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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
eulenmatz
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 79 Bewertungen
Bewertung vom 01.07.2024
Das Baumhaus
Buck, Vera

Das Baumhaus


sehr gut

MEINUNG:
Von Vera Buck wollte ich schon sehr lange Mal etwas lesen. Ich kann mir nicht erklären, warum es so lange gedauert hat, aber mit Das Baumhaus sollte es nun endlich soweit sein. :)
Der Thriller hat relativ viele Handlungsebenen, in denen man sich erst einmal zurechtfinden muss. Da gibt es zum einen Henrik und Nora, die mit ihren fünfjährigen Sohn Fynn nach Schweden kommen, in das Haus, welches im Besitz von Henriks Familie ist. Beide versprechen sich davon eine gute und ruhige Zeit. Allerdings wird schnell klar, dass es um die Ehe der beiden nicht so gut bestellt zu sein scheint. Die vermeintliche Idylle wird zerstört als Fynn verschwindet und gleichzeitig eine jahrzehntealtes Kindersklett gefunden wird. Vera Buck erzeugt eine ziemlich düstere Atmosphäre und schürt auch zwischen Henrik und Nora eine Atmosphäre des Misstrauens. Vor allem Henrik, der Fantasybücher für Kinder schreibt und schon als Kind für seine blühende Fantasie bekannt war, erinnert sich ein Fetzen aus seiner Vergangenheit und an ein Mädchen namens Marla, was in einem Baumhaus gelebt hat. Nora glaubt ihrem Mann nicht, was ich relativ nervig fand. In meinen Augen hat sie sich das verleiten lassen von ihrem Schwiegervater, Henriks Vater, der auch immer wieder propagiert, dass Henrik ein notirischer Lügner ist. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder Ereignisse um Henrik, die den Eindruck erwecken könnten, dass ganz vieles nur seiner Fantasie entspringen könnte und ein typischer unzuverlässiger Erzähler ist. Beim Lesen kam mir auch manchmal der Gedanke, dass einiges nicht wahr sein könnte.
Marla bekommt auch eine eigene Erzählstimme und ihr Geschichte ist ziemlich düster, denn relativ schnell wird klar, dass sie entführt worden ist und nun in dem Baumhaus lebt. Zeitlich lässt es sich erst mit Henriks Erinnerungen einordnen. Natürlich fragt man sich, was passiert ist. Marla nennt den Entführer immer nur "Der Mann". Es natürliche eine Person, auf die der Verdacht gelenkt wird. Am Ende war ich dann aber doch ziemlich schockiert. Meine Lieblingsperson war Rosa. Rosa beschäftigt sich gerne mit dem Tod bzw. mit der Veränderung in den Wäldern durch das Sterben von Organismen. Sie wird von der örtlichen Polizei um Hilfe gebeten und eingestellt, um bei dem Auffinden von möglichen weiteren Skletten/ Leichen zu helfen. Sie kehrt in ihre Heimat Schweden zurück, um ihren Vater bei der Pflege ihres Bruders zu helfen, der nach einem Unfall komplett gelähmt ist. Es wird nicht explizit genannt, aber Rosa scheint ein paar autistische Züge zu haben und kann nicht so gut mit sozialen Situationen umgehen, was zu teilweise sehr skurrilen Alltagssituationen führt, worüber ich sehr oft lachen musste. 

FAZIT:
Das Baumhaus ist für ein echtes Highlight. Ich würde es vielleicht nicht als Thriller bezeichnen, aber als Spannungsroman, der Tief in menschliche Abgründe schauen lässt in der vermeintlichen schwedischen Idylle. Ich werde mir die Autorin definitiv merken und weitere Bücher von der Autorin lesen.

