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KB
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Ostfriesland
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Freischaffender Autor

Bewertungen

Insgesamt 51 Bewertungen
Bewertung vom 01.07.2024
VIEWS
Kling, Marc-Uwe

VIEWS


ausgezeichnet

Das Cover soll wahrscheinlich ein unkenntlich gemachtes Videobild darstellen. In einem Bücherregal würde es aber nicht meine Aufmerksamkeit erregen. Außerdem finde ich den Buchrücken aus Hartkarton etwas rustikal, zumal es die Handhabung beim Lesen unbequem macht.
Den Namen des Autors Marc-Uwe Kling habe ich bisher nicht mit einem Thriller in Verbindung gebracht. Ich habe eine eher lustige Geschichte im Stil der Känguru-Chroniken erwartet. „Views“ sollte mich eines Besseren belehren.
Yasira, die Protagonistin des Romans, ist Kommissarin beim BKA und wird in einem Hard Rock Café auf ein verstörendes Video aufmerksam gemacht, das inzwischen im Internet kursiert. Es zeigt die Vergewaltigung eines jungen Mädchens von drei jungen Männern. Yasiras geschultes Auge erkennt trotz der schlechten Bildqualität sofort, dass die drei Männer Farbige sind. Wie nicht anders zu erwarten ist, soll sie aufgrund ihrer nichtdeutschen Abstammung die Ermittlungen leiten.

Der "Aktive Heimatschutz", eine rechtsradikale Gruppierung, nutzt die Verbreitung des Videos unterdessen für ihre Zwecke und sorgt für Aufruhr in der Bevölkerung. Das Video geht inzwischen weiter viral und bringt die Ermittlungsbehörden unter Erfolgsdruck. Yasiras Abteilung setzt alles daran, zunächst den Tatort ausfindig zu machen und die Identität des Mädchens zu ermitteln. Eine schwierige Aufgabe, zumal das Bildmaterial nicht auswertbar ist.
Schließlich stellt sich heraus, dass es sich bei dem Opfer um die 16 jährige Lena Palmer handelt, die von ihrem Vater als vermisst gemeldet worden ist. Doch Lena bleibt verschwunden. Eine verfahrene Situation, die der Autor hier eindrucksvoll verarbeitet.
Mehr oder weniger durch Zufall entwickelt sich bei Yasira der Verdacht, es könnte sich bei dem Vergewaltigungsvideo um ein generiertes Video handeln.
Das ist der Zeitpunkt, an dem die Geschichte eine völlig andere Richtung einschlägt. Yarisa muss ihre Abteilung, nicht zuletzt ihren Vorgesetzten über diesen neuen Ermittlungsansatz überzeugen. Der Autor hat es geschickt entwickelt, hier die Thematik der künstlichen Intelligenz ins Spiel zu bringen. Dabei spiegeln die vom Autor entwickelten Szenarien aktuelle Fake-News Debatten wider.
Diese neue Entwicklung gibt dem Buch ein Maß an Hochspannung, die ich nicht erwartet hatte. Leider zerstört das abrupte Ende meine Hoffnung auf die Aufklärung unbeantworteter Fragen.
„Views“ ist ein durchaus spannendes Buch, das nicht zuletzt mit teilweise bissigem Humor für Kurzweil sorgt. Die Auseinandersetzung mit allen derzeit aktuellen sozialkritischen Themen gibt dem Buch auch ein Stück Zeitgeschichte, die unsere Gesellschaft nicht aus den Augen verlieren sollte.
Ich habe „Views“ von Marc-Uwe Kling gerne gelesen und kann es mit fünf Sternchen absolut weiterempfehlen.

Bewertung vom 14.05.2024
Was der See birgt / Ermittlungen am Gardasee Bd.1
Koppelstätter, Lenz

