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Avid reader
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Bewertung vom 08.07.2020
German Rabbis in British Exile
Zajdband, Astrid

German Rabbis in British Exile


ausgezeichnet

Holocaust aus dem Blickwinkel der deutschen Rabbiner

Eines vorneweg: hier wird das Thema Holocaust völlig anders als bislang angegangen und erhellend aufbereitet, nämlich indem die Verfasserin die Berufsgruppe der deutschen Rabbiner als Forschungsgegenstand wählt. Es gelingt der Autorin auf Basis individueller Lebensläufe – von 180 deutschen Rabbis vor 1938 emigrierten 100, während 80 im Holocaust getötet wurden – die Entwicklung verschiedener Aspekte (jüdische Gelehrsamkeit; administrative/wohltätige Bereiche; Mittlertätigkeit zwischen Gott und Gemeinde) über mehrere Perioden hinweg bis 1956 darzustellen. Eigentlich ein uferloses Thema, doch die von Frau Dr. Zajdband entwickelte Struktur und die durchgängig mittels Bildmaterial und Tabellen verdeutlichten Einzelschicksale in der Gemeinschaft der deutschen Rabbis in Großbritannien machen diese Studie zu etwas Einmaligem. Die kompakte englische Sprache und die Zusammenfassungen pro Kapitel erhöhen die Lesbarkeit. Besonders hervorzuheben ist die erschöpfende Synopse des Schlusskapitels, die dem ungeduldigen Leser die in den einzelnen Kapiteln enthaltenen Berichtsstränge in überlegener Form zusammenführt. Originell ist zudem die Anregung der Verfasserin, neben deutschen auch französische, holländische oder nordafrikanische Rabbis zum Gegenstand von weitergehender wissenschaftlicher Forschung zu machen.

Nun hintan: obwohl ich schon einiges zum Holocaust gelesen hatte, wurde mir durch den konkret auf Einzelschicksale zielenden Ansatz erneut deutlich, wie todtraurig und beschämend die geschilderten Sachverhalte sind. Vor allem die nicht eigentlich religiösen Aufgaben der Rabbiner kannte ich nicht. Gerade in Zeiten eines zunehmenden Antisemitismus in Deutschland leistet das Buch einen wertvollen Beitrag zur Wissensvermittlung und bewahrter Erinnerung. Daher aus meiner Sicht fünf Sterne und die Bitte an den Verlag, dieses Desiderat durch eine Übersetzung ins Deutsche auch breiteren Leserschichten zugänglich zu machen.