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Benutzername: 
mimitatis_buecherkiste
Wohnort: 
Krefeld

Bewertungen

Insgesamt 532 Bewertungen
Bewertung vom 18.07.2024
Kleine Monster
Lind, Jessica

Kleine Monster


ausgezeichnet

Pia und Jakob werden in die Schule ihres siebenjährigen Sohnes Luca bestellt, es gab einen Vorfall mit einem Mädchen. Während Jakob schnell davon überzeugt ist, dass es sich nur um ein Missverständnis handeln kann, ist Pia alarmiert, weiß sie doch, dass Kinder auch anders sein können. Sie lässt Luca nicht mehr aus den Augen, will die Wahrheit förmlich aus ihm herauspressen. Währenddessen kommt ihre eigene Kindheit hoch, die alles andere als einfach war.

„Ich bin gut darin, die Fassade aufrechtzuerhalten. So gut, über weite Strecken glaube ich mir selbst. Und doch.
Die Liebe ist keine Selbstverständlichkeit für mich. Die Mutterhaut, die ich trage, passt nicht wie angegossen.“ (Seite 57)

Dieses emotionale Familiendrama lässt mich aufgewühlt und tief berührt zurück. Das Ereignis, das der Auslöser für die folgenden Geschehnisse ist, steht nur augenscheinlich im Vordergrund, Mittelpunkt der Geschichte ist die Aufarbeitung der Kindheit von Pia, die durch den Vorfall in der Schule getriggert und dadurch zu Handlungen getrieben wird, die mich an manchen Stellen erschüttert, um nicht zu sagen angewidert haben. Erst allmählich wird aufgedeckt, wie es in der Familie zuging, welche Kämpfe ausgefochten wurden und Gemeinheiten ausgeheckt. Dies alles nicht offen, nach außen hin war alles perfekt. Manchmal sind die subtilen Grausamkeiten schlimmer, schädigen eine Seele so sehr, dass diese sich schützt, bevor sie zukünftig jemand verletzt.

Auf zwei Zeitebenen wird die Geschichte erzählt, beide bieten Zündstoff und lassen sich nicht so leicht vergessen für mich. Die Schatten der Vergangenheit schüttelt man nicht ab, man muss sich ihnen stellen, den Schmerz zulassen, auch wenn er einen zerreißt. Selten wurde das so gut dargestellt wie hier. Eine Leseempfehlung gibt es dafür von mir.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.07.2024
Joy
Lee, Jonathan

Joy


gut

Joy Stephens wird mit Mitte dreißig die Ehre zuteil, in ihrer Londoner Anwaltskanzlei zur Partnerin ernannt zu werden. Aus Gründen, die in der Vergangenheit, aber auch in ihrem Privatleben liegen, bereitet Joy für diesen Tag ihren Abgang vor, allerdings anders, als man es sich vorstellen könnte; sie will nicht mehr leben und hat einen Plan, wie sie dies bewerkstelligen wird. Bei der Ernennung zum Partner stürzt Joy vor versammelter Mannschaft zehn Meter in die Tiefe und wird lebensgefährlich verletzt. Der Verdacht liegt nahe, dass ihr Kollege und Ex-Geliebter etwas mit ihrem Sturz zu tun hat, oder war es doch etwas anderes?

Minutiös durfte ich verfolgen, wie Joy ihren Abgang plant und was ihr in der Zwischenzeit widerfährt. In den Kapiteln dazwischen ist das Unglück bereits passiert und es erfolgten Befragungen verschiedener Personen, die unmittelbar mit ihr zu tun hatten; im Privatleben, überwiegend aber im geschäftlichen Bereich. Der Schreibstil war fordernd, Sätze über eine ganze Seite, verschachtelt und mit Fußnoten versehen, die auch gerne mal die komplette Seite beanspruchten, erforderten meine gesamte Konzentration. Dies war anspruchsvoll, stellenweise sogar recht anstrengend, besonders wenn Dennis, der Ehemann von Joy, sich in seinen ausschweifenden Gedanken verlor und regelrecht schwadronierte. Die eigentliche Geschichte war irgendwo dazwischen zu finden, sie verlor sich fast in den vielen unwichtigen Erzählungen der Befragten. Dies empfand ich als tragisch, denn das Buch hatte viele interessante Momente, die allerdings fast wellenförmig mal da, mal weg waren. Es war schwierig für mich, konzentriert zu bleiben.

