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Benutzername: 
fuechslein
Wohnort: 
Oberes Donautal

Bewertungen

Insgesamt 6 Bewertungen
Bewertung vom 09.10.2023
Die dunkle Spur
Blackhurst, Jenny

Die dunkle Spur


ausgezeichnet

Nach dem Tod ihrer Mutter gehen die Schwestern Holly und Claire ganz unterschiedlich mit ihrer Trauer um. Während Holly einen Ferienjob auf Martha’s Vineyard annimmt, findet Clair vermeintlichen Trost im Alkohol. So reagiert sie auch nicht verwundert, als Holly sich mehrere Tage nicht meldet und muss erst von ihrer Freundin Jess auf die merkwürdige letzte Nachricht Hollys aufmerksam gemacht werden. Hin und her gerissen zwischen Wut auf Holly, weil sie einfach so davon gereist ist und auf sich selbst, weil sie sich als „schlechte Schwester“ fühlt, fliegt Claire spontan nach Martha’s Vineyard, um Holly zu suchen.

Mir gefällt, wie hier durch zwei Erzählebenen geschickt Spannung aufgebaut wird. Zum Einen begleiten wir Claire bei ihrer Suche nach Holly, zum Anderen erfahren wir in Rückblenden, was Holly auf Martha’s Vineyard erlebt hat. Wie sie schnell Freundinnen fand und Kontakt zu den „reichen Jungs“ bekam. Dass die Polizei Claires Suche nicht ernst nimmt und alle ein wenig zu oft betonen, dass es auf der Insel sicher sei, kommt Claire merkwürdig vor. Erst recht, als sie erfährt, dass vor ein paar Jahren schon einmal eine junge Frau spurlos verschwand und später tot aufgefunden wurde.

Der Gegensatz zwischen scheinbarer Idylle und lauernder Gefahr wird sehr schön dargestellt. Auch Hollys Hin- und Hergerissenheit im Umgang mit Slayton-Brüdern wirkt äußerst glaubhaft aus der Sicht einer 22-Jährigen. Die Autorin beschreibt die Insel und die Menschen, die dort leben, sehr gut, lockert das Geschehen durch viele Dialoge auf, sodass sich das Buch gut und flüssig liest. Wir verfolgen mit Claire verschiedene Fährten und haben doch die ganze Zeit den Verdacht, dass die Slayton-Brüder mit Hollys Verschwinden zu tun haben. Im letzten Drittel der Geschichte gibt es ein paar überraschende Wendungen, und zum Schluss werden (fast) alle Fragen beantwortet.

Fazit: Für mich ein spannender Ausflug nach Martha’s Vineyard, gleichzeitig bin ich nun neugierig auf andere Bücher der Autorin. 5*****

Bewertung vom 09.12.2020
Die Republik
Voland, Maxim

Die Republik


schlecht

Klappentext und Leseprobe reizten mich, vor allem wegen der „was-wäre-wenn-Idee“, dass nämlich die 1949 gegründete DDR das gesamte deutsche Staatsgebiet umfasst, mit Ausnahme von Westberlin, und sich bis in die Gegenwart zu einem wirtschaftlich und politisch starken Staat entwickelt hat. Das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) ist allgegenwärtig, ausländische Agenten agieren im Geheimen und das alles vor einer „Ostalgie“ Kulisse mit Goldbroiler, sich drehendem Fernsehturm-Café und Palast der Republik. Das Cover verstärkte den positiven Eindruck, den Klappentext und Leseprobe hinterließen.

Hatte ich wegen dieser Konstellation zu hohe Erwartungen an das Buch? Die Charaktere blieben für mich blass, von der Ostalgie der ersten Seiten war bald nichts mehr zu spüren. Was blieb, war ein wirres Hin und Her aus Agentenaktivitäten und den Gedanken eines alternden Stasioffiziers. Nein, mit dieser Republik wurde ich nicht warm. Nachdem ich mich durch die ersten hundert von über 500 Seiten mehr gequält als gelesen hatte, gab ich es auf. Viele Leser mögen dieses Buch, wie die überwiegend guten Rezensionen beweisen. Ich hätte mich über mehr Emotionen weckende Kleinigkeiten gefreut, bekam aber nur emotionsloses Agieren unnahbarer Personen. Vielleicht gibt es auf den mir fehlenden 400 Seiten ja noch einen Einblick in das Leben der „westdeutschen“ DDR. Gibt es z.B. im „DDR-Köln“ auch viele Regenbogenflaggen und eine fröhlich bunte LGBT-Szene? Wie sieht das DDR-St. Pauli aus, und wer führt in der DDR-Fußball-/(Ober-Bundes-)Liga? BFC Dynamo oder Bayern München? Wenn schon spinnen, dann richtig, aber genau das habe ich vermisst. Ein trockener Agententhriller wird nicht weniger trocken, wenn man den Schauplatz umbenennt. Die real existierende DDR bestand nur zu einem Bruchteil aus Stasi-Agenten, warum will der Autor in der „Republik“ einen ganz anderen Eindruck erwecken?