Bewertung vom 15.06.2024
Das Jahr ohne Sommer
Neumann, Constanze

Das Jahr ohne Sommer


gut

MEINUNG:
Mir war Das Jahr ohne Sommer schon öfter aufgefallen, aber wie bei so vielen Büchern über die DDR, bin immer ein bisschen skeptisch, wie viel es mit mir macht, auf Grund der eigenen DDR-Vergangenheit meiner Familie.
Ich hatte Probleme in die Geschichte rein zu kommen. Der Stil war zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, weil er sehr nüchtern und unemotional ist, verliert aber dennoch nichts an seiner Aussagekraft. Er erschien mir passend, denn in der DDR Geborene wurden für mein Empfinden ein bisschen anders sozialisiert und es ging eher um Gemeinschaft als um Individualität und so beschäftigte man sich einfach nicht so viel mit sich selbst, was allerdings nur eine Interpretation meinerseits ist. Es ist deutlich spürbar, dass die Familie und vor allem die Ich-Erzählerin zwischen den Welten pendeln. Es ist spannend zu lesen, dass der Vater und die Mutter sich mit der Flucht ein besseres Leben im Wester erhofft haben und das haben sie auch ein Stück weit bekommen, denn es gab auf jeden Fall mehr Freiheit und Reisemöglichkeiten, dennoch wurden sie Ostdeutsche, Bürger der DDR betrachtet. Mir ihrer Geschichte über die Flucht sind sie offen umgegangen, aber es führt zu großen Irritationen und man wandte sich sogar ab. Um noch mehr dazu zu gehören, versucht der Vater sich sogar den sächsischen Dialekt abzugewöhnen. Das Ankommen in der neuen Heimat läuft vor allem für die Mutter der Ich-Erzählerin nur schleppend, denn sie ist im Gefängnis krank geworden und kann nun nicht mehr richtig Geige spielen, zumindest auf keinem professionellem Niveau mehr. Was ich schon länger beim Lesen spürte, wird später nochmal diagnostiziert: Sie hat eine Depression. So richtig passt die Krankheit nicht ins Bild, was der Vater sich ausgemalt hat und auch wird zunehmend angespannter.
Trotz allem Wunsch nach Zugehörigkeit, bleibt die innere Zerrissenheit und Fremdheit, welche sich bei der Ich-Erzählerin nach der Übersiedlung fest verankert und auch ihr Erwachsenen Leben beeinflusst, was im Epilog nochmal ganz deutlich wird. Spannend auch zu lesen, wie die Stimmung gegen Ostdeutsche nach der Wende so völlig gekippt ist. Als sie vom Westen noch freigekauft wurden, waren sie noch willkommen, danach nicht mehr. Ich fand es äußerst bitter, dass zu lesen, was schon lange so gefühlt hat.

FAZIT:
Das Jahr ohne Sommer gibt einen guten Einblick in ein Stück deutsch-deutsche Geschichte. Für mich mit eigener DDR-Vergangenheit eine neue Perspektive auf ein Leben nach einer Flucht. Auch wenn der Stil nüchtern ist, konnte man doch viele Emotionen unterschwellig wahrnehmen, aber passend. Den Epilog habe ich vielleicht nicht ganz verstanden bzw. hat sich mir die Heftigkeit nicht ganz erschlossen. 

Bewertung vom 09.06.2024
Krähentage
Cors, Benjamin

Krähentage


weniger gut

MEINUNG:
Krähentage von Benjamin Cors hat mich einfach magisch angezogen. Einerseits liebe ich einfach Thriller und andererseits haben sich die sehr guten Meinungen hierzu einfach gehäuft, so dass klar für mich war, dass ich das Buch lesen muss.
Also ich weiß eigentlich gar nicht, wo ich hier anfangen soll, denn mir hat hier leider eine ganze Menge wirklich nicht gefallen. Es mag sicherlich daran liegen, dass ich grundsätzlich viele Krimis und Thriller lese und daher relativ anspruchsvoll geworden bin. Schon nach dem ersten Viertel war ich hier relativ ernüchtert und habe auch über einen Abbruch nachgedacht. Was für mich schon mal gefehlt hat, war Spannung. Wir lesen hier immer wieder im Wechsel von dem ermittelnden Team und dem vermeintlichen Täter, was ich an sich mag, aber es gab eben auch nicht mehr besonders viele Überraschungen. Meiner Meinung nach gelingt es dem Autor nicht einen Thriller vernünftig aufzubauen. Es ist oft nicht klar, wo die Opfer und Ermittlungsansätze herkommen. Anstatt immer wieder durch kleine Hinweise Spannung aufzubauen und mein Interesse zu wecken, passiert vieles einfach irgendwie. Es gibt sogar eine Zeit von 4 Wochen, wo in diesem Fall mit einem angeblichen Serienmörder nichts passiert. 
Weiterer Kritikpunkt ist Brutalität der Morde, die in Zusammenhang mit Krähen stehen. An sich gefiel mir die Wahl der Tiere, weil ihnen leider zu Unrecht oft ein schlechter Ruf vorauseilt, aber am Ende macht für mich Brutalität noch langen keinen guten Thriller aus und ich fand es auch wirklich unnötig, eben weil dem Thriller einfach die Tiefe und Authentizität fehlt. Bei mir hat auch keiner der Fälle und Personen wirklich Emotionen wie Mitgefühl oder ähnliches ausgelöst und das finde ich schade, denn bei solchen Verbrechen sind nun auch wirklich Menschen beteilig und werden zu Opfern. Ich konnte mich auch mit keiner Person aus dieser Gruppe 4 wirklich anfreunden, denn sie bleiben alle oberflächlich und der Autor hat hier die klassischen Stereotypen aufgebaut: Die mürrische Mila mit düsterer Vergangenheit, der eloquente Jakob, die flippige Lucy, die strebsame Frauke, der stille und zu Gewalt neigende "Finne" (dessen Gewaltbereitschaft auch nicht eingeordnet wird) und Ludger, der gerne Anzug trägt. In meinen Auen viel zu viele Personen. Oft verwendet der Autor auch Sätze bzw. Phrasen, die einfach zu dick aufgetragen fand. Ich habe mir oft gedacht besser wäre mehr zeigen und nicht so viel erzählen (show and don't tell). Ein bisschen versöhnlich haben mich ein paar Wendungen am Ende gestimmt.

