo- und abwechslungsreich. Die Spannung baut sich durch den Perspektivwechsel auf, oft endet das Kapitel mit einem Cliffhanger. Die Charaktere sind sehr gut gezeichnet, wenn auch die meisten nicht sehr sympathisch wirken. Hier hat fast jeder eine Leiche im Keller, die im Laufe der Geschichte aber alle ans Tageslicht gezerrt werden.

Kristine Getz legt viele Fährten, schickt die Lesenden in verschiedene Richtungen und dreht am Ende noch einmal alles um. Für mich ist "Poppy" ein starkes Debüt, das ich sehr gern gelesen habe. Der Thriller ist außerdem der Auftakt um die Ermittlerin Emer Murphy. Ich bin gespannt, wohin die Reise geht.

Fazit
"Poppy" ist ein temporeicher und spannender Thriller, der jede Menge Wendungen bereit hält. Ein gelungener Debütroman.

Bewertung vom 09.06.2022
I Kissed Shara Wheeler
McQuiston, Casey

I Kissed Shara Wheeler


sehr gut

Casey McQuiston erzählt von Chloe, die kurz vor ihrem Highschool-Abschluss steht. Ihr Traum: Jahrgangsbeste werden und die Abschlussrede halten. Sie hat nur eine Konkurrentin: Die von allen – außer von Chloe – geliebte und bewunderte Shara Wheeler, Tochter des Direktors der konservativen Willowgrove-Christian-Academy in Alabama. Einen guten Monat vor dem Highschool-Abschluss verschwindet das All-American-Girl Shara plötzlich. Sie hinterlässt nur eine Schnitzeljagd aus rosa Briefen, denen Chloe zusammen mit zwei Freunden folgt.

Sharas Schnitzeljagd hat Casey McQuiston spannend und humorvoll angelegt. Die Frage, was das so beliebte Mädchen verheimlicht, trägt die Geschichte und macht "I kissed Shara Wheeler" zu einem beschwingten Leseerlebnis. Wichtige Themen werden angesprochen. McQuiston zeigt, wie schwer es queere Menschen an einer christlich-konservativen Schule und überhaupt in einer Umgebung haben, in der alles, das nicht der angeblichen Norm entspricht, im Keim erstickt wird. Gefühle werden unterdrückt, Selbstfindung in „abnormale Richtungen“ wird nicht unterstützt. Die Suche nach der eigenen Identität, die Antwort auf die Frage „Wer bin ich eigentlich wirklich?“ wird den Jugendlichen nicht leicht gemacht.

Doch im Laufe der Geschichte werden die Charaktere mutiger. Chloe muss erkennen, dass sie Shara gar nicht so sehr hasst, wie sie sich immer eingeredet hat. Der Football-Star Smith, Sharas Freund, stellt fest, dass es ihm gefällt, Make-up zu benutzen und sein einst bester Kumpel Rory kommt ihm näher als zuvor. Menschen sind eben oft nicht so, wie sie auf den ersten Blick scheinen – was natürlich auch für Shara gilt. Casey McQuiston lässt letztlich eine sehr bunte Welt in einer zunächst so grau erscheinenden Schule entstehen. All ihre Charaktere zeichnet die US-amerikanische Autorin sehr liebevoll und vielschichtig. Überhaupt hat die Autorin einen flotten Schreibstil, der "I kissed Shara Wheeler" zu einem unterhaltsamen Jugendbuch macht.

Nach so viel positiven Worten kommt nun doch noch ein „Aber“. Die Schnitzeljagd hat mir großen Spaß gemacht und die Hass-Liebe der beiden Mädchen fand ich sehr witzig. Doch je deutlicher wurde, worauf das Ganze hinausläuft, desto weniger Feuer versprühte die Geschichte. Die letzten 100 Seiten waren leider wenig mitreißend und meine anfängliche Begeisterung war merklich abgeflaut. Trotzdem kann ich "I kissed Shara Wheeler" als süße queere Liebesgeschichte empfehlen.

