Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
SueWid

Bewertungen

Insgesamt 25 Bewertungen
Bewertung vom 26.06.2024
Das Baumhaus
Buck, Vera

Das Baumhaus


ausgezeichnet

Titel: Wenn die (vermeintliche) Idylle zur Hölle wird.
Kurzmeinung: Ein unterhaltsamer page-turner, der etwas durchdachter hätte sein können.

Vera Bucks neuester Roman „Das Baumhaus“ spielt in Schweden, welches bekannt ist für seine Natur, seine Sagen und freundlichen Menschen. Das lockt die Familie rund um Henrik und Nora mit ihrem fünfjährigen Sohn Fynn in die vermeintliche Bilderbuchidylle aus den Geschichten unserer Kindheit. Was sie aber noch nicht wissen, auch hier lauert das Böse bereits auf sie.
Und so entwickelt sich aus dem idyllischen Familienurlaub ein wahrer Albtraum, als der kleine Fynn verschwindet und es nur so an Verdächtigen wimmelt.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive der verschiedenen Hauptfiguren erzählt. Dadurch taucht der Lesende sehr schnell in die Story ein und wird durch die vielen Cliffhanger geradezu ins nächste Kapitel gezogen.

Vera Buck lässt in ihre Erzählung charmant und fast beiläufig neue Themen einfließen, wie zum Beispiel psychische Probleme, destruktive Erziehungsmethoden, Vernachlässigung, Regretting Motherhood oder Menschen im Spektrum, was den Figuren eine interessante Tiefe gibt.
Was man aber immer spürt beim Lesen, ist die Liebe zur Natur. Durch die wunderschönen Beschreibungen kann ich den Wald fast riechen.

Trotz einer Vielzahl an Verdächtigen verliert man nie den Überblick, da alle Figuren einen ganz eigenen Charakter haben und sich gut von den anderen abheben. Ob die Protagonisten einen dabei immer sympathisch sind oder nachvollziehbar handeln, sei einmal dahingestellt.
Was die Verdächtigen angeht, schafft es die Autorin sehr gekonnt, den Lesenden in die Irre zu führen. Allerdings ist es nicht unmöglich herauszufinden, wer es ist, dadurch macht ein Miträtseln durchaus Sinn und Spaß.

Meiner Meinung nach verzettelt sich die Story gegen Ende leider sehr. Alles wirkt plötzlich zu gewollt und schnell zu Ende gebracht. Als wollte die Autorin unbedingt bestimmte Figuren miteinander verbinden, leider auf Kosten der Logik in der Geschichte. Für mich fühlte es sich so an als wären einige Zeitstränge durcheinandergeraten zu Gunsten des Handlungsstrangs.

Alles in allem war es für mich trotzdem ein schneller und spannender Thriller, der in mir die Sehnsucht nach einem Urlaub im Grünen geweckt hat, trotz der Gefahren, die da lauern.
Wer mit kleineren Abstrichen in der Logik leben kann, hat hier ein spannendes Buch vor sich.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.06.2024
Ich stelle mich schlafend
Ohde, Deniz

Ich stelle mich schlafend


gut

Titel: Grenzüberschreitungen

Kurzmeinung: Trotz schablonenhafter Figuren, ein wichtiger Roman über die weibliche Selbstbestimmung.


Deniz Ohde erlangte große Bekanntheit durch ihren vielfach gelobten Debütroman „Streulicht“. In ihren zweiten Roman „Ich stelle mich schlafend“ wird sie nicht minder gesellschaftskritisch.

Die Geschichte begleitet Yasemin, genannt Yase, die bereits seit frühster Kindheit gelernt hat das ihr Körper nicht gut genug ist. Erst durch ihre Mutter, die ihre Haltung kritisiert, später durch Ärzte und Physiotherapeuten, die ihre Skoliose behandeln und sie nur auf ihre Erkrankung beschränken, ohne dabei an ihre Psyche zu denken.
Yase beginnt in allen die Schuld bei sich zu suchen und kapselt sich innerlich selbst ab. Auch ihre erste große Liebe zu Vito scheitert an der Behandlung ihrer Skoliose und den damit verbundenen Veränderungen ihres Körpers.
Jahre später scheint Yasemin bei sich angekommen zu sein, wenn sie sich auch nicht wirklich aus ihrer Vergangenheit emanzipiert hat, so kann sie doch für sich selbst sorgen und ist sie in einer stabilen Beziehung.
Trotz dieser Stabilität in ihrem Leben sabotiert sie sich immer weiter, hinterfragt ihre immer aufs neue verlorene Unschuld und vergräbt sich tief in ihrem eigenen Schuldbewusstsein.
Als sie Jahre später erneut auf Vito trifft, entwickelt sich daraus schnell ein toxisches Beziehungskonstrukt, mit tragischem Ende.