FAZIT:
Von Krähentage habe ich mir wirklich viel versprochen, aber es konnte mich leider nicht überzeugen. Für mich ein Thriller, den ich einfach nicht gut gemacht fand, auch nicht mit dieser Brutalität, die beschrieben wird. Mich konnten leider weder die Ermittler, noch der Fall überzeugen und was ich wirklich vermisst habe, war Spannung. 

Bewertung vom 03.06.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


ausgezeichnet

MEINUNG:
Nach 22 Bahnen, was mir, wie vielen anderen auch, schon so gut gefallen hatte, kommt nun die Geschichte von Tildas Schwester Ida in Windstärke 17. Eine Geschichte, von der ich eigentlich dachte, ich bräuchte sie nicht.
Idas und Tildas Mutter ist nun tot. Ida verlässt die Kleinstadt mit der Kündigung der Wohnung. Eigentlich soll zu Schwester Tilda gehen, aber Ida kann es nicht und landet auf Rügen. Im Gepäck hat sie nicht nur die falsche Kleidung, sondern auch viele, viele Emotionen, wie Schuld, Wut und Trauer. 
Ich fand es so gut, wie Caroline Wahl die Ambivalenz in den Gefühlen von Ida gegenüber ihrer Mutter beschrieben, wie schon bei Tilda. Einerseits ist da eine Mutter, die ihr Leben lieber dem Alkohol widmet und daran zu Grund geht. Es gibt Szenen, bei denen ich manchmal eine Triggerwarnung manchmal angebracht gewesen wäre, vor allem von LeserInnen, die ähnliches erlebt haben. Dazu gehören für mich auch suizidalen Taten und Gedanken. Andererseits war es ihre Mutter, die sie trotz allem liebte und mit der es auch schöne Momente gab. Besonders der Tod der Mutter und die Umstände machen Ida schwer zu schaffen. Leider neigt sie dazu ihre Hilflosigkeit und traumatischen Erinnerungen in relativ selbstzerstörerischen Taten zu kanalisieren, um eine endlich eine Art der Verarbeitung in Kraft zu setzen. Diese Stellen sind unfassbar intensiv zu lesen und auch zu fühlen, denn nicht immer ist klar, wie diese ausgehen könnten. Idas Emotionen fließen hier mit großer Intensität durch die Buchseiten und verlangt beim Lesen so einiges ab.  Ich konnte das Buch wirklich nur schwer aus der Hand legen, weil ich Ida einfach nicht allein lassen wollte. Es hat auch in mir persönlich so viel aufgerüttelt, sodass ich noch Tage danach einiges verarbeiten musste.
Ida ist gleichzeitig eine ziemlich coole Person, die eigentlich schon weiß wer sie ist. Sie ist clever, aber auch stur und widersprüchlich. Bei alter Düsternis gibt es hier auch Lichtblicke für Ida. Vor allem als sie von Knut und Marianne aufgenommen wird, die keine großen Fragen stellen. Vor allem Marianne kümmert sich sehr um sie und ich war auch einfach froh für Ida, dass sie jemanden hat. Ich war für mich nachvollziehbar, dass sie nicht zu Tilda wollte, denn sie ist einfach zu nah dran. Besonders hat mir auch hier gefallen, wie ambivalent der Aufbau von neuen Beziehungen für Ida ist. Immer wieder pendelt es zwischen ihren eigenen Dämonen, die Impulsivität hervorrufen und der Suche nach Geborgenheit, ein Stück weit vielleicht auch Heilung und wie es mit ihrem Leben weiter geht.  Sehr gut hat mir auch die sich anbahnende kleine Liebesgeschichte mit Leif gefallen, weil die ebenso intensiv, wie humorvoll war. Auch er scheint sein Päckchen zu tragen und dennoch scheinen sich beide genau zum richtigen Zeitpunkt im Leben getroffen zu haben. Auch hier zeigt sich wieder eine große Ambivalenz. Beide stoßen sich im gleichen Maß voneinander weg, wie sie auch die Nähe des anderen genießen und eigentlich rettungslos ineinander verliebt sind. 
FAZIT:
Schon lange hat mich kein Buch mehr so begeistert, innerlich zerstört und dann wieder aufgebaut, wie Windstärke 17 von Caroline Wahl. Meiner Meinung nach setzt die Autorin in dieser Art zweiten Teil zu 22 Bahnen hier nochmal ein drauf. Es hat mich auf einer persönlichen Ebene erreicht, wie schon lange kein Buch mehr. Für mich ein Lebenshighlight!

