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Zimtwolke

Bewertungen

Insgesamt 3 Bewertungen
Bewertung vom 25.04.2015
Jahre wie diese
Jones, Sadie

Jahre wie diese


sehr gut

Sadie Jones schreibt in ihrem Roman „Jahre wie diese“ über vier junge Menschen, die durch ihre Kindheit geprägt, versuchen im Erwachsenwerden die Schatten ihrer Vergangenheit abzustreifen und ihren Platz im Leben, in der Liebe und in der Kunst zu finden. Die Geschichte dreht sich um Luke, der auf der Suche nach allem, das auch nur halb soviel Energie hat wie er selbst, der englischen Kleinstadt in der er aufgewachsen ist, seinem alkoholkranken Vater und seiner in einer Anstalt lebenden Mutter den Rücken zuwendet und nach London aufbricht. Dort lernt er Paul und dessen Freundin Leigh kennen. Die drei werden zu einem „Wir“, indem Luke zum ersten Mal eine Heimat und das Gefühl des Geborgenseins findet. Das Trio gründet eine Theaterkompagnie, die erste Erfolge feiert. Durch die Sicherheit und die Ermutigung, die sich die Freunde untereinander geben, beginnen sie langsam ihre Träume zu leben. Paul, der immer schon Produzent sein wollte und Luke, der seine brillanten Stücke zum ersten Mal jemandem zeigt. Doch dann lernt Luke die labile Schauspielerin Nina kennen und droht in dem Versuch diese zu retten sich selbst und alles was er liebt zu verlieren.

Eine Geschichte die sich den zwischenmenschlichen Beziehungen in ihren unterschiedlichsten Erscheinungsformen widmet. Man könnte diesen Roman wieder und wieder lesen, nur um sich beim erneuten Lesen auf ein anderes Beziehungsgeflecht zu konzentrieren.

Sadie Jones schreibt wie keine andere über Gefühle und die Verletzlichkeit, die diese mit sich bringen. Ganz fein, ganz zerbrechlich, ganz ruhig ist ihr Stil! Sadie Jones braucht keinen Trommelwirbel, kein Donnergeröll um sich der Aufmerksamkeit ihrer Leser zu versichern. Allein durch ihre unvergleichliche Art der Charakterzeichnung schlägt sie einen in den Bann.

Der Roman besticht durch seine Sprache und seinen Stil. Sadie Jones kreiert Sätze von fesselnder Schönheit, die sich dem Leser wie einzelne Kunstwerke präsentieren. Auf den ersten Blick erscheinen sie so unschuldig, aber erzeugen eine Wucht, die dazu führt, dass man das Buch zur Seite legen, einmal schlucken und diesem Gefühl in sich nachhorchen muss. Wie macht diese Frau das nur?! Sie geht direkt unter die Haut, sendet ihre literarischen Ergüsse wie kleine kribbelnde Stromschläge durch den Körper, nimmt einen komplett für sich ein.

Gleichzeitig gelingt es ihr eine Liebeserklärung an das London der 70er Jahre und die Welt des Theaters zu schreiben! Es schwingt eine Bewunderung für all die „Erschaffer“ mit, die leben, leiden, arbeiten, entbehren, sich selbst aufgeben und opfern, um zu erschaffen (Stücke, Rollen, Bühnenbilder). Die alles von sich preis geben, um am Ende nackt und verletzlich vor der starren Wand aus Zuschauern und Kritikern zu stehen!

Im Theater würde ich an dieser Stelle Standig Ovations geben!

Bewertung vom 25.04.2015
Der Sommer, in dem es zu schneien begann
Clarke, Lucy

Der Sommer, in dem es zu schneien begann


sehr gut

Eva & Jackson! Ehefrau & Ehemann! Freundin & Freund! Sie & Er! Verbündete! Liebende! Vertraute! Seelenverwandt! Für immer! Auf ewig! So sollte es sein! Doch dann kommt alles anders. Kurz nach ihrer Hochzeit verliert Eva ihren Mann. Dieser Verlust bricht über Eva wie eine riesige Welle zusammen, drückt sie unter Wasser, raubt ihr den Atem, setzt sie Kräften aus, denen sie nicht trotzen kann und so treibt sie im offenen Meer dahin... Einsam! So einsam! Mit einer Leere in ihrem Inneren, die sie fast zerreißt. Um diese zu füllen und um Jackson näher sein zu können, reist Eva in seine Heimat Tasmanien. Im Gepäck die Hoffnung bei seinem Vater und Bruder Trost, Halt und Verständnis zu finden. Evas ganzes Sein kreist nur um Jackson, sie möchte nur an ihn denken, nur ihn spüren, nur von ihm hören... Doch statt sich Jackson näher zu fühlen, droht Eva die Verbindung zu ihm zu verlieren. Wieso will seine Familie partout nicht über ihn reden? Eva beginnt Geheimnisse aufzudecken, die sie in die Vergangenheit führen, zu einen Sommer in dem es zu schneien begann und dabei droht Eva ihre eigene Vergangenheit zu verlieren: Mein Ehemann? Mein Vertrauter? Mein Freund?

Lucy Clarke versteht es ausgezeichnet Leser in ihren Bann zu ziehen. Wie eine Anglerin, wirft sie ihre Rute aus, ködert, hat einen innerhalb von ein paar Seiten am Haken und lässt einen nicht mehr los!
Sobald man erkennt, dass bei ihr alles einen doppelten Boden, ein zweites Gesicht, eine Bedeutung hat und es für Lucy Clarke keine Zufälle gibt, sondern sich alles in ein großes Ganzes fügt und miteinander verzahnt ist, kann man aus dem Karussell aus Spannung nicht mehr aussteigen. Es dreht sich unablässig weiter, ohne an Schwung zu verlieren. Eine Entdeckung jagt die Nächste. Ständig tritt eine neue unvorhergesehene Wendung ein. Immer mehr Gewissheiten geraten heftig ins Wanken. Man zweifelt an sich selbst, an seinen eigenen Vermutungen, stellt diese in Frage, verwirft sie, um dann doch wieder zu ihnen zurückzukehren. Aber es ist nie „zu viel“, die Übertreibung umschifft sie sehr gekonnt. Es gelingt ihr die Balance zwischen spannenden unvorhergesehenen Wendungen und unglaubwürdigen Entwicklungen zu halten.

Wenn man in diese Geschichte eintaucht, badet man in einem Meer aus Gefühlen. Liebe, Verrat, Trauer, Verlust, Verleumdung, Verrat, Schmerz, Angst, Resignation, Vergebung, Erkenntnis und Hoffnung. Von allem bleibt etwas an einem hängen, wenn man seine Bahnen durch das Buch zieht und hinterlässt eine ganz zarte Spur. Zart wie der Stil indem Lucy Clarke über Gefühle und zwischenmenschliche Beziehungen schreibt. Immer authentisch! Nie „gefühlsduselig“! Und auf gar keinen Fall kitschig!

Ein Roman, der einen an die dunkelsten Ränder der menschlichen Seele führt und einem gleichzeitig Verständnis lehrt. Eine Geschichte die einen Liebe an einem ganz unerwarteten Ort finden lässt und einem Hoffnung schenkt.


Eine Liebeserklärung an das Meer, das wie die menschliche Seele in seinen Tiefen ruht, aber sich von Zeit zu Zeit aufbäumt, schäumt und ausbricht.