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Fornika
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 387 Bewertungen
Bewertung vom 17.11.2024
Frevel
Kain, Nora

Frevel


sehr gut

Zeitungsschreiber Johann steht trotz seines schwachen Magens oft in erster Reihe, wenn in Frankfurt Grausames geschieht: Hinrichtungen, Aufstände, ja sogar an Mordschauplätzen ist er vorne mit dabei. Eine regelrecht ausgeweidete Frau erhitzt die Gemüter der Frankfurter Bürger, ein Schuldiger ist nicht in Sicht; dafür werden schnell vorgeschobene Sündenböcke gefunden, in der Judengasse nämlich. Arzt Theophil Pontus will Licht in den Fall bringen, ebenso dessen Tochter Manon; die hat als Frauenzimmer eigentlich nicht viel zu sagen, weiß sich aber trotzdem mit klugem Kopf durchzusetzen.
Nora Kain versetzt den Leser mit Leichtigkeit ins Jahr 1800; Gesellschaftsbild, Sozialgefüge und Gedankengut werden wieder lebendig, auch das Stadtbild selbst hat man schnell vor Augen. Gerade der ganz alltägliche Umgang mit Menschen jüdischen Glaubens, aber auch mit Frauen im Allgemeinen lässt einen als Leser schon mal stocken. Willkür, Verachtung und jede Menge Vorurteile sind an der Tagesordnung. Mittendrin Manon, die ihrer Zeit weit voraus scheint, sich aber auch mal den Konventionen beugen muss; zähneknirschend, denn sich unterzuordnen liegt ihr nun wahrlich nicht. Ich mochte ihre Figur sehr gerne, nicht zuletzt deswegen, weil sie die Wahrheit herausfinden will, ohne selbst einen Vorteil daraus zu ziehen. Johann ist ein guter Gegenpol, auch wenn er nicht immer gegen Manon ankommt. Einige weitere Figuren bleiben z.T. etwas blass und auf ihre Funktion für die Handlung reduziert, das hat aber den Lesegenuss nicht merklich geschmälert.
Die Autorin schildert auch grausame Szenen sehr präzise, das muss man als Leser vertragen können. Ich fand auch die medizinischen Details sehr interessant, ebenso Ausschnitte aus Theophils Obduktionsunterlagen. Der Erzählstil an sich ist sehr flüssig, Spannung wird sukzessive aufgebaut, temporeiche Szenen beleben die Handlung zusätzlich, und so entwickelt sich der Thriller schnell zu einem fesselnden Pageturner. Mir hat Frevel richtig gut gefallen. Die Mischung zwischen Historie, medizinischen Hintergründen und dem spannenden Fall selbst ging für mich voll auf. Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 13.11.2024
Kalte Erlösung / Mara Billinsky Bd.9
Born, Leo

Kalte Erlösung / Mara Billinsky Bd.9


sehr gut

Ein stadtbekannter Anwalt wird ermordet aufgefunden, brutal gefoltert mittels Stacheldraht. Eine Verdächtige ist schnell im Fokus der Ermittler, doch der Fall löst sich nicht so schnell wie zunächst vermutet. Doch Mara kann sich nicht nur auf diesen vertrackten Mordfall konzentrieren, denn auch der international gesuchte Polaris ist immer noch auf der Flucht.
Kalte Erlösung ist bereits Band 9 der Reihe; ich würde schon empfehlen, dass man zumindest die letzten 2-3 Vorgänger gelesen haben sollte, da sich die Ermittlungen rund um Polaris über mehrere Bände erstrecken. Auch die Figuren selbst haben inzwischen einiges an Vorgeschichte, ohne die sich deren Handlungen sicherlich nicht immer logisch nachvollziehen lassen.
Der Stil gefiel mir schon wie in den vorherigen Bänden der Reihe sehr gut, der Autor kann sehr gut Spannung aufbauen, die Dialoge sind ebenso temporeich wie die Handlung selbst. Die Atmosphäre ist immer etwas rau und düster, Frankfurt eine harte Stadt, in der man sich behaupten muss. Wer könnte das besser als Mara? Sie ist eine eigenwillige Figur; zäh, mit einem eisernen Willen, nur ungern lässt sie jemanden an sich heran. Umso schöner zu sehen, dass ihr Lieblingskollege Rosen erhalten bleibt und sich mit Nordin sogar so etwas wie eine Beziehung in ihr Leben geschlichen hat. Sogar ihrem Vater kommt sie näher. Doch natürlich ist Maras Leben nun nicht plötzlich Friede, Freude, Eierkuchen, denn die Ermittlungen fordern ihr alles ab. Eine nervenaufreibende Jagd beginnt, die den Leser überrascht, ständig in Atem hält und in einem wirklich gelungenen Finale gipfelt. Kalte Erlösung ist ein wirklich mitreißender Band 9, der zudem dank Cliffhanger Band 10 sehnlichst erwarten lässt. Ein tolles Buch!