 

 

 

Bewertung vom 02.06.2024
Wer zuerst lügt
Elston, Ashley

Wer zuerst lügt


sehr gut

MEINUNG:
Ich wurde auf Wer zuerst lügt aufmerksam, weil es eine Empfehlung aus Reese Witherspoon Buchclub ist und weil die Geschichte mal so komplett neu und anders klang.
Protagonistin Evie Porter ist nicht die, für die sie sich ausgibt. Es relativ schnell klar, dass sie bestimmt Aufträge ausführt. Einer dieser "Aufträge" ist ihr Freund Ryan. Zunächst ist nicht ganz klar, was hier der Auftrag ist, aber das wird relativ schnell klar. Abwechselnd werden die Kapitel von anderen Alias erzählt. Dabei wird auch Evie Alter Ego Lucca Marino mit ihrer Vorgeschichte näher beleuchtet. Richtig Fahrt nimmt die Geschichte auf als eine andere Frau sich als Lucca Marino ausgibt. 
Für mich war die erste Hälfte relativ belanglos, aber ab der zweiten Hälfte nimmt das Buch richtig an Fahrt auf. Vor allem als Evie klar wird, dass ihr Auftraggeber hinter ihr her ist und sie cleverer sein muss als er. Ich mochte, dass man nicht genau wusste, wie alles zusammenhängt und wie sie ihn überlisten möchte, um ihr Leben zurückzubekommen. Besonders spannend ist dabei das Verhalten von Ryan, den sie an für sich auch hintergeht. Als Evie des Mordes beschuldigt wird, beginnt ein ziemlich rasantes Katz-und-Maus-Spiel. Die ganze Auflösung mit seinen diversen Wendungen und doppelten Böden ist relativ komplex und man muss mit den Gedanken gut dabei sein. Spannend ist es, dass trotz allem, was Evie hier getan hat, sie trotzdem sympathisch fand. Ich denke, dass ist genau, was die Autorin erreichen wollte, obwohl Evie sich hier eindeutig sehr dunkelgrauen gesetzlichen Bereichen befand.

FAZIT:
Wer zuerst lügt startet mit gemächlich und entwickelt sich dann zu einem rasanten Katz-und-Maus-Spiel zwischen Evie und ihren Gegnern. Es war gut durch dacht und clever gemacht. Ich habe das Buch gerne gelesen und hatte Spaß dabei. :)

