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Arizona

Bewertungen

Insgesamt 23 Bewertungen
Bewertung vom 27.06.2023
Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)
Boyle, T. C.

Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)


ausgezeichnet

Der neue Boyle-Roman greift ein wirklich aktuelles Thema auf: den Klima-Wandel.

Wie lebt es sich in Nordamerika unter den veränderten Klimabedingungen? Die Familie von Cooper, dem Insektenforscher, wird ganz schön gebeutelt: Da gibt es Waldbrände in Kalifornien, und Überschwemmungen in Florida. Cooper versucht sein Leben in all dem Chaos um ihn herum in der Griff zu bekommen. Sein spezielles Forschungsobjekt ist der vom Aussterben bedrohte Monarchfalter.

Dann gibt es da noch seine Schwester Cat, die sich als allein-erziehende Mutter durchschlagen muss. Und seine Mutter, die auch versucht, ein möglichst normales Leben zu führen, trotz aller Widrigkeiten. Was können sie tun, um sich an die geänderten Bedingungen anzupassen?

Gleich der Anfang hat mich überzeugt, denn alles startet mit einer Schlange, die Cat sich anschafft. Herrlich schräge Typen, typisch Boyle. So war der Roman - trotz des ernsten Themas - auch durchaus "amüsant" bzw. unterhaltsam. Aber klar, das Lachen bleibt dann bei den ganzen Umweltkatastrophen eher im Halse stecken. Ein erschreckender Ausblick in eine mögliche Zukunft!

Bewertung vom 21.04.2023
Seemann vom Siebener
Frank, Arno

Seemann vom Siebener


sehr gut

Ein Tag im Freibad, auf dem Dorf. Eigentlich ist auf den ersten Blick alles idyllisch. Aber es wird recht schnell klar, dass damals etwas vorgefallen ist im Freibad, und dass dieses Ereignis von damals noch seine Schatten wirft.

Viele Personen sind an diesem Spätsommertag im Freibad: Josefine, deren Mann Max gerade einen tödlichen Autounfall hatte. Der damalige beste Freund der beiden, Lennart, kommt anlässlich der Beerdigung zurück in seine Heimat. Dann gibt es noch den Bademeister Kiontke und die Kassiererin Renate. Die Kindergärtnerin, ein Mädchen mit ihrem Bruder, eine alte Frau etc... Jede Person ist individuell ausgearbeitet, so sprechen auch manche mit Dialekt, und mache sind auch recht humorvoll konstruiert.

Das Buch ist in kurzen Episoden erzählt, nach und nach setzt sich so ein Bild zusammen. Es gibt auch Rückblicke und alte Beziehungen werden beleuchtet. Mir war manches zu plakativ, manche Figuren waren überzeichnet, wie eine Karikatur. Aber ein bisschen Humor kann ja auch mal nicht schaden, und so war es recht unterhaltsam. Und andere Figuren haben dann wieder mehr Tiefe geboten.

Zum Titel: Ein Seemann ist ein Sprung, ohne Hände mit dem Kopf voran. Diesen Sprung möchte eine/r der Personen heute vom Siebener machen. Quasi als eine Mutprobe, um eine Angst zu überwinden. Warum, was steckt dahinter? Zum Schluss klärt sich alles auf, die Spannung bleibt also bis zu den letzten Seiten bestehen. Der Schluss ist sehr gut gelungen!

Bewertung vom 10.03.2023
Siegfried
Baum, Antonia

Siegfried


ausgezeichnet

Zum Titel des Romans: Siegfried ist der Stiefvater der Erzählerin, der für sie in ihrer Kindheit/ Jugend eine wichtige Bezugsperson war.

Interessant finde ich den Handlungsort des Romans: Die (namenlose) Frau hat an dem Morgen starke Angstgefühle, nachdem sie am Abend Streit mit ihrem Mann hatte, und sie beschließt daher mit dem Taxi in die Ambulanz der psychiatrischen Klinik zu fahren. Dort sitzt sie im Wartezimmer und erinnert sich in Rückblicken an verschiedene Episoden aus ihrem Leben. Und so setzt sich wie bei einem Puzzle Stück für Stück ein Bild zusammen. Mir als Leserin ging es darum zu verstehen, wieso es ihr psychisch so schlecht geht, und durch die Geschichten erklärt sich einiges.

