Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Luisabella
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 187 Bewertungen
Bewertung vom 11.11.2024
Das Comeback
Berman, Ella

Das Comeback


sehr gut

»Die schlimmsten Dämonen waren schon immer meine eigenen, und ich habe nie wirklich gelernt, mich vor ihnen zu schützen. Ich habe versucht, mein Leben still und leise zu leben. Ich dachte, ich könnte einfach weitermachen, wenn es mir gelänge zu vergessen, was passiert ist, aber vielleicht funktioniert das so nicht. Vielleicht hat es nie so funktioniert.« 👹 (S. 114)

»DAS COMEBACK« von Ella Berman (Ü: Elina Baumbach) erzählt die Geschichte von Teenie-Star Grace Turner, die auf dem Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere einfach verschwindet und versucht, alles hinter sich zu lassen.

»Sie beugt sich vor und flüstert mir ins Ohr: »Ich weiß, dass dir jemand wehgetan hat. Jetzt ist es an der Zeit, dass du zurückschlägst, kleine Löwin.«« 🦁(S. 226)

Spätestens nach #metoo Debatte wissen alle, worauf das hier hinausläuft. Yes, genau darum geht es: Um perfide Machtspiele, privilegierte weiße Männer, die das Sagen haben, s€xuelle Übergriffe, V3ergewaltigung und die Strukturen, die das möglich werden lassen. Es ist die Art und Weise, wie Ella Berman ihrer jungen Protagonistin eine Stimme gibt und mit DAS COMEBACK eine kraftvolle Rückeroberung über die eigene Geschichte und Lebensweg. 🔥

» Ich weiß nicht genau, was dir zugestoßen ist, aber ich weiß, dass man andere Menschen manchmal nicht ändern kann. Man kann nur ändern, wie man auf sie reagiert, und das muss reichen. Ergibt das einen Sinn für dich?«« Lana zu Grace (S. 395)

Der authentische und emphatische Schreibstil der Autorin hat mich komplett in den Bann dieses Romans gezogen, ebenso der Charme, Zynismus und Lebenshunger der Protagonistin. Es ist keine Geschichte, die maus noch nie gehört/gelesen hat (… leider 🥵 …), aber die Art hat mich schlichtweg begeistert. Der Roman macht Mut, sich wider Ungerechtigkeit, Machtlosigkeit und Strukturen, die gegen einen arbeiten, den eigenen Weg zu finden und sich zurück zu kämpfen. Aber er zeigt auch, wie menschlich es ist, eine Zeit lang daran zu zerbrechen. 💔❤️‍🩹❤️‍🔥

Große Leseempfehlung für dieses tolle Debüt 💖 (für das ich sehr gerne meine 500-Seiten-Regel ignoriert habe. 🤝🏼)

Bewertung vom 20.10.2024
Okaye Tage
Mustard, Jenny

Okaye Tage


gut

ON-OFF-Relationship at its best or worst?! ❤️‍🔥💔❤️‍🩹

Sam und Luc haben als Teenies auf einer Party in London rumgeknutscht und lernen sich Jahre später nach als Twens richtig kennen, als Sam für einen Sommer nach ihrem Marketing-Master in einer Werbeagentur in London arbeitet. Es ist eine Beziehung mit Ablaufdatum, solange bis Sam wieder zurück in ihre Heimat Stockholm geht. Aber kann Liebe auf Zeit funktionieren?

»»Aber selbst wenn es uns jetzt mies geht«, sagt er [Luc zu Sam] »verbringe ich lieber noch zwei miese Tage mit dir, als zwei okaye Tage ohne dich.«« (S. 87)

Die Antwort, die Jenny Mustard auf diese Frage gibt: Nein. Die beiden vermissen so sehr, dass sie sich spontan für einen Griechenlandurlaub verabreden.🏝️ Aus der Auszeit vom Liebeskummer wird der Umzug von Sam nach London. Sam ist schon längst zur ›Londonare‹ 💂🏽 (S. 181) geworden, wie Ihr Vater das so liebevoll feststellt. Doch trotz der großen Liebe zwischen Sam und Luc, endet die Beziehung wieder. 💥 (Mehr möchte ich hier nicht vorwegnehmen.)