Fazit
"I kissed Shara Wheeler" ist eine queere Liebesgeschichte, die an einer wenig toleranten Highschool in Alabama spielt. Casey McQuistons Jugendbuch spricht wichtige Themen an und zeichnet sich durch einen schwungvollen Schreibstil aus. Zum Ende verliert die Geschichte jedoch etwas an Feuer.

Bewertung vom 04.05.2022
Verheizte Herzen
Crossan, Sarah

Verheizte Herzen


ausgezeichnet

Die Anwältin Ana ist verheiratet und Mutter zweier Kinder – außerdem hat sie eine Affäre mit Connor, einem Klienten. Gleich zu Beginn des Romans stirbt Connor und Ana erhält die Hiobsbotschaft ausgerechnet von seiner Ehefrau Rebecca. Anas Welt bricht zusammen, doch sie kann mit niemandem darüber reden. Als Testamentsvollstreckerin sucht sie daraufhin immer mehr die Nähe zu Rebecca. Ihre Trauer wird zur Besessenheit.

"Unsere gemeinsame Zeit ging immer vorbei. Uns gab es immer nur flüchtig. Alles Wichtige geschah hinter verschlossenen Türen. Nichts drang heraus." (Zitat Seite 239)

Auf gut 260 Seiten erzählt Sarah Crossan von einer heimlichen Liebe und einer Trauer, die Ana nicht nach außen tragen kann, weil niemand von ihrer Affäre mit Connor wusste. Niemand, bis auf sein bester Freund Mark, mit dem sich Ana immer wieder treffen will, um die Trauer zu teilen. Doch Mark will, dass Ana verschwindet, erst recht, als sich Ana nach und nach auch in das Leben von Connors Witwe Rebecca einschleicht.

In Rückblenden erfahren wir, wie sich Ana und Connor kennen- und liebengelernt haben. Allerdings bleibt alles recht subjektiv, da wir Anas Blick auf diese Liebe folgen. Ana ist bereit, für Connor ihren Ehemann zu verlassen. Ihr merkwürdiges Verhalten fällt zu Hause auf. Es gibt mehrfach Streit, Ana sucht sogar nach einer gemeinsamen Wohnung. Connors Gedanken bleiben hingegen im Verborgenen und seine Worte wirken auf mich wie Zugeständnisse, die er lediglich macht, damit Ana nicht für immer geht. Immer wieder vertröstet er sie, was eine gemeinsame Zukunft angeht, lässt sie sogar in einer Krisensituation im Stich. Mehr als einmal trennen sie sich, nur um wieder zusammen zu kommen.

"Ich stimmte dir zu, dass es irgendwann enden musste, fühlte mich erleichtert, dass wir nicht aufgeflogen warn. Die Konsequenzen waren ein paar verheizte Herzen, nicht mehr." (Zitat Seite 97)

Ana ist eine sehr widersprüchliche Protagonistin. Sie ist so in ihrer Trauer gefangen, die sie ganz alleine durchstehen muss, dass ich Mitgefühl empfinde. Aber wie sie sich in das Leben der Witwe schleicht, ist grenzwertig. Es wirkt auf mich, als ob Ana es Rebecca nicht direkt sagen will, dass sie eine Affäre mit ihrem toten Ehemann hatte, aber auch nicht will, dass Rebecca es nicht weiß. So stellt Ana am Ende auch selbst fest, dass sie „böse“ geworden ist.

"Es ist die Pause nach einer einfachen Frage, die den Lügner entlarvt." (Zitat Seite 227)

Erneut hat Sarah Crossan zu dem Stilmittel des Romans in Versform gegriffen, was die Geschichte schnell vorantreibt. Kein Wort, das durch Maria Hummitzsch übersetzt wurde, ist zu viel.

