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Isa.Literature.Love
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Bewertungen

Insgesamt 199 Bewertungen
Bewertung vom 19.03.2025
Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken
Lorenz, Sarah

Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken


sehr gut

»Von dir habe ich auch den weisesten aller Sätze gelernt: Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond.« Elisa an Mascha✨(S. 186)

Bei diesem Roman fängt es unmittelbar mit diesem so schönen, poetischen und passenden Titel an: »MIT DIR DA MÖCHTE ICH IM HIMMEL KAFFEE TRINKEN« ist das Debüt von Sarah Lorenz @buchischnubbel. Und poetisch wird dieser Roman auf mehreren Ebenen: (1) als Liebeserklärung an die verstorbene Dichterin Mascha Kaléko (1905-1975) 💌 und (2) dieser poetische, zarte, ruhige, sprachlich pointierte, feinfühlige Erzählton, der aber eben auch schonungslos davon erzählt, was es heißt, als ›Systemsprengerin‹ (130) zu gelten. Oder anders gesagt: Als Teenie in der harten, patriarchalen, Sucht-abhängigen Punk-Szene Zuflucht zu suchen. Und das sagt auch schon einiges über dieses Leben, wenn dort Zuflucht gesucht wird. Mascha an ihrem Grab besuchend, blickt Elisa auf Ihr bisheriges Leben und ihren Lieben zurück. Sie erzählt Mascha von großen & kleinen Lieben, von Brüchen, Aufbrüchen, Neuanfängen, Sucht & Sehnsüchten, kalten und wärmeren Zeiten, von dem Sich-neu-Erfinden, vom Grenzen setzen und dieser einen Liebe, die ihr verschlossen worden ist. 💔

»Unglaublich, wie viel Gegenwart man aushalten muss, bis sie Erinnerung wird.« (S. 135)

Jedes Kapitel beginnt mit einem Gedicht von Mascha. Der teilweise starke Kontrast zum Kapitelinhalt hebt sowohl das Gedicht als auch den Inhalt noch einmal anders hervor — was für eine wunderschöne Symbiose. 😮‍💨 Und genau das macht dieses autofiktionale Buch, diese Story so aus: Die Gleichzeitigkeit von schöner Poesie, Sprache und Worten neben dem knall-harten Leben mit Drogenexzessen, traumatischer Kindheit, einer abwesenden Mutter, Einsamkeit, Liebe, Verlust, der Suche nach sich selbst & Zuhause, von Reetdachhäusern, Beziehungen, Buchhandlungen und Büchern. Immer wieder der Liebe zu Büchern.

»Das ist wirklich eine große Liebe, eine, die mich noch nie enttäuscht und alles eingelöst hat. Die Liebe zu Büchern.« 💖 (S. 181)

Und so ist es doch ein ›Roman d’amour‹ (S.56) geworden: Über die Liebe zum Leben, zu Büchern und Mascha. 💘 Und das ist so viel größer, als über DIE eine Liebe zu schreiben, oder nicht? So oder so: Ein Buch, das Mut schenkt, und zeigt, dass das Leben immer neue Wendungen nimmt — egal, wie hart, unfair, kalt es zwischendurch sein kann. Danke Sarah für diese schöne, traurige, erschütternde, berührende, empowernde Geschichte. 🩵 Das Buch hallt lange nach, und hat mich sehr berührt 😭


[CN: verbale/physische/exualisierte Gewalt, Suizid, Abtreibung]

Bewertung vom 19.03.2025
Wenn wir lächeln
Unterlehberg, Mascha

Wenn wir lächeln


sehr gut

»Dafür machen wir das doch alles, oder, Jara? Oder hast du dich nicht, als du neun warst, beim Fußball angemeldet, damit dich ein paar Jahre später irgendwelche Typen mit Flaumbart sexy finden? Das ist doch das schönste Kompliment. Dass jetzt irgendein Moritz darüber nachdenkt, wie du in Fußballschuhen aussiehst.« (S. 125)

»WENN WIR LÄCHELN« ist der Debütroman von Mascha Unterlehberg und was ist das bitte für ein krasser Page Turner 🔥Die kurzen Abschnitte, fragmentarische Erzählweise und Zeitsprünge/Rückblicke/Gedanken haben mich komplett in den Strudel dieser intensiven Sisterhood gezogen und nicht mehr losgelassen.

