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YukBook
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München

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Insgesamt 281 Bewertungen
Bewertung vom 19.12.2024
Wagnis
Coon, Peter

Wagnis


ausgezeichnet

In seiner Novelle greift Peter Coon ein brisantes Thema auf: das Dilemma eines Pazifisten, der Gewalt vermeiden, aber Menschenleben schützen will. Sein Protagonist Frederik ist vor dem Krieg und der Einberufung geflüchtet und lebt mit seinen Freunden und Gleichgesinnten zurückgezogen im Wald. Mit der Ruhe ist es vorbei, als er Luftkämpfe und einen Flugzeugabsturz beobachtet, eine folgenreiche Entscheidung trifft und dadurch mitten ins Kriegsgeschehen hineingezogen wird.

Ich war beeindruckt, wie der Autor in dieser kurzen, temporeichen Geschichte die unterschiedlichen Standpunkte und den Kern der Problematik deutlich macht. Wie lang kann man an seinen Prinzipien festhalten, wenn Menschenleben und die Freiheit bedroht werden? Sehr anschaulich beschreibt er anhand dieses exemplarischen kleinen Kriegsschauplatzes krasse Gegensätze: Auf der einen Seite wird mit höchster Anstrengung ein Leben gerettet, auf der anderen Menschen mit grausamer Willkür erschossen. Die Versuchung, angesichts der Ausweglosigkeit zu resignieren und sich aus allem herauszuhalten, ist groß. Dieser Versuchung zu widerstehen und ein Wagnis einzugehen, indem man sich auf Menschlichkeit und gegenseitiges Vertrauen besinnt, ist eine wichtige Botschaft, die uns Peter Coon mitgibt.

Bewertung vom 16.12.2024
Die Familie Aubrey
West, Rebecca

Die Familie Aubrey


gut

Die titelgebende Familie Aubrey hat es nicht leicht. Sie hat schon mehrere Umzüge hinter sich und ist permanent in Geldnot, weil der Vater sich ständig an der Börse verspekuliert. Die Ich-Erzählerin Rose und ihre Zwillingsschwester Mary sind immerhin musikalisch hochbegabt und klammern sich an einen Hoffnungsschimmer: Wenn sie erst einmal Pianistinnen sind, werden sie genug Geld für die Familie verdienen.

Mal beweisen die Töchter den Scharfsinn eines Erwachsenen und streiten mit der Mutter auf Augenhöhe; dann wieder hegen sie einen kindlichen Groll besonders gegenüber der älteren Schwester Cordelia, die nur mäßig Geige spielt, und stellen ihren Vater trotz seiner Unzuverlässigkeit auf einen Podest. Dabei ist es die Mutter, die die Familie durch alle Widrigkeiten navigiert und sie zusammenhält.

Ich habe mich schwer damit getan, dass insgesamt wenig passiert, manches wie die Sticheleien gegen Cordelia sich wiederholt und einzelne Szenen sehr ausschweifend beschrieben werden. Am meisten gefiel mir der schöne Sprachstil der Autorin und dass es um den Glauben an die Kunst geht und die Gabe, auch in der Not Freuden im Alltag zu finden. Rebecca West gelingt es sehr gut, die Erlebnisse der Aubreys aus der Sicht eines Kindes mit all seiner Fantasie zu schildern, vermutlich weil sie auf eigenen Erfahrungen beruhen.

Bewertung vom 07.12.2024
Die Himmelsstürmer / Herrliche Zeiten Bd.1
Prange, Peter

Die Himmelsstürmer / Herrliche Zeiten Bd.1


sehr gut

Wenn ich das nächste Mal auf dem Kurfürstendamm in Berlin flaniere, werde ich viele Bilder aus diesem Roman im Kopf haben. Die Entstehung dieses Boulevards und viele weitere Details über Berlins Aufstieg zu einer Metropole und den nationalen Aufbruch zwischen 1871 und 1914 sind eingebettet in die Geschichte einer Dreiecksbeziehung. Die selbstbewusste und fortschrittliche Industriellentochter Vicky aus London, der angehende Meisterkoch Auguste aus Paris und der Bauingenieur Paul aus Berlin freunden sich 1871 in Karlsbad an. Voller Träume und Ambitionen gehen sie getrennte Wege, laufen sich jedoch immer wieder über den Weg.