Emotional bedient Verheizte Herzen eine große Brandbreite, Wut und Hass wechseln sich ab mit Verzweiflung und Trauer. Die letzten Seiten haben mir die Tränen in die Augen getrieben. Besonders das Ende ist sehr ergreifend. Erstaunlich, wie großherzig einige Menschen sind.

Fazit
Eine Frau trauert um ihren heimlichen Geliebten und versinkt in Schmerz, Wut und Besessenheit. "Verheizte Herzen" ist ein Roman, der durch seinen besonderen Stil besticht und ein ergreifendes Ende bereit hält.

Bewertung vom 17.04.2022
Die sieben Männer der Evelyn Hugo
Reid, Taylor Jenkins

Die sieben Männer der Evelyn Hugo


ausgezeichnet

"Die sieben Männer der Evelyn Hugo" ist ein Buch, auf das ich mich schon lange vor der deutschen Veröffentlichung gefreut habe. Der Klappentext, in dem steht, dass es um eine Hollywood-Diva geht, die aus dem Nähkästchen plaudert, klang einfach unwiderstehlich. Schon vorab kann ich sagen, dass meine hohen Erwartungen nicht enttäuscht wurden.

Taylor Jenkins Reid Roman beginnt damit, dass die alternde Hollywood-Ikone Evelyn Hugo der eher unbekannten Journalistin Monique Grant das Angebot unterbreitet, ihre Biografie zu schreiben. Was dahinter steckt, erfährt Monique erst am Ende der vielen Gespräche. Bis dahin hört sie die Geschichte einer starken Frau, die in den 1950er Jahren die Filmwelt eroberte und Jahrzehnte ein Teil davon blieb.

"Die Sache mit Hollywood ist die: Es ist sowohl ein Ort als auch ein Gefühl." (Seite 59)

Auch wenn es der Titel vermuten lässt, konzentriert sich "Die sieben Männer der Evelyn Hugo" nicht in erster Linie auf die sieben Männer der Schauspielerin. Im Mittelpunkt steht vielmehr Evelyn Hugo selbst und je mehr sie von sich und ihren Leben preis gibt, desto interessanter wird sie. Dabei gelingt es Taylor Jenkins Reid, immer wieder neue Seiten der Schauspielerin zu zeigen. Mal bewundere ich sie, dann finde ich ihre Taten bedenklich, um dann wieder großes Mitgefühl für sie zu spüren. Das alles liest sich so flüssig und fesselnd, dass ich beinahe vergessen habe, dass es sich bei Evelyn Hugo um eine fiktive Person handelt.

"Die sieben Männer der Evelyn Hugo" wird Filmfans ebenso begeistern wie Menschen, die spannende Biographien lieben - auch wenn sie nicht auf Tatsachen beruhen. Denn die Autorin blickt nicht nur hinter die Fassade der glamourösen Filmwelt, wo Menschen sehr viel zu geben und tun bereit sind, um ihren großen Traum von einer Filmkarriere wahr werden zu lassen. Reid lässt auch Themen einfließen, die allgemeingültig sind: Es geht um Geld und Ruhm, Macht und Ohnmacht. Es geht um eine jahrzehntelang andauernde Liebe, um Verrat und um Vergebung.

"Ich war siebenmal verheiratet, und nie hat es sich auch nur halb so gut angefühlt wie jetzt. Ich glaube, dich zu lieben ist das Wahrhaftigste an mir." (Seite 421)

Evelyns große Liebe ist keiner der sieben Männer, mit denen sie verheiratet war. Und obwohl es schon recht früh im Roman offenbart wird, gehe ich nicht darauf ein, wer es ist. Diese Liebesgeschichte ist wirklich sehr berührend und zeigt einmal mehr, dass auch reiche und/oder berühmte Menschen nicht unbedingt immer machen können, was sie wollen.

Zum Ende dieser Rezension kann ich nur noch sagen, dass ich "Die sieben Männer der Evelyn Hugo" sehr geliebt habe und es euch sehr gerne ans Herz lege. Ein wundervoller Roman.