Da geht es um Urlaube als Kind bei Siegrids Mutter Hilde, um das Kennenlernen mit ihrem Mann Alex, ihrer großen Liebe, der aber auch oft recht aufbrausend sein kann. Und natürlich um ihre Mutter und Siegfried, die eine sehr schwierige Beziehung führen.

Die Erzählerin ist Autorin, ist aber mit ihrem neuesten Roman überfällig, denn sie hat eine Schreibblockade. Ihr Mann ist Barkeeper, und die 3-köpfige Familie hat aktuell großen Geldprobleme. Und so gibt es einige Steine, die dem Glück im Wege zu liegen scheinen.

Als Leser*in ist man natürlich auch gespannt, was die Ärzte sagen werden, welche Diagose es geben wird und wie es für sie weitergehen wird. Aber das Ende verrate ich hier natürlich nicht. Der Roman ist sprachlich toll geschrieben, und ich konnte die Verzweiflung der Frau gut nachvollziehen.

Bewertung vom 04.02.2023
Salomés Zorn
Bekono, Simone Atangana

Salomés Zorn


sehr gut

Wie der Titel schon sagt, das Buch handelt von einer wütenden Protagonistin. Es geht um Alltagsrassismus, der Roman spielt in der Provinz in den Niederlanden. Salomé lebt dort mit ihren Eltern und ihrer Schwester. Ihr Vater kommt aus Kamerun. Sie wird in der Schule aufgrund ihrer Hautfarbe gemobbt, die Kinder beschimpfen sie und machen sich über sie lustig. Mit der älteren Schwester gibt es oft Streit, die Mutter ist sehr passiv. Der Vater ist Salomés Bezugsperson in der Familie. Als Reaktion auf ihren Ärger in der Schule kauft er einen Punchingball, für das Boxtraining in der Garage, damit sie sich wehren kann…

Am Beginn des Buches sitzt Salomé für sechs Monate in Jugendhaft, man weiß nicht was passiert ist und ich verrate es natürlich auch nicht! Nur soviel, es geht darum, wie Gewalt entsteht und wie sich viel kleine Ereignisse und Verletzungen auf die Psyche eines Menschen negativ auswirken können, und vor allem als Teenager.

Salomé schildert zum einen den Alltag in dem Jugendknast, so auch die Therapiesitzungen, wobei sie ein Problem mit der Person ihres Therapeuten Frits hat. Auch dort ist das Leben natürlich nicht einfach. Dann gibt es aber auch viele Rückblenden, es geht um die Schule und natürlich um ihre Familie. Der Roman ist recht derb von der Sprache her, aber es passt. Erstaunlich fand ich, dass die Familie doch eher gut-bürgerlich ist, und auch Salomé selbst ist gebildet, geht aufs Gymnasium und sie liest gern. Also auch in diesem Umfeld kann sich so eine Geschichte abspielen, es ist wirklich beklemmend geschildert, wie eins zum andern kommt. Hut ab für diesen Debüt-Roman! Vor allem das Finale entwickelte bei mir einen Lesesog und ich habe das letzte Drittel in einem Rutsch gelesen. Hier führen alle Fäden zusammen, eine runde Sache, sprachlich top! Vor allem für jüngere Leute eine Empfehlung.

Bewertung vom 25.01.2023
Erschütterung
Everett, Percival

Erschütterung


gut

Das Kind erkrankt an einer unheilbaren Krankheit, was natürlich eine große Belastung für die ganze Familie bedeutet. Für den Vater Zach Wells, Dozent an der Uni und gefangen in einer unglücklich wirkenden Ehe, dreht sich sein Leben größtenteils um seine Tochter. Dann treten bei ihr die ersten gesundheitlichen Probleme auf, erst Sehstörungen, dann auch Gedächtnislücken und Anfälle. Das Leben gerät aus den Fugen - daher der Titel.

Es gibt aber noch einige Nebenspielplätze, so z.B. die einsame Kollegin an der Uni, die keine Festanstellung bekommt, dann die Geschichte seines depressiven Vaters. Und noch der zweite Erzählstrang, wo Zach mit der Lieferung eines Pullis, den er online bestellt hat, einen Zettel mit einem Hilferuf einer mexikanischen Frau erhält. Das lässt ihm keine Ruhe und er fängt an Detektiv zu spielen. Dies macht er - denke ich - um sich von Schicksal seiner Tochter abzulenken, um irgendwo anders helfen zu können, wenn er es schon zuhause nicht kann. Ja, es ist quasi eine Flucht.

