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Fornika
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 392 Bewertungen
Bewertung vom 29.12.2024
Demon Copperhead
Kingsolver, Barbara

Demon Copperhead


ausgezeichnet

In einem Trailer der heruntergekommenen Sorte verbringt Damon seine ersten Kindheitsjahre; sie sind geprägt von Armut und der Sucht der überforderten Mutter. Als sie letztendlich stirbt, kann er nicht beim (verhassten) Stiefvater bleiben, sondern gerät in die Maschinerie des Jugendamts und wird von Pflegestelle zu Pflegestelle gereicht, jederzeit bereit endgültig durch die Maschen des Netzes zu rutschen.
Kingsolver erzählt Dickens David Copperfield in einer modernen Adaptation, verlegt den Handlungsort in einen runtergekommenen Trailerpark in Lee County. Sie schildert das Sozialgefüge sehr anschaulich, ebenso die Vorurteile und abfälligen Blicke, die die Bewohner auf sich ziehen, fast schon einer Milieustudie gleich. Demon wie er bald von allen genannt wird, ist ein kluger Kopf, der sich schnell an Veränderungen anzupassen versucht, aber natürlich trotzdem permanent unterzugehen droht. Er rutscht ab, mal hat man das Gefühl es wäre unausweichlich gewesen, mal, dass er auch seinen guten Teil dazu beigetragen hat. Auf jeden Fall ist es immer wieder berührend, aber auch überraschend, welche Wendungen sein junges Leben nimmt. Trotz der beachtlichen Länge des Romans tritt die Handlung nie auf der Stelle; im Gegenteil, der Roman war bei aller Tragik doch sehr kurzweilig und unterhaltsam. Demons Erzählstimme hat mir wahnsinnig gut gefallen, ein gewisser Zynismus mischt sich mit Verletzlichkeit; bei aller Aussichtslosigkeit, scheint er doch nie aufzugeben und die Hoffnung zu verlieren.
Der Roman thematisiert den rasanten Anstieg der Medikamentenabhängigen und versucht hier auch aufzuzeigen, wie schnell und oft unverschuldet man in die Abhängigkeit abrutschen kann. Die Autorin beschönigt nichts, versucht aber auch Verständnis beim Leser zu wecken. Mir hat ihr Mittelweg gut gefallen. Man muss sich auf die Thematik, auf Elend und Gewalt einlassen können, dann wird man aber mit einem starken und doch einfühlsamen Roman belohnt. Mir hat er sehr gefallen.

Bewertung vom 18.12.2024
Die Tochter der Drachenkrone
Qunaj, Sabrina

Die Tochter der Drachenkrone


sehr gut

Gwenllian ist gerade 14 Jahre alt, als ihr Vater, der Fürst von Südwales stirbt. Das ist nicht nur tragisch für sie als Tochter, sondern auch für ganz Wales, denn kriegerische Unruhen zwischen den Fürsten bestimmen sowieso schon den Alltag. Nun entbrennt nicht nur ein Streit um die Nachfolge unter Gwenllians Brüdern, sondern auch die Freincs wittern ihre Chance. Auf Ruhe und Frieden soll die Region noch lange warten müssen.
Die Tochter der Drachenkrone ist mein erstes Buch von Sabrina Qunaj, doch es wird nicht das letzte bleiben. Die Mischung aus Historie und Fiktion ist rund, der Stil lebendig und bildreich. Historische Hintergründe werden gut aufbereitet, sodass ich jetzt ein ganzes Stück schlauer bin was walisische Geschichte angeht. Ich bin der Autorin für Personenregister und Stammbäume dankbar, denn obwohl sie sich Mühe gibt, den großen Cast (mit den doch eher ungewohnten walisischen Namen) langsam einzuführen, gab es doch immer mal Verwirrung. Zum Glück lässt sich der erzählerische Faden aber immer wieder gut aufnehmen, der Roman liest sich locker und flüssig.
Gwenllian ist eine durchsetzungsstarke Frau, die einen sehr hellen Kopf hat und genau weiß, wann sie sich den Konventionen fügen muss oder wie sie etwas zu ihrem Vorteil nützen kann. Das klingt abgebrüht, ist es aber nicht, sondern einfach eine kluge Taktik um nicht völlig unterzugehen. Sie ist als Frau trotzdem erstaunlich oft inmitten des politischen Geschehens, nicht immer gelingt glaubhaft zu erklären warum. Um sie herum finden sich weitere historisch verbriefte Personen, denen man aber nicht ganz so nah kommt. Der Fokus liegt klar auf den Frauen und Gwenllian im Speziellen.
Der Roman erstreckt sich über knapp 20 Jahre, in denen Gwenllian einige Höhen und Tiefen erlebt. Ich bin ihr auf ihrem Weg leserisch sehr gerne gefolgt. Ein schöner historischer Schmöker!

