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Benutzername: 
Kerstin
Wohnort: 
Rheinland Pfalz

Bewertungen

Insgesamt 55 Bewertungen
Bewertung vom 19.08.2017
Geständnisse
Minato, Kanae

Geständnisse


ausgezeichnet

„Geständnisse“ gehört zu der Sorte Bücher, die ich selbst nach Jahren, aus all der Masse der gelesenen, blind herausgreifen könnte – um zu sagen, das dieses so anders ist als all die anderen.
Ein Buch mit einer Geschichte die sich festsetzt, die hängen bleibt und der man lange hinterher denkt.

Die kleine Manami ist tot. Ihre Mutter, die Lehrerin Yuko Moriguchi nimmt Abschied von ihrer Klasse, in der sich auch die 2 Personen befinden, die Schuld tragen an dem Tod des kleinen Mädchens. Fast schon seelenruhig erzählt sie, von der Welt, den Menschen und dann von ihrem Leben. Moriguchi nimmt ihre Schüler gefangen und mich gleich mit. Sie spricht über Recht und Unrecht, von Gewalt und ihren Folgen. Zeigt Beispiele auf und kommt schließlich an den Punkt, an denen keiner mehr irgendetwas anderes wahr nimmt, als Moriguchis Anklage gegenüber den 2 Schülern. Sie weiß was geschehen ist und lässt es Revue passieren, sodass alle Schüler wissen um wen es sich dreht. Täter A und Täter B, wie sie anfänglich noch heißen, sind innerhalb weniger Seiten entlarvt. Moriguchis Worte bleiben im Raum stehen, während sie geht.

„Doch was mich wirklich schockiert, ist, dass die Mörder so gelassen dasitzen, während ich euch dies alles erzähle.“ (S. 29)

Man kann es Rache nennen, oder Vergeltung. Es würde aber auch passen Moriguchis Handlungen als perfide und gleichzeitig wohl überlegte Genugtuung zu bezeichnen. Und ich kann es sogar nachvollziehen. Sie nimmt alle gleichermaßen mit in eine Art Experiment. Wie werden die Mitschüler sich verhalten? Wird es Übergriffe geben? Wer stellt sich auf welche Position und wer schreitet ein? Es läuft wohl nicht ganz so, wie sie es sich vorgestellt hat und doch bleibt alles in Bewegung.

Ich habe der Polizei nichts gesagt, weil ich der Justiz nicht zutraue, sie angemessen zu betrafen.“

In den insgesamt 6 Kapiteln erfährt man aus unterschiedlichen Perspektiven was geschehen ist, vor, während und besonders nach Manamis Tod. Vollkommen unterschiedliche Personen erzählen ihre Sicht der Dinge und wie sich alles entwickelt hat. Was für Konsequenzen diese eine Tat nach sich zieht und wer denn nun alles in was verwickelt ist.

Moriguchi hat gut geplant, das wird einem im Laufe der Geschichte klar. Diese so gebildete Frau, immer ruhig und genügsam, zuvorkommend und freundlich, hat aus dem Bauch heraus und doch auch mit dem Kopf einen Handlungsstrang gewoben, dem man sich nicht entziehen kann.

Wie gern wäre ich aus dem Sumpf herausgeklettert und weggelaufen. Irgendwohin, wo mich keiner kennt.“ (S. 185)

Was mich sehr angesprochen hat, ist wie die Mentalität, stellvertretend durch die einzelnen Charaktere, herüber kommt. Japan ist weit weg und doch war ich dort, vor Ort, mittendrinnen. In den Traditionen und Sitten. In den Köpfen der Menschen und auch wenn nicht alle Handlungen nachvollziehbar sind, war es sehr deutlich beschrieben warum es genauso kam.