Schwestern so nennen sich Anto und Jara, die sich mit 13 Jahren kennenlernen und schnell so close werden. Anto lebt das Leben in den Vollen: Geht bis an ihre Grenzen (oder eher darüber hinaus?), ist extrem selbstbewusst, abgeklärt, sarkastisch, feministisch und weiß, was ganz genau, was sie will und viel wichtiger: Was sie NICHT will. Damit ist sie einerseits ein krasses Vorbild für Jara, auf der anderen Seite steht der Klassismus deutlich zwischen ihnen. Das macht sich in vielen Details bemerkbar, auch wenn Jara versucht, darüber hinweg zu sehen. Zusammen machen sie ihre ersten Erfahrungen mit dem Patriarchat, toxischer Männlichkeit, Alkohol und Boys. ›Us against the world‹ und ›Hoes before Bros‹ ist das Motto dieser immer intensiveren und alles verschlingenden Sisterhood zwischen Jara und Anto. Als Jara auf das Gymnasium wechselt und Anto in der Eisdiele nebenan jobbt, weil sie sich diese Auszeit leisten kann, ändert sich dennoch nach und nach alles für die beiden. Warum — lest es selbst.

»musst du nachsitzen, schreibt Anto, weil dann respekt und sonst wo steckst du.« (S. 125)

Am Anfang des Romans steht bereits die Frage: Ist das für Anto alles nur ein Scheiß-Spiel? Für Jara, aus deren Sicht wir diese intensive Story lesen, ist es das auf jeden Fall nicht. Nach und nach erfahren wir, wieso Jara auf einer Brücke steht und Anto in der dunklen Ruhr sucht.

»Irgendwann, das nehme ich mir fest vor, werde ich auch so eine Frau sein, die Ansagen macht, und niemand wird sich trauen, mir zu widersprechen.« (S. 111)

Der Roman wirft einen in die eigene Teenie-Zeit zurück: Girlhood (und silberne BFF-Ketten 🩶); als Longchamp-Taschen cool waren; die Struggle, um Coolness in der Schule; Partys; Unsicherheiten als Teenie und so vieles mehr. Diese Gefühle werden extrem gut transportiert und besonders der Erzählstil machen diesen Roman aus. Dennoch sind am Ende viele offene Fragen geblieben, die sicherlich teilweise gewollt sind, aber schon auch unbefriedigend sind. ALL IN ALL: Ein sehr guter Read, der für mich die jüngere Schwester von »Die schönste Version« sein könnte.



[3.5/5 ☆]

CN: Alkoholmissbrauch, sexueller Übergriff, Gewalt

Bewertung vom 11.03.2025
Erdbeeren und Zigarettenqualm (eBook, ePUB)
Docherty, Madeline

Erdbeeren und Zigarettenqualm (eBook, ePUB)


weniger gut

»Du hast dir bislang nicht erlaubt, darüber nachzudenken, was mit eurer Beziehung geschehen mag, wenn ihr älter werdet. Du würdest gern glauben, dass sich nichts ändern wird oder dass die Dinge sich so ändern, wie du es gern hättest, aber dir ist bewusst, dass Variablen, die außerhalb eurer Kontrolle liegen, euch auseinanderreißen werden. Ganz gleich, was aus euch beiden wird, Ella wird es gut gehen.« (S. 44)

In »ERDBEEREN 🍓 & ZIGARETTENQUALM 🚬 « verarbeitet die Autorin Madeline Docherty ihre eigenen Erfahrungen mit Endometriose und Coming-of-Age aka dem Frausein / Frau werden. Ich weiß nicht, wie viel von der Story autobiografisch / autofiktional ist. So oder so finde ich die Story sehr wenig reflektierend von der Protagonistin und mir fehlt die deepere Message, auch wenn ich das Ziel, Endometriose literarisch zu verarbeiten und Visability zu geben, sehr verstehen kann. Ja, wir sollten dringend alle mehr über Endometriose reden und allgemein chronische Krankheiten vom Schweigen befreien.

