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Benutzername: 
Juma

Bewertungen

Insgesamt 147 Bewertungen
Bewertung vom 29.03.2025
Von Stufe zu Stufe
Kucher, Felix

Von Stufe zu Stufe


gut

Auf der Suche zwischen den Tagen

Ein österreichischer 35-Minuten-Stummfilm aus dem Jahr 1908 gibt dem Roman seinen Namen. Ein Künstler namens Heinz Hanus ist in Dreifaltigkeit Regisseur, Co-Drehbuchautor und Hauptdarsteller, Louise Fleck ist die andere Drehbuchautorin. An diesen Film erinnert sich Marc, der Hauptdarsteller des Romans von Felix Kucher, gleich zu Beginn, „da war doch was?“ Marc ist ein mitteljunger Mann mit Universitätsabschluss in Filmgeschichte, aber ohne eine nennens- oder bemerkenswerte Karriere. Vielmehr wird er um Weihnachten 2021 auch noch seinen Job im Filmarchiv los und seine ganze Freude bleibt das „Roofen“. Das ist zwar nicht sonderlich erhellend, begleitet aber den ganzen Roman mit immer wiederkehrenden Blicken von ganz oben auf die da unten.
Der Roman teilt sich bei Kapitel vier in ein davor und danach, vom Jahr 2021 geht es nahtlos über ins Jahr 1906 und man begegnet der oben erwähnten Louise. Diese outet sich schon auf den ersten Metern als feministische Verfechterin des Neuen und Schönen, von Films (nein, das ist kein Schreibfehler, so wurde 1906 noch der Plural von Film gebildet) und Kinematographentheatern ist die Rede, die viel später erst und nun immer noch kurz Kino heißen. Ehrlich gesagt fand ich die ersten 50 Seiten recht ermüdend, danach wurde es zwischenzeitlich aber anregender.
Die Geschichte der Louise Fleck ist interessant und birgt das Potential für ein eher biografisches Buch über sie, ihren jüdischen Mann Jakob und die weitere Entwicklung bis zu ihrem Tod 1950. Sie war eine hübsche und blitzgescheite Frau in einer noch sehr männerdominierten (Film)-Welt. Als Leser dieses Romans muss man sich in dieser Hinsicht mit Wenigem begnügen, er endet für Louise schon 1908. Und Marc wird nach manchem Abenteuer feststellen, dass der Blick von oben auch nicht alles ist und man nicht alles findet, was man sucht.
Der etwas betuliche Schreibstil und die langatmig erzählten Ereignisse haben mich nicht überzeugt, Marc versucht jedenfalls alles, um wieder ins Filmgeschäft zu kommen. Ich lasse offen, ob es ihm gelingt, das muss jeder Leser selbst herausfinden.
Das Cover ist gut gelungen, der etwas geknickte Zelluloidfilm lässt ahnen, dass es nicht geradeaus geht in diesem Buch. Die Haptik des Festeinbandes gefällt mir sehr, aber die Schrift der Rückseite ist für das Strukturpapier etwas zu fein. Zumindest für mich als Brillenträger. Die Typografie hat mich angesprochen, sehr locker und gleichzeitig klassisch.
Fazit: Der Blick in die Filmwelt zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat mir besser gefallen als die Monologe der verkrachten Existenz Marc. Für Cineasten sehr zu empfehlen. Gute drei Sterne.

Bewertung vom 26.03.2025
Die Kurve
Schmidt, Dirk

Die Kurve


gut

Aus der Kurve zu fliegen ist keine Kunst

Die Leseprobe hat mir so gut gefallen, da wollte ich unbedingt den kompletten Thriller lesen. Dirk Schmidt ist der Autor von Die Kurve und mit ihm verbinde ich den Radio Tatort aus Hamm, der mich mehr oder weniger regelmäßig supergut unterhält.
Aber dieses Buch ist viel kurviger als es der Titel vermuten lässt, ich habe ständig wie im Bus nach einer Haltestange Ausschau gehalten. Und hinter jeder Kurve ist man als Leser froh, wenn man bei Carl auf der Terrasse oder bei Ridley im Kopf landet. Wo genau die Terrasse ist, ist Carls gut gehütetes Geheimnis, auf jeden Fall hat Carl nicht Aussicht aufs blaue Meer, sondern auf eine Hauswand mit „Grünspan“. Carl ist ein wohl mittelalter, meist cholerischer Krimineller, der für alles seine Handlanger, für jeden ein extra Telefon hat, die mehr oder weniger intelligent und willig tun, was er fordert. Nur Ridley fällt etwas aus dem Rahmen, er zieht Wurzeln, schneller als andere eins und eins addieren, Quadratwurzeln kann er auch. Nur mit dem weiblichen Geschlecht hat er ab und an Probleme (zu lösen).
Mir hat am besten das tolle Cover gefallen, inklusive der bedruckten Innenseiten. Wo ich als erstes las: „Unbedingt lesen.“, von Uwe Ochsenknecht. Das ist der, der bei der Taskforce Hamm der Scholz ist. Ich habe den Rat befolgt, aber mir war die ganze Geschichte einfach zu kurvig, mit dem Personal wurde ich auch nicht richtig warm. Am ehesten noch mit Betty, aber das ist reine Geschmackssache.
Wirklich zum Lachen hat mich wenig gebracht, ist vielleicht auch bei einem Thriller nicht das Ziel. Aber ein Zitat will ich hier einfügen: „… und Schleswig-Holstein ist so ausgedehnt inhaltslos — das hat schon wieder was. …“ Volltreffer auf mein grünes Bundesland. Besonders die Northvolt-Baubrache hatte Ridley da wohl vor Augen.
Fazit: keineswegs unblutig, nichts für schwache Nerven. Nach 275 Seiten hatte ich mich dann doch an Schmidts Schreibstil gewöhnt. Gute drei Sterne.

