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Ela-24

Bewertungen

Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 10.06.2024
Seinetwegen
Del Buono, Zora

Seinetwegen


gut

Zu oft raus

Das Thema hat mich auch aus eigener Betroffenheit sehr angesprochen. Ein Leben, das anders weitergelebt werden muss. Tausend unbeantwortete Fragen, die einen begleiten. Doch wie lebt man, wenn man endlich Antworten gefunden hat?
Zora del Buono hat sich auf einen mutigen Weg gemacht. Sie will nach sechzig Jahren in Erfahrung bringen, wer der Mann ist, der ihr mit neun Monaten den Vater geraubt und ihr vaterloses Weiterleben zu verantworten hat. Ihrer Mutter hat sie keine Fragen gestellt, inzwischen dement kann die Mutter ihr jetzt keine Antworten mehr geben.
Das Buchcover hat mich ungemein angesprochen. Es hat Titel und Thema auf den Punkt gebracht. Doch mit der Art der autobiografischen Aufarbeitung bin ich leider nicht wirklich warm geworden. Es wurde alles gesagt und gefragt, es war eigentlich stimmig. Um die Kaffeehausgespräche mit ihren Freunden, die so viel Leichtigkeit und doch Tiefe hatten, habe ich Zora del Buono beneidet. Doch die Einschübe und Exkurse haben mich mehr als gestört und mich sehr schnell zum Querlesen verleitet. Es hatte bestimmt alles seine Bedeutung und seinen stimmigen Platz. Doch ich habe es offenkundig nicht erkannt. Bei Exkursen über die Gesetzgebungszuständigkeiten der Landsgemeinde Glarus, die Anzahl der Schweizer Kühe auf der Sommeralp, den Dudeneinschüben und vielem mehr war ich immer wieder raus und kam auch nicht mehr wirklich rein. Vielleicht bin ich auch zu nord- und hochdeutsch, um an muusbeiallei, Tschingg, Tschäppel und Schwiizerdütsch meine Freude zu haben.

Bewertung vom 09.06.2024
Stark gegen Ängste
Hillert, Andreas

Stark gegen Ängste


gut

In seinem neuen Buch verspricht Prof. Hillert wirksame Strategien nicht nur gegen Ängste, sondern auch gegen Phobien und Panikattacken. Endlich soll Schluss sein mit der Angstgeschichte. Grün ist die Farbe der Hoffnung und als Coverfarbe gut gewählt. Die Titelzeichnung – eine sich entspannt zurücklehnende Frau im Angesicht des schwarzen Angstgespenstes – bringt die Botschaft genial rüber: Der Angst den Schrecken nehmen, sie zum Freund machen und ihr gelassen begegnen.
Der erste Teil des Buches widmet sich den Grundlagen der Angst und gibt gut verständlich einen Überblick über die verschiedenen Arten der Angststörungen. Sehr informativ und hilfreich für alle, die sich einen ersten Überblick über die verschiedenen Formen der Angst verschaffen wollen. Wer selbst unter einer Angststörung leidet, die ihn so sehr belastet, dass er „zum Buche greift“, dürfte sich aber wohl schon hinreichend über sein persönliches Störungsbild informiert haben. Dem werden die Informationen im Buch über die eigene Angststörung nicht viel Neues bieten.
Um Schluss mit der persönlichen Angstgeschichte zu machen, bleibt noch die zweite Hälfte des Buches. Hier hätte ich persönlich mir mehr Tiefe, mehr Beispiele und mehr Ausführlichkeit erhofft, die ich im ersten Teil gut hätte entbehren können. Zu groß erscheint mir auch die Gefahr, dass man bei einer schweren Angststörung oder Panikattacke mit Expositionen Dinge lostritt, die man nicht mehr beherrschen kann. Da hilft der Rat, mit einem Therapeuten weiterzumachen, wenn man alleine nicht mehr weiterkommt, in meinen Augen eher wenig. Denn – wie von Professor Hillert zutreffend dargelegt - stehen Therapeuten leider nicht auf Abruf bereit. Auch in den Kapiteln Ängsten neu begegnen und Alternativen im Umgang mit Ängsten ist mir zu vieles zu knapp angerissen.
Das Buch selbst ist gut zu lesen, schön gestaltet und mit den farblich und symbolisch abgehobenen Zusatzinformationen gut aufgebaut. Ich habe einige wertvolle Anregungen, Gedanken und Ansätze mitgenommen. Und sicherlich werden einige Angstgeschichten mit „Stark gegen Ängste“ ein gutes Ende finden. Nach meiner Einschätzung steht allerdings nicht zu befürchten, dass Heerscharen von Angsttherapeuten nachfolgend arbeitslos werden.

