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Benutzername: 
Dr. Vera Jost
Wohnort: 
Frankfurt am Main

Bewertungen

Bewertung vom 22.08.2020
Queres aus der Quarantäne
Latzel, Thorsten

Queres aus der Quarantäne


sehr gut

In wöchentlichen Mails erreichten mich in wohldosierten Portionen kreative Anwendungen theologischen und historischen Wissens und sprachlichen Könnens auf einen herausfordernden, erschreckenden, veränderten Alltag.

Wohltuend auffällig daran:
- Das humorvolle Beleuchten menschlicher Schwäche, Ignoranz und Rücksichtslosigkeit und die Wärme der Hinweise auf unsere Freiheit, uns jederzeit neu zu entscheiden und anders zu verhalten.
- Eigens entwickelte Zehn Gebote für die Zeit der Quarantäne und den Umgang mit der Pandemie oder neue Gebete und Gedichte voller Freude, Leidenschaft, Ernst oder Trauer
- Die Mischung aus Optimismus für die Bewältigung des veränderten Alltags und aus pessimistischen Vorwegnahmen für eine innere Vorbereitung, um Sprach- und Handlungsfähigkeit zu sichern, wenn’s drauf ankommen sollte.

Besonders berührend ist für mich das mir besonders Fremde: Die Aufforderung, mithilfe der Psalmen das Beten und das zur Ruhe kommen zu üben, auf eine andere Weise als ich als Nicht(-mehr)-Christin es kenne und praktiziere. Es ist die Erläuterung dafür, dass kunstvoll kombinierte Worte, dass sorgfältig strukturierte Sprache bewegen können und auf welche Weise dies passieren kann, manchmal auch unerklärlich. Sprachmagie. Es enthält die Erlaubnis dafür, wegzulassen was mich nicht anspricht und die Einladung das auszuwählen, was mir auffällt und was mir gefällt.

So gehe ich auch mit diesen Essays um: ich lese das was mich (be-)trifft, blende aus, was zu mir nicht passt, oder was meine Kraft zum Fokussieren und zum inhaltlichen Folgen momentan überfordert. Ich nutze sie als Stütze für meinen Optimismus, als Aufforderung für aufmerksame Selbstfürsorge und als Anstoß für mein positives Tätigsein für andere, ebenso wie als Erlaubnis für das Erkennen meiner Grenzen und für meinen benötigten Rückzug.

Für mich ist das Christentum das Fremde. In seinen regelmäßigen theologischen Impulsen per Mail, und nun gesammelt als Buch, öffnet Dr. Thorsten Latzel mir die Tür für eine bereichernde Begegnung mit vielen schönen, differenzierten Facetten dieses Fremden.