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Aus Liebe zum Lesen
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Rannungen

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Insgesamt 203 Bewertungen
Bewertung vom 14.09.2024
Heldenhörnchen und Drachenfreund
Scheffel, Annika

Heldenhörnchen und Drachenfreund


ausgezeichnet

» „Ist der Herbst gefährlich?«, fragt das Eichhörnchen extraleise, weil der Herbst es ja vielleicht hören kann. «

Wer wollte nicht schon einmal ein Held sein? Auch das Eichhörnchen aus „Heldenhörnchen und Drachenfreund“ von Annika Scheffel möchte besagtes „Heldenhörnchen“ werden. Die Eule, Herrin über die Lichtung, auf der das Eichhörnchen wohnt, sagt, dass es dazu nur den gefährlichen Drachen aus der Höhle locken und ans Ende der Welt bringen muss.

» Der Himmel, merkt das Eichhörnchen, der ist genau derselbe wie zu Hause über der Lichtung. Von dem muss ich mich nicht verabschieden, den nehme ich mit auf die Reise. «

Aber ist dieser Drache überhaupt gefährlich? Er rettet das Eichhörnchen sogar, erzählt die tollsten Geschichten und nimmt das kleine Tierchen als erster überhaupt ernst und gibt ihm einen Namen: Bo. Und wo ist eigentlich das Ende der Welt? Die Geschichte um Bo und den Drachen Merlin ist so herzzerreißend schön. Annika Scheffel schafft es so wunderbar, dass man sich in das kleine Eichhörnchen hineinfühlen kann, dass man seine Ängste und Sorgen versteht. Ihr Schreibstil ist so anders, so innovativ, so feinfühlig, so, als hätte das quirlige Eichhörnchen den Text selbst geschrieben. Ich hatte selten so viel Spaß beim Vorlesen.

Die Illustrationen von Julia Christians passen perfekt dazu. Ich habe es selten gezeichnete Figuren gesehen, die so viele Emotionen perfekt zeigen, wie die Tiere von Julia Christians. Ihre Bilder sind so zauberhaft wie die Geschichte selbst.

Große (Vor-) Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.08.2024
Mitte des Lebens
Bleisch, Barbara

Mitte des Lebens


gut

Bei mir rückst die 40 immer näher und damit auch langsam, aber sicher die Mitte des Lebens. Da kam mir das gleichnamige Buch von Barbara Bleisch gerade recht.

In sieben Kapiteln lässt sie uns an ihren und gesammelten Gedanken zum Thema Lebensmitte teilhaben. Es geht um das, was war, das, was noch kommt, das Bedauern, aber auch das Hoffen, das Zurückblicken und das Vorausschauen.

Ich konnte mich in einigen Gedanken wiederfinden, in vielen aber auch nicht. Meinem Hadern mit dem Älterwerden konnte das Buch leider recht wenig entgegensetzen. Auch wenn ich ein paar neue Impulse mitnehmen konnte, bin ich doch recht enttäuscht von der Lektüre. Vielleicht hatte ich falsche Ansprüche, vielleicht ist eine rein philosophische Herangehensweise nicht die richtige für mich. Ich glaube, ich hätte ein praktischeres Buch gebraucht. Zudem habe ich beim Lesen immer mehr den Faden und das Interesse verloren, was das Lesen zäh gemacht hat.

Für mich hat es leider nicht gepasst.

Bewertung vom 25.08.2024
Ava liebt noch
Zischke, Vera

Ava liebt noch


ausgezeichnet

Selten habe ich ein Buch so gefühlt wie „Ava liebt noch“ von Vera Zischke. Ava ist Anfang vierzig, verheiratet und hat drei Kinder. Ihr Mann ist Vollzeit-Anwalt, sie ist „nur“ Hausfrau. Und genau um dieses NUR geht es. Weil es eben nicht nur dieses NUR ist. Ava fühlt sich ausgelaugt, von den schier unendlichen Aufgaben als Mutter, Haus- und Ehefrau. Sie funktioniert und bleibt dabei selbst auf der Strecke. Nach dem ersten Kapitel habe ich mich gefühlt, als hätte ich mein eigenes Tagebuch gelesen und so wird es wohl vielen Müttern gehen.

Vera Zischke schafft es so treffend zu beschreiben, wie man sich als Mutter im Hamsterrad fühlen kann, wie sehr es schmerzt, nur noch Rollen zu erfüllen und nicht mehr man selbst zu sein. Und dann kommt da der fast 20 Jahre jüngere Kieran, der in Ava etwas weckt, von dem sie schon glaubte, dass es für immer verloren sei. Doch ganz so einfach gestaltet sich ihre Geschichte dann doch nicht.

Ich bin so begeistert von dem Buch, dass es mir schwerfällt, dafür die geeigneten Worte zu finden. Gerade weil die Autorin so wunderbar authentisch und offen erzählen kann, weil sich das Buch so gut liest und dennoch lange nachhallt und weil es viel mehr ist als ein Roman über eine Mutter, so viel mehr als ein schnöder Liebesroman. Er zeigt so viele Facetten, die bislang eher selten in der Literatur einen Platz fanden, ohne dabei ins Pathetische oder Belehrende abzudriften. Vielen Dank, Vera Zischke, für dieses Jahreshighlight!