»Unsere Sicht auf die Welt stimmt überein, wir bewegen uns nur unterschiedlich darin.« Luc 💭 (S. 59)
Und das tuen sie: Sam, die das Leben liebt, direkt, ehrlich und spontan ist, und Luc, der Routinen & Fitness schätzt, auf seine Gesundheit achtet und eher ruhig ist. Wie fühlt sich das an, dieses Nicht-mit-einander-nicht-ohne-einander? Gekonnt schafft es die Autorin in abwechselnden Kapiteln aus Luc’s und Sam’s Sicht, diese Gefühle zu transportieren, die jeweiligen Struggles im Erwachsen-Sein und in diese spannende Love-Story zu ziehen. 💘

OKAYE TAGE ist ziemlich krass gut OKAY. 🧡 Ich mochte den Witz, Charme und authentischen Charaktere sehr. Dennoch hätte der Roman für mich ein wenig knackiger sein können und der Trennungsgrund besser aufgearbeitet werden in der Beziehung. Zudem lese ich in letzter Zeit viele Romane, in denen der Alk0ohl- und Dr0genkonsum 🍸 sehr extrem wird, was ich für die Storyline nicht relevant finde und mir too much ist. Apropos Drinks: Große Bubble-Tea-Liebe hier 🧋 — mochte also sehr, dass Luc & Sam die auch so feiern.

»OKAYE TAGE« 💛 von Jenny Mustard in der großartigen Übersetzung von Lisa Kögeböhn 🫶🏼 (hab’s ja extra deswegen auf Deutsch gelesen und liebe ihre Übersetzungen 🤝🏼❤️)


All in all eine witzige Love-Story mit Coming-Of-Age-Parts, die mich sehr gut unterhalten hat. 💖


_________________

CN: Alkohol- & Drogenkonsum; Schwangerschaftsabbruch

Bewertung vom 19.10.2024
Das Wesen des Lebens
Turpeinen, Iida

Das Wesen des Lebens


weniger gut

»DIE SEEKUH VEREINT Mythos und Wirklichkeit, und man kann nicht über sie schreiben, ohne über Meerjungfrauen zu schreiben. Die Verbindung ist so stark, dass ihre Ordnung nach den Meerjungfrauen benannt wurde, sie heißen Sirenia, Sirenen. Es wurde gemutmaßt, dass die Idee, es handle sich bei Seekühen um Meermenschen, darauf zurückgeht, wie sie die Welt oberhalb der Wasserfläche untersuchen: Sie schwimmen aufrecht und heben den Kopf aus dem Meer, und anders als Fische und Wale können sie ihren Kopf drehen.« 🧜🏼‍♀️🦭 (S. 45)

In ihrem Debütroman »Das Wesen des Lebens« schreibt die finnische Wissenschaftlerin und Autorin Iida Turpeinen über die Stellerschen Seekuh. In insgesamt drei Teilen in drei verschiedenen Zeitebenen wird über diese wundervollen, großen Meerestiere geschrieben, die der Mensch innerhalb kürzester Zeit seit dem Entdecken durch Berings Crew in nur 27 Jahren durch exzessive Bejagung ausgerottet hat. Dabei wird von obsessiven Sammler*innen sowie versierten Wissenschaftlern, Naturschützern und -forschern geschrieben.

»Einst brauchte die Seekuh keine Angst vor Raubtieren zu haben, doch egal, wo sich der Mensch aus-breitet, verschwinden alsbald große Arten: Höhlenbären, Wollnashörner, Riesenfaultiere, Beutellöwen und Moas.« (S. 59f)

Der Autorin gelingt es, die ausgestorbene Stellerschen Seekuh mit ihrem Roman wieder zum Leben zu erwecken. Es ist ein sehr interessanter Roman, der viele Informationen enthält: eine Art biografische Zeitgeschichte der Stellerschen Seekuh mit kritischer Beleuchtung von Naturschutz, Machtgier und Ausbeutung. Dennoch hatte der Roman für mich einige Längen und mir fehlten teilweise Zusammenhänge in der Handlung und den verschiedenen Personen (klassische Protagonist*innen gibt es nicht), die in den Fokus gestellt werden. Nichtsdestotrotz ein sehr gut recherchierter Roman, der als wichtiges Plädoyer für Artenschutz und Artenvielfalt und gelesen werden sollte. 💙

[2.5/5 ★ ]