Wer trägt Schuld? Der Einzelne? Die Gesellschaft? Die intakten oder zerborchenen Familien? Der Leistungsdruck oder der Wunsch nach dem ganz großen? In „Geständnisse“ wird abgerechnet, gnadenlos und bitterböse. Ohne Rücksicht auf Verluste und derer gibt es zur Genüge. Dabei wird die Rolle der Mutter nicht nur durch Moriguchi wiedergegeben, denn es gibt noch viele andere und nicht alle sind die Schuldlosen.

Nüchtern aber nicht gefühlskalt, so kam mir diese Reise vor. Ein literarischer Hochgenuss auch wenn es bitterböse war.

Rezension verfasst von © Kerstin

Bewertung vom 13.07.2017
Targa - Der Moment, bevor du stirbst / Targa Hendricks Bd.1
Schiller, B. C.

Targa - Der Moment, bevor du stirbst / Targa Hendricks Bd.1


sehr gut

Targa ~ ein außergewöhnlicher Name. So außergewöhnlich wie die Frau, die diesen Namen trägt. Einst ein Findelkind, deren Zwillingsschwester immer in ihrem Herzen lebt und in ihrem Kopf. Eine Undercover-Ermittlerin, die bis an die Grenze geht und dabei nichts, absolut nichts verspürt, denn Targa ist emotionslos. Weder Angst noch Freude kann ihre Sicht auf die Welt trüben. Eine Frau voller Zwänge und Ticks aber intelligent und vorausschauend. Sie sieht und hört Dinge, die andere gar nicht wahrnehmen und genau das macht sie so gut und so gefährlich.

„Weil andere Menschen ein Privatleben haben, Targa. Nicht wie du.“

Das Buch um Targa Hendriks ist sehr gut gegliedert und bereits der Prolog macht enorm neugierig. Insgesamt 3 Teile, jedes mit vielen angenehm langen (oder kurzen) Kapiteln, führen einen als Leser in Targas Welt. In den Wohnwagen, an den See, zu ihrer Adoptivmutter und zu ihrem besonders gefährlichen und neuen Auftrag. Es gilt einen Serienkiller zu überführen. Sein Name ist bekannt, von Anfang an, doch hat man keinerlei Beweise gegen diesen Mann. Targa soll nun ermitteln, hautnah, etwas das sie eigentlich gar nicht kennt und doch gibt sie sich diesem Fall hin. Hier bekommt Targas Eisblock, der ihr Herz umschließt, in dem all die Emotionen verborgen sind, erste Risse, denn sie kann sehr wohl fühlen – Liebe oder Zuneigung und die schlägt um, in Wut und Hass.

„Aber gestern bin ich das erste Mal mit ihm ans Ende der Nacht gereist.“

Falk Sandmann ist der zweite im Buche – der Killer mit einer makabren Vorstellung was die letzten Sekunden im Leben oder eben dem Sterben angeht. Targa wird auf ihn angesetzt und sie kann durch ihr Verhalten und ihre Eigenarten sehr schnell einen Zugang zu diesem charismatischen Mann bekommen.
Schon der Name Sandmann empfand ich als sehr gelungen – der Traumbringer der junge Frauen „hinüberführt“ und mit einer unbändigen Gier alles wissen will was den Übergang zwischen Leben und Tod hergibt. Dafür geht er sehr weit – viel zu weit.

Bei diesen Charakteren braucht es kaum weitere und doch hat das Autorenduo noch einen sehr prägnanten eingebaut. Carlos Schmidt, ein extrem gefährlicher, in Sicherheitsverwahrung einsitzender Mann. Er weiß viele Dinge über Targa und steht mit ihr in Kontakt.
Bei allen geht es um die Vergangenheit, um Trauma, um Verarbeitung, um Gewissheit und auch um Rache. Selbst Targas Chef, Volker Lundt, Leiter der Sonderabteilung K2, ist involviert – ob er will oder nicht.