„Ich stelle mich schlafend“ ist ein wütender Aufschrei so vieler Frauen unserer Gesellschaft.

Welche Frau kennt es nicht, dass ein „Nein“ nur zu leicht überhört wird. Man wird überredet und bedrängt, bis man nachgibt. Die Angst nachts allein nach Hause zu gehen, die Panik vor jedem Schatten, der sich als Ungeheuer entpuppen kann.
Die Gefahr lauert aber nicht nur außen, sondern auch in Beziehungen und Familien ist sie allgegenwärtig leider allzu häufig vorhanden.

Aber warum glauben so viele Frauen, dass sie diese Willensbeugung, diese Gewalt und schlechte Behandlungen verdient zu haben?

All das schafft die Autorin sehr gut einzufangen und hält uns Lesenden dazu an unsere Verhaltensweisen zu reflektieren.


Leider blieben für mich die Figuren, allen voran Yase und Vito, zu sehr in einem schwarz-weiß Schema hängen. Ihnen fehlte es an der ganz eigenen Lebendigkeit und Tiefgründigkeit. Auch wenn es Entwicklungsmöglichkeiten gab, entweder zum positiven oder negativen, wurden meiner Meinung nach diese nicht ausgeschöpft. Dadurch fühlte sich das Lesen schnell nach Stagnation an.

An einigen Stellen war mir der Text einfach zu auserzählt, dafür an anderen einfach zu dürftig und man musste es ein zweites Mal lesen, um den Inhalt zu verstehen.

Grundsätzlich hatte ich einfach etwas mehr erwartet und hoffe einfach auf den nächsten Roman dieser Autorin.

Es ist definitiv keine leichte Lektüre für zwischendurch, die so manchen in seiner Meinung spalten wird. Trotz meiner Kritikpunkte hat, die Autorin das alles beherrschende Grundthema trotzdem gut vermitteln können, auch wenn es aufgrund der blassen Figuren leider nicht lange in mir nachwirken wird.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.04.2024
Das Mondscheincafé
Mochizuki, Mai

Das Mondscheincafé


ausgezeichnet

Titel: Die Sterne funkeln bei Nacht.
Kurzmeinung: In diesem magischen Roman weisen Träume und Sterne den Weg.


In ihrer Heimat Japan ist Mai Mochizuki bereits eine gefeierte Autorin, mit „Das Mondscheincafé“ schafft sie es jetzt auch, den deutschen Buchmarkt zu erobern.

Bereits durch die unglaublich liebevolle und stimmige Gestaltung des Buchcovers weiß das Buch direkt zu überzeugen.

In Japan gibt es viele verschiedene Mythen und Legenden. Unter anderem auch über tierische Wesen und Astrologie. Beides wird im Roman „Das Mondscheincafé“ gefühlvoll zusammengeführt.

Mit Lokalkolorit aus Kyoto, der typisch japanischen Lebensweise und einen Hauch Mystik baut die Autorin einen interessanten Rahmen für ihre Geschichte.

Trotz des recht schmalen Umfangs des Buches mit knapp 208 Seiten, wird ein gefühlvolles Szenario aufgebaut, was den Lesenden einfach ans Herz gehen muss.

