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Benutzername: 
B. R.
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Kiel

Bewertungen

Bewertung vom 18.06.2018
Miss Gladys und ihr Astronaut
Barnett, David M.

Miss Gladys und ihr Astronaut


ausgezeichnet

Auf seinem Flug zum Mars will Major Tom ein letztes Mal mit seiner Exfrau telefonieren, erreicht stattdessen aber die demente Miss Gladys. Im Laufe der Zeit wird der lebensmüde und sauertöpfische Astronaut zum Freund ihrer Familie, die gerade in einer existenzbedrohenden Krise steckt.
Was auf den ersten Blick etwas weit hergeholt erscheint, wird bereits im ersten Teil des Buches aufgeklärt: Der Text nimmt sich in diesem Punkt selbst auf die Schippe: So heißt der Astronaut tatsächlich Thomas Major – benannt nach dem bekannten Lied – und die Presse ist es, die ihm den Titel "Major Tom" verpasst. Was wiederum überhaupt erst dazu führt, dass er die Marsmission fliegen darf. Ursprünglich ist dafür jemand anderes vorgesehen – der leider unmittelbar vor der Pressekonferenz zu seiner Vorstellung einen Herzstillstand erleidet.
Wie das Buch startet, bleibt es auch: Zeiten und Perspektiven wechseln kapitelweise auch unchronologisch, irgendwie läuft alles anders, als es eigentlich hätte sein sollen und die schweren Themen reihen sich aneinander: Fremdgehen und Altersdemenz, Scheidung und Tod eines Geschwisterkindes, Scamming, Mobbing, Tod der Mutter, Vater im Gefängnis, die unerfreulichen Seiten von Hierarchie und Marketing. Trotz allem bleibt auch das leise Augenzwinkern durchgehend erhalten: Das Buch liest sich flüssig und bis in die Details immer wieder amüsant.
Ebenso ergeht es auch den Figuren: Aus düsteren, angstgeprägten Situationen heraus versucht es zunächst jeder als Einzelkämpfer. Am Ende stehen sie alle vor der Entscheidung, den bisherigen Weg weiterzugehen, auf dem sie aus ihrer jeweiligen Vergangenheit heraus unweigerlich und verständlicherweise gelandet sind, oder aber sich für eine neue Perspektive zu entscheiden und mit Freundschaft, Offenheit, Vertrauen und Zusammenhalt mutig die Chance auf eine andere, bessere Zukunft zu kreieren.
Warum sollen nicht auch eine demente Oma oder ihr verzweifelter zehnjähriger Enkel dem Astronauten im All die entscheidenden Anstöße geben? Und das auf die gleichzeitig schwerste und einfachste Weise: Indem sie genauso sind, wie sie eben sind.
Ein Plädoyer für Hoffnung und Mut, Ehrlichkeit und Humor – und für ein lebenswertes Leben, trotz der größten Krisen.

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