Für mich wirkt es aber sehr weltfremd, denn ist es wirklich zielführend seine Frau mit ihren Schmerz allein zu lassen, um in der Weltgesichte herumzureisen und zu versuchen dort etwas zu bewirken, was man zuhause nicht kann. Für mich gar nicht nachvollziehbar, und es hat mich wütend gemacht.

Für mich ist ein Buch schwer zu lesen mit diesem Thema, dass ein Kind schwer erkrankt. So habe ich das Buch auch einmal abgebrochen, mich aber dann für die letzten Kapitel noch einmal aufgerafft. Aber das Ende war für mich zu absurd. Alles in allem für mich keine gelungene Mischung, und deutlich zu viel Drama, auf allen Ebenen. 2,5 Sterne

Bewertung vom 25.01.2023
Auszeit
Lühmann, Hannah

Auszeit


gut

Die Ich-Erzählerin Henriette und ihre Freundin Paula verbringen einen Urlaub im Ferienhaus auf dem Land.

Henriette blickt zurück, ihr Leben scheint zuletzt etwas aus dem Ruder gelaufen zu sein, und sie fragt sich was sie will bzw. wie es bei ihr weitergehen soll, was gut für sie ist. Ist das alles Zufall, oder ist das Leben ein schlechter Witz, soll sie vor sich hinleben und weiter abwarten, oder will sie endlich Entscheidungen treffen? Da gibt es die Sache mit Tobias, dem Inhaber des Cafes, in dem sie jobbt. Was ist da passiert?

Ihre Freundin Paula ist pragmatisch und sanft, und sie hofft, dass Henriette ihre Probleme hinter sich lässt und nach vorne schauen kann. Daher kommt ihr die Idee, dass ein gemeinsamer Urlaub auf dem Land gut tun wird. Auch bei ihr läuft nicht alles rosig, so hat sie sich gerade von ihrem Freund getrennt. Aber ihr Motto: Alles wird gut!

Schön fand ich, wie geschildert wird, wie die Natur und das Spaziergehen wohltuend auf die Seele wirkt. Auch fand ich es zunächst recht spannend, weil man als Leserin gerne wissen möchte, was genau passiert ist und was in Henriettes Leben so schief gelaufen ist bisher.

Aber schnell nervt die Protagonistin mit ihrem Selbstmitleid. Paula dagegen ist zu lieb, sie opfert sich fast auf, und sie hat ja auch selbst Probleme - aber die Freundschaft scheint recht einseitig zu sein, was das Geben und Nehmen angeht.

Bewertung vom 25.01.2023
Der letzte Sommer in der Stadt
Calligarich, Gianfranco

Der letzte Sommer in der Stadt


gut

Der Roman erschien erstmals in Italien im Jahr 1973. Bei dieser aktuellen Ausgabe handelt es sich also um eine Wiederentdeckung des damaligen Kult-Buches.

Zur Handlung: Leo Gazarra, Ende 20, zieht von Mailand nach Rom, um dort als Korrespondent zu arbeiten. Dort verliert er aber nach kurzer Zeit den Job, und dann lässt er sich treiben und verliert so nach und nach den Boden unter den Füßen. Er versucht eher halbherzig seine Karriere als Journalist in Gang zu setzten - beim TV, dann bei einer Sportzeitung - jedoch klappt es nicht so wirklich. Daher sind auch seine Geldprobleme prägend für seinen Alltag. Lieber ist er sowie mit seinen intellektuellen Freuden unterwegs. Auf einer Party lernt er Arianna kennen und verliebt sich in sie. Aber die Beziehung der beiden ist auch eher problematisch. Auf mich wirkt das alles sehr unreif. Und vor allem, es fliesst reichlich der Alkohol, das ist so gar nicht mein Fall. (Zitat: "Ich war von morgens bis abends blau.") Ich kann es gar nicht nachvollziehen, wie man so leben kann. Die Geschichten in Rom sind wohl durch die Biografie des Autors geprägt.