Bewertung vom 22.03.2025
The Surf House
Clarke, Lucy

The Surf House


gut

In der Sackgasse

Ein neuer Krimi von Lucy Clarke, für mich aber das erste Buch von ihr. Sie nimmt den Hörer mit auf eine Reise in ein Land, dessen Gepflogenheiten uns Mitteleuropäern bisweilen fremd und eigenartig erscheinen. Aber die äußeren Bedingungen bergen auch Sonne, Meer, fantastische Wellen zum Surfen, leckeres Essen und pittoreske Städte und Dörfer. Marokko. Hier arbeitet die junge Bea als Model und müht sich nach Kräften, zur Zufriedenheit des Fotografen herumzustolzieren. Plötzlich ist ihr alles zu viel und sie beschließt, sich dem ganzen Theater zu entziehen. Und schon ist sie auf dem Weg durch Marrakeschs Altstadtgassen, verläuft sich und begegnet zwei finsteren Gestalten. Als es richtig brenzlig wird, springt ihr unerwartet aus dem Nichts eine Frau zu Hilfe, die aber von einem der beiden Angreifer brutal gewürgt wird. Bea nimmt ihr Messer und sticht auf den Mann ein, der andere ergreift mit ihrem Rucksack die Flucht. Nachdem die Frau wieder zu Atem gekommen ist, stellt sie sich als Marnie vor. Beide verlassen fluchtartig die Sackgasse und sie lädt Bea ein, erst einmal mit ihr zu fahren, sie betreibe eine Pension, wo sie vorerst unterkommen könne. Ohne ihren Pass ist Bea gezwungen, darauf einzugehen.
Bea bleibt im Surf House, wie die Pension sich nennt und lernt verschiedene Leute kennen: Pat, den Freund von Marnie, Adrian, den Nachbarn, Seth, ein Amerikaner, der nach seiner Schwester sucht. In Rückblicken erfährt man die Geschichte dieser Schwester, Savanna, alles ist mysteriös und Bea will Seth helfen, Savanna zu finden. Nicht ganz uneigennützig, denn sie braucht Geld. Nach dem recht hektischen Beginn der Story pendelt sich Beas Geschichte erst einmal ein, sie beginnt, Freude am Surfen zu finden, arbeitet für Kost und Logis im Surf House, befreundet sich mit Marnie, später auch mit Adrian an.
Hier höre ich auf, über den Fortgang des Thrillers zu schreiben, aber die Spannung steigt von Kapitel zu Kapitel. Der Show Down ist heftig, war für mich aber doch nicht so überraschend. Die Unterhaltung und die Spannung hielten über mehr als 400 Seiten an. Der Schreibstil gefiel mir nicht immer, wahrscheinlich liegt das aber nicht am Übersetzer. Vom Original habe ich nur die Leseprobe gelesen, musste aber feststellen, dass mir auch das englische Original nicht gut gefiel. Die Autorin hat einen recht herben Schreibstil.
Das Cover der deutschen Ausgabe bleibt hinter der Wirkung der englischen weit zurück. Das fand ich eindeutig besser und aussagekräftiger.
Fazit: ein gut gemachter Thriller, mit einigen - nicht ganz unvorhersehbaren - Wendungen. Gute drei Sterne