Abgesehen davon, finde ich die Story sehr schwierig. Ja, es geht hier auch um Queer-Awakening, Queerness, Friendship. Aaaaber: Can we please call it by its name? Es geht hier nicht ‚nur‘ um eine tiefe Freundinnenschaft, sondern darum, dass Ella und die namenlose aus der 2.Person-POV-erzählerende Frau eine Beziehung haben, die sich mindestens eine davon nie eingestehen will und, die absolut toxisch ist.

»Und du schaust Ella an und denkst: Sie war die schönste Frau auf der Party, auf jeder Party, überall.« (S. 15)

Aus meiner Sicht wird das hier sehr verklärt und ebenso der Konsum von Drogen und Alkohol. Ja, es ist krass mit einer chronischen Erkrankung zu leben, die jahrelang unerkannt bleibt und einen vor Schmerzen alles andere vergessen lässt. Dennoch kann mensch sich professionelle Hilfe suchen (again: I know - it’s a hard and long way) und es gibt keine Begründung dafür, einen anderen Menschen so auszunutzen und seine eigenen Traumata und ggf. auch Neurodiversität (keine Gefühle an sich selbst erkennen zu können und dafür eine andere Person zu brauchen, die diese benennen kann, ist auf jeden Fall eine Red Flag 🚩) nicht aufzuarbeiten. Ja, es gab Teile der Story, die ich gut geschrieben fand, mainly die Darstellung von Endometriose. Aber mindestens genauso oft, war etwas nicht auserzählt; Drogenkonsum zu sehr verklärt und quasi 0 Reflexion, wie verletzend das eigene Verhalten für andere Personen sein kann, mit denen mensch in Interaktion und das meint hier meist auch direkt sexuelle Interaktion tritt. Der Mix aus Themen wurde hier nicht gut genutzt, obwohl es vielversprechend gewesen wäre (Endometriose, Coming-of-Age, Queerness, Abtreibung (allein hier könnte ich über die unreflektierende Ego-Story schon wieder Kritikpunkte nennen), Neurodiversität).

Mich konnte dieses Debüt nicht erreichen. Vielleicht liegt es an mir? Vielleicht liegt es daran, dass ich diesen übermäßigen & unkritischen Drogenkonsum in Büchern nicht mehr lesen will? Vielleicht liegt es daran, dass dieses un-aufgebarbeitete Themen Dropping mich überhaupt nicht abholen konnte. Für mich war das mit diesem Buch — trotz des tollen Covers — kein Match. At least, more 🍓 and less 🚬 wäre nice gewesen.

Bewertung vom 11.03.2025
bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann
Lovrenski, Oliver

bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann


ausgezeichnet

»ich so zu marco, ey, dieses mädchen ist different, bruder, die will ich gut behandeln, nicht so wie die anderen, die waren alle irgendwann beleidigt, und marco nur, bruder, sie ist vielleicht different, aber du nicht« (S.138) 🥀

In fragmentarischen, kurzen Kapiteln erzählt der Autor (s)eine Coming-of-Age Story auf den Straßen Oslo’s mit all dessen den Highs & Lows: Von Zusammenhalt, bedingungsloser Friendship, Family, Love, Brutalität, Rassismus, Kriminalität, Stress, Schule, Alltag, Dealen, und (zu) vielen Dr0gen. Gelungen skizziert er ungeschönt das Leben von vier migrantischen Jugendlichen — Ivor, Marco, Jonas & Arjan — in Oslo, die immer tiefer in den Sog der Straße gezogen werden. Ähnlich wie Lesende von diesem Banger 💥