Bewertung vom 12.09.2024
Ein anderes Leben
Peters, Caroline

Ein anderes Leben


gut

»«Keine Sorge, wir werden den besten Auftritt haben. Niemand, der etwas auf sich hält, macht es so wie alle anderen und ist pünktlich.»Hannas Verachtung für diese schwächlichste aller Verhaltensweisen: es so machen wie alle anderen.« (S.190f) 💥

Drei Schwestern stehen am Grab des gemeinsamen Papas, Bow. Die gemeinsame Mutter Hanna ist bereits seit einigen Jahren Tod und die jüngste Schwester denkt, dass sich mit dem Tod des Vaters ein Perspektivwechsel auf die Geschichte über die Mutter ergeben kann. So beginnt sie sich, an Hanna und die Familiengeschichten zu erinnern, und blickt zurück auf ihre Kindheit und Jugend in den 1970er/80er Jahren. Ihre Mutter hatte nacheinander ihre drei besten Freunde seit Studienzeiten geheiratet und mit jedem ein Kind bekommen. Wer war diese selbstbewusste, schlagfertige, depressive, promovierte, schreibende Frau neben ihrer Mutterrolle? Für die Protagonistin war ihre Mutter am glücklichsten, wenn sie in der Uni-Bib mit Studenten flirten und ihrem Wissen kokettieren konnte, Gedichte schrieb oder Übersetzungen fachlich auseinander nahm. Dennoch war ihre Mutter in das gesellschaftlich Korsett von Erwartungen geschnürt und hatte regelmäßig ‚Mittagswut‘, wenn das Essen um 14 Uhr für Mann und Töchter auf dem Tisch stehen musste. Ihre beiden Schwestern Laura und Lotta erinnern sich anders, liegt das an dem Altersunterschied oder ist ureigene Charakteristik von Erinnerungen? Wie gut kennen wir unsere Eltern als Person?

»Wir wissen alle drei, dass jeder in der Familie sich anders erinnert, und sind gewillt, das zu akzeptieren. Wir bemühen uns, abweichende Versionen der Familiengeschichte auszuhalten, nur gelingt uns das nicht oft.« (S.177)

Mit ihrem Debütroman »Ein anderes Leben« 🫧 schreibt sich Caroline Peters* direkt mit viel Charme, Humor, Sarkasmus, feiner Beobachtungsgabe und teilweise fast schon poetischer Sprache direkt in die Herzen von Literaturfans. 💘 Der Roman — bei dem ich mich mit Blick auf die Biografie der Autorin frage, wie viel Persönliches hineingeflossen ist — erzählt fragmentarisch, springt gradlinig in der Zeit zu anderen Erinnerungen und Ereignissen und stellt dabei immer wieder kluge Fragen. Der Roman beleuchtet Schwesternschaft, Mutterschaft in den 70/80 Jahren, Erinnerungen und der Umgang mit abweichenden Perspektiven auf die Familiengeschichten mal sarkastisch, mal fragend, mal erörternd, mal nachdenklich, mal kritisch. Alles in allem ein schöner Familienroman, der sehr viel Spaß zu lesen macht.

Ja, DIE Schauspielerin Caroline Therese Aksinia Peters (*1971) 👱🏼‍♀️


[3.5/5 ☆]

Bewertung vom 09.09.2024
Juli, August, September
Grjasnowa, Olga

Juli, August, September


gut

»Liebe und Zuneigung wurden in unserer Familie ausschließlich durchs Essen ausgedrückt. Vielleicht lag es daran, dass Eltern und Kinder sich selten eine Muttersprache teilten, und vielleicht auch daran, dass uns das Sprechen nur für Kritik und überzogene Erwartungen diente. Aber das Essen wurde nie kritisiert. « S. 83

Die promovierte Kunsthistorikerin und Galeristin Lou (Ludmilla) lebt mit ihrem Ehemann und Konzertpianistin Sergej und der gemeinsamen 5-jährigen Tochter Rosa in Berlin. Sergej entzieht sich sehr oft der Familie und stellt das Klavierspiel über alles. Als Rosa bei einer Freundin ein Buch über Anne Frank vorgelesen bekommt, fängt Lou an, ihre Identität zu hinterfragen. Wie jüdisch sind sie als Familie, wenn Rosa noch nie in der Synagoge war? Was bedeutet ‚Jüdisch sein‘ und sowjetische Abstammung heutzutage und vor allem in Deutschland?