Zum Inhalt:
Wenn man Glück hat, erscheint in einer Vollmondnacht das Mondscheincafé. Dieses Café ist nicht nur ein besonderes Pop-up-Restaurant, es wir auch ausschließlich von sprechenden Katzen betrieben.
Die Gäste bestellen hier nicht selbst, sondern es werden ihnen köstliche, auf ihre Persönlichkeit zugeschnitten Desserts und Getränke serviert.
Dabei reden der Meister und seine Katzen mit den Gästen und deuten ihnen ihre Sterne mittels Astrologie.
Nacheinander werden die Geschichten von vier verschiedenen Protagonisten erzählt, die alle gerade mit ihrem Leben, insbesondere mit ihrem beruflichen Werdegang hadern.
Dabei ist der erhobene Zeigefinger nie spürbar, es geht vielmehr darum einen neuen Weg einzuschlagen. Selbstoptimierung und Selbstverwirklichung der eigenen, oftmals tief verborgenen Wünsche.
Ganz besonders schön fand ich dabei, dass die Autorin alle handelnden Figuren und ihre Leben ganz natürlich miteinander verbindet und so die Geschichten wunderbar abrundet.

Ob man an nun Astrologie glauben mag oder nicht, man hat beim Lesen den unglaublichen Wunsch, dass Mondscheincafé möge in einer Vollmondnacht auch bei uns erscheinen. Der Meister würde die Sterne deuten und unser eigenes Leben in die richtige Bahn lenken. Denn manchmal braucht es eben nur einen kleinen Schubs, um neu anfangen zu können, so wie die Protagonisten im Buch.

Ein kleines, zartes Lesehighlight, welches uns gut aus dem stressigen Alltag holt und vielleicht den ein oder anderen Lesenden auch einen kleinen Denkanstoß in die richtige Richtung gibt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.04.2024
Das andere Tal
Howard, Scott Alexander

Das andere Tal


sehr gut

Titel: Würdest du die Zeit ändern, wenn du die Möglichkeit hättest?

Kurzmeinung: Ein Roman über das Zeitreisen und die philosophische Frage danach, ob wir es tun sollten, wenn wir es könnten.


Mit seinem Debüt-Roman „Das andere Tal” versucht sich Scott Alexander Howard am Thema Zeitreisen und ihren Komplikationen.
Die Protagonistin in „Das andere Tal“ ist die junge Odile.
Sie lebt in einem kleinen Tal, welches im Osten und Westen an weitere Täler grenzt. Das besondere hierbei ist, dass es immer die gleiche Stadt ist. Allerdings auf unterschiedlichen Zeitebenen. Sodass wenn man von Odiles Tal ausgeht, Täler in 20 Jahren in der Zukunft und in 20 Jahren in der Vergangenheit existieren.
Ein Reisen zwischen Tälern wird streng reglementiert vom Conseil, diese dürfen nur einmalig und auch nur im Trauerfall besucht werden. Abweichungen werden streng geahndet. Dieses rigide System in dem Odile aufwächst ist sehr düster, restriktiv und versprüht an jeder Ecke eine gewisse Tristess.
Als Odile durch einen Zufall herausfindet, dass ihr Jugendfreund Edme wahrscheinlich früh versterben wird, steckt sie in der Zwickmühle.
Wird Odile es verhindern, indem sie sich der herrschenden Obrigkeit widersetzt und riskieren, dass die Zukunft so niemals existieren wird?

Der Roman, den ich anfangs noch in die Kategorie Coming of Age gesteckt hatte, entwickelte sich schnell zu einer melancholisch, dystopischen Geschichte. In dieser werden viele philosophische Fragen aufgeworfen.
Der Schreibstil von Scott Alexander Howard ist unaufgeregt und ruhig, weiß aber durch pointierte fast schon poetische Momente zu glänzen, wie die Beschreibungen der Natur oder von Musik.

Was meinen Lesefluss zunächst sehr gestört hat, waren die fehlenden Anführungszeichen bei der wörtlichen Ansprache zwischen den Figuren. So musste ich sehr genau lesen und zuweilen auch ein zweites Mal um den Inhalt nicht misszuverstehen.
Eine weitere mutige Entscheidung des Autors war es seine Protagonistin so passiv angepasst und fast schon antriebslos darzustellen. Diese fehlende Motivation könnte einige Lesende vom Weiterlesen abschrecken. Nichtsdestotrotz passt dies aus meiner Sicht ganz hervorragend zur Grundstimmung des Romans. Und trotzdem hofft man unweigerlich die ganze Zeit, dass sie endlich etwas ändert und zu einer tatsächlichen Heldin ihrer eigenen Geschichte wird.