Die Abschnitte sind selten länger als eine Seite und transportieren mit dem ganz eigenen Stil (moderne Sprache / Wörter; als Satzzeichen ausschließlich Kommata; Fragmente sowohl im Inhalt auch als auch Satzbau). Mit diesem krass authentischen Sound wird die Parallelität von Härte und Verletzlichkeit, von Stolz und Wunden, von Loyalität und Verlassen-Sein, von Poesie und Abwärtsspirale transportiert. Dieser Banger 💥 hat mich bereits nach wenigen Seiten nicht mehr losgelassen und regt sehr zum Mit- und Nachdenken an. Mit wenig Worten transportiert der Autor so krass viel — insbesondere auch zwischen den Zeilen und Wörtern und bahnt sich den Weg ins Herz.

Großartige Literatur ❤️‍🔥 , die mich auch an die beiden krassen Romane (»HUND, WOLF, SCHAKAL« & »Als wir Schwäne waren« 🦢) des deutsch-iranischen Schriftsteller Behzad Karim Khani erinnert.

»bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann« ist das autobiografisches Debüt vom Norweger Oliver Lovrenski (grandios übersetzt 🇳🇴 von Karoline Hippe❣️), das er zeitweise auf seinem Handy getippt hat 📲. Von mir gibt’s eine große Leseempfehlung.💖

»und FÜR ALLE
die zu beschäftigt sind
ihre eigene story am leben zu halten
Um sie zu erzählen« (S.5) ❤️‍🩹

4.5/5 ★

Bewertung vom 24.02.2025
Das Lieben danach
Bracht, Helene

Das Lieben danach


ausgezeichnet

»All die Fertigkeiten und Verhaltensmuster, die ein kleines missbrauchtes Mädchen lernt, kann es umstandslos und mit großem gesellschaftlichen Einverständnis als erwachsene Frau zur Verfügung stellen: Die Gefügigkeit, die hohe Sensibilität für die Wünsche anderer, die Duldsamkeit, die Abhängigkeit von Komplimenten und Anerkennung, die selbstverständliche Dienstleistungsorientierung, all das zahlt ein auf das tradierte Rollenbild. Wäre das Patriarchat ein Wirtschaftsunternehmen, würde ein weibliches Missbrauchs-Skillset umstandslos als Kompetenzprofil für weibliche High Performer durchgehen. Zumindest bei mir hat das tadellos geklappt.« (S. 51f)

Auf einer kanarischen Insel schreibt eine ältere Frau über ihr Leben und Lieben — angefangen vom frühen Missbrauch in ihrer Kindheit über ihre Jugend bis hin zu ihrem Sein als singuläre Frau und der Freiheit, die damit einher geht, dem Male Gaze nicht mehr ausgeliefert zu sein: »Denn alte Frauen sieht man nicht.« (8) Sie analysiert, wie der frühe Vertrauensbruch und Missbrauch sie geprägt haben und dabei werden bemerkenswert viele fachliche Belege und Studien in diese Analyse einbezogen. So erhält diese Selbstanalyse nicht zuletzt durch die zusätzliche Perspektiven und das Einfließen von psychologischem Fachwissen eine enorme Tiefe.

»Ein reifer, erwachsener Mensch kennt seine Grenzen und respektiert die der anderen. Das ist die Grundvoraussetzung für gelingende zwischenmenschliche Bindungen. Simple but not easy. Denn eine Grenze ist nun einmal ihrem Wesen nach ein doppelgesichtiges Phänomen: Sie trennt, indem sie Innen und Außen unterscheidet, und sie verbindet, indem sie die Voraussetzung für Berührung schafft. Damit ist sie in gleichem Maße der Ort des existenziellen Voneinander-getrennt-Seins wie der Ort der intimsten Begegnung.« (S. 134)

»DAS LIEBEN DANACH« ist das literarische Debüt & Essay der Autorin Helene Bracht*, in dem sie über Ihr eigenes L(i)eben nach einer frühkindlichen Misshandlung schreibt. Wie geht es weiter? Wie lässt sich l(i)eben? Sie schreibt in diesem schmalen Buch über so viel mehr: Mis$brauch als Grenzverletzung; Kritik an der medialen Ausschlachtung des Themas sowie vergleichsweise langsamen Forschung; Selbstbefreiung, Selbstversöhnung, Nachkriegsgeneration, ambiguous loss, Scham, Kritik am Patrichariat, Sexualität, Miteinander.