Zu diesem Identitätskonflikt und unausgesprochenen Eheproblemen kommt der 90-Geburtstag ihrer Großtante Maya hinzu, den diesen mit der ganzen Familie in Gran Canaria feiert. Auf der Suche nach Antworten beschließt Lou gemeinsam mit Tochter Rosa und ihrer Mutter an der Familienfeier teilzunehmen. Die gewünschten Antworten findet Lou dort nicht, und reist kurzerhand ihrem Familienteil nach Israel nach. Kann sie hier finden, was sie zu Suchen glaubt?

»»Ich weiß nicht mehr, warum wir das alles tun.
Wir geben uns so viel Mühe für eine Religion, obwohl wir nicht an Gott glauben, für eine Vergangenheit, an der kaum etwas gut war, für eine Zukunft, die maximal ungewiss ist, und für eine Identität, die wir selbst nicht mehr verstehen.«« Lou zu Sergej, S. 182

In ihrem neuen Roman »JULI AUGUST SEPTEMBER« erzählt die Professorin & Autorin Olga Grjasnowa von dem Gefühl DAZWISCHEN zu sein: Zwischen Identität, Jüdisch-Sein, Familie, Liebe, Ehe, Frauen, Mutterschaft, Kindsverlust, Muttersprache. In drei Teilen: JULI (in Berlin), AUGUST (auf Gran Canaria) und SEPTEMBER (glühend heißer Boden in Israel) tauchen wir in die Gedanken- und Gefühlswelt von Lou ein und begleiten sie durch diesen schier nicht enden wollenden Sommer, auf den ja, was eigentlich folgt?

Es ist ein kurzes Buch, dass das Gefühl der Zerrissenheit der Protagonistin sehr gut transportiert, ein Puzzle aus Ungesagtem und Interpretationen in Familien zeigt, Leerstellen offen lässt und dabei sehr aktuelle Fragen in den Vordergrund stellt. Dennoch waren die Eifersucht, Kindsverlust und Fragmente dieses Ehekonfliktes mir mit dem Identitätskonflikt und familiärere Spurensuche fast zu viele Themen, um sie passend in dieser Kürze verhandeln zu können.

»JULI AUGUST SEPTEMBER« ein vielseitiges, feines, stellenweise humorvoll-zynisches Buch.

[CN: Kindsverlust, Alkoholkonsum]

3.5 / 5 ★

Bewertung vom 09.09.2024
Das Möbel-Handbuch
Ramstedt, Frida

Das Möbel-Handbuch


ausgezeichnet

»Das Möbel Handbuch — Ein Leitfaden für Auswahl, Anordnung und Pflege von Objekten in Ihrem Zuhause« von der mehrfach ausgezeichneten schwedischen Innendesignerin Frida Ramstedt

Auf welche Details sollte man bei einem Möbelstück besonders achten?
Welche Prinzipen helfen beim Arrangement von Möbeln / Gegenständen / etc.?
Warum ist ein Stuhl nicht gleich ein Stuhl? 🪑

Bereits Ihr erstes Handbuch »Innendesign« (auf Deutsch erschienen 2021) ist großartige Inspiration für das Einrichten des eigenen Zuhauses. Mit ihrem zweiten Buch gibt die renommierte Innendesignerin und Bloggerin weitere Tipps, Tricks und Informationen aus dem Innendesign, um das eigene Zuhause schön, ästhetisch und gemütlich einzurichten. Von Möbel-Qualitätskriterien über Sitzmöbel, Tische, Stauraum, Betten zu Materialien und einem kurzen Überblick über die Entwicklung von schwedischen Möbeln wird hier alles thematisiert und immer wieder tolle Zusatzinfos gegeben. Damit ist dieses Buch auch für alle geeignet: Newbies im Interior-Game bis Design- & Interior-Profis 🤍

»»Die Aufgabe des Möbelarchitekten besteht darin, eine gute Funktion mit einer ausdrucksstarken Form zu verbinden.«
Erik Berglund, Tala om kvalitet (Über Qualität reden)«

Ich liebe beide Bücher von Frida und kann sie sehr empfehlen. ♥ Die minimalistischen Illustrationen harmonieren wunderbar mit den Inhalten und Erklärungen und Tipps.