Absolut hervorragend fand ich es, wie der Autor den Bogen zwischen Zukunft, Gegenwart & Vergangenheit geschaffen hat.
Ich liebe es, wenn etwas von vornherein so gut durchdacht ist, dass es offene Fäden so gut eingewebt in der Geschichte, dass sie am Ende wieder sinnvoll aufgenommen und zu Ende gebracht werden können.

„Das andere Tal“ überzeugt mit einem ruhigen, eher düsteren Gesamt-Setting, welches den Lesenden über verschiedene philosophische Fragestellungen nachgrübeln lässt. Dieser Roman lohnt sich auf jeden Fall in einer Gruppe zu lesen und sich über ihn auszutauschen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.04.2024
Geordnete Verhältnisse
Lux, Lana

Geordnete Verhältnisse


ausgezeichnet

Titel: Perspektiven einer toxischen Beziehung

Kurzmeinung: Ein intensives Lesehighlight über eine obsessive Freundschaft, bei der Opfer und Täter ihre Geschichte erzählen.


Vorab möchte ich eine kurze Triggerwarnung aussprechen, in „Geordnete Verhältnisse“ geht es unter anderem um häusliche Gewalt, toxische Familienstrukturen und Gaslighting.

Lana Lux, die bereits Bekanntheit durch ihren Debütroman "Kukolka" und ihren zweiten Roman "Jägerin und Sammlerin“ erlangte, legt mit ihrem neusten Roman „Geordnete Verhältnisse“ intensiv nach.
Das fängt bereits mit der klugen Gestaltung des Covers an. Ein schief angeordneter Titeltext der im Kontrast zum Einbandtitel steht. Außerdem als Motiv grüne Blätter, welche einen ruhigen und sanften Eindruck vermitteln.

In „Geordnete Verhältnisse“ geht es um die Freundschaft zwischen Philipp und Faina. Beide kommen aus dysfunktionalen Familien und toxischen Verhältnissen, aus denen sie sich nie wirklich befreien konnten. Ihre Freundschaft wird schnell zu einer Obsession, was für mich an diesem Zitat von Faina sehr deutlich wird:
„Das Gefühl, ihm die Welt zu bedeuten. Dieses Gefühl macht süchtig. Es lässt einen alles andere erdulden. Weil es ja zum eigenen Besten ist, weil der Schmerz, den diese Person einem zufügt, seiner Liebe entspringt.“ S. 273

In ihrem Roman geht die Autorin dabei einen sehr spannenden und gewagten Schritt und erzählt die Geschichte nicht nur aus Sicht des Opfers oder des Täters, sondern lässt beide abwechselnd zu Wort kommen.
Der Roman unterteilt sich in drei Abschnitte.
Im Ersten erfahren wir viel über die Vergangenheit der beiden aus der Sicht von Philipp.
Im zweiten Abschnitt kommt Faina zu Wort, die einige Details ergänzt, ihre Sicht der Dinge widerspiegelt, und wir erfahren wie die Gegenwart für beide gerade weiter verläuft. Im dritten und letzten Abschnitt kommen beide wieder abwechselnd zu Wort.

Dabei habe ich es sehr genossen wie Frau Lux die Protagonisten mit den Lesenden kommunizieren lässt. Ich mochte es, wie man in die Gedanken- und Gefühlswelt hineingesogen wurde.

Die Geschichte wird niemals vordergründig voyeuristisch oder verliert sich in sinnlosen (Gewalt-)Details.
Die Autorin schafft den Spagat, keinen der Protagonisten als absolut unsympathisch oder übertrieben dazustellen. Sie sind dabei nahbar und besitzen eine ganz eigene Lebendigkeit und Glaubwürdigkeit.
Man muss unwillkürlich mit allen handelnden Figuren mitfühlen und hinterfragt auch ständig woher diese Verhaltensmuster wohl kommen müssen.

Die an einigen Stellen schon fast poetische Sprache vermischt sich ganz leicht mit einem modernen Sprachstil, ohne dabei zu gewollt zu wirken.