»Verantwortung im Miteinander heißt, die Folgen, die das eigene Handeln für das Gegenüber haben kann, antizipieren, abwägen und Anteil nehmend in Entscheidungen übersetzen zu können. Sie bedeutet also ständige Achtung vor der Integrität eines anderen Menschen, aktive Sorge für den Schutz von dessen Unversehrtheit.« (S. 169)

Erschütternd ehrlich, selbstversöhnlich, kritisch, intelligent, mutig, sachlich und dabei trotzdem persönlich schreibt Helene Bracht autofiktional über ihr eigenes Leben, Sexualität und Beziehungen. Ein schmales Buch, das mit so einer sprachlichen Kraft, so viel Inhalt und Tiefe daher kommt, dass es sich nach so viel mehr anfühlt, wenn mensch das Buch nach 177 Seiten beendet hat. Ein Buch, das lange nachhallt; viel Wissen, Empathie und Versöhnung vermittelt. Große Leseempfehlung 💜, aber bitte beachtet den CN 🫂

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[CN: Kindesmissbrauch, psychische Gewalt]

* als Psychologin & Coach hat sie bereits mehrere Fachbücher unter ihrem bürgerlicher Namen Mechthild Erpenbeck veröffentlicht.

Bewertung vom 24.02.2025
Unbedingt lesen, wenn ...
Smith, Julie

Unbedingt lesen, wenn ...


sehr gut

»It is okay to fear someone else's disapproval, but you must fear your own more.«

»OPEN WHEN … « von der US-amerikanischen Psychologin, Professorin & Autorin Dr. Julie Smith ist ihr zweites Buch, dass sie mit psychologisches Grundlagenwissen und Tipps für die Bewältigung von mentalen Struggels gibt (DISCLAIMER: Unter dem Vorbehalt, dass mensch ein*e Fachärzt*in aufsucht (!), wenn es einem langanhaltend nicht gut geht !). Ich habe bereits Ihr erstes Buch gelesen und habe auch daraus sehr hilfreiche Tipps und Tools mitnehmen können. Im Vorwort schreibt die Autorin, dass Ihr Ziel war, ein geeignetes Nachschlagewerk zu schreiben, in das mensch jederzeit hineinlesen kann, wenn eines der behandelten Themen gerade aktut / relevant / wichtig ist.

PROS:
- Übersichtliche Gestaltung & Aufbau der einzelnen Kapitel
- Thematischer Aufbau des Buchs in drei Themenblöcken, deren Kapiteln jeweils passend Unterthemen beschreiben
- Herausgestellt Zitate als Reminder & Affirmationen
- Persönliche Worte der Autorin zu Beginn jedes Kapitels (‚A Letter from me to you‘) 💌
- Hilfreiche Takeaways als Summary am Ende jedes Kapitels

CONS:
- teilweise zu populärwissenschaftliche Ausarbeitung der Themen, ich hätte mir mehr wissenschaftliche Diskurse und Einordnungen gewünscht
- teilweise zu oberflächlich (geht mit dem obigen Punkt einher)

ALL IN ALL: Ein sehr gutes Buch für all diejenigen, die schnell einen geeigneten und professionellen Rat suchen, sich mehr mit sich selbst auseinander setzen möchten und/oder ihre eigenen Herausforderungen analysieren und passende Quick-Win-Tipps suchen.

Wenn Du ein Fachbuch suchst, ist das hier nicht Dein Buch. Aber das ist auch nicht der Anspruch der Autorin.

