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Pferdenarrin

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Bewertung vom 21.12.2019
Ostfriesenfalle / Ann Kathrin Klaasen ermittelt Bd.5
Wolf, Klaus-Peter

Ostfriesenfalle / Ann Kathrin Klaasen ermittelt Bd.5


schlecht

Sehr geehrter Herr Wolf, ich habe eine „schlichte Schläfenlappenepilepsie“
Mit anderen Worten: ICH HABE EINEN AN DER WAFFEL.
Zumindest erhalte ich diesen Stempel von Ann Kathrin Klaasen – der Hauptfigur aus ihrer Ostfriesen-Krimireihe (S. 164).
Und von höchst kompetenter Seite abgesegnet wird diese fröhlich lustige stammtischtaugliche Diagnose einer im realen Leben keineswegs lustigen Krankheit durch die geballte wissenschaftliche Kompetenz von Frau Poppinga, einer der führenden Gehirnchirurginnen, die dieses Handwerk jedoch nach hinten stellte, da sie sich ganz der Wissenschaft verschrieben hat.
Frau Poppinga: „Nicht bei jedem epileptischen Anfall kippen Menschen zuckend um.“ Ja – das stimmt – aber Grand Male Anfälle können durchaus auch bei Temporallappenepilepsie ausgelöst werden. In dem Fall hat der Körper keinerlei Schutzmechanismus mehr und schlimme Unfälle können passieren. Bei mir z. B. eine Schädelbasisfraktur am Augenrand mit Glück im Unglück – das Auge blieb unbeschädigt.
Und da sie ja gerne etwas Fachwissen einstreuen: Wussten Sie auch, dass Epilepsie oft in Kombination mit Depression auftritt? Und dass laut Statistik das Selbstmordrisiko bei Temporallappenepilepsie mit depressiver Begleitung um das 25-fache erhöht ist. Die Medikamente, die viele Betroffene dauerhaft einnehmen müssen, haben teils schwere Nebenwirkungen und reduzieren die Lebensqualität. Die Anfallsformen sind in der Tat vielfältig – aber egal welcher Art ein Anfall ist, in der Regel ist er eines nicht: Für den Betroffenen auf irgendeine Art amüsant. Ja – eine übermäßige rechtstemporale Aktivität kann zu überschießenden Emotionen führen. Das macht es leider nicht einfacher, ihren Tritt unter die Gürtellinie wegzulächeln.
Ich gehe mal davon aus, dass es niemanden gibt der Ihnen sehr nahe steht und Temporallappenepilepsie hat. Ansonsten hätten Sie das Thema evtl. genauso respektvoll eingearbeitet wie Dyskalkulie. Eine Betroffene erläutert in Friesenfeuer (S. 47), dass die Rechenschwäche eine echte Krankheit ist und dass man von der Arismasthenie (Anm.: wie auch bei der Epilepsie) nicht auf eine geringere Intelligenz schließen kann – und sammelt damit Sympathiepunkte bei Frau Klaasen.
Eine schöne Vorlage für Betroffene, die sich outen möchten. Wenn ich mich mit meiner Krankheit outen möchte, muss ich jetzt hingegen damit rechnen, dass mein Gegenüber schmunzelt und sich denkt – ah – sie hat einen an der Waffel. Vielen Dank dafür…
Seitdem ich am Temporallappen operiert worden bin, leide ich übrigens unter fortschreitender CFS. Und der Leidensdruck dieser Krankheit toppt die Epilepsie mühelos.
Tun Sie mir einen Gefallen: Falls Sie jemals CFS in ihre Bücher einbringen, dann bitte mit dem angemessenen Respekt für Ihre Mitmenschen und ohne auf Kosten Kranker einen Lacher zu verbuchen. Versuchen Sie lieber – wie im Fall der Dyskalkulie – für etwas Verständnis für die Krankheit und die Betroffenen zu sorgen