Bewertung vom 14.03.2025
Die Summe unserer Teile
Lopez, Paola

Die Summe unserer Teile


ausgezeichnet

Generationen auseinander und doch zusammen

Die Thematik begegnet mir immer wieder, immer wieder anders. Die Frage, woher komme ich, woher kamen meine Vorfahren, wo sind die Geschichten verborgen, die ich noch nicht einmal erahne. Das fragt sich auch Lucy, die hier im Debütroman von Paola Lopez das sucht, was ihr immer verschwiegen wurde. Lucy ist eine junge Frau, die in einer WG lebt, mit ihrer besten Freundin Phil und Oliver, und die plötzlich einen Flügel – einen Steinway! – mitten in ihrem Zimmer vorfindet. Es ist der Flügel, auf dem sie als Kind spielte, spielen musste. Nur ihre Mutter Daria konnte es sein, die ihr dieses unerwünschte Geschenk geschickt haben kann. Nur, sie kann ihre Mutter nicht fragen, Funkstille seit drei Jahren, die will sie nicht unterbrechen. Auch wenn sie deshalb nicht fragen kann, warum als Absender ein polnischer Name angegeben wurde. Daria Krawczyk. Weit hinten in ihrem Gehirn wohnt das Wissen, dass ihre Großmutter Polin war, im Krieg aus Polen flüchtete und im Libanon studierte und eine angesehene Chemikerin wurde, verheiratet mit einem Libanesen, ihrem Doktorvater. Sie kennt diese Großeltern nicht, weiß nichts über ihr Leben, auch nicht von ihrem Tod.
Der Roman spielt in Berlin, im Jahr 2014, ist Ausgangspunkt für die Rückblicke nach Beirut und München und für Lucys Reise. Nach einem Streit macht sie sich, die eigentlich Lyudmiła heißt, so wie ihre Großmutter, kurzerhand auf den Weg nach Polen. In Sopot will sie nun endlich einmal mit eigenen Augen sehen, wo ihre Wurzeln sind, will fühlen, wie es ist, dieses unbekannte Polen.
Die Autorin erzählt die Geschichte der drei Frauen in einzelnen Kapiteln, verknüpft mit Ereignissen bestimmter Jahre, die die Frauen verbinden. Man erfährt über Lyudmiła in Beirut, wie sie ihren Mann Amin kennenlernt, über ihr Studium, ihr Leben, ihre Arbeit und den Absturz in die psychische Tiefe nach der Geburt von Daria. Man ist dabei, wie sie ihre Tochter Daria in München besucht, um ihr Enkelkind zu sehen. Das ist die kleine Lyudmiła, kurz Lucy genannt. Das Miteinander ist selbst an den paar Besuchstagen nicht ganz einfach, aber die Großmutter freut sich dann doch. Und Daria und ihr Mann Robert sind im Endeffekt froh, die Besichtigung überstanden zu haben. Merkwürdigerweise setzen sich Missverständnisse und Zwiespälte zwischen den Generationen aber auch bei Daria und Lucy fort. Schwierig, über den eigenen Schatten zu springen.
Fazit: Lucys Reise nach Polen nimmt einen vollkommen anderen Verlauf, als sie sich das vorgestellt hat. Ich konnte den Sand zwischen den Zehen spüren und das leichte Schlagen der Ostseewellen auf dem Weg von Sopot nach Gdynia. Mir haben Lucys Gefühle, ihre Gedanken und all die Erlebnisse in Sopot sehr gefallen. Paola Lopez hat einen angenehmen Erzählstil, unterhaltsam, aber nicht beliebig. Manchmal nachdenklich, traurig und dann träumerisch oder ironisch. Das hat mich bis zum Schluss an diesen wunderbaren Roman gefesselt, den ich gerne mit fünf Sternen bewerte.

Bewertung vom 10.03.2025
Geheimnisvolles La Rochelle / La Rochelle Bd.3 (eBook, ePUB)
Vinet, Jean-Claude

Geheimnisvolles La Rochelle / La Rochelle Bd.3 (eBook, ePUB)