Letztendlich blieb ich am Ball, weil ich unbedingt erfahren wollte, welches Ende sich der Autor einfallen lassen würde, hatte die Hoffnung darauf, doch noch überrascht zu werden. Das wurde ich, aber anders als erwartet. Vielleicht aber habe ich es auch einfach nur nicht verstanden.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.07.2024
Hast du Zeit?
Winkelmann, Andreas

Hast du Zeit?


ausgezeichnet

Seit Wochen fühlt sich die Krankenschwester Conny Goldmann verfolgt, hat Angst und vertraut sich ihrer besten Freundin Michelle an, die ihren Vater einschaltet, der früher Polizist war. Lars Erik Grotheer war bei der Bundestagspolizei, hat keinerlei Ermittlungserfahrung, und so passiert es, dass bei seiner ersten Beschattung alles schiefläuft und Conny stirbt. Kurze Zeit später verschwindet die Schornsteinfegerin Felicitas Möller, wird während eines Telefonats mit ihrer Freundin Lilly Costanzo aus ihrem Wagen entführt. Ihre Partnerin setzt alle Hebel in Bewegung, um sie zu finden, es fehlt jedoch jede Spur. Grotheer gibt nicht auf und findet Hinweise darauf, dass weitere Personen verschwunden sind, die allerdings nichts miteinander zu tun haben. Die einzige Verbindung finden weder Grotheer noch Lilly, aber die Zeit drängt, denn wieder verschwindet eine Person und die Uhr tickt.

Fast sofort wurde ich mitten ins Geschehen geworfen, wurde Zeugin eines Verbrechens, hielt den Atem an und folgte den beteiligten Personen angespannt auf ihrem Weg. Viele falsche Fährten legte der Autor aus, köderte mich mit kleinen Bröckchen an Informationen, lenkte meine Aufmerksamkeit mal hierhin, mal dorthin, hielt sich dabei aber bedeckt und verriet kein Wort zu viel. Lediglich auf die Zeitangaben am Anfang jedes Kapitels konnte ich mich verlassen, auf meinen Spürsinn leider lange nicht, denn egal wie sehr ich überlegt habe, auf die Täterperson kam ich einfach nicht. Spannende und unerwartete Wendungen machten die Geschichte zu einem kriminellen Genuss, raffiniert gelegte Spuren brachten Rätselspaß, der Nervenkitzel war nicht ohne, Spannung gab es zudem in Übermaß. Dieser Thriller war genau nach meinem Geschmack, zu beanstanden gibt es wirklich nichts. Lesenswert!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.07.2024
Die Wundersammler
Rath, Hans;Wiebusch, Michaela

Die Wundersammler


sehr gut

Paula studiert Soziologie und Benedikt ist Pater in einem Marien-Wallfahrtsort in Bayern. Beide sind auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, was Wunder sind. Zusammen machen sie sich in Benedikts Auto auf die Reise, um dem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Begleitet werden sie dabei von der zwölfjährigen Franca, allerdings nur virtuell, weil diese zur Schule gehen muss. Auf ihrer Reise treffen sie viele unterschiedliche Menschen, mit denen sie über das Phänomen sprechen und diskutieren.

Was sind Wunder? Gibt es diese wirklich, sind diese individuell oder ist das alles vielleicht doch nur eine Erfindung mancher Menschen? Und ist es überhaupt möglich, eine Antwort auf diese Frage zu finden? Die Menschen im Buch versuchen, einer Lösung näher zu kommen, aus verschiedenen Blickwinkeln nähern sich unterschiedliche Personen dem Mysterium Wunder an. Die Sichtweisen der einzelnen Gesprächspartner fand ich dabei sehr interessant, diese regten zum Nachdenken, aber auch zu Diskussionen an. Die ein oder andere Länge sei dabei verziehen, es war für mich insgesamt eine schöne Zeit. Lesenswert!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.07.2024
Tod im Chiemgau
Lehmann, Mathias

Tod im Chiemgau


sehr gut

Toni Hauser kehrt nach zehnjähriger Abwesenheit in seinen Heimatort Reit im Winkl zurück, um noch einmal seinen Vater zu sehen, der todkrank im Krankenhaus liegt. Vor einem Jahrzehnt ist er Hals über Kopf verschwunden, nachdem sein bester Freund Hans vor seinen Augen verunglückt ist. Toni war und ist überzeugt davon, dass der Unfall damals ein Mordanschlag war, aber niemand glaubt ihm. Kurz nach seiner Ankunft geschieht ein weiteres Unglück und Toni fragt sich, ob es nicht tatsächlich jemand auf ihn abgesehen hat.