Peter Prange versteht es, Geschichte lebendig werden zu lassen, sei es der hürdenreiche Tunnelbau unter dem Ärmelkanal oder die deutsche Kolonialpolitik in Afrika. Mit Cliffhangern am Kapitelende und interessanten historischen Details hielt er mich während des 23-stündigen Hörerlebnisses bei der Stange. Für meinen Geschmack hätte es zwar etwas weniger amourös zugehen können, doch zum Schluss laufen die Fäden elegant zusammen. Frank Arnold ist ein begnadeter Sprecher, der durchweg eine gute Balance zwischen Dramatik, Emotion und Zurückhaltung hält.

Bewertung vom 24.10.2024
Zusammen
Wurmb-Seibel, Ronja von

Zusammen


ausgezeichnet

Gleichgesinnte zu finden ist heutzutage dank verschiedenster Plattformen und sozialer Medien nicht schwer. Seltener erlebt man Momente, in denen man eine echte Verbundenheit und einen Moment von Gemeinschaft mit anderen Menschen spürt. Wie wir das ändern können, beschreibt Ronja von Wurmb-Seibel in ihrem Buch, wobei mich vor allem der zweite Teil des Untertitels – wie wir Verbündete finden – interessierte.

Doch zuvor erläutert sie, warum soziale Bindungen neben gesundheitlicher und finanzieller Vorsorge so wichtig sind, um ein langes und erfülltes Leben zu führen, und welche Bedeutung sie haben, um gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. Forschungsergebnisse, Zitate von Experten und ihre persönlichen Erlebnisse bilden dabei einen angenehmen Mix.

Die Autorin lebt in einem kleinen Dorf und hat mit ihrem Partner ein Gästehaus gegründet, in dem sie mal mit Künstlern, mal mit Menschen, die eine kreative Pause brauchen, lebt. Für mich, die Schwierigkeiten hat, eine gute Balance zu finden zwischen Me Time und in Gesellschaft sein, ein reizvoller, aber auch leicht abschreckender Gedanke.

Wie schon in ihrem letzten Buch „Wie wir die Welt sehen“ hat mir wieder gefallen, wie leicht sie es den Lesern macht, selbst etwas auszuprobieren und in kleinen Schritten etwas zu bewirken. Jedes Kapitel enthält viele praktische Beispiele und endet mit Experimenten für den Alltag. Mich hat sie dazu inspiriert, meinem Gegenüber bei jeder Gelegenheit mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Ronja von Wurmb-Seibel schlägt einen schönen Bogen von der Bedeutung tiefgehender Beziehungen für den Einzelnen bis hin zu Anregungen, wie man eine Community gründet und zur Stärkung der Gemeinschaft und der Demokratie beiträgt.

Bewertung vom 20.10.2024
Ghost Mountain
Hession, Rónán

Ghost Mountain


ausgezeichnet

Mit skurrilen Figuren kennt sich der irische Schriftsteller Rónán Hession aus, wie er in seinem Roman „Leonard und Paul“ bewiesen hat. Diesmal ist nicht nur das Ensemble, sondern auch die Handlung bizarr. Aus dem Nichts taucht ein Berg auf, wo zuvor nur Felder waren, und stellt das Leben der umliegenden Gemeinde auf den Kopf.

Manche von ihnen fühlen sich von dem Berg magisch angezogen und erhoffen sich bei der Umrundung Klarheit über ihr Leben, anderen bietet sich eine neue Karrierechance. Der Berg entzweit Paare, beschert Verluste und bringt neue Beziehungen hervor. Es dauerte eine Weile, bis ich Zugang zu der Geschichte und den Charakteren fand, die so sonderbare Namen wie „stadtbekannter Säufer“ tragen, wurde dann aber immer stärker in eine metaphysische Ebene hineingezogen.

Der Berg steht unverändert und unerschütterlich da, löst bei den Menschen jedoch eine Kette von Ereignissen aus und bringt sie dazu, alles Vertraute zu hinterfragen, ihre äußeren Schichten abzulegen und zu ihrem innersten Kern vorzudringen. Auf schmerzvolle Weise lernen sie, wie schnell sie sich voneinander entfremden und austauschbar werden und dass nichts von Dauer ist. An einer Stelle heißt es, dass der Mensch auf der Welt nicht zu viel Platz einnehmen sollte. Für mich ist dies eine der Kernbotschaften des Romans, der zum Staunen und Nachdenken anregt.