Bewertung vom 14.02.2025
Achtzehnter Stock
Gmuer, Sara

Achtzehnter Stock


sehr gut

»Er lässt mich nicht zu Wort kommen und sagt fast schon väterlich, er wisse, wie schwierig es ist, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen. Bullshit. Weiß er nicht. Wenn er es wüsste, dann wüsste er, dass es diesen scheiß Hut, in dem Kind und Karriere drin Platz haben sollen, gar nicht gibt. Was soll das für ein Hut sein, ein Zauberhut, ein schwarzer Zylinder mit Kind, Karriere und Kaninchen drin, oder was?« 🎩🪄(S. 46)

Mit »ACHTZEHNTER STOCK« schreibt die Autorin und Schauspielerin Sara Gmuer keine Aufstiegsgeschichte, sondern hervorragende Klassen- und Systemkritik und on top gibt’s Insights in die harte Realität der Filmbranche.

Wanda’s Traum ist es, erfolgreiche Schauspielerin zu sein und raus aus der Berliner Platte 🐻🪩 zu kommen. Am Theater kann sie sich einen Ruf erarbeiten, aber der Wechsel ans Filmset ist nicht gleichbedeutend mit dem beruflichen Erfolg. Als alleinerziehende Mutter der fünfjährigen Karlie versucht sie, wie so viele Mütter, alles möglich zu machen: Care Arbeit, Lohnarbeit als angehende Schauspielerin, Selbstverwirklichung, Glücklich-Sein und und und. Das ist auch ohne ein erkranktes Kind schon schwierig ist, aber so wird der Spagat zur Zerreißprobe.

»Ich hatte schon immer nur dieses eine Leben. Keine Doppelhaushälfte, die irgendwann mir gehört. Man vererbt nicht nur Geld, man vererbt auch Armut. So oder so, es bleibt in der Familie.« (S. 168)

Ein großartiger Roman, der viele Themen (u.a. Mutterschaft, Care Arbeit, Schauspieler*innen-Sein, Verliebtsein als Alleinerziehende, Patrichariat, G3walt in Partner*innenschaft, Freund*innenschaft, gesellschaftliche Erwartungen, Male Gaze) aufgreift und dabei oder vielleicht gerade aufgrund dieses Orchesters an Themen und der - zeitweise - moralischen Zerrissenheit zum Page Turner wird. Der Schreibstil ist mitreißend, sarkastisch und pointiert — we love it 🔥

»Niemand wird uns je wieder vergessen. Das Haus ist ein Mahnmal, ein Mittelfinger, der in den Himmel ragt und unübersehbar an uns erinnert, an uns und all die anderen, die keiner sehen wollte.« (S. 220)

Ein großartiges Lesevergnügen, das zum Nachdenken anregt und den Finger, in genau die gesellschaftlichen Wunden legt, die es bedarf. ❤️‍🔥 Falls das noch nicht klar war: Große Leseempfehlung 🩵💛

Bewertung vom 02.02.2025
Rückkehr nach Budapest
Kiss, Nikoletta

Rückkehr nach Budapest


weniger gut

»Sie war mir schon immer voraus gewesen, manchmal nur um ein paar Erfahrungen, doch es kam mir oft wie Jahre vor. Sie war völlig angstfrei. Ich hingegen hatte stets das Gefühl, das Falsche zu tun, hinterfragte alles. Dabei hatte Theresa schon immer so viel mehr zu verlieren gehabt als ich.« (47)

In ihrem neuen Roman »RÜCKKEHR NACH BUDAPEST« schreibt die Autorin & Lektorin Nikoletta Kiss in einem Mix aus Rückschau und Gegenwartserzählung über das Aufwachsen im Sozialismus.

Márta wächst in einem kleinen Dorf in Ungarn zweisprachig auf. Ihre Cousine Theresa ist von Beginn an ihre beste Freundin, auch wenn die beiden nur die Sommermonate miteinander teilen können, bis Theresa mit ihrer Familie wieder zurück nach Berlin in die DDR kehrt. Als Márta 18 ist, ihre Mutter die Familie verlassen hat, Ihr Vater schwer alokohlabhängig ist, flieht sie zur geliebten Cousine nach Berlin. Dort lernen die beiden Konstantin kennen, der nicht nur in verschiedenen Heimen in der DDR Opfer von Gewalt geworden ist, sondern dies literarisch verarbeiten will. Es kommt wie es kommen muss: Beide Frauen verlieben sich in ihn.