Bewertung vom 23.05.2024
Issa
Mahn, Mirrianne

Issa


ausgezeichnet

MEINUNG:
Bei Issa hat mich einfach das Cover schon vor Monaten magisch angezogen. Die Frau darauf wirkt so stark und gleichzeitig verletzlich. Nach einem Blick auf den Inhalt, war für mich klar, dass ich das Buch lesen muss. Ein bisschen Sorge hatte ich, wie hart das Buch zwecks der möglichen Rituale werden könnte.
Das Buch hat mich von der ersten Seite sofort in seinen Bann gezogen und das lag vor allem an Protagonistin Issa, denn die nimmt ihre zunächst misslich erscheinende Lage mit zunächst mit sehr viel Humor, was auch für das gesamte Buch gilt. Issa ist schwanger. Es klingt ein bisschen danach als wäre es nicht ganz geplant gewesen. Issas Wurzeln liegen in Kamerun, aber sie wohnt mit ihrer Familie in Deutschland. Ihre Mutter hat dennoch ihren Tod vorausgesehen. Damit dies nicht passiert und Issas Kind sicher auf die Welt kommt, muss sie sich gewissen Ritualen in Kamerun unterziehen. Also macht sich auf den Weg nach Douala. 
Das Buch enthält eine Vielfalt an Themen, u.a. setz sich Issa mit ihrer Familiengeschichte auseinander. Diese Geschichte ist auch eng mit der deutschen Kolonialgeschichte verbunden, von der ich nun auch ein besseres Verständnis habe. Parallel zu Issas Geschichte wird in sich abwechselnden Kapiteln die Geschichte ihrer Großmütter und ihrer Mutter erzählt. Zu ihren Omas hat Issa ein sehr inniges, liebevolles Verhältnis, was sich auch zeigt als sie Issa in Kamerun empfangen. Das Verhältnis zu Issa Mutters wirkt angespannt, denn Issa fühlt von ihr oft kontrolliert und auch die Nachricht auf einen baldigen Enkel wurde nicht gut aufgenommen. Issa hat Zeit in Kamerun zu reflektieren, was sie sich und das Baby wünscht, welches sie auf jeden Fall behalten möchte. Ich empfand auch das Verhältnis zu Issas deutschem Freund und Vater des Kindes sehr schwierig, aber das erkennt Issa dann auch selbst. 
Die Autorin gewährt einen sehr detaillierten und intimen Einblick in die Rituale, die ein entscheidender Teil der Kultur sind und auch über Glück und Unglück im Leben entscheiden können. Für mich war das einerseits faszinierend, wie unterschiedlich Leben sein können und andererseits habe ich mich auch schwer daran getan diesen starken Glauben an diese Rituale, die eng mit den Ahnen verbunden sind, nachzuvollziehen und ernst zu nehmen, vor allem wenn über das eigene Leben entscheidet. Möglicherweise sind die Rituale auch Teil des Problems und stehen der Emanzipation der Frauen im Wege, obwohl die Frauen hier sehr stark sind. Ich habe sie bewundert für ihre Stärke und für die absolute Liebe zu ihren Kindern und Enkelkindern.
Spannend fand ich die Auseinandersetzung mit dem Weiß und Schwarze Sein, denn Issa ist in Deutschland zu schwarz und in Kamerun wird sie als weiß bezeichnet. Ich empfand das als ziemliches Dilemma und konnte Issa Zerrissenheit gut nachvollziehen. Issas Mutter hat in der Vergangenheit entschieden, dass mit einem Deutschen und Issa nach Deutschland geht. Die Familie hat sich schwer getan mit dieser Entscheidung, dennoch auch nachvollziehbar, denn sie hat sich einfach mehr Chancen für Issa und sich versprochen, was ebenfalls nachvollziehbar ist. Der Preis ist dann, dass man bzw. Issa nirgendwo Zugehörigkeit empfinden. 

FAZIT:
Issa ist für mich ein absolutes Jahreshighlight. Der Roman bringt so viele verschiedene Themen (Geschichte und Kultur Kameruns, familiäre Beziehungen, Emanzipation) mit, ist gleichzeitig tiefgründig und humorvoll. Es ist oft keine leichte Kost, aber es hinterlässt keine Schwere. Ich hoffe, die Autorin schreibt weitere Romane. :)