Bewertung vom 01.11.2024
Das Parfüm des Todes
Hsiao, Katniss

Das Parfüm des Todes


ausgezeichnet

In Taipeh arbeitet Yang Ning als Tatortreinigerin; ein Job, der andere abstößt, ihr aber für kurze Zeit den schmerzlich vermissten Geruchssinn zurückbringt. Und so ist sie geradezu süchtig nach ihrer Arbeit, oft die Erste am Einsatzort. Das bringt sie eines Tages in die Bredouille, denn sie reinigt einen Tatort noch bevor die Polizei ihn als solchen erfasst hat, und steht so prompt als mögliche Täterin im Fokus der Ermittler.
Ning ist eine etwas unnahbare Figur, man merkt, dass sie sich in ihrem Schneckenhaus verkriechen will und das dann sehr effektiv verteidigt. Gleichzeitig ist ihr mysteriöser Geruchssinn natürlich ein Alleinstellungsmerkmal, was sie als Protagonistin umso interessanter macht. Natürlich denkt man an Grenouille aus Süßkinds Parfüm, die Autorin spielt auch ganz offen darauf an, trotzdem wirkt die Figur oder die Handlung nie abgekupfert oder aufgewärmt. Auch das Verhältnis von Ning und dem Serienmörder Cheng spielt auf einen Thrillerklassiker (Das Schweigen der Lämmer) an, ohne dass man beim Lesen nur noch Starling/Lecter im Kopf hat.
Hsiao schildert brutale und abstoßende Szenen detailreich und plastisch, das wirkt aber gar nicht übertrieben sondern sehr passend zur Geschichte; vertragen muss man das als Leser allerdings schon können. Ihr Stil gefiel mir wirklich gut, denn gleichzeitig kann sie sich Themen wie Trauer und Verlust auch sehr feinfühlig nähern und trifft für beide Extreme immer den Ton. Die Handlung entwickelt sich wirklich spannend, die düstere, z.T. brutale Atmosphäre hat mich komplett gefesselt, und so war der Thriller leider viel zu schnell gelesen. Ein heftiger Thriller, der aber definitiv Lust auf mehr von Katniss Hsiao macht.

Bewertung vom 01.11.2024
Bis in alle Endlichkeit
Kestrel, James

Bis in alle Endlichkeit


sehr gut

Privatdetektiv Lee Crowe soll den vermeintlichen Selbstmord einer jungen Millionenerbin untersuchen. Soweit so einfach, doch schnell wird klar, dass mehr hinter dem Tod von Claire Gravesend steckt. Lee findet sich unverhofft nicht nur auf der Spur von etwas ganz und gar Ungeheuerlichem, sondern schnell im Fadenkreuz seiner Widersacher wieder.