gut

Mord und Cognac

La Rochelle bildet den Hintergrund zu einem undurchsichtigen Kriminalfall, der Commissaire Chevalier von der dortigen Polizei und seine Kollegen ganz schön ins Schwitzen bringt, nicht nur wegen der warmen Außentemperaturen. Zuerst muss er jedoch einen gesellschaftlichen Termin absolvieren, bei dem er auch mit einer Dame zusammentrifft, die sich als äußerst arrogant und unbeliebt herausstellt. Die Austernverkostung verläuft mit etwas Verstimmung, denn jene Solène Flamant benimmt sich recht unkonventionell. Dann verschwindet sie, von ihrem Bruder George chauffiert, zu einem wichtigen Termin in La Rochelle.
Auf einer Jacht im Hafen von La Rochelle wird am nächsten Morgen eine Leiche entdeckt: Solène Flamant. Sie ist als Zwillingsschwester von George Drapin Miterbin einer renommierten Cognac-Dynastie, nicht mehr ganz jung, aber für gewisse Stunden auch noch nicht zu alt. Nach einem Rendezvous an Bord wurde sie erschossen. Kaum habe die Ermittlungen begonnen, gibt es eine zweite Leiche in einem anderen Ort, rund anderthalb Stunden von La Rochelle entfernt. Mit Sylvestre Gougeon ist wieder ein Mitglied einer Cognac-Dynastie zu Tode gekommen, dieses Mal von der direkten Konkurrenz der Drapins. Die Tatwaffe erweist sich als dieselbe. Noch tappt die Polizei im Dunklen. Wollten sich hier die Gegenspieler gegenseitig aus dem Wege räumen oder wer ist der unbekannte Täter, der es auf beide abgesehen hat? Als Leser hat man eine große Auswahl an Tatverdächtigen, die mehrfach in den Fokus der Ermittlungen geraten, es gibt ein spannendes Hin- und Her, das erst ganz am Ende des Buches aufgeklärt werden kann. Mehr verrate ich dazu nicht.
Chevaliers Privatleben rückt zeitweise verstärkt in den Vordergrund, einerseits, weil seine Frau Sandrine jeden Moment ein zweites Kind erwartet, andererseits, weil er bei den Ermittlungen seine ehemalige Geliebte Danielle wiedertrifft. Beides wirft ihn fast aus der Bahn, aber es gelingt ihm, die Ermittlungen in die richtige Richtung zu manövrieren und auch seine Frau und die Ex-Freundin nicht allzu sehr in Mitleidenschaft zu ziehen. Mir scheinen solche privaten Exkurse manchmal etwas überflüssig, das ist nicht nur bei diesem Krimi so, das trifft auf viele andere auch zu.
Die Geschichte und die Protagonisten tragen das eine oder andere Klischee, aber Land und Leute werden gut beschrieben, alles in allem eine abwechslungsreiche Unterhaltung. Dass man ganz nebenbei noch einige Details zur Cognac-Herstellung erfährt, ist auch nicht schlecht, führt aber zu einigen Längen. Die vielen, für deutsche Augen und Ohren ungewöhnlichen Namen der Personen und Orte brachten mich ab und an ins Grübeln, aber auch das ist ja Gewöhnungssache.
Der Showdown ist das eigentliche Highlight des Krimis und wirklich gut und spannend beschrieben. Man sollte auf keinen Fall die letzten Seiten zuerst lesen!
Fazit: Ein Krimi für zwischendurch, der auch ein bisschen zum Fernweh beiträgt. Frankreichliebhabern und solchen, die es werden wollen, kann ich ihn empfehlen.

Bewertung vom 06.03.2025
Bis ans Meer
Patzschke, Peggy

Bis ans Meer


ausgezeichnet

Wie Träume überleben können

Oder sollte ich lieber als Titel „Wie Menschen überleben können“ wählen? Beides würde zu diesem hinreißenden Roman gut passen. Ich kannte die Autorin Peggy Patzschke bis zu diesem Buch nicht, obwohl ich viele Reportagen und Dokus im MDR und bei 3Sat gesehen habe, war ihr Gesicht mir unbekannt. Sie könnte meine Tochter sein, ist nur zwei Jahre älter als meine Älteste, ich könnte ihrer Mutter begegnet sein, als ich Anfang der 1970er in Leipzig Buchhändler lernte. Alles fiktiv. Aber es interessiert mich schon, woher Autoren kommen, was sie zu solch tiefgreifenden