Was der See birgt / Ermittlungen am Gardasee Bd.1


sehr gut

Lenz Koppelstätter kenne ich bisher nur als Autor des Buches „Aus tiefen Seen“ um die Kommissare Grauner und Saltapepe. Mir erschien das Buch seinerzeit aufgrund der vielen Nebencharaktere allerdings zu turbulent.
Von Koppelstätters „Was der See birgt“ hatte ich aufgrund der Leseprobe diesmal mehr erwartet.
Der Anfang war dann auch vielversprechend. Hervorragende Beschreibungen der Region haben mich sofort in die wunderbare Landschaft des Gardasees entführt.
Die Protagonistin Gianna Pitti, die als Polizeireporterin für eine Lokalzeitung am Gardasee tätig ist, macht sich auf den Weg, den Tod eines jungen Mannes, den sie am Tag zuvor kennengelernt hatte, zu ermitteln.
Als Nebencharaktere in Form des Marchese, Giannas schrulligen Onkels und Elvira der konventionellen Leiterin des Lokalblattes hat der Autor ein Trio geschaffen, das ihr bei den Recherchen unterstützt.
Leider verfällt der Autor auch hier immer wieder in langatmige Erzählungen aus der italienischen Geschichte und teils komplizierten Verwandtschaftsbeziehungen. Allmählich geht so die zaghaft geschaffene Spannung verloren. Spät, zum Ende des Romans, wird es wieder aufregend und die Geschichte entwickelt sogar eine besondere Dramatik. Der Autor schafft es dann auch, besonders skurrile Situationen zu schaffen.
Ein elitärer Geheimbund bringt die Protagonisten schließlich in lebensbedrohliche Situationen. Am Ende bleiben bei mir aber noch viele Fragen unbeantwortet.
Der Schreibstil ist wie gewohnt sehr flüssig und Lenz Koppelstätter versteht es immer wieder, die Spannungskurve stabil zu halten. Letztendlich hat mich dieses Buch aber nicht überzeugt.
Trotz alledem ist der Text kurzweilig geschrieben. Den Roman als Regionalkrimi einzustufen wird dem Buch nicht gerecht. Die Ermittlungspraktiken Giannas mit ihren nicht ganz legalen Recherchen erinnern, ohne die gewohnte langweilige Ermittlungsarbeit eines Polizeiapparates, mehr an einen Detektivroman.
Koppelstätter versteht es, den italienischen Lebensstil, insbesondere durch den Lebensstil des Marchese kurzweilig zu vermitteln. Im Grunde macht gerade das dieses Buch lesenswert.
Richtig fesseln konnte mich der Roman aber trotzdem nicht.

Bewertung vom 12.04.2024
25 letzte Sommer
Schäfer, Stephan

25 letzte Sommer


ausgezeichnet

Der Protagonist ohne Namen und Ich-Erzähler macht Urlaub auf dem Land um sich von seinem stressigen Berufsalltag ein wenig zu entspannen. Hier auf dem Lande hat die Familie ein kleines Häuschen als Zufluchtsort gemietet, in dem sie hin und wieder ihre Wochenenden verbringen. An diesem Wochenende jedoch ist er allein mit dem Fahrrad unterwegs. Hier versucht er, fernab von den klimatisierten Büroräumen mit ihren Computern, die Entschleunigung.
Begeistert beschreibt Stephan Schäfer die Eindrücke während seiner kleinen Fahrradtour, als wäre er das erste Mal hier unterwegs. Erlebte die frische Luft oder versuchte die aufgehende Sonne bewusst wahrzunehmen. Für mich als Leser konnte ich dieses Stimmungsbild nachempfinden.
Getrieben von seinem beruflichen Ehrgeiz verfolgen ihn aber immer wieder Gewissensbisse über verpasste E-Mails, die es noch dringend zu beantworten gibt. Die gläserne Wand zwischen dem Hier und der Welt der Konferenzen und der Diskussionen blieb allgegenwärtig.
Während einer kleinen Rast entdeckt er den kleinen idyllischen See. Der Ort erinnerte ihn daran, dass es hier auf jeden Fall besser ist, als in seinem klimatisierten Büro.
Und dort begegnet er Karl. Eine Begegnung, die vieles verändern sollte. Schnell entwickelt sich eine ungewöhnliche Beziehung zwischen den beiden Männern.
Karl, so scheint es, hat eine eigene, völlig andere Sicht der Dinge. Karls Leben wird zur Philosophie.
Urplötzlich entsteht eine emphatische gegenseitige Wertschätzung und die wirklich wertvollen Momente des Lebens werden plötzlich sichtbar.
„25 letzte Sommer“ ist eine unaufgeregte gefühlvolle Geschichte, die längst verborgene, vielleicht sogar verdrängte empathische Empfindungen wieder wach ruft. An mich als Leser hat sie jedenfalls, appelliert, mein eigenes Leben zu überdenken.
Den Roman dabei einfach als Lebensratgeber abzutun, wird dem Buch nicht gerecht.