„Es gibt immer einen dunklen Punkt in der Vergangenheit, der uns zu dem macht, was wir sind.“

Die Story ist sehr spannend auch wenn man weiß wer der Killer ist. Aber es ist dieses Beobachten wie Targa sich an ihn heranmacht, welche Gedanken sie und ihn begleiten und wie beide zusammenkommen oder eben nicht? Ich fand es sehr gelungen, wie diese so scheinbar emotionslose Frau doch irgendwann Gefühle zeigt. Wer keine Liebe empfinden kann ist durchaus in der Lage Hass zu spüren? Und irgendwie hängt beides zusammen und das eine ist ohne das andere nicht möglich?

Als Kritikpunkt möchte ich eben diesen Carlos vorbringen. Er hat mich sehr fasziniert. Je mehr über ihn erzählt wurde umso mehr wollte ich wissen. Doch dann wurde Carlos zu schnell abgehandelt und alles verlor sich in einem viel zu schnellen Showdown. Auch bei Sandmanns Vergangenheit hätte ich mir viel mehr Informationen gewünscht.

Das Ende von „Targa“ schreit, genau wie ich, nach einer Fortsetzung und ich hoffe sehr das Barbara und Christian Schiller mit vielen neuen und guten Inspirationen in den 2. Band gehen. Ich komme gerne mit, denn es gibt so viel das ich noch über diese Frau wissen möchte.

Sehr lesenswert – ein schneller Stil und außergewöhnliche Charaktere haben für gute Unterhaltung gesorgt.
Nur das mit „Hund“ hab ich dem Autorenduo sehr übel genommen

Bewertung vom 09.06.2017
Sie sind da / Die Brut Bd.1
Boone, Ezekiel

Sie sind da / Die Brut Bd.1


gut

Ich schwöre bei Gott, wenn ich von irgendjemanden das Wort ‚ Zombies‘ höre, lasse ich ihn vom Secret Service in den Rosengarten abführen und dort standrechtlich erschießen. „

Keine Panik – es kommen keine Zombies in diesem Buch vor, eklig wird es trotzdem und zwar so richtig kribbelig iiiieh und bääääh. Deshalb würde ich ein Lesen in hermetisch verriegelten Räumlichkeiten empfehlen. Es könnte sonst zu Panikattacken kommen, wenn sich irgendein achtbeiniger Zeitgenosse so langsam, aus dem Augewinkel wahrgenommen, am abseilen ist

Bewertung vom 01.06.2017
Ragdoll - Dein letzter Tag / New-Scotland-Yard-Thriller Bd.1
Cole, Daniel

Ragdoll - Dein letzter Tag / New-Scotland-Yard-Thriller Bd.1


sehr gut

Detective William Oliver Layton-Fawkes ist schon ein sehr seltsamer Zeitgenosse. Wolf wird er genannt und das passt auch – einsamer Wolf hätte es wohl noch besser getroffen.
Seine Geschichte, die anfänglich Häppchenweise erzählt wird, ist traurig und doch hat mich dieser Kerl immer wieder zum Schmunzeln und ja, auch zum Lachen gebracht.
Aber Obacht – Wolf ist nicht lächerlich, kein Stück sogar. Sondern ein sehr ernsthafter und ernstzunehmender Zeitgenosse.
Kennt man erst einmal alles aus seinem Leben und seiner Vergangenheit, kann man sehr vieles nachvollziehen – auch wenn man es nicht gut heißt.

Die Ragdoll – eine Flickenpuppe – zusammen „gebastelt“ aus menschlichen Einzelteilen und grotesk in Szene gesetzt, eröffnet quasi die Jagd auf einen Killer oder besser gesagt auf die nächsten Opfer. Denn diese stehen bereits fest und Wolf ist der Letzte auf dieser Liste. 6 Personen, deren Namen feststehen und nun einer nach dem anderen in Gewahrsam genommen werden müssen, um nicht als nächstes Opfer zu landen. Pech nur wenn alles schief geht und der Killer immer einen Schritt der Polizei voraus ist.