Bewertung vom 16.12.2024
Der König
Nesbø, Jo

Der König


sehr gut

Acht Jahre sind vergangen seit Roy und Carl Opgard im norwegischen Os wieder als Brüder zusammenfanden. Sie haben sich etabliert, ein Wellnesshotel eröffnet, vielleicht auch den ein oder anderen Widersacher aus dem Weg geräumt. Doch nun soll Os durch eine Umgehungsstraße ins Nichts verbannt werden; und das steht den Plänen der Brüder natürlich im Weg.
Mir war vom Vorgänger (Ihr Königreich) selbst nicht mehr allzu viel im Gedächtnis, deswegen denke ich schon, dass man diesen Krimi auch ohne Vorwissen lesen kann. Roy erzählt die Handlung, ihm kommt man dementsprechend am nächsten. Er hat sich etwas gemausert, doch immer noch scheint er auf die Dorfeinwohner etwas sonderbar zu wirken. Dazu kommt sicherlich die Tatsache, dass die Opgards und speziell er als der ältere Bruder immer noch unter Verdacht stehen mit dem Unfalltod ihrer Eltern etwas zu tun zu haben. Die ständige Beobachtung der Dorfpolizei nervt, doch Roy ist ein sehr kühler, kalkulierender Kopf, der auch in brenzligen Situationen die Nerven behält. Carl ist da nicht ganz anders, auch wenn er ebenfalls seine eigenen Vorteile auszuspielen weiß bzw. allerlei Kniffe kennt sich welche zu beschaffen. Die beiden arbeiten auf ähnliche Ziele hin, stehen dabei aber auch in Konkurrenz zueinander und haben eine wirklich komplizierte Geschwisterbeziehung. Dieses fragile Gleichgewicht droht jederzeit zu kippen, was allein schon sehr spannend zu lesen war. Nesbo erzählt ihre Geschichte gewohnt süffig, spannende Passagen lösen sich unerwartet mit schwarzem Humor ab, ja es bahnt sich sogar eine Liebesgeschichte an. Klingt erst mal nach Durcheinander, fügt sich aber erstaunlich gut zu einem wirklich lesenswerten Krimi, der mich auch mehr überzeugt hat als sein Vorgänger. Der König ist ein runder Krimi, der unterhält, mit sehr interessanten Charakteren und Beziehungen aufwartet und dabei mal wieder zeigt, dass Nesbo auch abseits von Hole wirklich gut schreiben kann.