Für mich war „Geordnete Verhältnisse“ definitiv ein Lesehighlight, welches mit seinem Inhalt noch lange bei mir nachklingen wird.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.04.2024
Die Vermesserin der Worte
Seck, Katharina

Die Vermesserin der Worte


sehr gut

Titel: Melancholisch, ruhiger Roman über die Macht der Worte und ihre Kraft zu heilen.

Aufgrund des schlichten Cover habe ich mich auf eine ruhige Geschichte eingestellt und wurde auch nicht enttäuscht.
Katharina Seck, eher bekannt für ihre Fantasy Romane, lässt mit „Die Vermesserin der Worte“ eine entspannte Geschichte der Gegenwartsliteratur entstehen.

„Die Vermesserin der Worte“ ist ein Roman über Sprachlosigkeit. Eine Sprachlosigkeit, die einem plötzlich im Griff hat, aber auch eine, die zwischen Menschen herrschen kann und tiefe Gräben schlägt.
Es geht um die Autorin Ida, die unter einer Schreibblockade leidet und sich lieber in ihrer kleinen Wohnung vor der Welt abschottet. Als das Geld langsam zur Neige geht, muss sie notgedrungen einen Job in der Provinz annehmen. Dabei lernt sie die ältere Hausherrin Ottilie kennen, die ebenfalls ihre Worte sucht, wobei Sie nach und nach den Bezug zur Welt verliert.
Die beiden Frauen finden durch ihre Liebe zu Büchern einen Weg zu einander. Es entsteht eine zarte Freundschaft, in der sich die beiden gegenseitig durch die Kraft der Worte retten und heilen.

Man spürt sehr schnell die Liebe der Autorin für Bücher. Es finden sich regelmäßig Anspielungen auf anderen Romane, Autorinnen und Autoren. Für mich persönlich hätte das an einigen Stellen einfach gestrafft werden können, da sie sich gerne wiederholt. Auch das übermäßige Wiedergeben von Floskeln und Wortpaarungen trübte für mich den Lesefluss etwas ein.

Der Roman hat mir in seiner unaufgeregten und ruhigen Lese-Art gut gefallen.

Wer einen leicht melancholischen und ruhigen Roman als kleine Auszeit im hektischen (Lese-)Alltag sucht, ist hier trotz einiger Kritikpunkte sehr gut aufgehoben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.03.2024
Arctic Mirage
Kokkonen, Terhi

Arctic Mirage


weniger gut

Titel: Düsteres Psychogramm einer Ehe
Kurzmeinung: Spannende Thematik mit schwer greifbarer Handlung

Der Debüt-Roman „Arctic Mirage“ von Terhi Kokkonen wurde mit dem finnischen Literaturpreis Helsingin-Sanomat ausgezeichnet, was meine Erwartungshaltung direkt nach oben geschraubt hat.

Der Inhalt des recht schmalen Buches ist schnell zusammengefasst. Es geht um das Ehepaar Karo und Risto, die in der einsam verschneiten Gegend Lapplands Urlaub machen. Als es zu einem Autounfall kommt, suchen beide Unterkunft in dem Titelgeben Hotel namens Arctic Mirage. Doch das scheinbare Glück, den Unfall nur mit geringen Blessuren überstanden zu haben, schlägt schnell um und das Düstere in der Beziehung scheint beide zu übermannen.

Leider konnte mich dieser Roman nicht überzeugen, auch wenn das grundsätzlich düstere Setting mich sehr angezogen hat.
Hervorzuheben ist, dass die Autorin meiner Ansicht nach diesen schwierigen und psychologischen Themenkomplex gut recherchiert hat.
Allerdings verliert sie sich in Andeutungen in ihrer eigenen düsteren Geschichte etwas zu sehr, dadurch wirkt es für mich zu gewollt und nicht gänzlich rund.
Dem Lesenden wurde eine komplexe Geschichte einer Ehe versprochen, die sehr tragisch endet.
Erhalten habe ich allerdings nur sehr eigenwillige und unsympathische Hauptfiguren, deren Handlungen und Entscheidungen ich nur schwer nachvollziehen konnte.
Risto's Sicht wird immer nur im direkten Zusammenspiel mit Karo deutlich, beziehungsweise in Rückblenden. Aus meiner Sicht, verpasst da die Autorin eine Chance auch seine Perspektive aufzuzeigen.
Hinzukamen abrupt und scheinbar wahllos auftauchende Nebenfiguren, die für das Voranschreiten der Handlung nur wenig von Nöten waren.