James Kestrel hat einen sehr spannenden Thriller abgeliefert, der mich wirklich gut unterhalten hat, auch wenn er für mich nicht ganz an seinen Erstling herankommt. Der Stil ist sehr angenehm zu lesen, gekonnt baut der Autor die Spannung auf; harte Szenen und temporeiche Wendungen kann er ebenso überzeugend wie wissenschaftliche Erläuterungen. Die Auflösung des Falls kam für mich wirklich völlig überraschend, lange wusste ich nicht worauf es hinauslaufen wird; Kestrels Erläuterungen dazu klingen fantastisch, aber absolut mach- und nachvollziehbar. Eine gruselige Vorstellung, ohne hier jetzt ins (spoilernde) Detail gehen zu wollen. Lee selbst hat mir gut gefallen, er ist vom Leben etwas gebeutelt, versucht hier aber immer das Richtige zu tun, die Mittel sind da auch schon mal zweitrangig. Ab und an blitzt die Verzweiflung durch, doch aufgeben würde er nie. Das mochte ich sehr an seiner Figur. Umso mehr freut es mich, dass der Autor im Nachwort durchblitzen lässt, dass es eventuell noch mehr Fälle mit ihm geben wird. Man darf gespannt bleiben.

Bewertung vom 21.09.2024
Winterwölfe
Jones, Dan

Winterwölfe


ausgezeichnet

„Wenn es eins gibt, was wir in diesem Drecksloch von einem Land gelernt haben, dann das: wir sind der Armeeführung scheißegal.“
Nach der Schlacht von Crécy sind die Essex Dogs genauso abgekämpft und kaputt wie das restliche englische Heer. Zudem scheinen sie um ihren Sold geprellt zu werden, sodass ihnen kaum etwas anderes übrig bleibt, als sich der geplanten Eroberung von Calais anzuschließen. Doch die Mauern der Stadt sind stark, und der Winter naht.
Der Autor pickt sich mit der Belagerung von Calais einen ganz bestimmten Zeitpunkt im Hundertjährigen Krieg heraus, der in vielen Köpfen in Vergessenheit geraten ist: die Eroberung von Calais. Eine zermürbende, chaotische und von Verlusten geprägte Zeit. Dank Romford gelingt auch der Blick hinter die Mauern der Hafenstadt; das hat mir sehr gut gefallen, denn zum einen fand ich ihn als Figur im Mittelpunkt sehr spannend, zum anderen ist der „Alltag“ in der belagerten Stadt so viel besser greifbar. Es überrascht nicht, dass die einfachen Leute am meisten leiden unter dem was die Höhergestellten ihnen eingebrockt haben, aber dass im großen Stil noch Geschäfte mit dem Elend gemacht wurden, das fand ich dann doch unerwartet. Dass die Stadt fällt, weiß man aus der späteren Geschichte; dass dabei sogar Piraten eine Rolle gespielt haben, eher weniger. Jones zeigt einmal mehr, dass er penibel recherchiert hat, und dass in seiner vermeintlich fiktiven Geschichte viel mehr Wahres steckt als zunächst angenommen. Das merkt man erst recht, wenn man das Nachwort gelesen hat. Trotzdem wirkt der Roman nicht trocken und Geschichtsbuch-altbacken, sondern macht die Geschichte sehr modern lebendig und liest sich dabei noch wahnsinnig packend. Die Dogs sind per se kein grundsympathischer Haufen, das kann man nach ihren Erlebnissen sicherlich auch gar nicht mehr sein. Aber alle haben irgendwo das Herz am rechten Fleck behalten, trotz all der Zermürbungen und dem täglichen Tod vor Augen. Man kämpft und leidet mit ihnen mit, ist immer hautnah mit dabei und versteht so vielleicht ein kleines bisschen besser was ein Söldnerleben ausmachte.
Ein Band der Trilogie steht noch aus, ich bin gespannt welche Kämpfe die Dogs noch schlagen müssen, bevor sie hoffentlich endlich wieder dahin dürfen, wonach sie sich inzwischen alle sehnen: nach Hause.