Bewertung vom 16.12.2024
Die Lungenschwimmprobe
Renberg, Tore

Die Lungenschwimmprobe


ausgezeichnet

Eine 15Jährige soll 1681 zum Tode verurteilt werden, da sie ihr Neugeborenes getötet hat. Soweit nichts Ungewöhnliches zu jener Zeit, doch Annas Fall erlangt historische Relevanz, denn ein renommierter Arzt bringt bei ihr etwas Neues ins Spiel: die Lungenschwimmprobe. Und die zeigt eindeutig, ob das Baby bei Geburt gelebt hat oder nicht. Ein zäher Kampf um das Leben der jungen Frau beginnt.
Die Lungenschwimmprobe ist ein wirklich ungewöhnlich erzählter historischer Roman, zwischenzeitlich klingt er fast wie ein (sehr interessantes) Sachbuch, dann wieder vom Ton her nahezu märchenhaft. Renberg erzählt die Handlung nicht nur aus unterschiedlichen Perspektiven, gleichzeitig bricht er die Ebenen auf und spricht den Leser z.T. direkt an. Das klingt erst mal konfus, ist für mich aber vollkommen aufgegangen. Die historisch verbrieften Figuren kommen dem Leser durch diese Wechsel nicht immer ganz so nah, aber man kann die Zusammenhänge hervorragend verstehen, ebenso wie die Intentionen jedes einzelnen. Zum einen die Verdächtige selbst, ihre verzweifelten Eltern, ihr ehrgeiziger Anwalt. Auf der anderen Seite der anklagende Amtmann, die belastende Hauptzeugin, ja sogar der Henker kommt zu Wort. Zusammen bilden die Kapitel ein sehr rundes Bild in Bezug auf Annas Fall, ebenso auf die gesellschaftlichen Gefüge. Man merkt den knapp 700 Seiten die große Rechercheleistung des Autors an, alles wirkt sehr fundiert, immer wieder kommen die wenigen Originalquellen ins Spiel. Gerade bei solchen historischen Romanen finde ich Anhänge wichtig; dieses Buch hier hat keinen, stattdessen wird auf die Seite des Verlags verwiesen. Natürlich ist die heutzutage nur einen kurzen Klick entfernt, trotzdem bin ich der Meinung, dass der unmittelbar leserelevante Anhang eines Buches (wie ein Personenregister und Karten der Schauplätze) schon bitteschön im Buch abgedruckt gehört.
Insgesamt fand ich Die Lungenschwimmprobe wirklich außergewöhnlich, sehr interessant und dabei auch noch wirklich unterhaltsam. Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 08.12.2024
Der Krimidinnermord / Phyllida Bright Bd.3
Cambridge, Colleen

Der Krimidinnermord / Phyllida Bright Bd.3


gut

Mallowan Hall hat neue Nachbarn und die geben einen Einstand: per Mord. Zumindest steht es so in der Einladung, der Phyllida in Vertretung für ihre Arbeitgeber Folge leistet. Pünktlich um 19 Uhr wird eine Leiche in Beecham House erwartet, die Gäste sollen den Fall spielerisch aufklären. Für Phyllida wird der Abend jedoch erst richtig interessant, als aus der gespielten eine echte Leiche wird.
Man muss die Vorgänger nicht zwingend gelesen haben, um die Handlung verstehen zu können; aber ich finde den Krimidinnermord als Einsteiger nicht ganz so gut geeignet, weil er meiner Meinung nach schwächer als die beiden vorherigen Bände ist und man so einen falschen Eindruck von der Reihe bekommt. Phyllida ist sonst ein sehr heller Kopf, mit einer Kombinationsgabe ausgestattet, die wirklich an den von ihr so verehrten Hercule Poirot erinnert. Doch diesmal sind ihre grauen Zellen etwas weniger auf Zack, ihre Schlussfolgerungen etwas langsamer. Ansonsten ist Phyllida so beherzt und pfiffig wie eh und je, sie meistert neben den Ermittlungen den heimischen Haushalt inklusive großer Veränderungen wie der Ankunft eines Staubsaugers hervorragend. Natürlich kommt auch das restliche Personal nicht zu kurz, die üblichen Rivalitäten zwischen ihr und dem Butler sind immer einen Lacher wert, ebenso die Kabbeleien mit Chauffeur Bradford. Diese Szenen haben einen wunderbaren Charme, ein feiner Humor zieht sich so durch die Seiten; die Handlung macht einfach Spaß. Der leichte und lockere Stil der Autorin tut sein Übriges, und so war die Lektüre immer unterhaltsam, wenn auch nicht so spannend wie gewohnt. Der Täter war relativ früh zu entlarven, das Cover hat leider erneut seinen Teil dazu beigetragen. Ich fand es zudem etwas schade, dass Agatha quasi gar nicht vorkommt, auch die ein oder andere neue Figur bleibt etwas blass.
Letztlich konnte das heimelige Flair und Cambridges liebenswerter Cast mich dann doch nicht ganz über den etwas mauen Kriminalfall hinwegtrösten. Schade, aber ich würde wetten, dass Phyllida im nächsten Band gestärkt durch Erdbeerscones und Whiskey wieder auf altem Niveau ermittelt.