Bewertung vom 16.10.2024
Zebras im Schnee
Wacker, Florian

Zebras im Schnee


ausgezeichnet

Dieser Roman war eine überraschende Entdeckung für mich. Die Zutaten sind ganz nach meinem Geschmack: ein historisch interessantes Setting, starke Frauenfiguren, Kunst, Fotografie, Architektur und Aufbruchstimmung.

In den 90er Jahren bereitet der New Yorker Kunsthistoriker und Architekt Richard Kugelman eine Jubiläumsausstellung über das Stadtplanungsprogramm „Neues Frankfurt“ vor. Dank einer Begegnung auf einem Symposium in Frankfurt findet er nicht nur den nötigen Antrieb, sondern lernt bei seinen Recherchen eine völlig unbekannte Seite seiner verstorbenen Mutter Franziska kennen. Um das Leben von Ella Burmeister, mit der Franziska in den 1930er Jahren eng befreundet war, geht es im zweiten Erzählstrang.

Ich habe mit den Figuren mitgefiebert, bin in die Künstlerszene und in das Frankfurter Nachtleben eingetaucht, habe mich mit Ella über ihre ersten Erfolge als Fotografin gefreut, und verfolgt, wie die Architekten Ernst May und Martin Elsässer mit ihren Bauten und dem neuen Wohnungskonzept die Stadt modernisierten. Ein toller Mix aus Fiktion und Realität, lebendig erzählt und klug komponiert.

Bewertung vom 08.10.2024
Jenseits der Ngong Berge
Gottschalk, Maren

Jenseits der Ngong Berge


ausgezeichnet

Mein Bild von Karen Blixen ist stark geprägt von der Verfilmung ihres Bestsellers „Jenseits von Afrika“. Von dieser Romanbiografie erhoffte ich mir neue Einsichten und Einblicke in ihr Leben außerhalb der Zeit in Ostafrika.

Die Rahmenhandlung bildet ein Interview, das die amerikanische Journalistin Ruth mit der 74-jährigen Schriftstellerin in ihrem dänischen Elternhaus in Rungstedlund führt. So erfahren wir nicht nur Karens Lebensgeschichte, sondern auch wie sie auf die Vergangenheit zurückblickt und warum sie so und nicht anders gehandelt hat – denn durch Ruths Reaktionen und kritische Äußerungen wird sie teils gezwungen, ihr Verhalten zu rechtfertigen.

Fest steht, dass Karen Blixen eine widersprüchliche Person war. Einerseits fiel es ihr schwer, auf Luxus und opulente Dinnerparties mit Kolonialherren zu verzichten, auch wenn sie es sich nicht mehr leisten konnte. Andererseits setzte sie sich über die Maßen für das Wohl ihrer Mitarbeiter ein und kratzte ihr letztes Geld zusammen, um den Kenianern in Notlagen zu helfen und ihnen Perspektiven zu bieten.

Die Liebe und intellektuelle Verbindung zu dem Jäger Denys Finch Hatton nimmt in ihren Schilderungen genauso viel Raum ein wie ihre unermüdlichen Anstrengungen, ihre Kaffeeplantage vor dem Ruin zu retten. Darüber hinaus bekam ich Einblick in das schwierige Verhältnis zu ihrer Familie, von der sie sich lösen wollte und doch abhängig blieb, und in ihre schriftstellerische Karriere. Dank ihrer Erzählkunst und umfangreichen Recherchen hat mir Maren Gottschalk schöne und informative Lesestunden beschert und mein Bild von Karen Blixen weiter vervollständigt.

Bewertung vom 05.10.2024
Die Geschichten in uns
Wells, Benedict

Die Geschichten in uns


ausgezeichnet

Ich hätte erst einen Roman von Benedict Wells lesen können und dann sein autobiografisches Sachbuch, aber nun mache ich es eben umgekehrt. Im ersten Teil schildert er sehr offen seine schwere Kindheit, welche Bücher ihn geprägt haben und wie er trotz massiver Rückschläge an seinem Traumberuf des Schriftstellers festhielt.

Im zweiten Teil stellt Wells verschiedene Schreibwerkzeuge wie Schnitt, Figurenzeichnung und Dramaturgie vor. Anhand seiner eigenen Romane lässt sich das natürlich am besten veranschaulichen. Dabei geht er sehr selbstkritisch vor, erklärt, warum er etliche Szenen radikal entfernte und wie er seinen Texten den Feinschliff gab. Seine Beispiele sind nicht nur prägnant und leicht nachvollziehbar, er trägt sie im Hörbuch auch humorvoll und unterhaltsam vor. Zudem zitiert er viele Schreibratgeber und Schriftsteller, die ihn inspiriert haben wie Stephen King, Donna Tartt oder Julia Cameron, so dass man im Anschluss die Themen vertiefen kann.