Bewertung vom 21.09.2024
Du kennst sie
Jennett, Meagan

Du kennst sie


ausgezeichnet

Als ein rüpelhafter Barbesucher sich einfach mopst, einfach nimmt worauf Sophie stundenlang hingearbeitet hat, da bringt er das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen. Die Barkeeperin hat genug von pöbelnden Männern, die sie belästigen, herumschubsen und nicht ernst nehmen. Folgerichtig bringt sie ihn um. Klarer Fall von Ursache und Wirkung. Doch kann Polizistin Nora den Mordfall ebenso geschmeidig lösen?
Sophie dreht den Spieß einfach um: wo sonst Männer Frauen morden, weil diese sie „provoziert“ haben, da sorgt sie jetzt für ausgleichende Gerechtigkeit. Die Definition von provozierend wird bei ihr zunehmend weicher, auch Kleinigkeiten reichen irgendwann aus. Jennett hält hier der Gesellschaft sehr schön den Spiegel vor, geduldete Misshandlung oder auch Feminizide, die mit „Beziehungsdrama“ beschönigt werden, Frauen, die „schuld sind“ an dem was ihnen widerfahren ist, all das prangert sie durch Sophie an. So regt dieser Thriller bei aller Spannung und Unterhaltung auch oft zum Nachdenken an. Trotzdem wird die Geschichte nicht zu schwer, die Schilderungen aus Sophies Sicht haben auch leichte und viele schöne Momente, etwa wenn sie sich in der Betrachtung der Natur verliert. Diese entschleunigenden Szenen bringen der Handlung eine ganz besondere Dynamik, ebenso wenn die Perspektive zu Nora wechselt. Sie lernt man als Leser nicht ganz so gut kennen wie Sophie, trotzdem hat auch ihre Figur Tiefe. Die Ermittlungsarbeit hat in diesem Thriller sicher nicht einen ganz so großen Part wie in anderen des Genres, trotzdem fühlte ich mich sehr gut unterhalten und oftmals von der Story mitgerissen. Der Stil hat mir wahnsinnig gut gefallen. Die Autorin beschreibt alles sehr stimmungsvoll und pointiert, auch Brutales wird genau unter die Lupe genommen, was man als Leser schon vertragen können muss.
Jennetts Debut kann sich wirklich sehen lassen; ich bin sehr gespannt, was von dieser Autorin noch zu lesen sein wird.

Bewertung vom 18.08.2024
Der Ire
Mann, Peter

Der Ire


sehr gut

Adrian De Groot arbeitet für den deutschen Nachrichtendienst, konnte sich aber als Übersetzer nach Spanien versetzen lassen. Jetzt erreicht ihn ein neuer Auftrag, der ihn nach Hause ins Reich führt: er soll den Iren Frank Finn führen, der derzeit in einem spanischen Gefängnis sitzt, aber als verdeckter Spion die Invasion in England vorantreiben soll. Die beiden ungleichen Männer bindet bald nicht nur eine Zweckgemeinschaft, sondern eine eigenwillige Kameradschaft.
Ich musste mich zunächst erst reinlesen. Das Buch spielt in drei Zeitsträngen, die sich z.T. überschneiden, Dinge wiederholen oder einen Rückblick darstellen. De Groots Tagebuch und seine Erzählungen der Geschehnisse heute/damals zeigen die eine Seite, Finn McCools Geschichten aus dem Teutonenland die andere Seite der Medaille. Das ist einerseits sehr trickreich gemacht, andererseits fällt es nicht immer leicht sich zu orientieren bzw. den Faden nicht zu verlieren. Der Stil ist eigenwillig, gerade Finns selbstgeschilderte Abenteuer erinnern an einen Heldenepos und lesen sich dadurch nicht ganz so süffig und oftmals etwas schwülstig. Seine Figur ist schwer zu fassen, da bis zuletzt unklar ist, wie viel „Wahrheit“ in seinen Schilderungen steckt. Adrian lernt man besser kennen, er zeigt offen seine Gefühle, seine Ablehnung der Nazis (obwohl selbst ein Rädchen im System), seine Zuneigung zu Finn, seine Verletzlichkeit. Obwohl er Frank führen soll, scheint er oft das Nachsehen zu haben und von diesem ausgetrickst worden zu sein. Das „scheinen“ sei betont, denn das Verwirrspiel kann man als Leser nicht immer entwirren; so darf auch nach Lektüreende gerätselt werden, was wirklich passiert ist, was den Thriller noch einmal interessanter und faszinierender macht.
Der Autor zeigt oft wie abstrus die Aktionen der Spionageabteilung sind, ebenso den Größenwahnsinn des Regimes. Seine Ausführungen sind historisch fundiert, man merkt die vielen Recherchestunden im Hintergrund. Gleichzeitig bringt er auch immer wieder komische Momente ein, die das schwere Thema auflockern und trotzdem nicht fehl am Platz wirken. Der Ire ist ein wirklich eigenwilliger historischer Thriller, der trotz seiner ungewöhnlichen Konstruktion sehr spannend ist. Einmal eingelesen, konnte ich ihn wirklich nur schwer zur Seite legen.