Fazit
"Die sieben Männer der Evelyn Hugo" ist eine mitreißende fiktive Biographie voller Drama, Liebe und Glamour, mit der mich Taylor Jenkins Reid ab der ersten Seite begeistert hat. Eine wunderbare Geschichte mit einer vielschichtigen, starken Frau. Eine große Leseempfehlung!

Bewertung vom 07.04.2022
Schallplattensommer
Bronsky, Alina

Schallplattensommer


sehr gut

Alina Bronsky erzählt von der 17jährigen Maserati, die alleine mit ihrer Oma in einem beschaulichen Dorf wohnt. Die Ruhe wird gestört, als eine reiche Familie in das Dorf zieht. Die beiden Söhne der Familie, Caspar und Theo, bringen Maseratis Leben vollkommen durcheinander. Und alle drei haben sie ihre Geheimnisse, die im Laufe des Sommers ans Licht kommen.

Viel Freizeit hat Maserati in diesem Sommer allerdings nicht. Ihre Oma baut geistig immer mehr ab und Maserati hat Angst, dass es jemand erfährt. Deshalb hat sie die Schule geschmissen, um quasi rund um die Uhr für die Oma da zu sein. Emotional hält sie sich verschlossen. Dennoch lässt der Surfertyp Caspar ihr Herz schneller schlagen. Zumal sich hinter seinem hübschen Äußeren und dem selbstsicheren Auftreten mehr versteckt, als Maserati zunächst vermutet. Auch der stets traurig wirkende Theo, mit dem sie viel Zeit verbringt, verbirgt ein Geheimnis.

Vielschichtiger als die beiden Jungs ist aber Maserati, die elfengleich jeden verzaubert, der sie zu Gesicht bekommt. Sie kümmert sich um ihre Oma und lässt deshalb trotz guter Noten sogar die Schule links liegen. Allerdings behandelt sie Georg, der augenscheinlich sehr in sie verliebt ist, nicht gerade freundlich. Obwohl ihre Motive verständlich sind – einfach mal ausbrechen, die Last mit einer anderen Person teilen – tut mir der Junge leid. Dann wieder ist es bewundernswert, wie sie ihr Leben meistert. Einfach war es bisher nämlich nicht.

Hin und her geht es in den Beziehungen der Jugendlichen und ständig scheint sich jemand für irgendwas zu entschuldigen. Ich gebe zu, dass ich manchmal den Durchblick verloren habe. Einige Szenen sorgten nämlich eher für Verwirrung und es schlich sich das Gefühl ein, ich wäre in einer Telenovela gelandet. Doch trotz einiger Ungereimtheiten ist "Schallplattensommer" ein guter Roman.

Das liegt auch daran, dass Alina Bronsky schwere Themen wie z. B. Selbstmord, dysfunktionale Familien oder auch Demenz einbaut, ohne dass sich die Geschichte dadurch schwer anfühlt. Im Gegenteil: Der Roman ist locker-leicht geschrieben.

Fazit
"Schallplattensommer" ist eine schöne Sommer- und Liebesgeschichte, die trotz einiger schwerer Themen locker-leicht daher kommt. Einzig die Handlungen der Charaktere sind manchmal etwas verwirrend.

Bewertung vom 20.09.2021
The Stranger Times Bd.1
McDonnell, C. K.

The Stranger Times Bd.1


ausgezeichnet

C. K. McDonnell, Pseudonym des irischen Autors Caimh McDonnell, war mir zuvor kein Begriff. Nachdem ich aber das Cover schon so genial fand und die Leseprobe mich überzeugt hat, dass "The Stranger Times" genau mein Ding ist, musste ich zugreifen. Und mein Instinkt war richtig – "The Stranger Times" ist wahrlich genial!