Bewertung vom 19.05.2024
Leute von früher
Höller, Kristin

Leute von früher


gut

MEINUNG:
Kristin Höller kannte ich bisher nicht, aber das auf Leute von früher bin ich schon frühzeitig aufmerksam geworden und war auch von dem Cover magisch angezogen. Ich habe mir hier ein bisschen eine Coming-of-Age Geschichte vorgestellt, die ein bisschen Nordsee-Sommerfeeling aufkommen lässt. Leut
Die ersten 100 Seiten des Buches fielen mir ziemlich schwer, was an verschiedenen Faktoren gelegen hat. Der Schreibstil lässt sich flüssig lesen, aber ich fand ihn ziemlich emotionslos und es fehlt mir auch an Atmosphäre. Immer wieder habe ich mir die Frage gestellt, was will uns die Autorin mit diesem Buch erzählen, was ist hier das Besondere? Zu Marlene konnte ich nicht wirklich eine Beziehung aufbauen. Sie ist mit ihrem Studium fertig und wenn da nicht erwähnt worden wäre, dass sie schon Ende 20 ist, dann hätte ich sie eher als Schülerin gesehen, die gerade ihr Abi fertig gemacht hat. Dieser Eindruck hat sich auch weiter fortgesetzt und ich musst mich gedanklich immer wieder korrigieren. Marlene ergreift nun diese Art "Ferienjob"  in einem Erlebnisdorf, welches das Leben und Brauchtum um 1900 darstellt, auf der Nordseeinsel Strand in der Nähe von Husum. So überbrückt sie erst einmal den Fakt, dass sie mit ihrem Studium so schnell erstmal keinen passenden Job findet. Marlene lässt auch ein soziales Leben zurück, dabei werden diverse Personen so erwähnt als ob man die schon kennen müsste. Ich war davon anfangs ein bisschen genervt, weil es nicht relevant war und man aber trotzdem Marlene nicht besser kennengelernt hat. Was mich mehr interessiert hätte, warum Marlene kein so gutes Verhältnis zu ihren Eltern hat. Das wird nicht ganz so richtig ausgeführt. Allerdings wissen die nicht mal, wo sie sich aufhält.
Das erste Drittel bewegte mich eigentlich fast zum Abbruch des Buches, denn ich fand die Geschichte einfach relativ langweilig und es gab auch keine nennenswerte Atmosphäre. Ich habe trotzdem beschlossen weiterzulesen, denn ich habe auf die Entwicklung der Beziehung zwischen Janne und Marlene gewartet. Janne ist sozusagen eine Einheimische von der Insel. Die Liebesbeziehung zwischen den beiden entwickelt sich saghaft und ich habe das gerne gelesen. Janne wirkt etwas verloren und dennoch fest verbunden mit der Insel. Beide erleben eine schöne Zeit, allerdings immer mit der Frage, was nach der Saison passiert. Marlene wirkte auf mich, ebenso was die berufliche Zukunftspläne angeht, etwas passiv und will sich auf nichts festlegen. Auf den letzten 50 Seiten schlägt dann die Atmosphäre des Buches um, was ich mir schon viel früher gewünscht hätte. Es beginnt schon ein bisschen früher mit den ganzen Geschichten um eine versunkene Stadt und Wasserflecken. Eventuell muss man das ein bisschen mögen, aber das Ende ist wirklich dramatisch und voller Atmosphäre, so dass ich wirklich ein bisschen sprachlos am Ende zurück blieb. 

FAZIT:
Von Leute von früher habe ich ehrlich gesagt ein bisschen mehr erwartet. Der Schluss hat mir atmosphärisch sehr gut gefallen. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass die Autorin diese Atmosphäre schon von Beginn besser aufgebaut hätte. An sich wird hier keine neue Geschichte erzählt, aber sie hätte sich durch das WIE von anderen abheben können.