und die eigene Familie betreffenden Büchern bewegt. Über Eltern, Großeltern, Verwandte zu schreiben, auch über Verstorbene, Gefallene, Vermisste, das erfordert schon eine Menge Mut und auch Durchhaltevermögen, so jedenfalls meine eigene Erfahrung. Und so ein Buch schreibt sich nicht über Nacht. Ich bewundere die Autorin, die nicht nur Fakten recherchiert und aufgeschrieben hat, sondern darum einen ganzen, bewegenden und sehr gut lesbaren Familienroman entstehen und auch ihre eigene Geschichte mit einfließen ließ. Peggy Patzschke hat es jedenfalls geschafft, den „Reißverschluss der Seelen“ zu öffnen.
Ich habe zuerst nur das Hörbuch gehört und bin dann immer wieder zwischen Buch und Hörbuch hin- und hergewechselt, die letzten Kapitel habe ich nur gelesen. Beides hat mich absolut gefesselt. Egal, ob es ihre Großmutter Frieda, ihre Mutter Erika, der Großvater Karl oder Freunde und Verwandte sind, alle Romanfiguren werden von Peggy Patzschke mit liebevoller Zuneigung und Respekt gezeichnet. Wie die Großmutter mit ihrer damals noch kleinen Tochter auf die Flucht aus dem schlesischen Brieg gehen muss, wie sie tatsächlich noch einmal ins eigene Haus zurückkehren können, was die sowjetische Besatzung und die neue polnische Bevölkerung ihnen auch antun, sie kämpfen sich durch. Dass nicht jeder Sowjetsoldat ein Vergewaltiger oder herzlos und schlecht war, beruhigt ein wenig. Besonders, wenn man, wie ich, aus der eigenen Familie auch schreckliche Erlebnisse erfahren hat. Dieses harte Leben nach der Kapitulation Nazideutschlands und der Verlust der Heimat sind fürchterliche Dinge, mich haben die Erzählungen auch in diesem Buch wieder sehr bewegt und mir viele nachdenkliche und traurige Stunden beschert.
Wer die deutsche Geschichte kennt, über Flucht und Vertreibung sehr viel weiß, den wird dann auch nicht verwundern, dass Großmutter Frieda und die Kinder noch ein zweites Mal ihr Zuhause verlieren und vertrieben werden. In Ostdeutschland werden sie als zuerst unbeliebte und verabscheute „Umsiedler“ dann doch ein neues und dauerhaftes Zuhause finden. Die Sehnsucht nach Brieg wird ihnen bleiben. Und die alles verzehrende Liebe zu Ehemann und Vater Karl, den sie nach dem Krieg schmerzlich vermissen.
Mehr zum Inhalt will ich nicht verraten, dieser Roman birgt für den Leser aber noch jede Menge an Überraschendem, an Traurigkeit und trotzdem auch Glück. Also hier kein Spoiler!
Diese Familiengeschichte birgt aber auch das, was heute als das „Kriegsenkeltrauma“ beschrieben wird. Es gibt unterdessen zahlreiche Romane, Biografien, Sachbücher zu diesem Thema. Peggy Patzschke erlebt(e) es am eigenen Leib, wie die Traumata von Großmutter und Mutter in ihr selbst wieder auferstehen. Misstrauen und Angst, mangelndes Selbstbewusstsein oder zu viel davon, es treibt sie um, die Erkenntnis um die Ursachen ist überaus schmerzlich. Sie gibt einiges davon in ihren Heute-Kapiteln und im wundervollen Epilog preis. Sehr offen und mutig.
Ich kann vieles in diesem Roman mit meiner eigenen Familiengeschichte vergleichen, obwohl die Ausgangspunkte sehr unterschiedlich sind, finde ich viele Schnittlinien. Ob es der Gedanke der Autorin ist, mit Mutter und Großmutter bis ans Meer zu reisen oder ob ich mit meinem Mann und meiner Mutter in ihre jetzt polnische Heimatstadt gefahren bin, wir haben langgehegte Wünsche erfüllt.
Fazit: Ein spannender und emotional bewegender Familienroman, die Geschichte der Autorin Peggy Patzschke lässt keine Wünsche offen. Das Hörbuch ist durch die Sprecherin Jana Kozewa wie ein Film in meinem Kopf abgelaufen. Mein Lieblingszitat dieses Buches ist „Ja, man hängt sehr am Leben, egal wie erbärmlich es ist.“
Buch und Hörbuch bekommen von mir volle 5 Sterne.