Abschließend bleibt zu sagen, dass es eine interessante Thematik war, die in der Umsetzung leider hinter meinen Erwartungen zurückblieb.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.02.2024
Yellowface
Kuang, R. F.

Yellowface


sehr gut

Titel: Alles nur geklaut!?

Rebecca F. Kuang ist eine gefeierte und mehrfach ausgezeichnete Fantasyautorin.
Mit ihrem Neusten Werk „Yellowface“ wagt sie sich nun auf ein ganz anderes Gebiet.

Bei „Yellowface“ fällt einem direkt das schreiend gelbe Cover auf. Davon sollte man sich allerdings nicht blenden lassen. ;-)
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die junge Autorin June Hayward. Wie viele aufstrebende Schreibende möchte Sie ein Werk erstellen, welches sichtbare Anerkennung erreicht.
Etwas, was ihrer unglaublich erfolgreichen Autorenfreundin Athena Liu bereits geglückt ist.
Ihre Erfolgsgeschichte, aber auch Athenas Schönheit und Exotik, rufen bei June nur Animositäten hervor.
Als durch einen tragischen Unfall Athena verstirbt, sieht June ihre Zeit gekommen und stiehlt das letzte literarische Schaffen ihrer Freundin. Nachdem sie begreift welches Potential in der Geschichte steckt, fängt sie an diese zu überarbeiten und zu veröffentlichten.
Mit dem Erfolg kommen schnell erste Fragen nach der Urheberschaft auf. Die sozialen Medien kennen keine Gnade bei ihrer Hexenjagd. Kann alles nur in einem Drama gipfeln?

„Yellowface“ schafft es sehr präzise den Finger in eine sehr offene und meines Erachtens eitrige Wunde unserer Zeit zu legen. Unter anderem wie groß der Einfluss moderner Medien wie Instagram oder X (ehemals Twitter) auf unsere Gesellschaft ist. Wie schnell es zu Abhängigkeiten von Usern beziehungsweise der Ausnutzung solcher Plattformen für anonyme Hetze und Hasskommentare kommen kann.
Der Roman schafft es gezielt die Fragen nach Kultureller Aneignung, Gatekeeping und Cancel Culture zu adressieren. Die Leserschaft wird fast beiläufig dazu gebracht sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen und innerlich die eigenen Wertevorstellungen zu reflektieren.

Mir persönlich hat der ganz spezielle Schreibstil von Frau Kuang gefallen.
Insbesondere der Aspekt, dass ihre Protagonistin die Leserschaft immer wieder direkt anspricht und in ihre Gedankenwelt abholt. Damit versucht sich die Figur der June den Lesenden zu erklären. Sie bettelt fast um unsere Sympathien und Verständnis für ihr Verhalten.
Allerdings ist und bleibt sie von Anfang bis Ende eine tragische Antiheldin. Sie ist kein charmanter Underdog, den man die Daumen drückt und für die man auf ein Happy End hoffen möchte.
Leider lastet dadurch, aber auch die volle Last als Protagonistin auf ihr. Sämtliche Nebenfiguren verkommen zu Randnotizen, die nur wenig Raum bekommen. Das nimmt den Roman aus meiner Sicht etwas an Schwung.
Für mich war June in ihrer manischen Obsession völlig glaubhaft dargestellt, wenn sie auch zuweilen sehr anstrengend zu ertragen war.
Ich frage mich, wie realistisch das ganze Szenario ist? Lassen sich Verleger, Angehörige oder Freunde so lange täuschen? Was für rechtliche Schritte könnten auf sie zu kommen? Da hätte ich mir persönlich noch etwas ausgefeilte Tiefe gewünscht.