Bewertung vom 17.11.2024
Frevel
Kain, Nora

Frevel


sehr gut

Zeitungsschreiber Johann steht trotz seines schwachen Magens oft in erster Reihe, wenn in Frankfurt Grausames geschieht: Hinrichtungen, Aufstände, ja sogar an Mordschauplätzen ist er vorne mit dabei. Eine regelrecht ausgeweidete Frau erhitzt die Gemüter der Frankfurter Bürger, ein Schuldiger ist nicht in Sicht; dafür werden schnell vorgeschobene Sündenböcke gefunden, in der Judengasse nämlich. Arzt Theophil Pontus will Licht in den Fall bringen, ebenso dessen Tochter Manon; die hat als Frauenzimmer eigentlich nicht viel zu sagen, weiß sich aber trotzdem mit klugem Kopf durchzusetzen.
Nora Kain versetzt den Leser mit Leichtigkeit ins Jahr 1800; Gesellschaftsbild, Sozialgefüge und Gedankengut werden wieder lebendig, auch das Stadtbild selbst hat man schnell vor Augen. Gerade der ganz alltägliche Umgang mit Menschen jüdischen Glaubens, aber auch mit Frauen im Allgemeinen lässt einen als Leser schon mal stocken. Willkür, Verachtung und jede Menge Vorurteile sind an der Tagesordnung. Mittendrin Manon, die ihrer Zeit weit voraus scheint, sich aber auch mal den Konventionen beugen muss; zähneknirschend, denn sich unterzuordnen liegt ihr nun wahrlich nicht. Ich mochte ihre Figur sehr gerne, nicht zuletzt deswegen, weil sie die Wahrheit herausfinden will, ohne selbst einen Vorteil daraus zu ziehen. Johann ist ein guter Gegenpol, auch wenn er nicht immer gegen Manon ankommt. Einige weitere Figuren bleiben z.T. etwas blass und auf ihre Funktion für die Handlung reduziert, das hat aber den Lesegenuss nicht merklich geschmälert.
Die Autorin schildert auch grausame Szenen sehr präzise, das muss man als Leser vertragen können. Ich fand auch die medizinischen Details sehr interessant, ebenso Ausschnitte aus Theophils Obduktionsunterlagen. Der Erzählstil an sich ist sehr flüssig, Spannung wird sukzessive aufgebaut, temporeiche Szenen beleben die Handlung zusätzlich, und so entwickelt sich der Thriller schnell zu einem fesselnden Pageturner. Mir hat Frevel richtig gut gefallen. Die Mischung zwischen Historie, medizinischen Hintergründen und dem spannenden Fall selbst ging für mich voll auf. Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 13.11.2024
Kalte Erlösung / Mara Billinsky Bd.9
Born, Leo

