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Aerub
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Hamburg

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Bewertung vom 20.10.2020
Pädagogik, Elite, Missbrauch
Oelkers, Jürgen

Pädagogik, Elite, Missbrauch


gut

Der Zürcher Bildungsforscher Oelkers geht der Frage nach, wie ein Mensch Leiter eines Internats werden kann und bleiben kann, obwohl sein Lebensweg vor und während der Leitung der Schule gekennzeichnet ist von Schülern, die ihn des Mißbrauchs anklagen. Der Mensch wurde nie angeklagt, geschweige denn bestraft, und konnte eine Karriere durchlaufen, die mehreren seiner Schüler verwehrt blieb, auch deshalb, weil die Erfahrung des Mißbrauchs als Kind durch einen erwachsenen Lehrer mühsam verarbeitet werden musste. Der Autor beschreibt Protektion des Menschen. Bei Polizei und Staatsanwaltschaften ging keine Anzeige gegen den Mensch ein, die Eltern der Kinder, der Vorstand des Trägervereins des Internats, die lokalen Politiker, die an der Schule tätigen Lehrer, sie alle hielten das, was sie an Regelverletzungen selbst wahrnahmen oder von anderen berichtet bekamen, nicht für schwerwiegend genug, um sich gegen den Mensch zu stellen. Und sie liessen sich durch die Autorität der Bildungsforscher, die den Mensch protegierten, lähmen. Den Verlauf der Protektion schildert der Autor derart, dass der 1936 geborene Mensch ohne Studienabschluss zwei homosexuelle, kinderlose Bildungsforscher, der eine Jahrgang 1915, der andere Jahrgang 1923, davon überzeugen kann, dass er das intellektuelle Rüstzeug besitzt, um als Pädagoge Kinder zu unterrichten und eine Schule zu leiten. Dies bescheinigen ihm dann über Gutachten seine Eignung. Ich finde es erschütternd, dass keiner der beiden älteren Wissenschaftler, die den jüngeren Mensch bei der Bewerbung auf die Schulleitung protegiert habe, die fehlende menschliche Eignung des Menschen erkannt haben und Hinweisen auf seine Kriminalität nicht nachgegangen sind. Ich frage mich, ob diese Bildungsforscher, die man als Komplizen bezeichnen kann, als typisch gelten können für die Arbeitsweise der Bildungsforschung - weit weg vom Kind, und dazu geeignet, die eigenen Karrieren zu befördern, auch zum Preis von fehlender Ahndung schwerer Straftaten.