Bewertung vom 28.07.2024
Die unendliche Reise der Aubry Tourvel
Westerbeke, Douglas

Die unendliche Reise der Aubry Tourvel


gut

Seit Aubry ein Kind ist, ist sie auf Reisen. Nicht freiwillig, sondern von einer mysteriösen Krankheit getrieben, die verhindert, dass sie länger als drei oder vier Tage an einer Stelle bleiben kann. Sie reist um den ganzen Erdball, mehrfach; und erlebt dabei das ein oder andere Abenteuer.
Westerbekes Roman hat etwas von einem philosophischen Abenteuerroman. Aubry reist zu Fuß, zu Pferd, auf Schiffen, mit der Bahn, ein vielfältiger Urlaubstraum könnte man meinen. Doch sie kämpft immer ums Überleben, nicht in Schwierigkeiten zu geraten, nicht als Anders aufzufallen. Ich mochte die Figur gerne, ihre Entwicklung über die Jahre ist authentisch, auch ihre Zweifel und Sorgen. Obwohl sie immer an neue Orte kommt, ist ihr Handeln oft gleich: orientieren, eine sichere Unterkunft finden, vielleicht sogar Menschen, denen sie trauen kann; kaum hat sie das geschafft, muss sie wieder weiter. Es kommt auf diese Weise zu Wiederholungen, die für mich nicht so schlimm ins Gewicht gefallen sind, den ein oder anderen aber vermutlich stören könnten. Übersinnliches findet auch seinen Weg zwischen die Seiten, das klappt nicht immer ganz glatt. Westerbekes Stil hat mir sehr gut gefallen, er bringt dem Leser die exotischen oder nicht ganz so exotischen Gegenden sehr nahe, detailreich und bildgewaltig. Dabei ist die Handlung nicht streng chronologisch, einiges erfährt man in Rückblenden, manchmal weiß man nicht so recht wie Aubry überhaupt dort gelandet ist, wo man sie im nächsten Kapitel vorfindet. Das macht den Roman verwirrend und interessant zugleich. Das Ende passte dann für mich aber schlicht nicht mehr zur Geschichte; sicherlich ist es schwer hier eine allseits befriedigende Lösung zu präsentieren, aber für mich kam gegen Ende ein Bruch mit der sonst runden Story und ab da holperte es nur noch bis zum letzten Satz anstatt auf eine in sich stimmige Auflösung zuzulaufen. Das hat mich dann doch sehr enttäuscht und hat für mich den Roman etwas kaputtgemacht.