Hinter dem Pseudonym Maxim Voland verbirgt sich der Autor Markus Heitz. Um diesen Fakt wurde vom Verlag so lange ein Geheimnis gemacht, bis ich das Buch längst besaß. Schade, denn eigentlich hätte ich mir denken können, dass jemand ohne „DDR-Erfahrung“ zwar sehr gute Fantasy und Science Fiction schreiben kann, aber eben kein Buch, das die „Republik“ lebendig werden lässt.

Fazit: Wir wurden nicht warm miteinander, ich habe das Buch abgebrochen. 1*

Bewertung vom 26.11.2020
Still schweigt der See
Schlegel, Tina

Still schweigt der See


ausgezeichnet

„Still schweigt der See“ ist nach „Schreie im Nebel“, „Die dunkle Seite des Sees“ und „Gewittersee“ der vierte Krimi von Tina Schlegel um Kommissar Paul Sito. Packend und berührend fand ich sie alle, weil nicht nur die Ermittlungsarbeit der Polizei und das Privatleben von Paul Sito, Miriam, Roman Enzig und weiteren beschrieben werden. Immer geht es auch um moralische Fragen. Dieser vierte Band hat mich besonders bewegt, weil das Geschehen hochaktuell ist. Demonstrationen, Klimaschutz, rechtes Gedankengut, über diese Themen lesen und hören wir täglich etwas in den Medien. Die Autorin nutzt diese Aktualität als Hintergrund für ein nervenzerrendes Geiseldrama. An der Universität Konstanz wurden fünfzig Personen als Geiseln genommen. Zunächst ist unklar, was die Geiselnehmer bezwecken.

Erschreckend fand ich, wie jede Veränderung der Lage sofort in den sozialen Medien verbreitet wurde. Und auch, wie schnell rohe Gewalt sich breitmacht, selbst an einem friedlichen, dem Lernen dienenden und wegen des Blicks über den Bodensee sogar idyllischen Ort wie der Uni Konstanz. Die persönliche Verstrickung der Hauptfiguren in das Geiseldrama ließen mich beim Lesen mitfiebern und auf eine gute Lösung hoffen. Die moralische Frage, ob man ein Leben opfern darf, um viele zu retten, brachte mich zum Nachdenken. Aber Moral ist nicht erpressbar, Unmoral schon. Zu dieser Aussage sehr passend finde ich das Cover mit dem Foto der Imperia.

Viele Dialoge, einige zeitliche Rückblenden und nicht zuletzt die manchmal unkonventionelle Arbeitsweise von Paul Sito lockern das Geschehen auf. Auch wenn es hier um ernste Themen geht, die zum Nachdenken anregen, so ist „Still schweigt der See“ vor allem eins - ein sehr gut geschriebener, packender Bodenseekrimi, den ich nicht aus der Hand legen mochte, bis ich wusste, wie er ausgeht.

Fazit: Spannend, berührend und zum Nachdenken anregend. 5*****

Bewertung vom 06.10.2020
Das Buch eines Sommers
Kast, Bas

Das Buch eines Sommers


gut

Erwartungen nicht erfüllt

Das Buch eines Sommers weckt zu Beginn hohe Erwartungen, als von Nicolas, dem Abiturienten, und seinem Onkel Valentin erzählt wird. Der Onkel lebt fern aller Normen und zeigt seinem Neffen, dass es im Leben Wichtigeres gibt, als Karriere. Valentin ist so herrlich unkonventionell, seine Gedanken gehen ins Herz ... und dann kommt ein Zeitsprung. Nicolas ist einige Jahre älter, verheiratet mit Valerie, sie haben einen gemeinsamen Sohn. Von den Gedanken, die der Onkel ihm mit auf den Weg gegeben hat, ist nicht viel übrig. Nicolas lebt für seinen Job, da muss sich die Familie unterordnen. Bis etwas passiert, das seine Sichtweise sehr langsam ändert.

Das Buch ließ mich sehr zwiespältig zurück. Es gibt zwei, drei Stellen, die ich richtig gut finde. Insgesamt aber ist es vorhersehbar, teilweise sehr einfach, umgangssprachlich und Klischees bedienend, geschrieben. Als wenn ein Sachbuchautor aus ein paar guten Gedanken einen Roman gebastelt hat. Die Botschaft steht schon auf dem Cover im Untertitel - „Werde, der du bist“. Während mir als Leser ziemlich schnell klar wurde, was Nicolas tun muss, kehrt er nach ein paar Gedankenblitzen zunächst immer wieder in seinen alten Trott zurück. So las ich mich durch 240 Seiten Geschichte und Gedanken, auf denen nichts Herausragendes, Spannendes, Überraschendes passiert. Kleine Geschichten anderer Autoren werden eingeflochten, ohne dass irgendwo im Buch, auch nicht im Anhang, ein Hinweis auf die Quelle zu finden ist. Die Auflösung mit den Namen „Nicolas“ und Christopher“ am Ende fand ich unbefriedigend.
Schade, das Buch konnte meine hohen Erwartungen, die es auf den ersten Seiten geweckt hatte, leider nicht erfüllen.
Fazit: „Werde, der du bist“ - damit ist bereits auf dem Cover alles gesagt. 3***

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.09.2020
Heimat muss man selber machen
Trinkwalder, Sina

Heimat muss man selber machen


ausgezeichnet

Nicht jammern - selber machen!