Wer Innendesign liebt, wird dieses Buch ebenso lieben. 🤍

Bewertung vom 30.08.2024
Blue Sisters
Mellors, Coco

Blue Sisters


ausgezeichnet

»Ihre Familie war schon immer gut in Begrüßungen und Abschieden gewesen, Momenten, die vorbei waren, kaum das sie angefangen hatten. Jemanden am Anfang und am Ende zu lieben, war einfach; die Zeit dazwischen war das, was so schwierig war.« Lucky (S. 114) 🦋

Blue Sisters, das sind die vier Schwestern: Avery, Bonnie, Nicky & Lucky. Wie in jeder Familie gibt es Zuschreibungen, wie die jeweilige Schwester sei. Bei den Blues gibt es die Vernünftige (Ave), die Stoische (Bon), die Sensibile (Nicky), das Nesthäckchen (Lucky Lou) 👯‍♀️👯‍♀️. Und wie in jeder Familie stimmt das nicht immer so ganz und es gibt die ganz eigenen Dynamiken. Und genau das zerlegt Coco Mellors gekonnt: Das Bild von Menschen, die wir lieben, an denen wir vielleicht manchmal zu nah dran sind, um zu sehen, dass sie sich längst weiterentwickelt haben. 💥

In »BLUE SISTERS« 🩵 erzählt die Autorin Coco Mellors (Ü: Lisa Kögeböhn) von diesen vier Schwestern, die jede ihren ganz eigenen Ängsten, Sorgen, Süchten zu kämpfen hat. Doch zusätzlich ist die Magie & Symmetrie dieser 4 verloren gegangen, als Nicky plötzlich mit 27 Jahren gestorben ist. Auch ein Jahr später ist die Lücke groß. In sich abwechselnden Kapiteln aus der jeweiligen Perspektive lernen wir Avery als erfolgreiche Anwältin und Ehefrau in London kennen; Bonnie die Profiboxerin 🥊, die nach Nicky’s Tod aus NYC 🗽 geflohen ist; und Lucky, die in Paris als Model arbeitet. Doch wie geht es weiter, wenn eine Schwester schmerzlich fehlt? 💔

»Wie in den meisten Familien änderten sich die Geschwister-Allianzen ständig, aber letztendlich trennte sie das Alter.« Bonnie (S. 145)

First of all: Ich habe »BLUE SISTERS« seeehr geliebt.😮‍💨 Ich finde, dass Schwestern viel zu wenig in der Literatur im Fokus stehen 💥 und nach dem Lesen kann ich (als Älteste von vier Schwestern) sagen, ich habe so einen Roman einfach gebraucht. 💘 Coco Mellors stellt Schwesternschaft als das dar, was es ist: von Geburt bestimmt, wunderschön, anstrengend, lustig, nervenaufreibend, verantwortungsvoll, schmerzhaft und alles gleichzeitig. Es gelingt ihr, Alltägliches, Zwischenmenschliches, Familie, Gefühle und Liebe emphatisch, authentisch und passend zu beschreiben. Coco Mellors hat wieder einmal gezeigt, über was für eine großartige Beobachtungsgabe und Schreibtalent sie verfügt.

Bereits Cocos Debütroman »Cleopatra & Frankenstein« (ebenfalls übersetzt von Lisa 🫶🏼) hat mich begeistert, aber dieser Roman hat mir noch besser gefallen. Auch wenn ich mich bei beiden Romanen der krasse Drogen- & Alkoholkonsum stören, verstehe ich natürlich, dass Sucht ein wesentliches Thema des Romans ist, das hier aus verschiedenen Perspektiven verhandelt wird.
And she did it again: It’s also Pageturner. 🔥

Ganz ganz große Herzensempfehlung 🩵



[CN: Alk0hol- & Dr0gensucht]

Bewertung vom 18.08.2024
Taumeln
Scherzant, Sina

Taumeln


sehr gut

Luisa’s ältere Schwester Hannah ist weg. Auch zwei Jahre nach ihrem Verschwinden wird die schöne junge Frau noch im angrenzenden Wald von einer kleinen Gruppe mit Luisa jeden Samstag gesucht.