Ganz große Herzensempfehlung!

Bewertung vom 27.07.2024
Paradise Garden
Fischer, Elena

Paradise Garden


ausgezeichnet

Die 14-Jährige Billie lebt definitiv nicht im Paradis. Bislang wohnte sie mit ihrer Mutter in einer Hochhaussiedlung und mit viel Fantasie und einigen Tricks meistern sie den Alltag – bis ihre Mutter plötzlich stirbt. Zu ihrer ungarischen Großmutter hat Billie keinen Draht und so verlässt sie die Wohnung und begibt sich auf einen Road Trip, um ihren unbekannten Vater zu suchen.

Äußerst einfühlsam und authentisch fühlt sich Elena Fischer in ihre Protagonistin ein. Sie schafft es, die Tiefen ihrer Geschichte perfekt einzufangen und dennoch durch pointierten Witz nicht ins Tragische abzurutschen. Und nicht zuletzt der starke Charakter Billies bringt die Geschichte in Fluss und treibt sie voran.

Elena Fischer gelingt mit „Paradise Garden“ ein tolles Debüt.

Bewertung vom 21.07.2024
Faktencheck Psyche
Bachim, Sacha

Faktencheck Psyche


gut

Ich finde Psychologie ja wirklich richtig spannend. Da kam mir Sacha Bachims „Faktencheck Psyche - 50 Mythen über unser Denken, Fühlen und Handeln, mit einfachen Tools für mehr Gelassenheit“ genau recht.

Der Psychologe und Psychotherapeut Bachim widmet dich in seinem zweiten Buch Thesen und Glaubenssätzen aus den Bereichen psychische Gesundheit, gesellschaftliche Normen, Gefühle, Selbsthilfe sowie Beziehungen und Familie. Er erklärt, dass es eben oft nicht so einfach ist, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt, welche Wege, welche Alternativen es gibt, wie man an die Fragen herangehen kann, dass wir unsere innere Stimme hinterfragen dürfen. Anschließend gibt es jeweils eine kleine, thematisch passende Übung und diese Übungen sind das Highlight des Buchs, denn sie sind hilfreich, praxisnah und einfach anzuwenden.

Die Mythen selbst und deren Erläuterungen konnten mich hingegen nicht wirklich überzeugen, zu wenig Neues habe ich gelernt. Ich beschäftige mich schon länger mit Psychologie, Selbstreflexion, Kommunikation - wer hingegen neu auf diesem Feld ist, für den ist es wahrscheinlich eine kurzweilige Einführung in psychologische Fragen des Lebens, wozu auch die kurzen Kapitel und der lockere Schreibstil beitragen.

Bewertung vom 14.07.2024
Der Frühling ist in den Bäumen
Revedin, Jana

Der Frühling ist in den Bäumen


sehr gut

Wählt ihr Bücher eigentlich nach Cover aus? Ich muss schon zugeben, dass mich gut gemachte Cover mehr dazu bewegen ein Buch zu lesen und Cover, die mir nicht gefallen, mich eher vom Lesen abhalten. Zu Jana Revedins Roman „Der Frühling ist in den Bäumen“ hätte ich wohl im Buchladen nicht gegriffen, weil ich eher eine Schmonzette hinter dem Cover vermutet hätte. Gut, dass ich einer Empfehlung gefolgt bin und mir das Hörbuch angehört habe.

Der Roman erzählt von wahren Begebenheiten. Renina gründet in den 50er Jahren die erste Frauenzeitschrift Deutschlands, die „Lady“ und setzt sich für eine neue Rolle der Frau ein. In ihrem Privatleben hingegen ist sie den Launen ihres Mannes Fred, Neffe von Marlene Dietrich (die auch einen Auftritt im Buch hat) ausgesetzt, der auch vor physischer wie psychischer Gewalt nicht zurückschreckt. Aber Renina wehrt sich.

Jana Revedin ist nicht irgendeine Autorin, sondern die Tochter der Protagonistin und sie zeichnet ein starkes Portrait ihrer Mutter. Auch wenn der Roman vorwiegend ein Unterhaltungsroman ist, werden die Themen häusliche Gewalt und Emanzipation der Frau dennoch nicht nur oberflächlich behandelt. Auch sprachlich konnte mich die Autorin überzeugen.

Gute Unterhaltung mit wichtigen Themen und historischem Kern.

Bewertung vom 13.07.2024
Zaha baut
Tentler-Krylov, Victoria

Zaha baut


ausgezeichnet

Steht ihr auch so auf Zaha Hadid bzw. ihren Baustil? Was für eine beeindruckende Frau! Sie hat es tatsächlich geschafft, sich in einer dermaßen von weißen (alten) Männern dominierten Branche durchzusetzen und weltbekannt zu werden. Ihre Bauwerke sind bahnbrechend, ihr Stil einzigartig.