Bewertung vom 19.04.2024
Lichtungen
Wolff, Iris

Lichtungen


sehr gut

MEINUNG:
Mich hat bei Leuchtfeuer gleich das Cover angesprochen, ohne dass ich überhaupt den Inhalt kannte. Ich liebe Bücher in einfach Geheimnisse, diese zu entdecken und zu lesen wie ein Ereignis über das Schicksal und die Leben von vielen Personen entscheidet.
Ein bisschen habe ich bei dem Klappentext erwartet, dass man besagtes Geheimnis eigentlich erst später erfährt, weil es einfach oft so üblich ist. Dem ist aber nicht so und man erfährt besagtes Geheimnis schon auf den ersten Seiten und der Klappentext verrät es auch schon zum Teil, denn es hängt mit dem Unfall zusammen. Zunächst hat mich das etwas enttäuscht und es hat mich auch nach Beenden des Buches etwas enttäuscht, da ich einfach auf die Spannung gewartet habe. Nach ein paar Gesprächen mit anderen Personen hat sich mein Eindruck aber etwas korrigiert, weil der Fokus in diesem Buch nicht das Geheimnis und deren Entschlüsselung ist, sondern was es mit den Protagonisten gemacht hat. Es handelt sich also um ein offenes Geheimnis, welches vor allem das Leben von Sarah und Theo und auch deren Erwachsen werden nachträglich und gravierend verändert hat. Beide haben enorme Probleme in ihrem Leben, die sie irgendwie versuchen in den Griff zu bekommen. Am besten damit umgehen konnten in meinen Augen noch Ben und Mimi, ihre Eltern. Ben habe ich als starken und gleichzeitig liebenswerten Charakter empfunden, der wie ein Kapitän ist und das Familienschiff versucht durch die Unwägbarkeiten des Lebens zu lenken.
Wirklich berührend ist die Geschichte von Waldo. Waldo wohnt mit seinen Eltern gegenüber von Sarahs und Theos Eltern, Ben und Mimi. Waldos Schicksal ist eng mit Ben verbunden. Ich mochte es, dass die Autorin die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven aller Charaktere geschrieben hat, auch aus der von Waldos Eltern. Waldos Verhältnis zu seinem Vater, Shenkman, ist ziemlich schwierig, weil Waldo anders ist und sein Vater damit einfach nicht klar kommt. Mich hat es geschmerzt, dass Waldo das natürlich gespürt hat und auch aus der Sicht von Shenkman erfährt man, dass er sich dessen sehr bewusst ist, aber da auch nicht heraus kommt. Ich finde die Autorin hat sehr eindrücklich geschildert, wie sich deren Beziehung dann entwickelt, als Waldo älter wird - nämlich eine nur sehr geringe emotionale Bindung zwischen den beiden. Die Autorin springt manchmal durch die Zeiten und greift ein bisschen was vorweg, was mich in Waldos Fall sehr froh gestimmt hat. Umso schöner ist die Beziehung, die sich zu Ben entwickelt, denn hier findet Waldo endlich jemanden, der ihn so sieht wie er ist. 
Durch die vielen Bilder von Sternen, löst sich einen gewissen Zauber aus, der zum Titel Leuchtfeuer passt. Für mich schaffen vor allem amerikanische AutorInnen eine solche Atmosphäre darzustellen, was man mögen muss. Motive wie Schicksal, die Kraft von Liebe und Familie, die auch zur Heilung führen kann sind dabei wichtige Themen, die auch hier verwendet werden.

FAZIT:
Leuchtfeuer ist eine Geschichte von Verlusten, aber auch von Heilung und Hoffnung, dass sich trotz einige Schicksalsschläge alles zum Guten wenden kann. Es braucht nur Personen, die an einen glauben. Meine Erwartungen an das Buch waren ein bisschen anders, aber auch auf mich konnte der Zauber der Geschichte am Ende noch wirken.

Bewertung vom 10.04.2024
Der ehrliche Finder
Spit, Lize

Der ehrliche Finder


sehr gut

MEINUNG:
Lize Spit ist eine Autorin, die ich schon länger gerne lese. Es schmilzt hat bei mir noch immer ein wirklich langen und nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Der ehrliche Finder ist eine Art Auftragsarbeit für den belgischen Buchhandel und wurde gratis verteilt bei jedem Buchkauf. 
Tristan flüchtet mit seiner Familie und den vielen Geschwistern aus dem Kosovo nach Belgien. Die Familie hat eine lange Odyssee hinter sich und ist froh in Bovenmeer angekommen zu sein. Auch Jimmy freut sich sehr, denn Tristan sitzt von nun an neben ihm in der Schule und er hat endlich einen Freund. Die Freundschaft beginnt zu wachsen bis eine Entscheidung von außen alles in Frage stellt und von beiden viel abverlangt.
Ich empfand Jimmy als fast schon besessen von Tristan. Ein Stück weit ist das natürlich sicher seinem Alter geschuldet, aber ich empfand ihn auch als relativ einsam. Er hat wenig Freunde, scheint irgendwie sonderbar und die Eltern wirken auch sehr abwesend in seinem Leben. Man erfährt, dass der Vater die Familie verlassen hat und die Mutter darüber nicht gut hinweg gekommen ist und depressiv wirkt.  Tristan hat vor allem das, was sich Jimmy sehr wünscht - ein große Familie, die Liebe und Geborgenheit bietet. Auch das ist ein Punkt, von er sich angezogen fühlt. Es ist deutlich spürbar, dass Tristan und Jimmy nicht aus völlig verschiedenen Ländern kommen, sondern auch verschiedenen Kulturen. Tristan, der Krieg und Gewalt erlebt hat, legt auf ganz andere Dinge wert als Jimmy, dessen größte Leidenschaft das Sammeln von sogenannten Flippos, was kleine Scheiben mit Sammelbildern sind, aus Chipstüten sind. 
Irgendwie hatte ich schon im Gespür, dass die besagte Entscheidung am Ende für eine der beiden Seiten kein gutes Ende finden wird. Ich mochte es, dass Lize Spit hier relativ sachlich eine Geschichte bietet, ohne dabei in Bewertungen oder Klischees abzudriften. Im Nachwort sagt die Autorin, dass zu Tristans Familie ein reales Vorbild gab und dass es für die Familie gut ausgegangen ist.