Kalte Erlösung / Mara Billinsky Bd.9


sehr gut

Ein stadtbekannter Anwalt wird ermordet aufgefunden, brutal gefoltert mittels Stacheldraht. Eine Verdächtige ist schnell im Fokus der Ermittler, doch der Fall löst sich nicht so schnell wie zunächst vermutet. Doch Mara kann sich nicht nur auf diesen vertrackten Mordfall konzentrieren, denn auch der international gesuchte Polaris ist immer noch auf der Flucht.
Kalte Erlösung ist bereits Band 9 der Reihe; ich würde schon empfehlen, dass man zumindest die letzten 2-3 Vorgänger gelesen haben sollte, da sich die Ermittlungen rund um Polaris über mehrere Bände erstrecken. Auch die Figuren selbst haben inzwischen einiges an Vorgeschichte, ohne die sich deren Handlungen sicherlich nicht immer logisch nachvollziehen lassen.
Der Stil gefiel mir schon wie in den vorherigen Bänden der Reihe sehr gut, der Autor kann sehr gut Spannung aufbauen, die Dialoge sind ebenso temporeich wie die Handlung selbst. Die Atmosphäre ist immer etwas rau und düster, Frankfurt eine harte Stadt, in der man sich behaupten muss. Wer könnte das besser als Mara? Sie ist eine eigenwillige Figur; zäh, mit einem eisernen Willen, nur ungern lässt sie jemanden an sich heran. Umso schöner zu sehen, dass ihr Lieblingskollege Rosen erhalten bleibt und sich mit Nordin sogar so etwas wie eine Beziehung in ihr Leben geschlichen hat. Sogar ihrem Vater kommt sie näher. Doch natürlich ist Maras Leben nun nicht plötzlich Friede, Freude, Eierkuchen, denn die Ermittlungen fordern ihr alles ab. Eine nervenaufreibende Jagd beginnt, die den Leser überrascht, ständig in Atem hält und in einem wirklich gelungenen Finale gipfelt. Kalte Erlösung ist ein wirklich mitreißender Band 9, der zudem dank Cliffhanger Band 10 sehnlichst erwarten lässt. Ein tolles Buch!

Bewertung vom 01.11.2024
Das Parfüm des Todes
Hsiao, Katniss

Das Parfüm des Todes


ausgezeichnet

In Taipeh arbeitet Yang Ning als Tatortreinigerin; ein Job, der andere abstößt, ihr aber für kurze Zeit den schmerzlich vermissten Geruchssinn zurückbringt. Und so ist sie geradezu süchtig nach ihrer Arbeit, oft die Erste am Einsatzort. Das bringt sie eines Tages in die Bredouille, denn sie reinigt einen Tatort noch bevor die Polizei ihn als solchen erfasst hat, und steht so prompt als mögliche Täterin im Fokus der Ermittler.
Ning ist eine etwas unnahbare Figur, man merkt, dass sie sich in ihrem Schneckenhaus verkriechen will und das dann sehr effektiv verteidigt. Gleichzeitig ist ihr mysteriöser Geruchssinn natürlich ein Alleinstellungsmerkmal, was sie als Protagonistin umso interessanter macht. Natürlich denkt man an Grenouille aus Süßkinds Parfüm, die Autorin spielt auch ganz offen darauf an, trotzdem wirkt die Figur oder die Handlung nie abgekupfert oder aufgewärmt. Auch das Verhältnis von Ning und dem Serienmörder Cheng spielt auf einen Thrillerklassiker (Das Schweigen der Lämmer) an, ohne dass man beim Lesen nur noch Starling/Lecter im Kopf hat.
Hsiao schildert brutale und abstoßende Szenen detailreich und plastisch, das wirkt aber gar nicht übertrieben sondern sehr passend zur Geschichte; vertragen muss man das als Leser allerdings schon können. Ihr Stil gefiel mir wirklich gut, denn gleichzeitig kann sie sich Themen wie Trauer und Verlust auch sehr feinfühlig nähern und trifft für beide Extreme immer den Ton. Die Handlung entwickelt sich wirklich spannend, die düstere, z.T. brutale Atmosphäre hat mich komplett gefesselt, und so war der Thriller leider viel zu schnell gelesen. Ein heftiger Thriller, der aber definitiv Lust auf mehr von Katniss Hsiao macht.

Bewertung vom 01.11.2024
Bis in alle Endlichkeit
Kestrel, James

Bis in alle Endlichkeit


sehr gut

Privatdetektiv Lee Crowe soll den vermeintlichen Selbstmord einer jungen Millionenerbin untersuchen. Soweit so einfach, doch schnell wird klar, dass mehr hinter dem Tod von Claire Gravesend steckt. Lee findet sich unverhofft nicht nur auf der Spur von etwas ganz und gar Ungeheuerlichem, sondern schnell im Fadenkreuz seiner Widersacher wieder.