Bewertung vom 05.03.2025
KUNTH Unterwegs in Bayern
KUNTH Verlag

KUNTH Unterwegs in Bayern


sehr gut

Ein wirklich großes Reisebuch

Bei den Vorbereitungen der nächsten Reise nach Bayern wird mir dieses Buch gute Dienste leisten. Es heißt im Untertitel nicht umsonst Das große Reisebuch! Da ich bereits einige Male in Bayern war, wenn auch immer nur kurz, habe ich zuerst mir bekannte Ort angesehen. So bekam ich ein Gefühl dafür, was den Autoren und Gestaltern besonders am Herzen liegt.
Als erstes Beispiel möchte ich hier Nürnberg herausgreifen, es liegt in der Region Nordbayern/Mittelfranken. Nach einer kleinen Einführung und versehen mit einem Stadtplanausschnitt kann man sich den kurzen und präzisen Erklärungen der Sehenswürdigkeiten widmen. Die kleinen Nummern helfen, schnell im Stadtplan den Standort zu finden. Anstatt die abschließende Doppelseite „Stadt der Reichsparteitage“ zu nennen, wäre „Stadt der Erinnerungskultur“ aus meiner Sicht zeitgemäßer.
Mit besonderer Freude habe ich den Teil Südbayern, mit München, gelesen und auch angeschaut. So viele wunderschöne Sehenswürdigkeiten, Naturwunder und Ausflugsziele hat wohl kaum eine Landschaft auf so kleinem Raum vereint. Es ist nicht übertrieben, München scheint wirklich die nördlichste Stadt Italiens zu sein. Man weiß kaum, wofür man sich entscheiden soll, natürlich muss man in den Englischen Garten gehen, und jede Kirche empfängt den Besucher mit Glanz und Übersinnlichem. Gerade hier im Münchener Abschnitt hätte ich mir ein Foto vom Inneren z. B. von St. Peter als Doppelseite gewünscht. Auf dem kleinen Foto auf S. 271 verschwinden die fantastischen Details leider völlig. Mein Liebling in München ist das Lenbachhaus, nicht nur, weil es ein so „pompöses Stadtschlösschen“ ist, sondern auch, weil sich dort meine Lieblingsmaler Münter und Kandinsky mit den Blauen Reitern ein Stelldichein geben. Mit der Doppelseite des wunderschönen Schlosses Nymphenburg endet dann schon fast der Reigen der Städte und Ziele.
Ohne einen einzigen Schritt vor die Tür bin ich stundenlang in Bayern unterwegs gewesen. Insgesamt hat mir dieser Ausflug wunderbar gefallen, ob Rothenburg oder Regensburg, ob Chiemsee oder Kochelsee, ob Obersalzberg oder Dachau, alles ist erwähnt. Mit besonderer Hingabe wurden wohl die Fotos rund ums „Schwäbische Meer“ ausgesucht, einfach zum Verlieben.
Zum Abschluss werden noch fünf verschiedene Routen präsentiert, die gut und gerne Jahresurlaube füllen könnten. Wer nicht so viel Zeit hat, kann sie natürlich auch teilen oder einfach etwas auslassen. Wobei die Entscheidung auch schwerfallen könnte. Gute Ideen werden jedenfalls auf jeder Seite präsentiert.
Auf Anschriften, Öffnungszeiten, Hotels, Internetadressen etc. wurde zu Gunsten der Fülle an Zielen verständlicherweise verzichtet. Einerseits ändert sich vieles schneller, als dass eine Nachauflage es berichtigen könnte. Andererseits ist jeder heute mit dem Internet schnell an der richtigen Stelle und findet gewünschte Auskünfte. Ein bisschen Arbeit muss man sich als Reisender eben dann doch machen, wenn man seinen Urlaub genau planen will. Ein hilfreicher Begleiter bei der Vorbereitung ist das Buch auf jeden Fall. Zum Mitnehmen ist es vielleicht für Leute mit Caravan oder SUV geeignet. Ich ziehe dann doch einen kleinen Reiseführer oder mein iPhone für die Handtasche vor.
Einige (auch kritische) Worte zur Gestaltung: Der Bundsteg ist recht eng bemessen, so dass bereits beim Inhaltsverzeichnis auf der linken Seite die Seitenzahlen kaum vollständig lesbar sind. Apropos Inhaltsverzeichnis: etwas ausführlicher hätte ich es mir gewünscht. München ist als einzige Stadt verzeichnet. Zu jeder Landschaft drei, vier Städte oder besondere Ziele würden es dem Nichtbayern (ich bin aus Norddeutschland, Geografieunterricht liegt weit zurück) etwas leichter machen bei der Orientierung auf den ersten Seiten.
Dank Fadenheftung lässt es sich gut aufklappen, ohne Seiten zu verlieren. Für ein fortlaufendes Lesen ist der Fließtext recht klein, die Überschriften und Vorspanntexte sind angenehm lesbar. Die doppelseitigen Ansichten von besonderen Ausflugszielen und Sehenswürdigkeiten lassen das Auge immer mal ausruhen. Die „Mehr entdecken“-Doppelseiten fallen durch ihre wuchtige Gestaltung etwas aus dem Rahmen. Ganz am Ende benötigt man für das Register dann doch noch eine Lupe oder zumindest eine starke Lesebrille. Dagegen ist die Ortslegende für den Reiseatlas ein wahrer Augenschmaus.
Der Einband ist biegsam, dadurch wird das Buch auch etwas leichter. Auf der Rückseite ist der Titel sehr ansprechend. Auf der Titelseite ist „Unterwegs in“ sehr schlecht lesbar, durch den halbtransparenten Druck verliert der Titel insgesamt die Aufmerksamkeit, die er eigentlich erreichen will. Das untere Foto mag bayerntypisch sein, lockt mich aber nicht so sehr.
Fazit: ein allumfassender Reiseratgeber für Bayern, kurze, präzise und angenehm zu lesende Texte, eine Fülle an Fotos, einige Stadtpläne, Routenpläne und ein Reiseatlas lassen kaum Wünsche offen. Ich glaube, nichts wurde vergessen in diesem Reisebuch! Beste Vorbereitung auf einen Urlaub – egal ob kurz oder lang.