Bewertung vom 24.07.2024
Man sieht sich
Karnick, Julia

Man sieht sich


sehr gut

Frie und Robert sind unzertrennliche Freunde, seit er für die Oberstufe an ihre Schule gekommen ist. Sie teilen Sorgen und Nöte, er in Angst um seine Mutter, sie in Angst vor ihrem tobsüchtigen Vater. Doch was zu Abizeiten gut zusammenpasst, muss sich jetzt im echten Leben bewahrheiten. Hält die Freundschaft dem stand?
Karnick verfolgt die Lebenswege der beiden Protagonisten über mehrere Jahrzehnte, wechselt immer wieder die Erzählperspektive. Dadurch lernt man beide sehr gut kennen, die jeweilige Sicht auf den anderen bzw. auf unterschiedliche Ereignisse; trotz dieses Kniffs konnte ich die Gedanken und Handlungen nicht immer nachvollziehen, manches blieb mir bis zum Schluss unverständlich. Der Stil gefiel mir gut, unaufgeregt und ruhig führt uns die Autorin durch die kleinen und großen Dramen des Lebens. Ab und an plätschert die Handlung dann aber doch zu ruhig über die Seiten. Das Lebensgefühl der jeweiligen Jahrzehnte wird gut wiedergegeben, die Autorin schildert authentisch, egal ob es sich um Roberts chaotische Jungs-WG oder Fries stressigen Staatsexamensmarathon handelt. Die Freundschaft zwischen den beiden Protagonisten entwickelt sich glaubhaft, immer wieder scheint sich die große Liebe anzubahnen, doch nie scheint die Zeit richtig dafür. Der Roman driftet dabei aber nicht ins Kitschige ab, es schwingt höchstens mal ein melancholischer Zug mit. Ich habe den Roman ganz gerne gelesen, konnte aber die Intentionen der Figuren manchmal nicht nachvollziehen und war dann von den Längen etwas ausgebremst.

Bewertung vom 17.07.2024
Relight My Fire / The Stranger Times Bd.4
McDonnell, C. K.

Relight My Fire / The Stranger Times Bd.4


ausgezeichnet

In Manchester fallen ja oft Regentropfen vom Himmel, doch dass einem ein Student nach meterhohem Flug vor die Füße fällt, das ist dann doch eher ungewöhnlich. Auch wenn Stella von ihrer Arbeit bei der Stranger Times einiges gewöhnt ist, ist dieser Vorfall für die frischgebackene Studentin nicht ohne. Wie gut, dass sie ihre Kollegen an ihrer Seite weis, die ihr bei der Aufklärung der Hintergründe helfen. Knallharte Recherche unter Zuhilfenahme von Grace‘ Keksen, Banecrofts Blunderbuss und nicht zuletzt der Zusammenarbeit mit Detective Sturgess aka Stielauge bringen die Mitglieder der Redaktionsfamilie an ganz neue Grenzen.
McDonnells Humor ist einfach großartig. Er pointiert haarscharf, ohne dabei gekünstelt zu wirken, und man kann beim Lesen oft nicht anders als laut zu lachen. Dieser Witz hat sich auch im nunmehr vierten Band nicht abgenutzt. Ebenso der Cast, denn auch an den Redaktionsmitgliedern lassen sich natürlich immer noch neue Seiten entdecken; Manny trägt beispielsweise neuerdings Hosen. Meistens zumindest. In diesem Band werden einige lose Fäden der vorherigen Teile wieder aufgenommen, man sollte diese also für den vollen Genuss kennen, auch wenn die eigentliche Kernhandlung abgeschlossen ist.
Die Handlung ist actionreich, fantasievoll, oft skurril, aber auf jeden Fall immer höchst unerwartet. Der Autor verbindet bekannte Fantasieelemente mit neuen Ideen, lässt aber gleichzeitig auch ein paar altbekannte Klischees in völlig neuem Licht erscheinen. Natürlich ist der Roman wieder gespickt mit einigen brandneuen Artikeln frisch aus der Druckerpresse, sodass man kein Abo der Stranger Times braucht, um zu wissen, dass Sarahs einfach die besten Leader abgeben. Der lockere Stil, die temporeichen und teils absurden Dialoge tun ihr übriges und so kann man einfach nicht anders als an den Seiten kleben zu bleiben. Ich habe jede Seite genossen, und kann nur hoffen, dass die Wartezeit bis zum nächsten Band nicht zu lange wird. Große, dicke Leseempfehlung!