Dazu kommt noch, dass ich einige Formulierungen als recht komisch empfand. Vielleicht liegt dies auch an der Übersetzung, z.B. die so oft auftauchende Metapher, dass Leo "die Segel setzt", wenn er irgendwo verschwinden will. Das ist für mich so unpassend, dass ich mich echt daran gestört habe. Dann gibt es noch eine Szene, wo er und sein Freund auf einer Party eine Frau sehen, und der Freund fragt: "Wem gehört sie?" - das fand ich auch sehr befremdlich. Obwohl die Sprache stellenweise auch sehr schön ist. Am Anfang hatte mich noch die Atmosphäre von Rom beeindruckt. Im Mittelteil war dann sehr alkohol-lastig. Im letzten Drittel konnte mich das Buch wieder etwas versöhnen, aber unterm Strich war es nicht so meins.

Bewertung vom 25.01.2023
Die Feuer
Thomas, Claire

Die Feuer


sehr gut

Der ganze Roman spielt während einer Theatervorstellung: 3 Frauen aus 3 Generationen sehen ein Stück von Samuel Beckett: Literaturprofessorin Margot, Anfang 70, Stiftungsgeberin Ivy, Anfang 40 und die Platzanweiserin und Schauspielstudentin Summer, Anfang 20. Die Handlung des Stücks ist recht skurril, da die Hauptakteurin bis zur Taille in einem Erdhügel feststeckt und quasi einen Monolog hält.

Der Roman spielt in Melbourne / Australien während der schweren Waldbrände. Die Gedanken der Frauen schweifen während der Aufführung immer wieder ab. Die Kapitel sind abwechselnd aus Sicht jeweils einer der Frauen erzählt. Die Handlung auf der Bühne bietet immer wieder Anlass zu eigenen Überlegungen, oder auch zu Rückblicken. Interessant gemacht. So erfährt man nach und nach einzelne Bruchstücke aus dem Leben, über die Familiengeschichten. Und in der Pause treffen diese Frauen sogar aufeinander.

Es ist nur ein dünnes Buch, es ist in recht kurze Kapitel unterteilt und es liest sich locker und schnell. Aber der Inhalt ist tiefgreifend, denn es geht um einige Probleme und Ängste der Frauen. Gut finde ich, dass das Fazit eigentlich ist, dass alle Frauen die Entscheidung treffen, dass sie - um eine Lösung ihrer Probleme finden zu können - wichtige Gespräche führen müssen, und so endet der Roman trotz des offenen Endes (mit dem Ende der Vorstellung) für mich doch recht zuversichtlich.

Das war mal eine ganz andere Geschichte, und es ging für mich auf, wie die Autorin immer wieder Bruchstücke aus den Gedanken der Frauen präsentiert hat. Allerdings sind es schon viele Themen, die aber nur kurz angerissen werden (Eheprobleme, Umweltschutz, Identität, Diskriminierung etc.)

Bewertung vom 25.01.2023
Der Schneeleopard
Tesson, Sylvain

Der Schneeleopard


weniger gut

Der Autor Sylvain Tesson begleitet den Tierfotografen Vincent Munier nach Tibet, auf die Suche nach dem Schneeleoparden. Diese dünne Büchlein mit seinen 186 Seiten hat meine Geduld doch ganz schön auf die Probe gestellt.

Ich kenne Muniers Arbeiten und finde seine Fotos wirklich wunderschön. Auch habe ich schon Dokumentationen über den Schneeleoparden gesehen, und war fasziniert von den scheuen Tieren, sowie von der Landschaft, den Bergen Tibets.

Trotzdem hat mich dieses Buch über weite Teile sehr gelangweilt. Es begann noch recht interessant, es werden die Herausforderungen für den Autor deutlich, der selbst Läufer und auch Redner ist, und viel auf Reisen - also immer in Bewegung. Dies bildet einen starken Kontrast zu dem auf der Lauer liegen, der Stille bei den Tierbeobachtungen. Dann beginnt die Reise nach Tibet mit Munier, seiner Freundin und einem weiteren Freund. Das Klima ist rau, es sind meist -20 Grad. Sie sehen Wölfe, Antilopen, Yaks. Dies ist alles sehr unspektakulär beschrieben, für mich war dies kein bisschen abenteuerlich zu lesen.