Kein Buch für schwache Nerven, denn es zerrt, sehr sogar, an den Nerven. Zum einen, da es wirklich grausame Taten sind die seitens des Killers begangen werden. Zum anderen, da es einen durch die Seiten treibt, weil man es ja doch einfach wissen muss – dieses Drumherum und wie alles zusammen hängt und wer dieser elende Kerl ist.

Was allerdings enorm auflockert sind diese Typen im Buch. Wolf natürlich vorneweg. Er ist, gelinde gesagt, nicht ganz ’normal‘. Ein ehemaliger Fall hat ihm schwer zu schaffen gemacht und all diese damit verbundenen Erlebnisse werden hier aufgearbeitet. Was ihn ausmacht ist sein Humor, sehr trocken, sehr britisch, sehr schwarz und das er selbst weiß, wie er tickt oder eben auch nicht.

Die weiteren Protagonisten sind ebenfalls gut dargestellt und besonders mit Baxter würde ich niemals im Auto mitfahren, die eine Tour hatte bei mir schon für Schnappatmung gesorgt. Genial gelungen, solch eine Szenerie so zu beschreiben, dass ich obwohl auf dem Sofa sitzend, die Halterung suchte um mich festzuhalten.

Edmunds, der Neue im Team, irgendwann erfährt der aufmerksame Leser auch seinen Vornamen

Bewertung vom 20.09.2016
Am Ende aller Zeiten
Walker, Adrian J.

Am Ende aller Zeiten


sehr gut

Edgar (Ed) Hill hat Recht – man kann aber muss nicht alles glauben. Jeder hat seine eigenen Geschichten und ob sie so erlebt wurden, wie erzählt, ist alles eine Frage der Auslegung.
„Ich kann mir denken, dass ihr skeptisch seid. Und dass diese Skepsis eure eigene Version der Wahrheit ist. Aber jeder sucht sich seine Wahrheit selbst aus; wir entscheiden selbst, was wir glauben. Jeder Glaube ist eine Sammlung von Geschichten..“(Buch Seite 428)
„Am Ende aller Zeiten“ ist ein Buch aus dem Fischer Verlag, Kategorie Dystopie – viel Endzeit, etwas Science Fiction und ganz viel Glauben (nicht unbedingt in religiöser Hinsicht). Ein Buch mit einer Geschichte die stellenweise richtig unter die Haut geht, sehr berührt und hier und da erschrickt. Endzeit ohne Mutanten und Monster aber mit ganz vielen Menschen die zu Monstern und Unmenschen mutieren. Wobei – so viele Menschen sind es gar nicht, aber diejenigen die auftauchen sind schon besonders – mutig, böse, anders – Überlebenskämpfer die nur für sich unterwegs sind oder für jemanden der ihnen am Herzen liegt.
Edgar Hill ist das Vorzeigebespiel eines selbstgerechten und bequemen Familienvater. Ein unsympathischer Typ, nicht weil er böse oder niederträchtig ist sondern einfach nur faul. Er trinkt zu viel Alkohol und lässt seine Frau mit den 2 kleinen Kindern meistens alleine. Er mag weder sich noch die Welt im Ganzen. Da kommt ihm der Weltuntergang ja fast schon recht, zeigt sich ihm doch erst dadurch, was ihm wichtig ist. Nach etlichen Asteroideneinschläge ist das Land zerstört, verwüstet und verbrannt. Die wenigen Überlebenden machen sich auf den Weg zu einer entfernten Stadt an der Küste, dort warten die Schiffe, sagt man, um alle wegzubringen, aus England hinunter nach Kapstadt. Eds Familie ist bereits vor Ort und so macht er sich auf den Weg, 500 Meilen durch dieses Land, aber die Zeit wird knapp und es lauern viele Gefahren.