Bewertung vom 09.06.2024
Das Echo der Gezeiten
Frank, Rebekka

Das Echo der Gezeiten


weniger gut

Das Echo der Gezeiten erzählt im Kapitelwechsel die Geschichte von zwei Jungen Frauen. In der Mitte des letzten Jahrhunderts möchte Tilla Puls allen Widerständen zum Trotz tauchen lernen und Meeresarchäalogin werden. Nes Dorn flieht im 17. Jahrhundert vor ihrer Vergangenheit auf die Insel Strand, die 1634 in der großen Burchardiflut zerstört wird. Die beiden Frauen trennen mehr als dreihundert Jahre. Sie verbindet auf ganz unterschiedliche Weise die unbändige Anziehungskraft des Meeres und ein geheimnisumwobenes Schiff. Tilla und Nes sind zwei starke Charaktere, die sich unbeeindruckt von den Konventionen ihrer Zeit ihre Unabhängigkeit, ihre Ziele und ihren Weg erkämpfen. Ein faszinierender und fesselnder Roman - wenn man gewillt ist, kleinere Unstimmigkeiten wohlwollend zu überlesen. Natürlich müssen Romanheldinnen stark sein, sich immer zur rechten Zeit am rechten Ort einfinden, auch mal übersehen werden, wenn es zu brenzlig wird und Unterstützer haben, die bereitwillig für sie in die Bresche springen, um dann wieder in die zweite Reihe zurückzutreten, damit die Heldin weiterkommt. Für mich persönlich waren es zu viele Unglaubwürdigkeiten, zu viel unlogisches Agieren, zu viele Zufälle und zu viele geniale Aktionen. In meinen Augen hätten zweihundert Seiten weniger dem Roman gutgetan.

Bewertung vom 09.06.2024
Die kurze Stunde der Frauen
Gebhardt, Miriam

Die kurze Stunde der Frauen


gut

Miriam Gebhardt analysiert in „Die kurze Stunde der Frauen“ detailliert und umfassend die Situation und die Rolle der Frauen in der Nachkriegszeit.
Die einzelnen Kapitel haben mich thematisch zunächst angesprochen, das Buch schien mir gut aufgebaut. Doch in der stringenten Aufarbeitung der einzelnen Themen fehlte mir der Bezug zum großen Ganzen. Überlebenssicherung, Gewalterfahrung, Ehemänner, Arbeitsmoral … ergeben nur zusammen das Bild.
Insgesamt wird das Buch nach meinem Dafürhalten der Situation der Nachkriegsfrauen nicht wirklich gerecht. Dies betrifft sowohl die Auseinandersetzung mit Schuld und Mitverantwortung für die Gräueltaten des 3. Reiches, als auch mit dem unvorstellbaren Leid und den erbrachten Leistungen. Vielleicht ist es für ein Sachbuch zu viel verlang, aber mir fehlten Einfühlen und Empathie.
Immer wieder räumt Miriam Gebhardt mit dem „Mythos der Trümmerfrauen“ auf. Sie berichtet – nicht wirklich neu – von gestellten Aufnahmen und von Arbeitseinsätzen, zu denen Nazi-Frauen als Sühneleistungen gezwungen wurden. Das ist inzwischen hinreichend belegt. Doch unzählige Frauen durchkämmten – nicht zwangsverpflichtet, sondern aus schierer Not - die Trümmer. Wie meine Schwiegermutter im zerbombten Berlin schleppten sie Steine und alles, was man noch gebrauchen konnte, in ihre zerstörten Wohnungen. Für mich sind und bleiben sie wertzuschätzende Trümmerfrauen.
Der Titel „Stunde der Frauen“ schien mir anfangs genial gewählt. Stunde der Frauen suggeriert einen besonderen Auftritt, den die Frauen sich dann aber verkürzen ließen oder unbedarft gar selbst verkürzten, indem sie ihre Chancen nicht weiterverfolgten. Oft wirkten Gebhardts Analyse, ihre Darstellungen und Auswertungen auf mich so, als hätten die Frauen wesentliche Aspekte ihrer Entwicklungsmöglichkeiten übersehen. Aber in Frieden und Freiheit geboren und nach 70 Jahren der – auch emanzipatorischen – Weiterentwicklung - kann in der heutigen Zeit wahrscheinlich kaum jemand ermessen, was die Kriegs- und Nachkriegsfrauen erlebten, erduldeten und leisteten.
Die Frauen, deren Stunde nach dem Krieg zu schlagen schien, hatten sich ihren Auftritt nicht ausgesucht. Im Kampf ums Überleben, ohne Alternativen und ohne Social-Networking hatten die allermeisten Frauen wahrscheinlich keine Kraft und keine Energie, um ihre Stunde, die sie sicherlich nicht als solche erlebten, zu nutzen. Wahrscheinlich hätten sie es - halb verhungert und erfroren, verletzt an Leib und Seele und in Trauer und in Sorge - als zynisch empfunden, wenn man ihnen gesagt hätte, dass ihre Stunde schlägt, die sie sich nicht nehmen lassen, sondern nutzen sollten.