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Bineira
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Neunkirchen

Bewertungen

Insgesamt 192 Bewertungen
Bewertung vom 10.09.2025
Maaß, Laura

Was du siehst


sehr gut

Diesen Roman hätte ich beinahe verpasst, weil mich die Leseprobe nicht so richtig überzeugt hat. Zum Glück hat eine Freundin ihn mir geschenkt. Und nachdem ich mich an den bedächtigen Schreibstil der Autorin gewöhnt hatte, hat das Lesen Spaß gemacht.

Es geht um eine Kinderfreundschaft in einem mecklenburgischen Dorf nahe der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Jule und Andi werden im Lauf der Zeit ein Liebespaar und planen ihre gemeinsame Zukunft. Doch als Jule erfährt, dass ihr totgeglaubter Vater am Leben ist, macht sie sich auf die Suche nach ihm. Diese Suche treibt sie jahrelang durch die ganze Welt. Wird Jule ihren Vater finden? Und hält Andis Liebe zu ihr der Trennung stand?

Von 1968 bis zur Jahrtausendwende spielt die Handlung. In bedächtigem Erzählton lässt die Autorin das ostdeutsche Dorf vor meinem inneren Auge erstehen. Warmherzig charakterisiert sie seine Bewohner mit ihren sympathischen, skurrilen und manchmal auch tragischen Zügen. Das Alltagsleben in der ehemaligen DDR klingt an, wenn von der Schul- und Ausbildungszeit der Protagonisten die Rede ist, es steht aber nicht im Mittelpunkt des Romans.

Mit Jules jahrelanger Suche nach ihrem Vater hat die Autorin die Geschichte dann leider arg in die Länge gezogen. Das Ende mit seinen vielen Zufällen erscheint mir zudem nicht sehr glaubwürdig.

Insgesamt habe das Buch trotz dieser Kritikpunkte gern gelesen und seine warmherzige Atmosphäre genossen.

Bewertung vom 10.09.2025
Engelmann, Julia

Himmel ohne Ende


gut

Julia Engelmanns Gedichte mag ich sehr. Umso gespannter war ich auf ihren ersten Roman.

Die melancholische Geschichte um Charlies Erwachsenwerden, ihre Probleme, Sorgen, Selbstzweifel und ihren Freund Pommes hat mich leider nicht so begeistert, wie ich gehofft hatte. Klar zeigt die Autorin, dass sie etwas vom Schreiben versteht, aber zum Thema selbst hat sie nichts Neues beigetragen, und auch Spannung stellte sich nicht ein, so zog sich das Buch in die Länge.

Die Handlung wird in einem knappen, fast schon oberflächlichen Ton erzählt. In krassem Gegensatz dazu sind Charlies Gedanken in einer intensiven, sehr poetischen Sprache formuliert. Das mag ein bewusstes Stilmittel sein, mich hat dieser ständige Wechsel des Schreibstils beim Lesen gestört.

Die Charaktere blieben konturenlos, ich habe insbesondere zu Charlie keine Beziehung aufbauen können, weil sie mir nicht besonders sympathisch war. Und auch ihr Verhalten war für mich oft nicht nachvollziehbar.

Schade, ich bleibe in Zukunft wieder bei Julia Engelmanns Gedichten.

Bewertung vom 10.09.2025

QUID+ Aber warum?


sehr gut

Das Buch aus dem Klett-Verlag verspricht, die drängendsten Fragen kleinerer Kinder altersgerecht zu beantworten. Darauf war ich gespannt.

Das Konzept klingt gut durchdacht. In 27 kurzen Vorlesegeschichten werden Fragen zu den verschiedensten Themen gestellt. Da geht es um die Farbe des Blutes, ums Rauchen und nächtliche Angst. Auch so gewichtige Dinge wie Krieg, die Trennung der Eltern und der Tod haben einen Platz in dem Buch gefunden. Am Ende jeder Geschichte wird die Frage kindgemäß beantwortet, und es folgt ein Abschnitt mit weitergehenden Informationen für die Erwachsenen. Der zweite Teil des Buches gibt den Eltern Tipps, wie sie die Entwicklung ihres Kindes gut begleiten können.

Die Idee des Buches finde ich gut umgesetzt. Auch die meisten Fragen werden für Kinder verständlich behandelt.

Einige Anworten sind für mein Gefühl zu oberflächlich bzw. ausweichend.
Dazu zwei Beispiele:

Auf die Frage "Warum passieren Kriege?" wird sehr allgemein und knapp geantwortet und dem Kind dann geraten, keine Nachrichten mehr zu sehen (was es ohnehin nicht tun sollte), sondern sich auf das Schöne im Leben zu konzentrieren. Damit beantwortet man die Frage nicht, sondern weicht ihr aus.