Ich hätte mir gewünscht Munier näher kennenzulernen, oder mehr über die Tiere zu erfahren. Aber meist befindet sich der Autor in seinen eigenen Gedanken. So erinnert er sich kurz an eine verlorene Liebe, die Frau lebte auf einer Pferdefarm, und sie liebte auch sehr die Natur. Aber das bleibt alles sehr oberflächlich erzählt.

Schließlich, nach über 100 Seiten, die erste Sichtung des Schneeleoparden. Aber auch das kam nicht besonders beeindruckend bei mir an. Mir waren diese ganzen gedanklichen bzw. philosophischen Abschweifungen einfach zu viel, zu wirr. Es ist prinzipiell wichtig auf Umweltzerstörung hinzuweisen. Aber diese philosophischen Gedanken eines Geographen haben mich nicht erreicht.

Bewertung vom 25.01.2023
Der Kolibri - Premio Strega 2020
Veronesi, Sandro

Der Kolibri - Premio Strega 2020


gut

Der Roman startet mit einer interessanten Szene: Der Psychoanalytiker seiner Frau Marina besucht den Augenarzt Dr. Marco Carrera in seiner Praxis, um ihm – nicht ganz legal – ein Geheimnis über dessen Frau anzuvertrauen. Da wird man direkt neugierig und möchte wissen, was es damit auf sich hat. Meine Neugier war jedoch schnell verflogen. Der Autor hat die Eigenart, nebensächliche Details in epischer Breite auszuschmücken. So gibt es z.B. einen Brief an seinen Bruder über die Auflösung des Haushalts des elterlichen Hauses, wo er über mehrere Seiten das Inventar auflistet. Das hat auf mich beim Lesen eher ermüdend gewirkt.

Das Buch heißt „Der Kolibri“, weil der Protagonist Marco als Kind sehr klein war, und seine Mutter ihn daher so genannt hat. Für sie war die Feingliedrigkeit ihres Sohnes etwas Besonderes. Später wurde auf Initiative des Vaters eine Hormontherapie durchgeführt, so dass Marco dann als Jugendlicher eine normale Größe erreicht hat. Aber der Name Kolibri wird im Buch auch so interpretiert, dass Marco sich quasi nie von der Stelle bewegt. Und ein Kolibri kann ja auch auf einer Stelle in der Luft stehenbleiben.

Allerdings ist sein Leben von einigen Trauerfällen überschattet, die dann auch mehr Veränderungen mit sich bringen, als er es sich erwünscht. Und auch mit seiner Geliebten Luisa läuft nicht alles rund. Diese Entwicklung konnte ich jedoch anhand des Briefwechsels der beiden nicht wirklich durchdringen. Im letzten Drittel dreht sich dann alles um seine Enkeltochter Miraijn, die von ihm als „der neue Mensch“ betitelt wird.

Als roter Faden zieht sich eigentlich das Thema Psychoanalyse durch das Buch, diese wird von Marco als negativ bewertet. Auf der anderen Seite freundet er sich aber mit dem Psychoanalytiker seiner Frau mehr und mehr an, und dieser wird auch ein wichtiger Ratgeber für Marcos Lebenskrisen.

Das Buch ist in der Schreibweise in seinen Kapiteln sehr unterschiedlich, es gibt einige Szenen, die quasi nur aus Dialogen bestehen, andere sind Briefe, teils von Marco an seinen Bruder (die nie beantwortet werden), dann von Marco an seine Geliebte Luisa und zurück. Und es gibt Passagen, wo sich gefühlt ein Satz über mehr als eine Seite erstreckt. Dadurch wird es zwar abwechslungsreich, aber auch etwas unruhig.

Aber besonders anstrengend fand ich das extreme Springen zwischen den Jahren, und zwar von 1960 bis 2030 (!) Die Chronologie muss sich der Leser quasi selbst zusammenstricken. Daher fand ich den Titel Kolibri passend, weil dieser ja auch von Blüte zu Blüte fliegt, so kam ich mir beim Lesen auch vor.

Mich haben diese genannten Punkte insgesamt doch eher genervt. Auch wenn der Autor sicherlich gut schreiben / erzählen kann, so ist bei mir der Funke nicht übergesprungen und es kam keine Lesefreude auf. Mir kommt es auch so vor, als wolle der Autor hier einfach zu viel auf einmal erzählen, mir war es zu überfrachtet, und auch mit dieser Botschaft „der neue Mensch“ konnte ich nicht viel anfangen.