James Kestrel hat einen sehr spannenden Thriller abgeliefert, der mich wirklich gut unterhalten hat, auch wenn er für mich nicht ganz an seinen Erstling herankommt. Der Stil ist sehr angenehm zu lesen, gekonnt baut der Autor die Spannung auf; harte Szenen und temporeiche Wendungen kann er ebenso überzeugend wie wissenschaftliche Erläuterungen. Die Auflösung des Falls kam für mich wirklich völlig überraschend, lange wusste ich nicht worauf es hinauslaufen wird; Kestrels Erläuterungen dazu klingen fantastisch, aber absolut mach- und nachvollziehbar. Eine gruselige Vorstellung, ohne hier jetzt ins (spoilernde) Detail gehen zu wollen. Lee selbst hat mir gut gefallen, er ist vom Leben etwas gebeutelt, versucht hier aber immer das Richtige zu tun, die Mittel sind da auch schon mal zweitrangig. Ab und an blitzt die Verzweiflung durch, doch aufgeben würde er nie. Das mochte ich sehr an seiner Figur. Umso mehr freut es mich, dass der Autor im Nachwort durchblitzen lässt, dass es eventuell noch mehr Fälle mit ihm geben wird. Man darf gespannt bleiben.

Bewertung vom 21.09.2024
Winterwölfe
Jones, Dan

Winterwölfe


ausgezeichnet

„Wenn es eins gibt, was wir in diesem Drecksloch von einem Land gelernt haben, dann das: wir sind der Armeeführung scheißegal.“
Nach der Schlacht von Crécy sind die Essex Dogs genauso abgekämpft und kaputt wie das restliche englische Heer. Zudem scheinen sie um ihren Sold geprellt zu werden, sodass ihnen kaum etwas anderes übrig bleibt, als sich der geplanten Eroberung von Calais anzuschließen. Doch die Mauern der Stadt sind stark, und der Winter naht.
Der Autor pickt sich mit der Belagerung von Calais einen ganz bestimmten Zeitpunkt im Hundertjährigen Krieg heraus, der in vielen Köpfen in Vergessenheit geraten ist: die Eroberung von Calais. Eine zermürbende, chaotische und von Verlusten geprägte Zeit. Dank Romford gelingt auch der Blick hinter die Mauern der Hafenstadt; das hat mir sehr gut gefallen, denn zum einen fand ich ihn als Figur im Mittelpunkt sehr spannend, zum anderen ist der „Alltag“ in der belagerten Stadt so viel besser greifbar. Es überrascht nicht, dass die einfachen Leute am meisten leiden unter dem was die Höhergestellten ihnen eingebrockt haben, aber dass im großen Stil noch Geschäfte mit dem Elend gemacht wurden, das fand ich dann doch unerwartet. Dass die Stadt fällt, weiß man aus der späteren Geschichte; dass dabei sogar Piraten eine Rolle gespielt haben, eher weniger. Jones zeigt einmal mehr, dass er penibel recherchiert hat, und dass in seiner vermeintlich fiktiven Geschichte viel mehr Wahres steckt als zunächst angenommen. Das merkt man erst recht, wenn man das Nachwort gelesen hat. Trotzdem wirkt der Roman nicht trocken und Geschichtsbuch-altbacken, sondern macht die Geschichte sehr modern lebendig und liest sich dabei noch wahnsinnig packend. Die Dogs sind per se kein grundsympathischer Haufen, das kann man nach ihren Erlebnissen sicherlich auch gar nicht mehr sein. Aber alle haben irgendwo das Herz am rechten Fleck behalten, trotz all der Zermürbungen und dem täglichen Tod vor Augen. Man kämpft und leidet mit ihnen mit, ist immer hautnah mit dabei und versteht so vielleicht ein kleines bisschen besser was ein Söldnerleben ausmachte.
Ein Band der Trilogie steht noch aus, ich bin gespannt welche Kämpfe die Dogs noch schlagen müssen, bevor sie hoffentlich endlich wieder dahin dürfen, wonach sie sich inzwischen alle sehnen: nach Hause.