Auch der Streit der Eltern (Seite 108) wird meiner Meinung nach fragwürdig behandelt. Die möglichen Gründe dafür werden aufgezählt, dann kochen die Kinder das Abendessen, um die Eltern zu entlasten, und alles ist wieder gut. Das suggeriert eine Verantwortung, die die Kinder nicht haben, und es bleibt außerdem ungeklärt, wie man einen Streit beilegen kann.

Insgesamt ist das Buch ein schön gestalteter, hilfreicher Begleiter für Eltern und Kinder, gleichzeitig gibt es Verbesserungsbedarf bei den Inhalten.

Bewertung vom 10.09.2025
Kuhn, Yuko

Onigiri


gut

In Yuko Kuhns Roman „Onigiri“ geht es um das Leben im Spannungsfeld zweier verschiedener Kulturen. Es geht um den Umgang mit alten Menschen, um Demenz, Diskriminierung, familiäre Konflikte, Einsamkeit und Trost.

Mich schrecken solche ernsten Themen nicht ab, und ich hatte großes Interesse daran, mehr über das Leben der Protagonisten zu erfahren. Doch der äußerst sprunghafte Aufbau des Romans hat es mir nicht leicht gemacht, ihn zu Ende zu lesen. Ungeordnete Erinnerungen an früher vermischen sich mit aktuellen Ereignissen. Ich wusste oft nicht, in welcher Zeit und wo sich die Akteure gerade befinden. Das war frustrierend, und ein Lesefluss kam dabei auch nicht auf. Vielleicht benutzt die Autorin diese Art des Schreibens als Stilmittel, um den Zustand der Demenz zu veranschaulichen. Mich hat sie damit nicht überzeugt. Lediglich der klare Erzählton und die gedankliche Tiefe der Geschichte haben mich durchhalten lassen.

Mein Fazit: ein Buch, für das man viel Geduld braucht.

Bewertung vom 10.09.2025
Willbrand, Klaus;Razumovych, Daria

Einfach Literatur


sehr gut

Klaus Willebrand hat in den letzten 20 Jahren seines Lebens in Köln ein Antiquariat geführt, dort hat er Daria Razumovych kennengelernt. Die Digitalberaterin überredete ihn zu einem Social-Media-Auftritt des Antiquariats, der ein großer Erfolg wurde. Daraus entstand die Idee zu diesem Buch, dessen Erscheinen Willbrand nicht mehr erleben durfte. Er starb Anfang 2025 mit 83 Jahren.

Dieses Buch ist das Vermächtnis eines literaturbegeisterten, vor kreativen Ideen sprühenden Mannes. Er erzählt darin, wie er zum Lesen kam - eine unglaublich spannende Geschichte aus der direkten Nachkriegszeit - und wie er sein gesamtes Leben der Verbreitung von Literatur gewidmet hat. Dazu gehörten viele Neuanfänge und auch einige Pleiten. Er hat mit Prominenten wie Heinrich Böll, Willy und Lars Brand verkehrt und lässt uns in kleinen Anekdoten an seinem reichen Erfahrungsschatz teilhaben. Wunderbar und durchaus fordernd finde ich seine Idee eines Lesesabbaticals.

Neben den unterhaltsamen biografischen Texten enthält das schmucke Büchlein Leseempfehlungen aus der deutschen, amerikanischen und französischen Literatur. Nur haben mir diese leider keine neuen Erkenntnisse gebracht. Es handelt sich um die üblichen Autoren und Werke, die man in allen Kanons findet. Auch ist mir Willbrands Meinung zu den Werken oft zu trocken und emotionslos geraten. Damit bringt er mich nicht dazu, bisher verschmähter schwere Kost doch noch eine Chance zu geben.

Insgesamt ist das Buch ein interessanter Einblick in ein langes, ausgefülltes Leben mit der Literatur; als Einladung zum Lesen taugt es allerdings nur bedingt.

Bewertung vom 01.08.2025
Rebanks, Helen

Die Frau des Farmers


gut

Helen Rebanks lebt mit ihrem Mann James, den vier Kindern und zahlreichen Tieren auf einer Farm im Lake District in England. Wie ihre Großmutter und Mutter ist auch sie Bäuerin. Dabei hatte sie ganz anderes mit ihrem Leben vor. Sie hat Kunst studiert, James Literatur. Warum es die beiden trotzdem zurück zu den Wurzeln gezogen hat, das versucht Helen in diesem Buch zu ergründen.