„Wie gelähmt starrte Toni auf die Stelle, an der das Auto eben noch mit dem Berg gekämpft hatte. Grelle Bilder schossen in kurzen Abständen durch seinen Kopf. Er und Hans, wie sie sich vor vielen Jahren kennenlernten und nicht mochten. Er und Hans, wie sie allen Widerständen zum Trotz vor fünf Jahren Freunde wurden.“ (Seite 9)

Der erste Kriminalroman von Mathias Lehman beim Emons Verlag konnte mich sehr gut unterhalten. Der Prolog veranschaulichte deutlich, was vor zehn Jahren passiert ist, bevor es in der Gegenwart weiterging. Der angenehme Schreibstil machte es mir leicht, sofort in die Geschichte einzutauchen, und gespannt verfolgte ich die Ereignisse, denen es an Spannung nicht fehlte. Die Beschreibungen der Örtlichkeiten brachten mir zudem viel Freude, weil ich schon mehrmals selbst in der wunderschönen Gegend gewesen bin.

Der Kriminalfall war interessant und abwechslungsreich, der Ausgang überraschend und die Auflösung so gewählt, dass es vielleicht eine Fortsetzung gibt. Zu bemängeln gibt es in dieser Hinsicht von meiner Seite aus nichts. Mein größter Kritikpunkt ist allerdings, dass ich, was die beteiligten Personen angeht, durchgehend das Gefühl hatte, ein Drehbuch zu der bekannten Serie „Die Bergretter“ zu lesen, was mich immer wieder irritierte. Hier gab es so viele Parallelen, dass mir dies aufgefallen ist. Ich wünschte mir bei einer möglichen Fortsetzung etwas mehr Einfallsreichtum, was die Charaktere angeht. Ansonsten aber gibts nichts zu meckern; gerne empfehle ich diesen kurzweiligen Krimi weiter.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.07.2024
Wir sehen uns im August
García Márquez, Gabriel

Wir sehen uns im August


ausgezeichnet

Vor acht Jahren starb die Mutter von Ana Magdalena Bach und wurde gemäß ihrem letzten Wunsch auf einer Karibikinsel begraben. An jedem 16. August fährt die Tochter dahin, besucht das Grab und legt einen Strauß Gladiolen darauf. Sie bleibt über Nacht und fährt am nächsten Tag zu Mann und Kindern zurück. In diesem Jahr ist da ein Mann, der sie auf einen Drink einlädt, sie umgarnt, bis eines zum anderen führt und Ana Magdalena ihn mit auf ihr Zimmer nimmt.

Liebe im reifen Alter, diese Überschrift könnte die Erzählung tragen, würde der Geschichte damit aber nicht gerecht. Eine Situation wird ausgenutzt, Verlangen entsteht und das prickelnde Gefühl von etwas Verbotenem liegt in der Luft. Innerhalb von Minuten entscheidet sich Ana Magdalena, etwas zu tun, was sie nie gereizt hat, und sie kommt auf den Geschmack, zumindest bis am nächsten Morgen eine bestimmte Tat den schalen Nachgeschmack einer Erniedrigung hinterlässt. Die folgenden Jahre reduziert der Autor auf die Besuche der Karibikinsel und ich bin fasziniert vom Gefühlschaos, das dieses Erlebnis bei der auf die Fünfzig zugehenden Frau hinterlässt.

Das bisher unveröffentlichte Werk aus dem Nachlass des Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez wollte dieser zu Lebzeiten nicht veröffentlichen, dessen Erben entschieden sich Jahre später dafür und erläutern dies im Vorwort. Für mich war es die erste Begegnung mit einem seiner Bücher, aber sicherlich nicht die letzte, das kann ich versprechen, nachdem ich fertig geworden bin. Ich freue mich darauf.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.07.2024
Reichlich spät
Keegan, Claire

Reichlich spät


ausgezeichnet

Diese Erzählung über einen Tag im Leben von Cathal ist nicht wirklich lang, aber vollkommen ausreichend, damit ich das Gefühl habe, ihn bereits seit langer Zeit zu kennen. Dies ist der Erzählkunst von Claire Keegan geschuldet, die es zustande bringt, auf wenigen Seiten so unglaublich viel zu erzählen.