Sina Trinkwalder hatte mich schon mit ihrem Buch „Wunder muss man selber machen“ begeistert, in dem sie beschrieb, wie sie vor über zehn Jahren in der für Deutschland totgesagten Textilbranche einen Betrieb gründetet und Menschen, die am „normalen“ Arbeitsmarkt keine Chance hatten, Arbeit und Würde zurückgab. Und nicht nur das, der Betrieb funktioniert auch heute noch ganz wunderbar. Diese Historie taucht auch in „Heimat muss man selber machen“ wieder auf, denn nicht jeder Leser kennt auch das erste Buch. Und ich persönlich finde es gut, immer wieder an die Energie, das Vertrauen in sich und Andere erinnert zu werden, womit Sina damals manomama gründete. Denn der nächste Schritt ist die Erkenntnis, dass „selber machen“ immer besser ist, als zu jammern.
Heimat, das ist nicht Vereinsmeierei und „wir hier drinnen halten zusammen gegen die Anderen da draußen“. Heimat passiert im Herzen, wenn Menschen erkennen, was sie verbindet. Gemeinsam anpacken, den Anderen wertschätzen, einander ein Lächeln schenken ... all das und noch viel mehr, ist Heimat. Eine gute, tröstende Erkenntnis, gerade in dieser unruhigen Zeit, in der es oft nur noch schwarz oder weiß, wir oder die zu geben scheint. Nur, man muss es halt selber machen. Aufeinander zugehen. Sich und sein Herz öffnen. Dann kann Heimat überall sein, bunt und bewegend.

Das gefühlsbetonte Sachbuch liest sich leicht und flüssig, als würde die Autorin mit einem plaudernd auf der Couch sitzen. Die verwendete Umgangssprache („selber“ machen) verstärkt diesen Eindruck und ist meiner Meinung nach ein bewusst eingesetztes Stilmittel, um diesen lockeren Plauderton zu verstärken. Als würde eine gute Freundin mir raten, was ich als Fazit dieses Buches sehe:
Fazit: „Jammer nicht! Mach es selber besser!“ 5*****

Bewertung vom 16.09.2020
Kalmann
Schmidt, Joachim B.

Kalmann


ausgezeichnet

Kalmann mínn, du liebenswerter Sheriff von Raufarhövn

Kalmann, 33 Jahre alt, lebt im Haus seines Großvaters in Raufarhövn, einem kleinen Fischerdorf im Nordosten Islands. Manche bezeichnen ihn als „Dorftrottel“, doch sein weiser Großvater erklärte ihm, dass jeder Mensch irgendwie anders sei, und damit wäre auch Kalmann normal. Diese liebenswerte Weltsicht hat Kalmann geprägt und zieht sich durch das ganze Buch.
Erzählt wird in der Ich-Form, wir haben also direkt an Kalmanns Gedanken teil. Die sind oft kindlich naiv in ihrer eigenen Logik, manchmal von Unsicherheit geprägt, auch Wut kommt vor, und dann macht Kalmann Dinge kaputt. Trotzdem muss man ihn einfach gern haben, den isländischen Forrest Gump mit Sheriffstern, Cowboyhut und Mauserpistole, der Haie fängt und daraus den zweitbesten Gammelhai von ganz Island herstellt. Alles ganz prima, kein Grund zur Sorge.

Doch eines Tages findet Kalmann im Schnee auf der Hochebene Melrakkaslétta eine große Blutlache. Bald ist ein Zusammenhang hergestellt zum spurlosen Verschwinden des „Königs von Raufarhövn“, Róbert McKenzie. Polizei kommt ins Dorf, von nun an ist es mit der Ruhe vorbei. Immer neue „Puzzleteile“ tauchen auf, die weder die Lösung des Falls noch Róbert näher bringen. Und dann klärt sich am Ende doch alles auf, kein Grund zur Sorge.

Kalmann muss man einfach mögen, trotz oder gerade weil er so speziell ist. In gewisser Weise hält Joachim B. Schmidt uns einen Spiegel vor, denn wie oft beurteilen wir Menschen danach, ob sie der „Norm“ entsprechen oder nicht und stecken sie vorschnell in entsprechende Schubladen? Der Autor zeichnet auch die zahlreichen Nebenfiguren mit viel Liebe zum Detail, indem er sie mit unterschiedlichen Eigenarten ausstattet, die uns doch irgendwie vertraut vorkommen. Jeder ist eben anders und dadurch sind alle normal.

Fazit: Ein wunderbares, herzwärmendes und spannendes Buch, das uns mitnimmt in die raue Welt der isländischen Küste. 5*****