„Aber es gab nichts mehr zu tun, außer loszugehen.“(Buch Seite 145)
Diese Geschichte beginnt mit dem Ende. So wie es Ed erlebte, ungeschönt mit all der Tragik dahinter. Die Zerstörung, die Angst, die Menschen beim Versuch irgendwo heil unterzukommen. Ein sehr prägnater Einstieg der auch immer wieder in Eds Vergangenheit abdriftet, da Ed sich erklärt, seine Verhaltensweisen, seine Überlegungen und den Versuch seiner Familie und sich selbst gerecht zu werden.

Der Autor Adrian J Walker hatte einen für mich sehr eingänglichen Schreibstil. Es war eine unheimliche Spannung die sich aufbaute und im Laufe des Buches immer mehr zunahm. Mir gefiel dass Edgar nicht alleine los marschierte, sondern ein Team zur Seite bekam. Alles sehr unterschiedliche Menschen, die aber neben dem Überlebenskampf aufgrund dieser Katastrophe auch noch ihre eigenen persönlichen Schatten mit sich herumschleppten.

Im Buch begegnet dieses Team immer wieder mal anderen Überlebenden, alles sehr suspekte Männer und Frauen, die einen wirklich das Fürchten lehrten aber auch so mancher der einen sehr positiven Eindruck hinterlies. Allesamt großartig in ihren Darstellungen. Gloria, fast noch ein Kind hatte mich dabei am meisten begeistert, wenn man das so nennen kann, aber sie wird mir lange Zeit im Gedächtnis bleiben.

Zwischendurch hatte ich mal einen Durchhänger, da mir ein Abschnitt sehr klischeehaft vorkam und zum kompletten Teil der Geschichte davor und danach nicht wirklich passte. Ich sag nur Jenny Rae!
Zwei Themen sind ausschlaggebend in diesem Buch – das Glauben und das Laufen. Beides kommt in all seinen Variablen zum tragen und ist der (doppelte) roten Faden der das Buch durchzieht.
Kurze Kapitel, jeweils mit einer Überschrift versehen, führen einen durch dieses zerstörte Land und Eds Leben.
Eine Geschichte die mir, bis auf oben genannten Abschnitt, sehr gut gefiel und mich unterhalten hat. Grausam, aber eher zwischen den Zeilen ~ Kopfkino. Sehr eindrucksvoll beschrieben und mit vielen nachdenklich stimmenden Situationen. Manchmal sogar zum heulen schön.

Bewertung vom 07.04.2016
Endgültig / Jenny Aaron Bd.1
Pflüger, Andreas

Endgültig / Jenny Aaron Bd.1


ausgezeichnet

Manche Gaben werden einem in die Wiege gelegt, andere dagegen muss man sich bitter erkämpfen.
Durch Schweiß und Blut, eiserne Disziplin und Mut, mit Hilfe eines strengen Lehrers oder alleine durch den eigenen Willen. Jennifer Aaron, die Hauptprotagonistin in diesem Buch hat all dies erfahren.

Aber erstmal kurz zur Story:
Aaron war Polizistin, eine gute sogar, doch dann ging bei einem Einsatz etwas schief. Die Folge für sie katastrophal - als Blinde aus der Rehabilitation entlassen schaffte sie ihren Weg zurück. Nun ist Aaron Verhörspezialistin und wird abberufen den Mann zu sprechen, der als vermeintlicher Täter eine Psychologin ermordet haben soll. Doch Aaron kennt diesen Mann, hatte bereits mit ihm zu tun und lässt Zweifel an seiner Schuld aufkommen. Jemand anderes muss dahinter stecken. Eine Person die Aaron kennt, eine Person die Rache nehmen wil. Warum? Wofür? Kann eine Blinde den Kampf gegen einen skrupelosen Menschen gewinnen?