Bewertung vom 04.03.2025
Ein ungezähmtes Tier
Dicker, Joël

Ein ungezähmtes Tier


ausgezeichnet

Fauve(s) – Raubtiere zwischen Liebe und Verrat, zwischen Gier und Verlust

Fauve, mit bürgerlichem Namen Philippe, ist von Anfang an dabei, er tritt erst später ins Rampenlicht, sein Spitzname ein Menetekel. Aber bis zu seinem Erscheinen lernt man unterschiedlichste Protagonisten kennen, das ist ein echtes Bühnenspektakel: Sophie und Arpad, so leben die Reichen und die Schönen, ehe man hinter die Kulissen schaut. Sie Anwältin, er Bänker, zwei Kinder, ein tolles Haus und stinkreiche Verwandte. Karine und Greg, sie wohnen „nur“ in der Kolonie, was so viel wie das mittelständische Armenviertel im Reichenviertel ist. Auch hier zwei Kinder, sie arbeitet in einer Boutique, er ist Polizist. Man kennt sich, man verkehrt (notgedrungen) miteinander, man nähert sich an. Jeder auf seine Weise. Karine bewundert Sophie, Greg verzehrt sich nach ihr. Arpad dazwischen, geplagt von Zweifeln. Und jeder hat seine Geheimnisse, wohl verwahrt und gehütet. Bis Fauve mit Macht auf den Plan tritt.
Über den Verlauf der Geschichte möchte ich hier so wenig wie möglich preisgeben, nur so viel, es erstaunte mich immer wieder, welche Feinheiten und Gemeinheiten Dickers Protagonisten in petto haben und wie leichtgläubig sie teilweise auch wieder sind. Dreh- und Angelpunkt ist ein geplanter Raubüberfall, minutiös geplant – für den 2. Juli 2022 – und beschrieben. Immer wenn man als Hörer denkt, jetzt, jetzt wird alles aufgelöst, geht es an anderer Stelle, zu anderer Zeit, mit neuen Enthüllungen weiter. Einfach perfekt! Es wurde mir jedenfalls keine Minute langweilig.
Der Aussage des Verlages „Ein schillerndes Ehepaar und ein raffinierter Juwelenraub: Dickers bestes Buch!“ stand ich anfangs doch etwas skeptisch gegenüber. Ist es wirklich Dickers bestes Buch? Oder ist es nicht vielmehr so, dass meistens seine Neuerscheinungen in Deutschland Vorschusslorbeeren bekommen, da sie bereits in Französisch und damit in mehreren Ländern erschienen und bewundert wurden? Der Name Joël Dicker jedenfalls zieht!
Und er hat es bei mir wieder geschafft, ich konnte nicht aufhören mit dem Hören, dieser Schriftsteller hat magnetisierende Eigenschaften. Seit ich 2013 „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ gehört habe, auch damals schon las Torben Kessler diesen Roman mit perfekter Stimme und Einfühlungsvermögen, habe ich jedes Hörbuch von Dicker gehört. Seine Romane sind nie eine pure Abfolge von Ereignissen, die Zeiten verschwimmen, immer springt er vor und zurück, lässt kleine Wahrheiten und Enthüllungen aufpoppen, hat ein rasantes Tempo und doch dauert es auch hier über neun Stunden, bis die Auflösung aller Rätsel erfolgt. Einfach genial.
Dass die Übersetzung genial ist, muss ich noch hinzufügen. Auch das Cover erhält von mir die verdienten 5 Sterne, der Blick ins Glashaus wirkt so echt, wie die Beschreibung im Buch es tut: aufregend und blutdrucksteigernd.
Fazit: Fesselnd bis zum Schluss, toll geschrieben und wunderbar gelesen. Ganz große Empfehlung.

Bewertung vom 27.02.2025
Gesund mit Visite - Bluthochdruck
Visite

Gesund mit Visite - Bluthochdruck


ausgezeichnet

Kleiner, feiner Ratgeber

Der NDR mit seiner Visite-Sendung und den Ernährungs-Docs ist mir schon lange ein Begriff, auch von den gesunden Rezepten in Buchform habe ich schon profitiert (So einfach geht gesund essen), jetzt liegt mit dem Bluthochdruck-Buch etwas Neues auf meinem Tisch. Ein kleiner Ratgeber, überschaubar in Größe und Umfang, sehr ansprechend gestaltet. Besonders freue ich mich darüber, dass auch das Vorwort von Vera Cordes, die sonst Visite im TV moderiert, einen angenehmen Ton anschlägt und vor allem, dass ich gesiezt werde. Ratgeber-Autoren habe leider oftmals die Angewohnheit, ihre Leser von vornherein zu duzen, wenn man 70 ist, findet man das nicht unbedingt angemessen. Also dafür schon mal ein herzliches Danke an das Verlagsteam.
Zum Cover: es spricht an! Und jedes Zipfelchen Papier wurde genutzt. Die vordere Klappe gibt dem Leser einen kurzen Überblick, was ihn im Buch und mit dem erhöhten Blutdruck erwartet bzw. was vom Leser erwartet wird. Im Inneren erweist sich dieser Vorgeschmack als berechtigt. Gut lesbare Texte (Schriftgröße und Papier/Papierfarbe sind stimmig), die Grafiken übersichtlich und einprägsam. Fragen und Antworten sind komplex, verständlich und hilfreich. Sehr gut gefiel mir der Beitrag von Prof. Metzner.
Nach den ersten 50 Seiten beginnt ein ab wechslungsreicher Rezeptteil. Schön finde ich die Idee, die Rezepte für zwei Personen zu berechnen, das entspricht zumindest meinem Bedarf. Wobei ich noch nicht weiß, ob auch mein Gatte an allen Gerichten Freude haben wird. Aber dann könnte ich ja für mich auf „Vorrat“ etwas zubereiten und ihm was Herzhaftes kochen. Auf jeden Fall probiere ich einmal das Orientalische Hähnchen-Couscous. Das schmeckt mir schon beim Lesen!
Im dritten und letzten Teil beschäftigt sich der Ratgeber mit dem Bewegungskomplex. Ich schreibe bewusst nicht Sport, weil das für manchen Leser vielleicht abschreckend ist. Es geht einfach um ein paar Übungen, die fast jeder machen kann und die sich ohne Fitnessstudio umsetzen lassen. Dann geht es noch um die Seele und was jeder seiner eigenen Seele Gutes tun kann. Man muss nur dran denken und es nicht immer verschieben.
Zu guter Letzt die hintere Umschlagklappe mit einem besonderen Augenmerk auf dem Salzverbrauch, der (wie der Zuckerverbrauch) einen erheblichen Einfluss auf den Blutdruck hat. Gute Ratschläge, im Alltag gar nicht so leicht, sie immer zu berücksichtigen. Aber es ist schon gut, wenn man immer daran denkt, das wird den Salzverbrauch vielleicht fast selbstständig etwas verringern.
Fazit: Wer mit hohem Blutdruck konfrontiert ist, oder ihn vermeiden möchte, ist mit diesem Ratgeber bestens beraten. Mehr braucht man gar nicht. Von mir 5 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.02.2025
Für Polina
Würger, Takis