Zusammenfassend würde ich sagen, hat Frau Kuang einen zeitgenössischen Roman abgeliefert, der hier und da sicherlich noch etwas Potential nach oben hätte, Lesenden dennoch die Möglichkeit bietet sich mit aktuellen Thematiken (wie Rassismus, Online-Hetze) eingebunden in einer spannenden Storyline, auseinanderzusetzen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.05.2023
Idol in Flammen
Usami, Rin

Idol in Flammen


ausgezeichnet

Was neben dem poppig-knalligem Cover als Erstes bei „Idol in Flammen“ auffällt, ist die junge Autorin Rin Usami. Für ihren Debüt-Roman erhielt Sie mit nur 21 Jahren bereits den Akutagawa-Preis.
Der Akutagawa-Preis ist in Japan die bedeutendste Auszeichnung für Literaturschaffende. Somit liegt die Erwartungshaltung recht hoch, noch bevor man in diesen Roman eintaucht.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Schülerin Akari Yamashita und ihre Leidenschaft für das Idol Masaki Ueno, welches ein Mitglied einer Popband namens Mazamaza ist.
Akari ist sie kein „normaler“ Fan, wie man ihn landläufig kennt, sie ist ein sogenannter „Otaku“, was bedeutet, dass sie ihre leidenschaftliche Fanliebe obsessiv ebenso rückhaltlos auslebt.
Das äußert sich vor allem darin, dass sie keinerlei Interessen oder andere Freizeitaktivitäten hat.
In ihrem realen Leben findet sie keinen Halt, weder in ihrer Familie, noch bei Freunden.
Alltägliche Dinge wie Körperhygiene, Hausaufgaben oder einem Nebenjob nachgehen fallen ihr schwer.
Alles was sie macht, dient ausschließlich dem Ziel ihr Idol zu unterstützen.
Für Akari ist dieses Verhalten aber völlig normal, denn nur ihr Idol erdet sie und lässt sie etwas empfinden, sie bezeichnet ihn auch liebevoll als ihre Körpermitte, ihre Wirbelsäule.
Nachdem der gefeierte Star in einen Skandal verwickelt wird, wenden sich die sozialen Medien, genauso wie viele Fans, gegen Masaki. Immer mehr verändert sich auch das Leben von Akari und am Ende muss auch sie eine Entscheidung treffen.


In diesem kurzen Roman schafft es die Autorin die zerbrechliche Psyche eines jungen Mädchen glaubhaft zu schildern, ohne dabei die verschiedenen psychischen Probleme je direkt zu benennen. Rin Usami legt den Finger in eine offene Wunde, die nicht nur japanische Teenager betrifft, sondern sicherlich auch anderenorts zu finden ist.
Ich habe dieses kurze Buch als eine kleine Abrechnung mit der Gesellschaft empfunden. Denn am Ende blieb für mich die Frage, wenn alles entgleist, warum sehen alle Außenstehende nur dabei zu wie Akari immer mehr den Abgrund entgegen rennt? Ihre verschiedenen Störungen und Auffälligkeiten werden entweder hingenommen oder ignoriert. Muss man in solch einer Gesellschaft perfekt funktionieren?
Die Kommerzialisierung am Beispiel der Idol-Industrie wurde sehr gut dargestellt. Sie zeigt auf wie die Vermarktung vor allem junge, noch stark beeinflussbare Menschen dazu bringt immer mehr von ihrem Geld in ihre Fankultur zu stecken. Viele Merchandise Artikel sind stark limitiert, sodass ein enormer Druck entsteht, welcher Fans in Panik versetzen soll, etwas zu verpassen und sie so in einen Kaufzwang bringt. Wenn man ehrlich ist, ist es ein genial diabolisches Konzept. Der Konsum wird direkt mit Glücksgefühlen belohnt und das vergötterte Idol hat auch noch etwas davon. Denn über den Verkauf regelt sich die Beliebtheit der Stars, die darin mündet wer als erstes auftreten darf, gegebenenfalls ein Solo hat, mehr Sendezeit und so weiter: Ein Teufelskreislauf für alle Parteien.


Welche Perspektive mir gefehlt hat, sicherlich auf Grund der Kürze des Romans, ist der Blickwinkel des Idols Masaki. Wie muss dieser den Trubel empfinden? Was ist mit seinem Privatleben? Wie haben die anderen Bandmitglieder den Skandal aufgenommen? Dies wird immer wieder angedeutet innerhalb der Recherchen von Akari, aber nie genau beschrieben. Auch der eigentliche Skandal wirkte eher wie Mittel zum Zweck, als das er die Geschichte vorangebracht hätte.