"Endgültig" von Autor Andreas Pflüger, erschienen im Suhrkamp Verlag, ist ein Thriller der Extraklasse.
Eine Geschichte die unter die Haut geht, die man liest und gleichzeitig spürt. Eine Geschichte die eher leise als laut ist und doch immer wieder an den richtigen Stellen mit einem gewaltigen Knall in die nächste Runde geht.
'Zwischen Worten tasten. Das Verborgene erfühlen. Dem Schall von Lügen lauschen.' (Buch Seite 87)

Ein Satz der sich mir besonders einprägte war 'Wartet bis die Blinde ihn gesehen hat'.
Wie sollte ein blinder Mensch etwas sehen? Aaron hat gezeigt wie es geht. Sie 'sieht' Dinge, die entstehen durch Geräusche. Ein Windhauch, ein Schall, ein fehlendes Wort oder eines das zu viel ist. Damit kann sie ihr Gegenüber einschätzen und sondieren und liegt meistens genau richtig. Ihr Gespür ist ist so ausgeprägt dass jede Lüge einen eigenen Ton bekommt und den kann Aaron hören.

Dem Autor ist es auf eine großartige Weise gelungen seine Protagonistin darzustellen. Verletzlich aber keinesfalls hilflos. Sehr gewissenhaft, nachdenklich und mit einem herzlichen Wesen. Dabei hat er es aber nicht übertrieben und keine Superwoman geschaffen, sondern eine Frau die durchaus leidet, hadert und letzendlich das tut was sie irre gut kann - fühlen, mit allen Sinnen.
Hier hat der Autor nicht einfach drauflos geschrieben, dafür sind all die Schilderungen zu präzise. Eine sorgfältige Recherche zum Thema Blindheit muss hier maßgeblich mit eingeflossen sein.

Durch den Schreibstil lässt der Autor alles für sich sprechen. Die Beschreibungen von Orten und Begebenheiten sind immer durch Dinge wiedergegeben die z.B. anhand von Gerüchen und Geräuschen erkennbar sind. Aarons Welt mag dunkel sein aber sie ist keine Stück langweilig, sondern so voller Dinge die vielleicht nur gehört, gerochen oder gefühlt werden wollen.
Mal abgesehen davon, die ganze Geschichte ist voller Geheimnisse und einer Spannung die ein kribbeln verursacht. Was habe ich mit und um Aaron gefürchtet.

10 Dinge die ich an diesem Buch mag:
Aaron - weil sie so verletzlich scheint und dabei einfach nur stark ist
Marlowe - weil er sich auch in mein Herz gestohlen hat
Pavlik - weil er ein echter Freund ist
das Cover - weil es so unscheinbar wirkt
der Plot - weil er so genial konstruiert ist dabei aber nicht konstruiert wirkt
Aarons Papa - weil er der Lehrer, der Drillmaster, der Freund war
Boenisch - weil er so ein Waschlappen ist
Niko - weil ich mich nicht in ihm geirrt habe
Holm - weil ich zu ihm nichts sagen werde (selber lesen)
das Buch - weil es einfach genial ist.

Vielleicht solten wir öfters mal die Augen schließen, für einen kurzen Moment nur und versuchen zu erspüren was um uns herum ist.
Damit wir auch die Dinge wahrnehmen die uns selbstverständlich sind aber eben doch besonders.
Absolut begeistert vergebe ich 5 von 5 Sternen plus einen extra da das Thema um die blinde Aaron bei mir kein Stück Mitleid hervorruft sondern ausschließlich Respekt.
c)K.B. 03/2016

Bewertung vom 06.04.2016
Der letzte Pilger / Kommissar Tommy Bergmann Bd.1
Sveen, Gard

Der letzte Pilger / Kommissar Tommy Bergmann Bd.1


ausgezeichnet

Diese Art der Kriminalromane fesselt mich immer.
Skandinavisch, mit Einblicke in die Zeit des 2. Weltkrieges und den Folgen für die Gegenwart.
Widerstandskämpfer, Soldaten, Agenten und dazwischen die Menschen die eben irgendwie dazwischen geraten sind.
"Der letzte Pilger", von Autor Gard Sveen, erschienen bei List, einem Verlag der Ullstein Buchverlage, ist mit seinen 539 Seiten ein komplexes Werk um Verrat und Rache.