The Stranger Times ist eine Zeitung, die sich mit den Nachrichten auseinandersetzt, die die anderen (seriösen) Zeitungen links liegen lassen, z. B. UFO-Sichtungen, Begegnungen mit Nessi, vom Teufel besessenen Toiletten – halt das ganz normale Unnormale. Verrückt, also noch verrückter, wird es, als plötzlich die Dinge, die eigentlich nicht passieren sollten, doch passieren.

Der Chefredakteur dieses Blattes ist Vincent Banecroft, ein Typ den niemand gern als Chef haben möchte. Er brüllt ständig alles und jeden an, schießt gerne mal wahllos mit einem altertümlichen Gewehr um sich und hält nichts von Körperhygiene.

"Zu behaupten, er hätte sich wie ein verzogenes Kind aufgeführt, wäre unfair gewesen – Hannah hatte noch nie ein Kind erlebt, dass es geschafft hätte, auf so ausdauernde und kreative Weise unverschämt zu sein." (Zitat, Seite 92)

Auch deshalb (oder wohl vor allem deshalb) hat die Zeitung nur wenig Personal.

Neu dabei ist Hannah, die gerade ihrem untreuen Ehemann das Haus abgefackelt hat und dringend Geld braucht. Obwohl der Rest der Belegschaft glaubt, dass Hannah schnell die Segel streichen wird, kommt sie jeden Tag aufs Neue in die Redaktion, die übrigens in einer ehemaligen Kirche untergebracht ist.

Im Erdgeschoss steht die monströse Druckerpresse, die für den Zeitungsdruck scheinbar keine externe Energie benötigt und von einem Typ bedient wird, der außer weißer, bodenlanger Dreadlocks nichts trägt. Herz der Zeitung ist Grace, die den Empfang managt und darauf achtet, dass Banecroft nicht mehr als nötig flucht, was diesem sehr schwer fällt. Außerdem gibt es die beiden Redakteure Ox und Reggie sowie Stella, von der eigentlich niemand so richtig weiß, was sie macht und die immer zeitgleich in ihr Handy und ein Buch guckt.

Allein diese bunt gemischte Truppe sorgt schon für kuriose Szenen. Dazu kommt aber noch die eigentliche Handlung, in der ein Untier auf Menschenjagd geht, allerlei Magie im Spiel ist und noch mehr verrückte Leute auftreten. Wie die Magie funktioniert, wird nicht großartig erklärt – die Menschen fuchteln halt irgendwie mit ihren Händen in der Luft rum. Und aus irgendeinem Grund werden die Menschen in Typ 2, Typ 7 etc. eingeteilt, was aber auch nicht weiter erklärt wird. Gestört hat es mich nicht, es passt zum Stil des Buches. Außerdem gehe ich davon aus, dass es weitere Erklärungen im nächsten Band gibt. "The Stranger Times" ist nämlich als Trilogie angelegt.

Wie wahrscheinlich deutlich geworden ist, ist "The Stranger Times" ein sehr witziges Buch. Aber Humor ist ja immer so eine Sache, manche mögen es subtil, andere lieben es ins Gesicht. C. K. McDonnell ist ein ehemaliger Stand-up-Comedian und das merkt man dem Fantasy-Krimi-Roman auch an. Der Humor ist zudem very british – das sollte man mögen, bevor man zu dem Buch greift.

Meinen Humor-Nerv trifft es auf jeden Fall. Mehr als einmal fühlte ich mich an Jasper Fforde oder Terry Pratchett erinnert.

Die Wortgefechte, an denen dank seines furchtbaren Verhaltens natürlich oft Banecroft beteiligt ist, haben mir besonders gut gefallen. Ein Lob deshalb auch an den Übersetzer André Mumot. Was für ein Spaß.

Fazit: "The Stranger Times" ist ein großes Lesevergnügen. Das Buch ist ein gelungener Mix aus Fantasy und Krimi, der bis zur letzten Seite mit seinen skurrilen Charakteren und witzigen Sprüchen unterhält. Ein grandioses, weil lustiges, rasantes und einfach komplett verrücktes Buch. Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung(en).

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