„Das war das Problem mit Frauen, denen die Liebe abhandenkommt: Der Schleier romantischer Gefühle fällt von ihren Augen, und sie schauen dich an und können in dir lesen.“ (Seite 41)

Bereits auf den ersten Seiten kann ich mich in den Protagonisten hineinversetzen, solche Tage kennt wahrscheinlich jeder zur Genüge. Je weiter die Erzählung aber voranschreitet, umso mehr schwindet meine Sympathie und macht einer leichten Abneigung Platz. Mit minimalem Aufwand erzielt die Autorin eine große Wirkung, ein solches Talent ist nur wenigen gegeben. Am Ende bin ich fast genauso erschöpft wie Cathal und habe das Gefühl, noch länger ertrage ich ihn nicht. Zufrieden klappe ich das Buch zu und lasse die Geschichte wirken. Absolut meisterhaft!

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.07.2024
In den Augen meiner Mutter
Leevers, Jo

In den Augen meiner Mutter


ausgezeichnet

Georgies Mutter Nancy verschwand vor zwanzig Jahren, ließ Sohn und Tochter zurück beim Vater und ging weg. Anhand eines Artikels erfährt Georgie den Aufenthaltsort von Nancy und macht sich auf den Weg nach Schottland, um sie zu finden. Als sie wegen eines Bus- und Bahnstreiks im Bahnhof strandet, ruft sie ihren Bruder Dan an und gemeinsam machen sich die Geschwister auf den Weg, um Antworten zu bekommen von der Frau, die sie vor so vielen Jahren verließ. Der Ausflug wird zu einer emotionalen Reise in die Vergangenheit, denn viele Geheimnisse kommen ans Licht, die rückblickend eine völlig andere Geschichte ergeben, als gedacht.

„Ihr Kopf ist plötzlich weit weg, treibt fort, entfernt sich von Frank und seinen grausamen Worten. Genau genommen fühlt sich alles an ihr leicht wie Luft an, ohne jede Substanz. Und sie wünscht sich, sie könnte davonschweben, diesen Ort hinter sich lassen, diese Worte, die er nun endlich laut ausgesprochen hat.“ (Seite 189)

Zwei Perspektiven bemüht Jo Leevers, um ihren Figuren Leben einzuhauchen, und das gelingt ihr mit Mutter und Tochter ausgesprochen gut. Springend zwischen den zwei Frauen sowie den Jahren, was nicht chronologisch erfolgt, entspinnt sich ein Familiendrama, das weit zurückreicht. Hierbei weiß die Autorin, wie man Spannung erzeugt, denn durch unklare Hinweise und Andeutungen wird gerade so viel verraten, dass ich unbedingt wissen will, was dahintersteckt, und dadurch das Buch ungerne aus der Hand lege.

Erst allmählich komme ich dahinter, was geschah, nach und nach lichtet sich der Nebel und dahinter kommt eine Tragödie zum Vorschein, die ich nicht erwartet habe. Einige unerwartete Wendungen später lässt Jo Leevers die sprichwörtliche Bombe platzen und ich fasse es kaum, wie falsch alles gewesen ist. Es hätte vieles vermieden werden können, einige Korrekturen hätten Wunder gewirkt. Aber im Nachhinein weiß man bekanntlich alles besser, was im entscheidenden Moment nicht klar gewesen ist. Die Auflösung gefällt mir, ich war gespannt, wie die Autorin etwas kitten will, was nicht zu kitten ist, gelungen ist ihr ein passendes Ende, mit dem ich sehr zufrieden bin. Lesenswert!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.07.2024
Der verwunschene Fels
Cather, Willa

Der verwunschene Fels


ausgezeichnet

Im Jahr 2023 wäre Willa Cather, die Grande Dame der amerikanischen Literatur, 150 Jahre alt geworden. Dies nahm der Verlag mit dem wunderbaren Namen Die Andere Bibliothek zum Anlass, einen Gesamtband mit ihren besten Erzählungen herauszugeben. Die wunderschöne Ausgabe durfte hier einziehen und ich war sehr gespannt auf das überwiegend zum ersten Mal von Agnes Krup übersetzte Werk der ungewöhnlichen Autorin und Pulitzer Preisträgerin, die als eine der bedeutendsten amerikanischen Schriftstellerinnen gilt.