Die zarten weichen Farben und das Motiv des Covers werden dem Buch gerecht.
Der Schreibstil ist schnörkellos, die Kapitel sind übersichtlich geordnet. Es macht Freude, dieses Buch zu lesen, und am Ende wünschte ich, auch so einen Karl zu kennen.

Bewertung vom 14.02.2024
Climate Action
Linker, Christian

Climate Action


gut

Ein junges Mädchen sitzt in einem Bus und fällt durch ihr sonderbares Verhalten auf. Ein Fremder, nicht näher beschriebener Mann, beobachtet sie und vermutet zunächst, das Mädchen sei eine Schwarzfahrerin. Als Kontrolleure den Bus betreten verlässt sie den Bus fluchtartig und steckt dabei dem Fremden ihr Tagebuch zu. Zuhause angekommen untersucht der Fremde das Tagebuch und erfährt, dass das Mädchen Pauline heißt und sich gemeinsam mit ihren Freunden aktiv für den Klimaschutz einsetzt. Der Fremde wird durch das Lesen des Tagebuches neugierig und begleitet die Gruppe, dessen Charaktere unterschiedlicher nicht sein könnten, anhand Paulines Tagebuchaufzeichnungen.
So weit so gut. Bis zu diesem Zeitpunkt lässt die Geschichte alles zu. Doch dann erhalten die Leser die Möglichkeit, selbst die Entwicklung der Geschichte zu beeinflussen, indem sie sich einer bestimmten Person oder Gruppe anschließen.
Meine Entscheidung in der Geschichte führte dabei zu einem sehr abrupten Ende und lies viele Fragen unbeantwortet. Ich habe daraufhin auch andere Interaktionsmöglichkeiten ausprobiert, mit dem Ergebnis, dass ich irgendwann die Lust zum Weiterlesen verloren habe.
Die Idee an sich ist wirklich interessant, doch meine Erwartungen, dieses Buch zu lesen, haben sich nicht erfüllt. Zu gerne hätte ich mehr über die Intension der Klimaaktivisten erfahren. Leider lässt die Geschichte keine tiefgründige Beschäftigung mit der Thematik zu.
Erkennbar an den pennälerhaften Dialogen der Protagonisten wertet „Climate Action“ ernsthafte Auseinandersetzungen junger Menschen mit der Klimaproblematik oberflächlich zu einem Jugendroman à la TKKG ab.
Der Text ist flüssig geschrieben, wenn auch die Typographie in den Textpassagen des Tagebuches gewöhnungsbedürftig ist.
Es ist kein Krimi, dennoch ein spannendes Buch, das kurzweilig geschrieben ist. Für eine kritische Auseinandersetzung mit dem vieldiskutierten Thema um die Klimaaktivisten ist es meines Erachtens nicht geeignet.

Bewertung vom 24.01.2024
Paris Requiem
Lloyd, Chris

Paris Requiem


ausgezeichnet

Ich habe bereits den ersten Band um den französischen Kriminalkommissar Eddi Giral gelesen. Insofern waren mir die historischen Hintergründe der Geschichte bekannt. Diese Vorkenntnisse sind aber für das Verstehen der Zusammenhänge dieses Romans nicht zwingend erforderlich.
Die deutschen Truppen haben Paris besetzt und die französische Polizei muss sich gegen die deutsche Besatzungsmacht behaupten. Ein Umstand, der die Ermittlungsarbeit der französischen Polizei besonders erschwert. Auch der Protagonist Eddi Giral sieht sich immer wieder Repressalien der Besetzer ausgesetzt. Während die deutschen Soldaten mit den Privilegien der Sieger kokettieren fehlt es der Bevölkerung an den notwendigsten Dingen des Lebens.
Eddie leidet unter der Situation mit depressiven Phasen. Hin und wieder ist er versucht, anhand seiner immer griffbereit geladenen Pistole, sein Schicksal herauszufordern.
In dieser Situation wird im September 1940 in einem Pariser Jazzclub die Leiche eines Mannes gefunden. Ein bizarrer Fund, da die Lippen der Leiche mit Bindfäden zugenäht worden sind. Die Symbolik dieses Mordes und seine Hintergründe sind äußerst rätselhaft, zumal der Tote eigentlich noch im Gefängnis sitzen sollte. Ein mysteriöser Fall, dem im Laufe der Geschichte noch weitere folgen. Fälle, die Eddie Giral bis an seine persönlichen und dienstlichen Grenzen beschäftigen.
Auch dieser zweite Roman des Autors Chris Lloyd schildert sehr eindrucksvoll die schwierige Situation, einen Mord in Kriegszeiten aufzuklären. Immer wieder tritt die eigentliche Ermittlungstätigkeit der Polizei, bedingt durch Behinderungen der Besatzungsmacht, in den Hintergrund. Immer der Gefahr ausgesetzt, selbst Opfer der Willkür zu werden, ist sogar das eigene Überleben tagtäglich infrage gestellt.
Der Autor Chris Lloyd hat es in besonderem Maße verstanden, diese bedrückende Situation darzustellen.
„Paris Requiem“ nimmt den Leser mit auf eine Reise in die Zeit eines Krieges, der die Welt in Unordnung gebracht hat und heute durchaus an den Krieg in der Ukraine denken lässt.
Der Text ist flüssig geschrieben, die einzelnen Kapitel sind übersichtlich gegliedert. Es ist ein sehr spannendes Buch, das ich als Leser nur schwer aus der Hand legen konnte. Allein die französischen Namen der Nebencharaktere haben meinen Lesefluss beeinträchtigt.
Ich kann das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen und würde mich über eine Fortsetzung freuen.