4 Teile umfasst das Buch, jeder davon in einzelnen, wechselnden Kapiteln unterteilt, in denen man als LeserIn zwischen den Jahren 1942-1945 und 2003 eine Geheimnis auf die Spur kommt, das gleichermaßen fasziniert wie erschüttert.

Aber erst einmal kurz zur Story
Das Jahr 2003:
Die Überreste von 3 skeletierten Menschen werden durch Zufall in der Nordmarka/Norwegen gefunden.
Fast zeitgleich wird ein alter Mann, ehemaliger Widerstandskäpfer und Politiker wie in einem Wahn niedergemetzelt.
Tommy Bergmann beginnt in beiden Fällen zu ermitteln, ahnt er doch das alles irgendwie zusammenhängt.
Die Jahre 1942-1945:
Eine Zelle des Widerstands in Schweden agiert im geheimen und schleust eine Frau in die Kreise der gehobenen Gesellschaft um so an Informationen zu kommen. Agnes Gerner ist sich der enormen Gefahr in die sie sich begibt klar und doch kann sie gar nicht anders.

Mir gefielen diese Protagonisten, die vielleicht auch gerade wegen ihrer Schwächen so normal und gleichzeitig so stark wirken. Sie geben der Geschichte ihre Gesichter.

Der Ermittler Thommy Bergmann ist aufgrund der Tatsache das 1 Kind unter den gefundenen Toten ist, sofort mit Herz und Seele dabei. Er will den 3 Unbekannten einen Namen, ein Gesicht, eine Geschichte geben. Dabei erfährt man auch viel über ihn selbst, seine privaten Probleme, denen er sich durchaus bewusst ist.
Man lernt einen verbissenen, gut überlegenden und agierenden Mann kennen, der tief gräbt, die richtigen Hinweise erkennt und so die Geschichte der 3 Toten Stück für Stück offenbart.

Die Agentin Agnes Gerner, eine junge Frau inmitten der Kriegswirren kämpft ebenfalls gegen ihre Schwäche, die - wie sollte es anders sein- Liebe. Tagtäglich in Gefahr enttarnt zu werden erlebt man ihre Ängste und Emotionen und nähert sich Seite um Seite der Gegenwart.

Der Autor hat viele Protagonisten geschaffen, die gerade zu Beginn des Buches, in wichtigen und ausschlaggebenden Rollen platziert sind und mich direkt in die Geschichten der Geschichte hineingezogen haben.
Was ist wichtig, wer ist wichtig? Wie hängt dieser fast 60 Jahre zurückliegenden Fall mit dem der Gegenwart zusammen? Wer hat solch einen Hass verspürt?

Der Schreibstil war sehr angenehm, hier und da Belanglosigleiten aus dem Leben Bergmanns. Ein paar Bier hier und da weniger hätten es auch getan, aber er passte einfach zu gut da hinein.

Die Stimmung im Buch ist eine gelungene Mischung aus Spannung, Mitgefühl, Furcht um oder wegen dem ein oder anderen Protagonisten und einer stellenweise sehr bedrückenden und beklemmenden Stimmung, da man dachte 'dass kann nicht gut ausgehen'. Eine Vorlage zum Blockbuster!

Mich hat die Geschichte sehr gut unterhalten und zu Rückschlüssen und eigenen Überlegungen animiert. Erst ab Seite 500 hatte ich diesen Aha-Effekt, als ich dachte 'jetzt weiß ich es'.
Das gelingt bei weitem nicht jedem Autor. So lange habe ich mit Bergmann gerätselt und als es alles klar war, hat es mich doch so ein bisschen umgehauen.

Ein Buch das ich beende und mir dann trotzdem noch lange nachgeht hat 5 von 5 Sternen verdient.
c)K.B. 03/2016

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