»Natürlich sind in dieser Welt nicht nur die Schönen in Gefahr. Am Ende geht es immer um Macht und Kontrolle und verletzte Männeregos. […] Das Maskuline muss revolutioniert werden, finde ich.« (S.14)

Luisa’s Leben ändert sich mit Hannah’s Verschwinden radikal: Eben war sie noch Studentin und lebte in einer WG, jetzt wohnt sie wieder in ihrem alten Kinderzimmer. Jeden Samstag trifft sich die Such-Truppe und geht gemeinsam den Wald ab. Aber wie sucht man eine Person, die seit zwei Jahren weg ist? Und wie findet man zurück in ein Leben ohne diese Person?

»An einem Tag ist die Welt nicht in Ordnung, das weiß man, das ist klar, aber dann am nächsten Tag passiert etwas, und sie ist plötzlich so wenig in Ordnung, dass es einem vorkommt, als wäre sie vorher doch in Ordnung gewesen. […] , man möchte zurück im Vortag sein, sich wieder ausklinken, man machte, dass der andere noch da ist, nicht im eigenen Leben und auch noch in der Welt, die nie in Ordnung ist.« (S. 261f)

Abwechselnd lesen wir Kapitel aus Luisas Sicht unterbrochen von reflektierenden Rückschauen in das Familienleben vor Hannah’s Verschwinden, parallel zu Ausschnitten aus dem Leben der anderen Suchenden. Schnell wird deutlich, dass jede*r seine eigenen Dämonen bekämpft und wir alle mehr auf einander Acht geben sollten. Eine schöne Message. 💘 Doch findet die Gruppe Hannah wieder? Was wird aus Frank’s gebrochenem Herzen, Inge’s gewaltgeprägten Zuhause oder Emma’s Einsamkeit?

» ›Erinnerst Du Dich noch an mich?‹, tippt Luisa in Ihr Handy und schickt die Nachricht ab.« (S. 305)

»TAUMELN« von Sina Scherzant besticht erneut durch den unverwechselbaren Erzählstil aus diesen Seiten-langen Sätzen, die sich mit kurzen Halb-Sätzen Schlagabtausche liefern, die mal sakrastisch, mal radikal ehrlich (»Warum hast Du einfach so dein Leben kaputt gemacht und meins gleich dazu?« (S. 297)), mal melancholisch, mal Weltschmerz, mal kritisch, mal lustig sind. Wer hier einen Krimi oder Thriller sucht, wird hier nicht fündig werden. Darum geht es hier nicht. TAUMELN erzählt verschiedene, ganz normale Schicksale, wie sie uns alle umgeben können, und schafft es, ruhig und erzählerisch Gesellschaftskritik und schwere Themen zu verhandeln. Mein einziger (mini 🤏🏼) Kritikpunkt: I know, das Ende soll offen sein, aber es ist mir doch zu abrupt(?). Passt nicht ganz, aber wisst Ihr, was ich meine?

Ein tiefgründiges, ehrliches, sarkastisches und melancholisches Buch, das ich sehr empfehlen kann 🩷🩵

Habt Ihr es gelesen und wie hat es Euch gefallen?

Bewertung vom 18.08.2024
Der Bademeister ohne Himmel
Pellini, Petra

Der Bademeister ohne Himmel


gut

»Wir gleichzeitig Lebenden sind füreinander von geheimnisvoller Bedeutung.« (S.141)

Die 15-Jährige Linda denkt täglich darüber nach, wie es wäre, ihrem eigenen Leben ein Ende zu setzen. Was sie davon abhält? Ihr einziger Freund Kevin; der Demenz-erkrankte Nachbar Hubert, mit dem sie sich 2 Nachmittage in der Woche beschäftigt, um der polnischen 24/7 Pflegerin Ewa kurze Pausen zu verschaffen; Ewa, die sich nicht nur mit ihrem Apfelkuchen in Lindas Herz backt; aber auch ihre alleinerziehende Mutter, die sie doch nicht auch noch alleine lassen kann.

»Das Leben kommt einem mit voller Wucht entgegen. Man versucht zu entsprechen und scheitert, immer wieder. Seinen Frieden hat man nie. Immer muss man etwas nachweisen, man selbst ist nie genug. Traurig ist das, wirklich traurig.« (S.69)

Wir begleiten Linda durch diese schwere Teenie-Zeit, lachen mit Ihr über ihre spitzen Beobachtungen, Gedanken und die Art und Weise, wie sie spielerisch mit der Demenz von Hubert umgeht. Was bringt es uns, uns gegen alles zu sträuben? Genau — nichts, da können wir genauso gut, das Spiel mitspielen und die Regeln zu unserem Glück abändern. Und genau das gelingt Linda mit Hubert, während der Nachtfalter — Huberts Tochter genau daran scheitert.