Bewertung vom 27.12.2023
Twelve Secrets / Ben Harper Bd.1
Gold, Robert

Twelve Secrets / Ben Harper Bd.1


sehr gut

Die Buchbeschreibung hat mich neugierig gemacht. Irgendetwas zwischen Thriller und Drama hatte ich erwartet. Eine wirklich tolle Idee, eine Familientragödie in dieser Form aufzuarbeiten.

Vor zwanzig Jahren wurden Ben Harpers älterer Bruder und sein Freund von zwei Klassenkameradinnen kaltblütig ermordet. Die brutale Tat hatte weltweites Aufsehen erregt und das Leben beider Familien auf tragische Weise verändert. Ben`s Mutter ist daran zerbrochen und soll sich zehn Jahre danach das Leben genommen haben. Die Hintergründe wurden nie vollständig aufgeklärt.
Ben ist inzwischen ein erfolgreicher Journalist geworden. Seine Vorgesetzte drängt ihn, anlässlich des Todestages seiner Mutter aus der Sicht eines Betroffenen eine True-Crime-Story zu schreiben. Er lehnt zunächst ab.
Als in der Region ein Mordfall neue Erkenntnisse zum Tod seines Bruders und dessen Freund liefert, beschließt er die Hintergründe der Tat und noch vielen offenen Fragen nachzugehen. Behilflich dabei ist ihm die Polizistin Dani Cash, deren Rolle im Buch aber eher als Lückenfüller diente und für die Geschichte unbedeutend ist.
Ben`s Nachforschungen bringen mehr Verwirrung als Aufklärung. Die Zahl der Verdächtigen steigt, je weiter die Geschichte vorankommt. Entsprachen die ersten Kapitel noch meinen Erwartungen, so enttäuschter wurde ich, als ich mit immer mehr Nebenschauplätzen konfrontiert wurde. Alle Nebencharaktere aus Ben`s Bekannten- und Freundeskreis werden verdächtigt, in den Fall verwickelt zu sein.
Die Chronologie der Ereignisse wird immer undurchsichtiger. Mir fehlt hier die Trennung zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Irgendwann war Gott sei Dank eine gewisse rote Linie zu erkennen und ich war in der Lage, Personen und Ereignisse einzuordnen.
Der Schreibstil des Buches ist flüssig und die einzelnen Kapitel sind überschaubar gegliedert. Es sind die vielen Nebenschauplätze, die das Lesen erschweren. Das Ende wirkt konstruiert und mit heißer Nadel gestrickt.
„Twelve Secrets“ würde ich nicht als Thriller einstufen. Aufgrund der verwobenen Beziehungsgeschichten und der daraus resultierenden tragischen Schicksale der Nebencharaktere würde ich es eher als Drama ansehen.
Nichtsdestotrotz ist es ein spannendes Buch. Leser und Leserinnen müssen sich jedoch auf eine etwas komplizierte Zeitfolge der Ereignisse einstellen. Insofern finde ich die Geschichte zu überladen. Weniger wäre mehr gewesen.