Natürlich kann man kritisieren, dass es es nur bei einem kurzem Eintauchen in eine so komplexe Struktur bleibt. Aber ich finde dieses Buch hat einen Nachhall. Er bringt den Lesenden zum nachdenken und eventuell zum selber recherchieren.


Mir hat der Debütroman von Rin Usami sehr gefallen. So bin ich gespannt welches Thema sie in ihren nächsten Werken aufnimmt und verarbeitet.

Bewertung vom 17.05.2023
Der Morgen / Art Mayer-Serie Bd.1 (eBook, ePUB)
Raabe, Marc

Der Morgen / Art Mayer-Serie Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Marc Raabe ist wieder in Bestform! Nach seiner sehr beliebten Tom-Babylon-Reihe, zeigt er erneut sein Können mit dem Start seiner neusten Thriller-Reihe.

Im Mittelpunkt von „Der Morgen“ steht der erfahrene, allerdings etwas eigenwillige Ermittler Art Mayer. Ihm zur Seite wird die noch unerfahrene, aber sehr ehrgeizige Kommissar-Anwärterin Nele Tschaikowski gestellt.
Gemeinsam versuchen sie eine Reihe von Morden aufzuklären, die alle auf den Bundeskanzler hinweisen. Die Ermittlungen in diesen Kreisen zeigen sich als besonders komplex, wie sensibel. Hierbei drückt die Zeit, die Medien, ebenso wie der ein oder andere persönliche Konflikt der Hauptfiguren. So muss sich Art alten Verbindungen aus seiner Vergangenheit stellen und Nele den aktuellen Problemen ihres Privatlebens.
Innerhalb der Geschichte versucht der Autor auch eher unsympathischen (Rand-) Figuren weitere Facetten zu geben, damit eben nicht alles immer nur schwarz/weiß ist.
Er geht geschickt auf den Widerspruch zwischen Loyalität und Integrität ein. Lässt hierbei seine Figuren hadern, was sie umso glaubhafter macht.
Es wird immer wieder die Frage nach den Berufsethos aufgeworfen: Wie weit sollte man gehen oder vielmehr, was darf man tun um seine Werte oder Freunde zu schützen?

Die Geschichte springt Kapitelweise immer wieder zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Marc Raabe schafft es scheinbar mühelos die verschiedenen Geschichtsstränge miteinander zu verweben, ferner die Spannung konstant hochzuhalten, sodass man jeden Strang gerne weiterverfolgt.

Als kleiner Wermutstropfen bleibt, dass trotz allen genderns und sicherlich gut gemeinten aktuellem Zeitgeist, der Autor in der typischen Komfortzone verharrt.
Art Mayer, ist als Figur der klassische, eher wortkarge, einsame Wolf, der nicht immer nach den gängigen Regeln spielt.
Sein Gegengewicht soll, seine übereifrige Kollegin Nele Tschaikowski sein, die sich zu Anfang ganz auf ihre Ausbildung verlässt, dabei aber auch über ihren eigenen Enthusiasmus stolpert und erst ihren Weg finden muss.
Das mildert das Lesevergnügen keineswegs, das Rad erfindet er jedoch damit auch nicht neu.

Sprachlich und Stil technisch bedient sich der Autor einer sehr modernen ebenso zeitgenössischen Sprache. Gleichermaßen nutzt er ein Setting, welches elegant Themen wie Corona, Klimakrise, Fake News oder das Gendern einbindet, ohne dabei gestellt zu wirken.
Die Erzähltechnik ist wie gewohnt sehr gut. Es ist ein rasanter, im gleichem Maßen psychologischer Thriller, bei welchem man fast unweigerlich ein Kopfkino entwickelt.
Dadurch gleiten, die doch nicht unerheblichen 588 Seiten nur so dahin.
Ich freue mich jetzt schon auf die Fortsetzung der Reihe und kann es kaum erwarten die Ermittlungen mit Art & Nele wieder aufzunehmen!