In ihrem Debütroman »Der Bademeister ohne Himmel« schreibt die Autorin Petra Pellini über das Leben selbst: Von anstrengenden Teenager-Jahren, über das Verlieben Mitten im Leben und den Sterbeprozess eines Menschen mit Demenz. Das Buch ist wirklich ganz besonders: Zum Einen liest sich die Expertise der Autorin im Umgang mit Demenzen Menschen heraus, zum Anderen schafft sie, ein solch schweres und gesellschaftlich meist verdrängtes Thema mit einer Zartheit und einem liebevoll-melancholischen Schreibstil zu erzählen, dass es direkt ins Herz geht.

Ein wunderbares, trauriges, schönes Buch über Freundschaft, Demenz, Familie, Sterben ... — einfach das Leben selbst.

Bewertung vom 18.08.2024
Als wir Schwäne waren
Karim Khani, Behzad

Als wir Schwäne waren


ausgezeichnet

»Ich kenne meine Einzelteile nicht. Habe sie verlegt. Weiß nicht, wo oder wann. Auf der Flucht. Im Iran. In meinen Träumen, die mir vertrauter sind als mein Wachzustand. Ich träume nicht vom Iran. Ich träume im Iran.« (S.69)

Der 10-Jährige Reza landet mit seinen persischen Eltern nach der Flucht aus dem Iran ausgerechnet im Ruhrgebiet. Am Bochumer Stadtrand ist die Armut Realität. Dazwischen gibt es die kleinen süßen Momente des Glücks, wie der Fund von Kornelkirschen 🍒. In diesem Ballungsraum treffen nicht nur die verschiedensten Personen, Kulturen, Ansichten aufeinander, sondern die Gewalt ist allgegenwärtig.

»Völkerball ist so grausam, dass es aus unserem Viertel kommen könnte.« (S.78) 🏐

Während seine Eltern darüber hinwegsehen, als studierte Soziologin und Schriftsteller über Linguistik diskutieren, sich mit Arbeit über Wasser halten und dabei das bestandene Soziologie-Studium wiederholen, um in Deutschland auch anerkannt zu werden, gelangt er immer tiefer in die Gewalt und nimmt die Karriereleiter abwärts: Von einer gescheiterten Ninja-Clique über ‚Pakt schlägt sich, Pakt verträgt sich‘ bis zum Dealer und Gangster, um kein Opfer zu sein. Hier muss er seine Gefühle ausblenden, um nicht zu zerbrechen. 💔

»Alle sieben Jahre sind wir neu, sagt man. Alle Zellen erneuert. Aber die Narbenzelle erneuert sich wieder in eine Narbenzelle. Vererbt die Wunde. Vergisst nicht. Das Gedächtnis des Traumas liegt in der Wunde selbst.« (S. 175)

Tiefgründig, poetisch, ehrlich, in prägnanten Szenen und im fragmentarischen Erzählstil erzählt der Autor Behzad Karim Khani auch in seinem zweiten Roman »Als wir Schwäne waren 🦢« über das Leben nach einer Flucht aus Kriegsgebiet, das Aufwachsen in Deutschland der 90er Jahre, die eigenen Konflikte und Kriege. Er schreibt über Angst, Zorn, Wut, Zerrissenheit, Schmerz, Verlust, Leere, Zugehörigkeit, Familie, Freundschaft, Erwartungen, Enttäuschungen, Gesellschaftskritik, Verwunderung, Ankommen — oder doch eher (Weiter-)Gehen?

»[…] und dann werde ich mir sagen, dass meine Eltern mir nicht die Fremdheit vererbt, sondern die Welt geschenkt haben.« (S. 186) ❤️‍🩹

He did it again: Nach seinem erfolgreichen Debüt »Hund, Wolf, Schakal« gelingt es dem Autor auch mit seinem neuen Roman die grausame, gewaltvolle Realität, die existiert, zu transportieren, ohne diese zu verurteilen.



Ganz, ganz große Leseempfehlung.

[4.5/5 ★ ]


[CN: Physische Gewalt, Drogen, Rassismus, Kriminalität]