Für Polina


ausgezeichnet

„… AND MOVED MY HEART“

Dieser neue Roman von Takis Würger hat nicht nur, wie ich es im Titel zitiere, mein Herz bewegt, er ist mir tief eingedrungen in Herz und Seele und Verstand. Ich habe vor Jahren „Stella“ gelesen, seitdem sehr viel anderes, aber kein weiteres Buch von ihm. Das könnte sich nun auch rückwirkend ändern. Ich habe schon einige Rezensionen zu „Für Polina“ gelesen, die allermeisten Leser sind begeistert und berührt. Da stimme ich gern zu. Der Inhalt wurde jedoch schon oft genug beschrieben, das will ich also nicht wiederholen.
Was mich an diesem Roman besonders fasziniert hat, ist die Tatsache, dass ich ein recht unmusikalischer Mensch bin, aber bei diesem Buch von der ersten bis zur letzten Zeile immer das Gefühl hatte, ich hörte leise im Hintergrund Musik und lauschte „dem Rhythmus“ der Wörter von Polina und der Gedanken von Hannes. Dieses ungleiche Königskinderpaar ist ein literarisches Geschenk, man kann sich ihrer Geschichte hingeben, egal ob sie zusammen sind oder getrennt. Hannes, der zierliche und willensstarke junge Mann, wird zu jedermanns Überraschung ein MOVER, ein Möbelpacker mit ganz besonderen Fähigkeiten. Die versteckt er gut, auch seine Gedanken und Gefühle hält er unter Verschluss. So fällt es nicht nur Polina schwer, ihn zu erkennen und zu durchschauen.
Im Zusammenhang mit Erkennen und Durchschauen erfand Takis Würger eine der wunderschönsten Wortschöpfungen heutiger Zeit: die Schwerbegrifflichen. Davon gibt es wahrlich genug. Hannes gehört definitiv nicht in diese Kategorie, auch wenn er manchmal länger über etwas nachdenken muss, ehe er sich Klarheit im Kopf verschaffen kann. Bei ihm könnte man das eher Sezieren als Nachdenken nennen.
Die jahrelange Freundschaft zu seinem Arbeitskollegen Bosch ist etwas ganz Besonderes in diesem Roman. Ich habe diese Figur, den türkischen Möbelträger mit dem großen Herzen, in mein eigenes Herz geschlossen wie einen guten Freund.
Auch die anderen Protagonisten, die nach und nach auftauchen und bisweilen wieder verschwinden, beschreibt Takis Würger wahrhaftig und genau, egal wie groß oder klein ihre Rolle im Roman ausfällt. Niemand ist nur da, alle hinterlassen Spuren. Besonders Hannes‘ Mutter bleibt bis zum Ende des Romans immer im Gedächtnis, in seinem und in meinem auch. Dazu trägt auch die Figur des Heinrich Hildebrand bei, der tiefer in Hannes Seele schaut als alle anderen. Bisweilen geht auch Materielles verloren, bisweilen taucht es wieder auf. Jede Seite bringt eine andere Überraschung ans Licht.
Ein Zitat habe ich mir bis zum Ende aufgehoben: „Vielleicht ist Liebe nur ein anderes Wort für Hoffnung.“ Diese Erkenntnis behalte ich in Erinnerung. Und freue mich auf Neues und Altes von Takis Würger. Ich habe gelesen, dass er unter anderem in Cambridge Ideengeschichte studiert hat, das passt gut zu seiner überraschenden Leichtigkeit und Finesse in der Wahl jedes Wortes, in der Formulierung jeder Idee. Für mich ist dieses Buch dadurch ein literarisches Feuerwerk geworden, und ich fühlte mich wie ein Freischwimmer im Rhein bei Basel, der vom Fluss der Worte hinweggetragen wird und am Abendhimmel dem Feuerwerk mit Musik zusieht.
Fazit: Für mich schon jetzt das schönste Buch des Jahres, und unbedingt buchpreisverdächtig. Mehr als 5 Sterne sind ja leider nicht möglich.