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Benutzername: 
Natalie
Wohnort: 
Mainz

Bewertungen

Bewertung vom 24.09.2018
Helle Tage, helle Nächte
Baier, Hiltrud

Helle Tage, helle Nächte


weniger gut

Zwanzig Euro investierte ich in ein gebundenes Buch mit netter Aufmachung, welches eine vermeintlich leichte und unterhaltsame Urlaubslektüre hätte sein sollen. Überraschenderweise ist dieser Roman so schlecht, dass ich mich genötigt sehe, eine Rezension zu schreiben. Ich rate jedoch nicht vom Kauf des Buches ab, sondern im Gegenteil: ich ermutige Schreiber, die sich nicht trauen an einen Verlag heranzutreten, genau dieses Buch zu lesen. Eine wunderbare Möglichkeit Stil und Glaubwürdigkeit zu studieren und im Gegensatz die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen. Leider wurde hier kein Meisterwerk erschaffen, sondern ein gegen Ende quälendes Lehrstück, was dazu anregt, es doch einmal selbst besser zu machen. Die Autorin konstruierte einen Plot, der vorhersehbar ist. Dieses Gerüst hätte mit lebendigen Charakteren, ihren inneren Konflikten und einnehmenden Orts-und Naturbeschreibungen gefüllt werden müssen.

Die Erzählung startet hoffnungsvoll mit der in der Inhaltsangabe beschriebenen Rahmenhandlung. Die Lebenslüge der krebskranken Anna bietet Raum und Grund für Frederikes aufgezwungene Reise nach Lappland. Das Buch versucht mittels alternierender Erzählperspektive Spannung und Dynamik aufzubauen. Gerade diese wechselnde Erzählperspektive wirkt jedoch hölzern und wenig harmonisch. Nach circa zwei Dritteln der Geschichte, ist es sogar sehr störend und wirkt eher wie ein billiges Stilmittel, das Volumen des Romans noch um hundert Seiten mehr aufzublasen. Die relativ eindimensionalen Charaktere verwandeln sich leider auch noch in unglaubwürdige Charaktere.

Besonders störend empfand ich während des gesamten Lesens, dass es mir als Leser nie möglich war, eine Beziehung zu den Protagonisten aufzubauen. Ihre inneren Konflikte sind zwar äußerst detailliert beschrieben, das ist aber auch gleichzeitig das große Problem des Buches. Die abgedruckte detaillierte Beschreibung einer jeden Kleinigkeit verhindert, dass sich der Leser selbst ein Bild des Charakters machen kann. Dieses Manko wurde weiter verstärkt, indem das geschriebene und mehr als einmal betonte Alter der Protagonisten überhaupt nicht in der Erzählstimme spürbar ist. Die Autorin versucht mit recht gestelzten Beschreibungen der Innen- und Außenwelt die Protagonisten zum Leben zu erwecken und scheitert. Was auf den ersten hundert Seiten noch Belletristik ist, wird auf den letzten fünfzig Seiten mehr und mehr zum Schund, weil die Autorin ihren Charakteren extrem unglaubwürdige Happy Ends zuschreibt ohne einen Funken Gefühl für die wahren, unglaublich starken und unterschiedlichen Emotionen, die durch Annas Lebenslüge hätten ausgelöst werden müssen.

Ab einem gewissen Punkt lässt die Autorin "dicke dunkle Wolken" aufziehen und es finden sich eingestreut konstruierte Situationen wie zum Beispiel der nicht weiter besprochene "Ausbruch der Prionenkrankheit bei den finnischen Rentieren".

Gar nicht kommentiert habe ich bisher die Thematik "Sami-Kultur", welche sich die Autorin auf die Flagge zu schreiben versucht. Es ekelt mich generell an, wenn Autoren versuchen fehlenden Stil oder erzählerische Schwäche durch die Einflechtung solcher Thematiken zu kompensieren. Ich verstehe, dass die Sami-Kultur mit dem Nomadentum und der Abgeschiedenheit im hohen Norden, die Hauptbegründung für die erzwungene räumliche Trennung von Petter und Anna/Marie sind. Einer starken Erzählung hätte die Sami-Thematik tatsächlich auch eine zusätzliche Tiefe verliehen, bei dieser schwachen Version wirkt es jedoch künstlich.

Abschließen möchte ich nun doch positiv. Ein Charakter des Buches war glaubwürdig: Skaiti, der Rentier-Hund. Ein Hund ist seinem Herrchen treu, doch als Petter weg war, hat sich Skaiti Frederike angeschlossen, die von da an Dosenöffner war. Die Beschreibung des Hundes, seiner Reaktionen und Aktionen vermittelte das Bild eines lebhaften Fellknäuls, das man einfach gern haben muss.