Anhand eines typischen Tagesablaufs mit seinen vielfältigen Aufgaben lässt sie die Leser an ihrer Arbeit als Bäuerin teilhaben. Zwischendurch schweifen ihre Gedanken immer wieder in die Vergangenheit, so dass ein anschauliches Bild ihres bisherigen Lebenswegs entsteht.

Ich habe mich mit dem Lesen des Buches schwer getan. Die extrem detaillierten Beschreibungen wirklich jeder einzelnen Tätigkeit wirkten auf mich ermüdend. Auch finde ich den Schreibstil zu sachlich, er hat in mir leider keine Resonanz erzeugt. Schön fand ich die eingestreuten Rezepte und Illustrationen. Insgesamt war das ein mäßiges Leseerlebnis.

Bewertung vom 01.08.2025
Thiel, Aylin

Trauma ENDLICH überwinden


sehr gut

Die Psychologin und Traumatherapeutin Dr. Aylin Thiel hat in ihrer Praxis oft Umgang mit Menschen, die in ihrem frühkindlichen Leben wiederholt seelische Verletzungen, Zurückweisungen oder Manipulationen durch nahestehende Personen erleben mussten. Diese Verletzungen können gravierende Folgen für das spätere Beziehungsleben der Betroffenen haben. Dr. Thiel nennt diese seelische Störung ein Entwicklungstrauma und erklärt zu Beginn des Buches, worin es sich von der Posttraumatischen Belastungsstörung unterscheidet.

Mit ihrem Buch „Trauma endlich überwinden“ richtet sie sich ausdrücklich an Menschen, die unter einem Entwicklungstrauma leiden, denn diese erhalten oft weder eine eindeutige Diagnose, noch eine ausreichend sensible Behandlung. Auf rund 450 Seiten stellt Dr. Thiel die seelischen und körperlichen Folgen dieser Störung dar. Sie tut dies in gut verständlicher Sprache und mit anschaulichen Beispielen aus ihrer Praxis. Anhand zahlreicher Reflexionsfragen kann der Leser selbst einschätzen, wie stark belastet er ist.

Das Kernstück des Buches sind die Übungen; mit ihnen sollen das Mitgefühl mit sich selbst und die kognitive, emotionale sowie körperbezogene Regulation des übererregten Nervensystems gestärkt werden.

Die Autorin nimmt in ihrem Buch trotz des schwierigen Themas eine mutmachende und empathische Haltung ein. Es liest sich nicht mal eben schnell, man muss es Stück für Stück konzentriert durcharbeiten. Dann ist es sicher ein hilfreicher Begleiter zu einer Therapie. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass die Arbeit mit dem Buch allein ausreicht, um ein Trauma zu überwinden.

Bewertung vom 14.07.2025
Ruban, Paul

Der Duft des Wals


gut

Seinen Debutroman „Der Duft des Wals“ hat der kanadische Autor Paul Ruban in einem Luxusurlaubsressort an der mexikanischen Küste angesiedelt. Dort treffen fünf Protagonisten aufeinander, aus deren Sicht die Geschichte abwechselnd erzählt wird. Judith und Hugo stehen kurz vor der Scheidung und versuchen ein letztes Mal, ihre Ehe zu retten. Ihre zehnjährige Tochter Ava rettet sich vor der angespannten Stimmung, indem sie exzessiv zeichnet. Die Flugbegleiterin Céleste wird von einem Geist gequält. Und der Hotelangestellte Waldemar stellt pausenlos seiner Kollegin Belen nach, die unter Narkolepsie leidet und außerdem längst vergeben ist.

Das Urlaubsgefühl im Ressort wird durch einen bestialisch stinkenden angeschwemmten Walkadaver empfindlich gestört. Zwar tut das Hotelpersonal alles, um die Gäste vor dem Gestank zu schützen, doch ohne Erfolg.

Die Idee ist wirklich originell, der Schreibstil ist einfach und das Buch schnell gelesen. Mir fehlte jedoch ein Zusammenhang zwischen den Episoden. Für mich waren es einzelne Erzählfäden, die nicht schlüssig zusammen geführt wurden. Die Protagonisten waren mir bis auf Ava unsympathisch und ihr Verhalten fand ich…seltsam.

Auch habe ich die Stimmung des Romans als eher düster erlebt, er ist sicher skurril, aber als komisch würde ich ihn nicht bezeichnen.

Insgesamt war das deshalb für mich ein mittelmäßiges Leseerlebnis.

