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simsalabim
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Berlin

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Insgesamt 3 Bewertungen
Bewertung vom 04.05.2016
Das Glück - ein Trick der Natur
Gutz, Manfred

Das Glück - ein Trick der Natur


ausgezeichnet

Dr. rer. nat. Manfred Gutz hat sich als Studiendirektor mit "Jugend forscht" für die Zukunft der Wissenschaft eingesetzt. Sein Wissen als Naturwissenschaftler und Pädagoge hat er in seinem Büchlein "Meine Welt-Erklärung auf dem Bierdeckel" verdichtet zum Verständnis des Menschen und seiner Welt weitergegeben, "…das als Orientierungshilfe in unserem an Informationsüberflutung leidenden technisch-medialen Zeitalter dienen kann." In seinem neuen Buch beschäftigt er sich mit dem Thema "Das Glück - ein Trick der Natur".

Sein Hauptanliegen formuliert er mit "Menschsein - glücklich sein":
"Auf der Suche nach dem Sinn des menschlichen Lebens werden wir von den Naturwissenschaften belehrt, dass die Natur uns eine sehr anspruchsvolle Rolle zugedacht hat. Wir dienen ihr als aktuell bestes "Werkzeug" zur Durchsetzung eines universalen Naturgesetzes: der Entropiemaximierung, das heisst, der Vermehrung der Unordnung und der Steigerung der Wärmeproduktion in der Welt (2. Hauptsatz der Wärmelehre). Damit wir das Leben als "Werkzeug" akzeptieren, nicht resignieren oder gar kapitulieren, bedient sich die Natur eines Tricks: Sie belohnt uns mit Glück!"
So lautet seine Hauptthese: "Deswegen benötigt der Mensch das Glück zum Leben genauso wie sein 'täglich Brot'."

Entstanden ist ein sehr anschaulich geschriebenes Buch, dessen komplexe anspruchsvolle Themen auch für Nicht-Naturwissenschaftler sehr verständlich in einer nicht trocken wissenschaftlichen Sprache sehr schön exakt ausformuliert sind. So fesselt er den Leser von Anfang an, zieht ihn in die Entwicklungsgeschichte des Menschen und seine soziale Eingebundenheit gleichsam mit hinein bis zum Ende des Buches. So ist die Auseinandersetzung mit dem Themenkreis auch für junge Menschen zudem pädagogisch sehr wertvoll.

Das Buch gliedert sich in sieben Kapitel. Ein Vorwort "Glück – ein Trick der Natur" führt uns in die Thematik ein, ein Nachwort "Menschsein - glücklich sein" spricht eine Wegweisung in Bezug auf die angesprochenen Themen aus.

In jedem der sieben Kapitel (wie auch Vorwort und Nachwort) bringt der Autor das Wesentliche seiner Ausführungen als "Fazit" auf den Punkt.

Zur Einstimmung finden wir zu jedem Kapitelbeginn Zitate von berühmten Persönlichkeiten der Naturgeschichte - dem weiten Spektrum des Grundthemas gerecht werdend.
Hier ist auch die Verzahnung der Themen zu Erkenntnissen aus anderen Wissenschaftsdisziplinen neben der Biologie anzuführen, wie Chemie, Physik, Geisteswissenschaften, Anthropologie, was die Ausführungen als umfassend mit Perspektivenwechseln äußerst wertvoll und spannend macht. Der Leser fühlt sich komplex informiert.

Mit seiner Aussage:"…Es [Bewusstsein] rät uns das ewige Begehren dadurch zu überwinden, indem wir den Kräften vertrauen, die von den menschlichen Tugenden und Werten ausgehen. In sie sollten wir investieren." schliesst er den Kreis - wie auch Thomas Hetzinger in seinem Buch "Der Ego-Tunnel" schreibt, dass der "Wert" der menschlichen Existenz von mehr abhängt als einfach nur dem bewussten Erleben von Glück.

Mein Fazit ist: ein ge-glück-ter Text - naturwissenschaftlich begründet - in unterhaltender journalistischer Schreibweise verfasst, was, wie man liest, kein Gegensatz sein muss.

Machen Bücher über Glück glücklich? Diese Frage ist - bei diesem Buch - zu bejahen.

Sieglinde Lakenbrink Berlin 4 Mai 2016

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.05.2016
Kinder des Nichts
Weitzner, Peter

Kinder des Nichts


ausgezeichnet

Der Autor schildert unter dem Pseudonym Michael Rothfeld (seinem zweiten Vornamen) von seiner Kindheit, der Deportation als Jude entkommen, untergetaucht, Odysee, die vom brennenden Hamburg nach Polen und wieder über Umwege in die Ruinenlandschaft von Hamburg führt. Die Zerrissenheit der Geschichte, Ängste und Gespaltenheit der Zeit, die in Grausamkeiten unsäglicher Art münden, spiegelt sich auch in den Familienhistorie und im Innern der handelnden Personen wider. Ein authentisches Zeitzeugnis.

Der Titel "Kinder des Nichts" sagt ein großartiges Buch an, weil die Kindheit wie auch millionenfach im Dunkel der Zeitgeschichte verlaufen ist, die tragischen Tode, die Armseligkeiten und Tiefen der menschlichen Natur erlebend als Zeitzeugen beweisend.

Mit Hilfe der kindlichen Kraft und der eigenen Stärke, der Erwachsenen mit der realitätssensiblen Mutter und Verwandten mit ihrem Überlebenswillen, Zähigkeit und Durchhhaltewillen zusammen mit der unsichtbaren Kraft der äußeren Lebensfügungen gelingt es den Überlebenden die grausigen Schrecken durchzustehen und dabei auch noch kreativ zu überleben.