Bewertung vom 24.10.2023
Ich bin Frida / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.23
Bernard, Caroline

Ich bin Frida / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.23


sehr gut

„Ich bin Frida“ ist das zweite Buch von Caroline Bernard. Für mich wäre es hilfreich gewesen, vorher den ersten Roman „Frida Kahlo und die Farben des Lebens" gelesen zu haben. So ist mir die künstlerische Entwicklung abhandengekommen.

Die Geschichte:
In diesem Buch geht es um die inzwischen 31 Jahre alte Frida. Sie erkennt allmählich den schädlichen Einfluss ihres Mannes, den berühmten Maler Diego Rivera, der sie als Malerin nicht wahrnimmt. Er sieht in ihr nur die Ehe- und Hausfrau. Sein geheucheltes Interesse an ihrer Arbeit wird von ihr allmählich durchschaut.
In diesem Buch, in dem Fakten und Fiktionen vermischt sind, liegt der Fokus auf Fridas Weg in die Unabhängigkeit. Auf einer Reise nach New York erhält sie erstmals die Chance, ihre Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren und erlangt den Durchbruch als Künstlerin. Leider dominieren in diesem Teil der Geschichte zu sehr die Liebesbeziehung zu Nick Muray und ihr Verhältnis zu ihrem Mann.
Dieser fiktive Teil des Romans gefällt mir nicht, da er vom seichten Schreibstil her eher als Trivialroman einzustufen ist. Er ist mir einfach zu flach.
Aufgrund der biografischen Fakten dieses für die Künstlerin doch sehr bedeutenden Lebensabschnitts verdienen durchaus andere Ereignisse mehr Beachtung. Viel zu kurz wird auf die Begegnungen mit namhaften Zeitgenossen wie Picasso, Kandinsky, Trotzki usw. eingegangen. Auch Fridas politisches Engagement ließe sich in diesem Zusammenhang literarisch interessanter verarbeiten.
Beeindruckend verarbeitet hat die Autorin jedoch die unbeschreibliche Leidensgeschichte dieser Frau, die aufgrund ihres unbeugsamen Charakters immer wieder den Mut aufgebracht hat, ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben.

Fazit:
Der Schreibstil des Romans ist flüssig und die einzelnen Kapitel sind übersichtlich gegliedert. Leider fehlt mir die künstlerische Auseinandersetzung mit ihren Werken im Hinblick auf die künstlerischen Strömungen dieser Ära.
Ich persönlich habe von diesem Buch mehr von der Frida Kahlo als Malerin erwartet. Die Leser und Leserinnen, die überwiegend an der Person interessiert sind, werden hier nicht enttäuscht.

Bewertung vom 14.10.2023
Memoria
Beck, Zoë

Memoria


ausgezeichnet

„Memoria“ wird dem Genre Thriller zugeordnet.
Mich als Leser erinnerte die Geschichte anfangs eher an ein Drama, in dem eine junge Frau, die eine glorreiche Zukunft als Pianistin vor sich hatte durch einen Schicksalsschlag in Armut landete.
Die Geschichte entwickelte sich dann doch anders als erwartet.

Sie spielt in der nahen Zukunft. Alles, was in der heutigen Zeit aufgrund der Klimaveränderungen an Folgen befürchtet wird, ist eingetroffen. Trinkwasser aus der Leitung ist nahezu ungenießbar, in den Innenstädten ist es unerträglich heiß. Dementsprechend gibt es viele Waldbrände, die bis an die großen Städte heranreichen.
Harriet, die Protagonisten in Zoё Beck`s Roman „Memoria“ ist Mitte dreißig. Die nach einer Handoperation gehandicapte junge Frau lebt jetzt mehr schlecht als recht von der Arbeit als Klavierstimmerin.
Während einer Zugfahrt zu einem Auftraggeber rettet sie einer alten Dame das Leben. Seitdem ereignen sich rätselhafte Begebenheiten. Fremde Menschen scheinen sie zu erkennen, sie erfährt, dass sie ein Auto fahren kann, sogar im Besitz eines Führerscheins ist. Immer wieder stößt sie durch Flashbacks auf Bruchstücke ihrer Vergangenheit, an die sie sich nicht erinnern kann.
Harriet beschließt, ihre Identität aufzuklären und fährt nach München, ihrer Geburtsstadt. Im leerstehenden Haus ihrer Eltern erfährt sie Unerklärliches.
Mit Hilfe ihrer ehemaligen Nachbarn versucht sie dort, wo sie aufgewachsen ist, Fuß zu fassen. Ein nicht ungefährliches Unterfangen. Schließlich muss sie um ihr Leben bangen.