FAZIT:
Die Autorin gibt hier auf wenigen Seiten in Der ehrliche Finder ein Gefühl, wie es ist als geflüchtete Person fernab des eigenen Heimatlands, in einem fremden Land anzukommen und dass der Krieg trotzdem aus den Köpfen nicht verschwindet. Ich kann mir das Buch gut als Schullektüre vorstellen, denn es bietet viel Stoff in komprimierter Form um aktuelle Themen wie Flucht und Migration zu diskutieren und erörtern.

Bewertung vom 06.04.2024
Die Spur im Fjord / Hildur Bd.1
Rämö, Satu

Die Spur im Fjord / Hildur Bd.1


sehr gut

MEINUNG:
Satu Rämö ist eine Autorin finnischer Herkunft, die aber nun aus Island lebt und nun eine neue isländische Krimireihe über die Ermittlerin Hildur Runarsdottir (Nachnamen sind Island eher unwichtig) geschrieben hat. Es werden weitere Bände folgen. Natürlich war ich hier gleich wieder dabei, da ich spannende Literatur aus dem hohen Norden immer gerne lese und nie genug davon bekommen kann.
Das Buch beginnt gemächlich. Es werden zunächst mal alle Charaktere vorgestellt. Da ist allen voran Hildur, die sportsüchtig ist und ihre fast ihre gesamte Familie verloren hat. In ihrer Vergangenheit sind ihre beiden Schwestern verschwunden und wurden bis heute nicht gefunden. Diese Geschichte hängt ihr sehr nach und sie bildet auch eine gewisse Rahmenhandlung, denn es ergeben sich ein paar neue Spuren. Der Fall in diesem Teil ist abgeschlossen, aber bzgl. der ungeklärten Fragen zu ihren Schwestern geht in nächsten Band weiter. Dann ist da noch der Finne Jakob, der zu ihrer Unterstützung kommt. Wo Hildur den Sport hat, strickt Jakob zu jeder Gelegenheit, was ich sehr amüsant fand. Die Autorin schafft es generell, dass ich mich hier in der Geschichte wohl gefühlt habe. Sie hat auch viele typische Sachen für Island immer mal wieder erklärt, was mir gut gefallen hat, denn viele LeserInnen werden mit der isländischen Kultur nicht allzu vertraut sein. Interessant fand ich auch, dass die meisten Leute in den dünn besiedelten Gebieten mehrere Jobs haben und wie sich das Leben in solchen Gebieten, wie den Westfjorden, wo die Bücher spielen, gestaltet.
Für meinen Geschmack hat sich der Fall relativ langsam entwickelt. Es gibt mehrere Morde, aber eine so richtige Spur ergibt sich erst im letztern Drittel, wo dann auch die Spannung ordentlich anzieht. Mir fehlte es aber an so kleinere Zwischenschritten, die einen gewissen Spannungsbogen aufgebaut hätten. Die Auflösung hat mir dann allerdings gut gefallen. Es fällt aber in die typische Auflösung, dass man da hätte nie drauf kommen können, weil der Täter/ die Täterin erstmal lange keine Rolle im Buch spielt.

FAZIT:
Hildur - Die Spur im Fjord ist ein solider Auftakt einer isländischen Kriminal Reihe, den ich gerne gelesen habe. Für meinen Geschmack dürfte es noch ein bisschen mehr Ermittlungsarbeit sein. Ich kann mir vorstellen auch den nächsten Band zu lesen, der jetzt im April auch schon erscheint.