Das ›Ménage à trois‹ zwischen Konstantin, Theresa und Márta ist weder heiß noch happy. Es zeigt zwar, dass mensch für seine eigenen und Wünsche einstehen muss, sonst erfüllen sie sich nicht. Aber die Irrungen, die diese Lieben und Freundschaften nehmen, sind für mich einfach unbegreiflich und ich bin wirklich genervt von der Unfähigkeit zu kommunizieren.

»Es gibt so Fragen, die man besser nicht stellt, bevor man weiß, wie man mit der Antwort umgeht.« 221

Das Thema Verrat unter Freundinnen wird gleich zweimal im Roman verhandelt: Zwischen Márta & Theresa und ein zweites Mal zwischen Márta und Paula. Beide Male kommt die Freundschaft dabei nicht gut weg, beide Male geht es um einen Mann, den beide für sich beanspruchen. Nichts daran, wie es im Roman verhandelt wird, ist besonders feministisch, neu oder bewegend. Ehrlicherweise war ich einfach genervt, wie schlecht hier Frauen für sich selbst einstehen, Grenzen setzen (und verteidigen) und noch schlechter kommunizieren. Nicht, dass die beschriebenen Männer es besser machen würden. Ganz und gar nicht.

»Genau das müsse ich tun, auf mich selbst hören, meint sie (Theresa’s Mutter). Wir Frauen seien sozialisiert, immer die Rolle der Umsorgenden zu spielen. Das Weib locke und verführe, tätschle, pflege und hege. Wie es sie nerve, wenn Frauen ihres Alters stolz darauf wären, dass ihre Ehe gehalten hatte.« 278 — dieser kurze feministische Ausbruch (lieben wir ) von Theresa`s Mutter reicht aber nicht. Es hätte von solchen Botschaften so viele mehr gebraucht.

Neben dem vergangenen und dem aktuellen ›Ménage à trois‹ und den verbundenen Freund*innenschaften erzählt der Roman vom Kommunismus, der DDR und deren schrecklichen Umgang mit Heimkindern und vermeintlich ‚schwer erziehbaren‘ Jugendlichen, Widerstand im Kommunismus, Fehlgeburten & Abtreibung. Ich habe nicht das Gefühl, dass diese Themen besonders gut verhandelt werden und sie kommen definitiv aufgrund der ›Ménage à trois‹ sehr zu kurz. Mich konnte der Roman nicht begeistern und auch der Schreibstil konnte die fehlende Tiefe für mich nicht wettmachen.

[2.5 / 5 ★ ]

Bewertung vom 28.12.2024
Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen
Brüggemann, Anna

Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen


sehr gut

»Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen, sie bekommen nichts. Simone de Beauvoir« (S. 111)

Zwei grund-verschiedene Schwestern, Antonia & Wanda, die beide nie den Ansprüchen der eigenen narzisstischen Mutter gerecht werden können. Eigentlich sollte sie dies zu Verbündeten machen, aber manchmal sind die Unterschiede auch zwischen den Menschen, die wir von Geburt an kennen, zu groß, um sie nah sein zu lassen.

»Sie mochte diese Momente alleine, in denen kein Gegenüber sie ansah, sie niemanden glücklich machen wollte.« (Wanda, S. 29)

Authentisch zeichnet Anna Brüggemann das Porträt einer Familie, die ein Abziehbild so vieler deutscher Familien aus den 80er/90er Jahren sein könnte. Vielleicht nicht ganz genau so, aber die unterschwellige Kritik wird deutlich: An der Pick-Me-Girl-Attitude, dem toxischen Körperbild und Essstörungen, den Ansprüchen von Eltern (nennen wir es beim Namen, hier vor allem: Müttern) an ihre Kinder (Töchter), und wie sich dies ein Leben lang auswirken könnten.