Das Lesen der insgesamt acht Erzählungen hat mir großen Genuss bereitet, die Beschreibungen der Landschaften haben mir das Gefühl gegeben, mittendrin zu sein, die Natur mit allen Sinnen zu erleben und zu fühlen. Ihre Figuren waren so außergewöhnlich wie normal gleichermaßen, der Blick auf sie und die Geschehnisse ein spannender Ausflug in eine längst vergangene Zeit. Das großartige Nachwort von Agnes Krup über das Leben und das Werk der Autorin vervollständigte das Gesamtbild, ergänzt wurde es durch schwarzweiß Bilder und einige Seiten mit Anmerkungen, die ich äußerst interessant fand. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.07.2024
Die Entführung
Grisham, John

Die Entführung


ausgezeichnet

Fünfzehn Jahre ist es her, dass Mitch McDeere in Memphis eine Erfahrung machte, die er bis heute nicht vergessen hat. Zwischenzeitlich lebt er mit seiner Frau Abby und seinen Söhnen in New York und arbeitet in einer der größten Anwaltskanzleien der Welt, in der er mittlerweile Partner ist. Als ein Kollege in Italien erkrankt, soll Mitch ihn in einem Routinefall vertreten; die libysche Regierung schuldet der türkischen Firma Lannak mehr als vierhundert Millionen Dollar für ein Bauwerk in der Wüste, bei dem der libysche Regierungschef Gaddafi das Budget völlig überzogen hat und sich weigert, zu zahlen. Der italienische Anwalt bittet Mitch, seine Tochter Giovanna, die in einer britischen Niederlassung der Kanzlei in London arbeitet, mitzunehmen. Eine erste Besichtigung der Baustelle in der Wüste geht schief, Giovanna, ihre zwei libyschen Fahrer sowie vier türkische Leibwächter von Lannak werden entführt. Nach einiger Zeit taucht das erste Video auf mit der Hinrichtung eines der Fahrer. Es steht zu befürchten, dass dies erst der Anfang war.

John Grishams Debütroman „Die Jury“ war 1989 für mich der Beginn einer jahrzehntelangen und bis heute ungebrochenen Leidenschaft für seine Bücher. Er ist ein Meister des Justizthrillers, seine Bücher wurden weltweit mehr als 300 Millionen Mal verkauft, dabei in 42 Sprachen übersetzt, und er ist den Informationen auf der Verlagsseite nach einer von nur drei Autoren, von denen zwei Bücher mehr als eine Million Mal als E-Book verkauft wurden. Mehrere seiner Werke wurden erfolgreich verfilmt und ich hoffe, dass ich noch viele seiner Geschichten werde genießen können. Den Protagonisten des vorliegenden Buches, den Anwalt Mitch McDeere, kenne ich bereits aus dem im Jahr 1992 in Deutschland erschienenen Buch „Die Firma“, das 1993 sehr erfolgreich verfilmt wurde mit Tom Cruise in der Hauptrolle. Man muss es nicht zwingend gelesen haben, um den aktuellen Roman genießen zu können, sollte aber wissen, dass hier alle wichtigen Details aus dem vorherigen Buch verraten werden.

Ich habe mich oft gefragt, was aus Mitch geworden ist, und mich auf ein Wiedersehen mit ihm gefreut. Anfangs empfand ich die Geschichte dennoch etwas zäh, nicht uninteressant, aber unspektakulär und nicht ungemein fesselnd. Das Vorgeplänkel nahm über fünfzig Seiten ein und ich befürchtete schon, dass es so bleibt, als Bewegung in die Sache kam. Das Mandat von Lannak entpuppte sich als ein Bauwerk, das tatsächlich existiert, was ich bei meiner Recherche kaum glauben konnte. Niemals hätte ich erwartet, dass jemand eine solche wahnwitzige Idee umsetzen würde, aber da wurde ich tatsächlich eines Besseren belehrt. Diesen Mix aus Fakten und Fiktion fand ich einfach großartig und ab da ging es ab mit einer rasanten Story, die mich dermaßen gefesselt hat, dass ich vollkommen versunken bin im Buch. Teilweise war es so nervenaufreibend, dass ich von einem Thriller sprechen würde. Ich habe dem Showdown entgegengefiebert, war gespannt darauf, welchen Abschluss mir der Autor präsentiert, und wurde nicht enttäuscht. Wieder einmal hat John Grisham mich bestens unterhalten, vielen Dank dafür.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.