Der Autorin ist es gelungen die dramatischen klimatischen Veränderungen sehr zaghaft in die Geschichte einfließen zu lassen. Es sind die vielen kleinen, fast unscheinbaren Veränderungen, die den Leser erkennen lassen, dass er sich in der Zukunft befindet.

Der Schreibstil ist flüssig und die Kapitel sind übersichtlich geordnet. Es fiel mir schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Jedes Kapitel steigerte die Spannung und am Ende ist dann auch erkennbar, dass es sich bei „Memoria“ um einen Thriller handelt. Es ist ein Buch voller geheimnisvoller Geschichten. Zwischendurch hoffnungsvoll auf eine Klärung der mysteriösen Vorfälle, dann wieder beängstigend irreal.
Ich kann das Buch sehr empfehlen. Es ist spannend geschrieben, regt aber auch zum Nachdenken an.

Bewertung vom 12.10.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


ausgezeichnet

Den Autor Daniel Kehlmann kannte ich bisher nicht. Vorweggenommen bin ich aber froh, ihn jetzt kennenlernen zu dürfen.
„Lichtspiel“ ist ein Roman der Filmgeschichte, eingebettet in die Geschichte der Zeit vor der Machtergreifung Hitlers.
Die Nationalsozialisten ringen um die Macht, was zur Folge hat, dass Juden und andersdenkende Menschen brutal verfolgt wurden. Einige Zeitgenossen, darunter auch der damalige berühmte Filmregisseur Georg Wilhelm Pabst erkennen die Zeichen der Zeit und setzen sich in die USA ab. Doch der einstige Ruhm ist nicht zuletzt wegen der Sprachbarrieren verblasst. Kaum jemand erkennt in Pabst noch den weltberühmten Regisseur. Im Kapitel „Am Pool“ beschreibt Kehlmann typische Situationen, wie sie sich bei Gesellschaften der Filmschaffenden abgespielt haben.
Die Sorge um seine noch in Österreich lebende Mutter treibt ihn schließlich wieder in seine alte Heimat zurück. Aber auch hier holt ihn die Macht des Regimes ein. Pabst muss sich unterordnen und sogar mit dem Regime in Person des Propagandaministers zusammenarbeiten. Inzwischen ist der Krieg ausgebrochen und eine Flucht aus Österreich scheint unmöglich. Eine schlimme Zeit, nicht nur für Pabst. Die dunkle Seite der Macht zeigt sich auf sehr beklemmende Art und Weise.
Der Autor vermittelt die Atmosphäre dieser Zeit auf eine beeindruckende Weise.
Lesehighlights waren für mich die Gespräche mit dem Propagandaminister Goebbels und der Schauspielerin Leni Riefenstahl. Beängstigend scharf hat der Autor es verstanden, das Böse dieser Personen und die Regimetreue der Menschen dieser Epoche zu enttarnen.
In den Szenen auf Schloss Dreiturm wird das menschverachtende System besonders deutlich.
Der älteren Generation und Menschen, die sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus beschäftigen, werden hier unverkennbar maßgebliche Personen dieser Ära erkennen. Mir jedenfalls haben sich unwillkürlich Parallelen zu rechten Tendenzen unserer Zeit aufgedrängt.
Die historischen Fakten werden brillant nacherzählt und in eine eigene Geschichte eingebettet, so, dass man durchaus von einem halbdokumentarischen Roman sprechen kann.
Irritiert hat mich anfangs die wechselseitige Sicht unterschiedlicher Personen. Sehr interessant fand ich die Passagen über das Einmaleins der Filmarbeit. Allerdings erschienen mir die detaillierten Schilderungen später etwas zu langatmig.
Insgesamt gesehen hat mich das Buch förmlich gefesselt. Der Schreibstil ist flüssig und die Geschichte hat einen stabilen Spannungsbogen. „Lichtspiel“ ist ein Buch, das ich absolut weiterempfehlen kann. Es vermittelt zeitgeschichtliches Wissen und Erkenntnisse über die Arbeit der Filmschaffenden aus der Zeit nach dem Stummfilm, die mir als Leser bisher nicht bekannt waren.

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