Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Wilder Leser
Wohnort: 
Darmstadt

Bewertungen

Bewertung vom 09.10.2020
Still!
Pope, Dirk

Still!


ausgezeichnet

Dieser Roman ist viele Romane.
Zum Beispiel ein Roman über die Sprache einer sprachlosen Pubertierenden. Über Mariellas Sprache, die nicht mehr sprechen will, seit ihre Eltern getrennt sind. In einem fiktiven Dialog mit einem fiktiven Institut für angewandtes Schweigen (IfaS).
„Bei mir im Zimmer entscheidet jeder Gegenstand für sich, wo er liegen will. Es gibt keinen festen Lageplan, zumal sich die Koordinaten meiner Bücher, Zeitschriften, Stifte, Blöcke, Hosen, T-Shirts, Unterwäsche und Socken einem permanenten Wandel zu unterwerfen haben, um weiterhin interessant zu bleiben.“
Es ist aber auch ein Liebesroman. Über die Liebe zwischen Behinderten und anderen Ausgestoßenen. Mariella fragt den gehörlosen Stan: „Wenn du die Wahl hättest: Wärst du lieber blind als taub?“ Er wäre lieber taub als blind und argumentiert: „Taube können sehen, wie andere hören. Blinde aber nicht hören, wie andere sehen.“
Und es ist ein Roman über den Schulalltag. Über Mobbing und Ausgrenzung. Gerade sieht es so aus, als könnte Mariella eine einzige Verbündete in ihrer Klasse finden, da wird Frida aus dem Leben gerissen. „Wer tot ist, wird Landschaft. Mir gefällt der Gedanke, Teil von etwas Großem, Friedlichem zu werden.“ Erst auf der Begräbnisfeier öffnet Mariella den Mund.
Dieser Roman hat mich dermaßen ergriffen, dass ich ihn an einem Wochenende (quasi ohne Abzusetzen) gelesen habe. Das ist seit vielen Jahren nicht mehr geschehen. Und ich fragte mich immer wieder, wer hier eigentlich behindert ist?
Dirk Pope hat das Jugendbuch des Jahres geschrieben.