Mir gefiel die Mischung zwischen persönlichem Erfahrungsbericht und Schreib- und Literaturtipps sehr. Benedict Wells erklärt verständlich, was gelungene Romane ausmacht und hat meine Neugier auf seine eigenen Werke geweckt.

Bewertung vom 26.09.2024
Ingeborg Bachmann und Max Frisch - Die Poesie der Liebe / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.3
Storks, Bettina

Ingeborg Bachmann und Max Frisch - Die Poesie der Liebe / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.3


ausgezeichnet

Das ist mein erstes Buch aus der Reihe „Berühmte Paare – Große Geschichten“. Als Fan von Romanbiografien fand ich es sehr spannend, zwei namhafte Literaten unter dem Aspekt ihrer Liebesbeziehung näher kennenzulernen.

Ihre Charaktere sind so verschieden, dass ich schon zu Beginn Zweifel hatte, ob ihre Liebe alltagstauglich ist. Auf der einen Seite der bodenständige und pragmatische Max Frisch, der seine Routinen pflegt; auf der anderen Seite die sensible, freiheitsliebende und konsumfreudige Ingeborg Bachmann – da prallen zwei Welten aufeinander. Trotzdem finden die beiden immer wieder zueinander. Die intensiven, leidenschaftlichen Momente, die das Paar mal in Uetikon, mal in Rom erlebt, ließen auch mir das Herz aufgehen. Ich fühlte mit Max Frisch mit, der aus jedem kleinsten Kompromiss, den seine Angebetete eingeht, große Hoffnung schöpft.

Manche Muster wie seine Eifersucht wiederholen sich zwar, doch ich war bis zum Ende gefesselt von den emotionalen Höhen- und Sturzflügen und wünschte dem Paar ein Happy End. Nebenbei bekam ich tiefe Einblicke in ihre unterschiedlichen Schreibprozesse, ihre Auffassung von der Literatur und ihr Umfeld. Ingeborg Bachmanns Perspektive macht deutlich, wie schwer es Frauen hatten, sich im Literaturbetrieb zu behaupten, was sich leider auch auf die Beziehung auswirkte.

Bewertung vom 09.09.2024
Den Wind in den Haaren
Abbs, Annabel

Den Wind in den Haaren


ausgezeichnet

Einige der Frauen, die die Autorin vorstellt, sind weltbekannt, z.B. Simone de Beauvoir, Daphne du Maurier oder Georgia O‘Keeffe. Weniger bekannt ist, in welchem Maße das Wandern ihr Bedürfnis nach Freiheit und Unabhängigkeit erfüllt hat. Diese Leidenschaft teilten sie mit Frieda Lawrence, Gwen John, Clara Vyvyan und Nan Shepherd, die wir ebenfalls näher kennenlernen. Annabel Abbs hat ihre Tagebücher, Briefe und Memoiren studiert und sich nicht nur geistig, sondern auch körperlich auf ihre Spuren begeben.

In jedem Porträt kann man gut nachvollziehen, was die Frauen dazu bewegt hat, meilenweit häufig in einsamen Gegenden zu marschieren, wieviel Mut es sie gekostet hat, alles hinter sich zu lassen und wie das Wandern ihr Leben verändert hat. Die Autorin stellt sowohl das beglückende Freiheitsgefühl in der Natur und die Bedeutung des Alleinseins als auch die Gefahren, körperlichen Qualen und Ängste heraus. Ich war oft froh, die Abenteuer bequem auf der Couch erleben zu dürfen.

Indem Annabel Abbs einige Strecken selbst erwandert, zum Beispiel wie Clara Vyvyan die Rhône entlang oder wie Georgia O‘Keeffe durch die texanische Prärie und von ihren Erlebnissen und Empfindungen berichtet, fühlt man sich den wandernden Frauen sehr nahe und taucht tief in die jeweilige Landschaft hinein. Dass sie dabei viel Persönliches preisgibt und einen Bezug zu ihrem eigenen Neuanfang herstellt, macht das Buch besonders lesenswert.