Bewertung vom 13.07.2025
Eng, Tan Twan

Das Haus der Türen


sehr gut

Tan Twan Emgs Roman „Das Haus der Türen“ spielt auf drei verschiedenen zeitlichen Ebenen. In der Rahmenhandlung lebt Lesley Hamlyn 1947 verwitwet im Südafrika. Dort erhält sie per Post ein Paket, das sie gedanklich zurück ins Jahr 1921 versetzt.

Damals lebte sie mit ihrem Mann Robert auf Penay in Malaysia. Als dessen alter Freund, der britische Schriftsteller William Somerset Maugham zusammen mit seinem Sekretär Gerald Haxton für eine Weile zu Besuch bei dem Ehepaar weilt, entwickelt sich zwischen Lesley und Willie, wie er genannt wird, ein Vertrauensverhältnis. Sie erzählt ihm pikante Geheimnisse aus ihrem Leben, obwohl sie weiß, dass er daraus eine Geschichte konstruieren und veröffentlichen könnte.

Hier beginnt die dritte Zeitebene. 1910 hatte Lesley den chinesischen Revolutionär Sun Yat-sen unterstützt und war aus ihrer unglücklichen Ehe zeitweise ausgebrochen. Zur gleichen Zeit wurde ihre Freundin Ethel Proudlook wegen Mordes angeklagt, weil sie einen Mann erschossen hatte, der sie ihrer Aussage nach vergewaltigen wollte.

Willie wiederum entflieht mit seinen ausgedehnten Reisen seiner ihn einengenden Ehe mit Syrie. Gerald ist in Wirklichkeit sein Geliebter. Zudem erfährt er, dass er sich verspekuliert und sein gesamtes Vermögen verloren hat.

Die Geschichte wird anfangs in einem angenehm ruhigen Ton erzählt. Der Autor verwendet viel Zeit dafür, die tropische Umgebung und die besondere Stimmung auf der Insel zu beschreiben. Dies gelingt ihm wundervoll. Mit Fortschreiten der Handlung wird der Schreibstil schneller und aktiver. Damit wird die Geschichte zwar vorangetrieben, sie verliert jedoch einiges von der anfänglichen besonderen Atmosphäre.

Die Protagonisten werden treffend charakterisiert und wirken lebendig. Einige von ihnen haben tatsächlich gelebt und es war spannend, herauszufinden, wer was wirklich erlebt hat.

Ich finde, die Idee, eine fiktionale Geschichte mit wahren historischen Ereignissen zu verbinden, wurde in diesem Buch originell und überzeugend umgesetzt.

Bewertung vom 13.07.2025
Peters, Amanda

Beeren pflücken


sehr gut

Eine indigene Familie aus Nova Scotia kommt im Juli 1962 wie jedes Jahr in Maine an, um den Sommer über Blaubeeren zu pflücken. Doch dieses Mal verschwindet die vierjährige Ruthie spurlos und wird nicht wiedergefunden. Ihr sechsjähriger Bruder Joe, der auf sie aufpassen sollte, wird für den Rest seines Lebens nicht mit seinen Schuldgefühlen fertig. Als Erwachsener trinkt er und zerstört seine Beziehungen.

Zur gleichen Zeit wächst in Maine ein Mädchen namens Norma allein in einer gut situierten Familie auf. Ihr Vater ist Richter, er begegnet ihr freundlich aber distanziert. Ihre Mutter überwacht jeden ihrer Schritte und behütet sie wie ein Kleinod, emotional ist sie jedoch ebenfalls nicht erreichbar. Norma träumt oft von einer anderen Welt, in der sie sich wie zuhause fühlt. Auch fallen ihr Ungereimtheiten in ihrer Vergangenheit auf, doch ihre Fragen werden von den Eltern abgewiegelt.

Amanda Peters hat eine melancholische Geschichte über Verlust, Traumata, Schuldgefühle, Identität und soziale Diskriminierung geschrieben. Die Leser folgen den Lebenswegen der Protagonisten Joe und Norma über fünfzig Jahre. Besonders gut hat mir die kraftvolle Sprache der Autorin gefallen. Anschaulich und empathisch schildert sie das Schicksal der beiden Hauptfiguren. Nicht ganz überzeugt hat mich das Verhalten Normas. Sie findet soviele Hinweise, die berechtigte Zweifel an ihrer Herkunft wecken und lässt sich trotzdem immer wieder einreden, dass sie fantasiert. Insgesamt ist es dennoch ein gelungenes Werk, das ich gern gelesen habe.