»Abstrakt, dachte Antonia. Was sie mir hier von Wanda erzählt, ist alles irgendwie abstrakt. Ich weiß immer noch nicht, wie der Urlaub war, wie es Mama geht und wie Wanda. Mama legt immer einen Standard fest, wie bei einer Maßtabelle, und entweder man passt da rein oder nicht. Und wenn wir Idealmaße haben, machen wir sie glücklich.« (S. 285)

Anna Brüggemann zeichnet in ihrem neuen Roman »Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen. Roman über Mütter und Töchter« gekonnt und in perfektioniertem Schreibstil ein gelungenes Psychogramm von Mütter-Töchter-Beziehungen, in dem sich sicherlich die ein oder andere an verschiedenen Stellen selbst wiedererkennen kann.

Große Leseempfehlung 💜 Einziger — m i n i 🤏🏼 — Kritikpunkt von meiner Seite: Der Roman wird in drei zeitlichen Teilen erzählt. Teilweise sind mir Passagen zu langatmig, dafür fehlen mir gedanklich auf der anderen Seite doch einige Details zwischen den Jahren.

Bewertung vom 09.12.2024
Strong Female Character
Brady, Fern

Strong Female Character


sehr gut

»Wenn man bedenkt, dass eigentlich autistische Menschen diejenigen sind, die angeblich keine nonverbale Kommunikation deuten können, erstaunt mich immer wieder, wie oft andere auf eine Reaktion meinerseits drängen, obwohl sowohl mein Gesicht auch als auch meine Stimme Desinteresse signalisieren.« (S. 136)

»STRONG FEMALE CHARACTER. Mein Leben zwischen Sexismus und Autismus« von Fern Brady bricht eine Lanze für alle Autist*innen, aber insbesondere für Frauen mit Autismus. 💘 Die schottische Comedian & Autorin Fern Brady schreibt in ihrem autobiografischen Buch extrem ehrlich über ihre Diagnose ›Autismus-Spektrum-Störung‹ (ASS), über Meltdowns & Shutdowns, Alexithymie, ihr Aufwachsen in dem Glauben, etwas stimme nicht mit ihr und sie fühle sich wie ein Marsmensch 👾(💔), Spezialinteressen, ihre Schulzeit, Erfahrungen mit psychologischen Einrichtungen / Ärzt*innen, ihr Erwachsen-Werden, Ableismus sowie S€xismus.

»Ich beschloss, all genau zu beobachten und sie so gut wie möglich nachzuahmen, bis sich der Autismus von mir gelöst hätte und ich geheilt wäre. Voller Vorfreude erwartete ich den Tag, an dem ich keinen Autismus mehr haben würde, weil ich jede Regel gelernt und jedes soziale Szenario durchschaut hätte.« (S. 269)

Wie in vielen medizinischen Bereichen so auch bei Autismus ist dies viel zu wenig in Bezug auf Frauen erforscht, weshalb zum einen viele FLINTA durch das Diagnoseraster fallen, oder Probleme mit einer passenden Medikamentation haben. Fern wurde selbst erst im Erwachsenenalter diagnostiziert und beschreibt dies mit all den Konsequenzen, die sich dadurch entstanden sind. Damit sensibilisiert Brady für sehr wichtige aber auch intensive Themen 💔, was vor allem eins zeigt: Wie stark diese Frau ist 🥵. Dabei machen ihr unterhaltsamer und humorvoller Schreibstil (da kommt doch die Comedian durch 🫰🏼) das Buch extrem fesselnd & lesenswert und insgesamt liest es sich viel eher wie ein Roman (ein sehr sehr guter 🤌🏼).

Dieses Buch ist das Beste aus Sachbuch über Autismus, Coming-of-Age-Story, Memoir und (feministischer) Kritik am Patrichariat. Es ist ein sehr wichtiges, wertvolles, gut geschriebenes (& übersetztes!), smartes und ehrliches Buch, dass einen großartigen Einblick auf Autismus und Sensibilisieren für mehr Neurodiversität ist. 🧠🩷💜