Die einzelnen Abschnitte, vielleicht noch in größere Sequenzen vom Autor zu untergliedern für die Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit, sind wunderbar erzählt in klaren Sätzen, wortschöpferisch Themen der Menschheit neu formuliert, genau das Wesentliche treffend. Wiewohl in Distanz zu den Dingen, wie anders könnte man sonst die grausige Erinnerung so verstehend und mitfühlsam beschreiben.

Allerdings hätte man sich gewünscht, dass deswegen gerade der Autor seine Spaltung, Heimatlosigkeit mit der selbst gewählten Distanz überwunden, seine Biografie legalisiert
und damit seine Ruhelosigkeit aufgegeben und eine innere Heimat gefunden hätte. Vielleicht hat sich der Autor aber in seiner selbst gefunden.
Denn der Roman erzählt nicht nur von der Odysee der Kindheit mit dem schrecklichen Familienschicksal, sondern der Autor kündigt schon auch in den eingeschobenen Träumen seine in der Kindheit entstandenen Lebenspläne an, sogar bis ins Alter hinein eine Weltsicht, die neben dem Zeitzeugnis philosophische Ansätze darlegt, die zu weiterem Diskurs auffordern.

Für den Autor ist der Roman eine Form der Bewältigung in der Montage die Kindheit wie ein Puzzle zusammenzufügen, um das Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Eine Form der Bewältigung, die Erlebnisse nochmals schmerzhaft durchzustehen von der Plattform der jetzigen Erinnerung.
Für den Leser ein aufrüttelndes Mahnmal der deutschen Geschichte, für die jüngere Generation die Vergangenheit nicht beschönigend aufzeigend, authentisch, somit weisend für die Zukunft aktiv für die Menschenwürde einzutreten, und zwar bei jedem Atemzug und in jedem Augenblick.

Das Ideal vom "guten" Menschen bleibt ein Ideal. Es zerbricht immer wieder an der Wirklichkeit, reibt sich an ihr doch wie es in der Menschheitsgeschichte bisher immer der Fall war. Die spannende Frage bleibt, ob die Jahrtausende wie ein Sandkorn waren und die Menschheit sich in fiktiver Zukunft – falls sich diese nicht selbst zerstört – auf eine höhere Stufe entwickeln kann.
simsalabim Berlin 3 Mai 2016

Bewertung vom 29.04.2016
Der Junge im gelben Jackett (eBook, ePUB)
Weitzner, Peter

Der Junge im gelben Jackett (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieses aussergewöhnliche Buch „Der Junge im gelben Jackett" von Peter Weitzner enthält viele Episoden. Es verdichten sich im Roman Erinnerungen, Erzählungen, Träume und Reflexionen über Kunst, Politik und Gesellschaft sowie die individuelle Lebensgeschichte zu einem faszinierenden, zeitgeschichtlichen Dokument.
Peter Weitzner schreibt aus der Sicht eines Malers. Insbesondere geben ungewöhnliche Künstlerporträts die Aufbruchsjahre nach dem Kriege wieder. Es begann die Zeit, als sich die Kunst neu erfand.
Es ist auch ein Buch über Berlin, als über den weiten, leer geräumten Trümmerflächen ein bleiches Licht lag. Die Künstler trafen sich in der Paris-Bar, um über ihre unterschiedlichen Positionen zu streiten. Entstanden ist ein facettenreiches Poem.

Der Roman gliedert sich in drei Teile:
1.Teil: Wir revoltieren, also leben wir
2.Teil: In den Ruinen der Zeit
3.Teil: Spiel ohne Ende

Es ist gleichsam ein "autobiografischer" Roman, der das Leben des Universalkünstlers, als Theatermacher, Maler und Schriftsteller, unter anderem Autor von dem Roman "Kinder des Nichts", beschreibt. In Hamburg als Junge, der sich in politisch/künstlerischen Kreisen bewegt, in Berlin als erfolgreicher Künstler und Hochschullehrer und Familienmensch, um im letzten Teil seine Visionen, Träume, sein Lebensfazit einfließen zu lassen.

„Der Junge im gelben Cordjackett“: Gelb lässt an das Kapitel "Goyas gelber Hund" denken, da heißt es "Gelb ist ein von Leben befreiter, keimfreier Raum. Gelb ist ein höllisches Nichts…". Das gelbe Jackett, das er sich als junger Mann angezogen hat wie eine zweite Haut, er identifiziert sich damit, wie man am Schluss auch an der gelben Farbe der Plastiktüte erkennt, in der er seine Überlebensnotizen verborgen hat, begleitet ihn auf seinen Wanderungen durch die Zeit. Aber tröstlich ist, dass das Jackett aus Cord ist, was persönliche Wärme und eine gewisse Intimität ausdrückt. Seine Jugendzeit und Erlebnisse sind in dieser Jacke formatiert, sie ist gleichsam Leitmotiv bis ans Ende des Romans. Dort, im Traum, wie mit einem zweiten Ich, begegnet er dem Jungen im gelben Jackett. Die Jugend-/Jungen-Rolle legt er ab, die gesammelten Notizen der Zeit des Beginns werden dem Wind übereignet, als ob das schon eine unbestimmte Furcht vor dem Ende anzeigt, in der nicht zu beantwortende Fragen nach dem Lebenssinn entstehen.
Ein herausragendes Buch, das ich mit grossem Gewinn gelesen habe.
Sieglinde Lakenbrink Berlin 29.4.2016