Von dieser tollen Frau mussten natürlich auch meine Kinder erfahren und was gibt’s da Besseres als ein Buch? ;) Et voilà: „Zaha baut - Das Leben der Architektin Zaha Hadid“ von Victoria Tentler-Krylov. Die Architektin und Künstlerin hat die komplette Gestaltung übernommen und ist sowohl für die Texte als auch die wunderschönen Illustrationen verantwortlich.

In kurzen Abschnitten erzählt sie von Hadids Kindheit und Werdegang, von ihren Wünschen und Motiven, von ihrem Arbeitsethos und ihren Visionen. Das Ganze ist prägnant und absolut kindgerecht verfasst, sodass die Kleinen einen guten Eindruck von dieser starken Frau und ihrem Werk bekommen.

Die großflächigen Zeichnungen ergänzen die Texte inhaltlich und füllen das Buch mit Lebendigkeit und sind dabei nicht weniger beeindruckend als die Architektin Zaha Hadid selbst. Victoria Tentler-Krylov schafft es meisterhaft, Hadids Stil aufzugreifen und ihre Illustrationen fließen zu lassen und so wird das Buch selbst zum Kunstwerk.

Absolut lesenswert für alle kleinen und großen Architekturfans und die, die es werden wollen und für den Rest auch!

Bewertung vom 21.06.2024
Die Schönheit der Rosalind Bone
McCarthy, Alex

Die Schönheit der Rosalind Bone


ausgezeichnet

Wow – was für ein Buch! Ich nehme es gleich vorweg: „Die Schönheit der Rosalind Bone“ von Alex McCarthy aus dem Goya-Verlag ist mein bisheriges Jahreshighlight.

Im tiefsten Hinterland von Wales liegt das unaussprechliche Dörfchen „Cwmcysgod“, das so einiges an sonderbaren, eigenen Menschen und trotz des üblichen Dorftratsches doch auch so einige Geheimnisse zu bieten hat. Über das Verschwinden der wunderschönen Rosalind Bone gibt es auch so einige Geschichten und Thesen, doch was wirklich geschehen ist, weiß nicht mal ihre Schwester Mary.

Erzählt wird die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln einiger Dorfbewohner und unterschiedlichen Zeiten, sodass sich nach und nach ein Puzzleteil ins andere fügt. Das absolut Bemerkenswerte ist, die sprachliche Ausgestaltung. Alex McCarthy erzählt oft distanziert, deutet eher an, als dass sie etwas ausspricht und wertet nicht. Sie bleibt auch bei den heftigsten Geschehnissen und Gedanken stets zart, feinfühlig und sanft.

Und das funktioniert so wunderbar, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann und nicht erschlagen wird, von dem, was sich da auftut. Ganz besonders hervorheben möchte ich auch die Übersetzung von Silke Jellinghaus, die es schafft, alles einzufangen und ins Deutsche zu übertragen, was die Autorin vermitteln möchte. Ganz große Kunst beider Frauen!

Alex McCarthy hat eine ganz eigene, packende Geschichte geschrieben und schafft mit ihrer Erzählweise etwas ganz Besonderes. Ganz große Leseempfehlung.

Bewertung vom 09.06.2024
Unlearn Patriarchy 2
Amojo, Ireti;Borcak, Melina;Boussaoud, Yassamin-Sophia

Unlearn Patriarchy 2


ausgezeichnet

Es gibt so vieles, was wir an den immer noch vorherrschenden patriarchalen Strukturen ändern müssen, dass das gar nicht in ein Buch passt. Genau deswegen gibt’s jetzt den zweiten Band von „Unlearn Patriarchy“. Diesmal herausgegeben von Emilia Roig, Alexandra Zykunov und Silvie Horch.

Das Prinzip bleibt dasselbe: 13 Essays zu verschiedensten Aspekten des Patriarchats von unterschiedlichsten Autor*innen. Neu ist die Fokussierung auf Intersektionalität. Denn während es schon für weiße Frauen schwierig ist, im Patriarchat Gleichberechtigung zu finden, so ist es für mehrfach diskriminierte Menschen noch um ein Vielfaches schwieriger: z. B. Frauen of Color oder mit Behinderung oder beides werden gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen benachteiligt. Den Gender Pay Gap kennen mittlerweile wohl die meisten, den Migration Wage Gap eher nicht, was vielleicht auch an der schwachen Datenlage liegt, die wiederum daher kommt, dass in der Forschung und in Führungspositionen nach wie vor weiße cis-Männer die Mehrheit bilden…

„Unlearn Patriarchy 2“ zeigt auch versierten Feminist*innen neue Aspekte auf, die es gilt zu unlearnen. Denn genau darin liegt auch im zweiten Band die Stärke: Die Autor*innen zeigen Wege auf, wie man Diskriminierung erkennen kann und vor allem, wie man sie verringern kann – gesamtgesellschaftlich, politisch und jeder im Kleinen selbst.

Absolutes Must-read!

Bewertung vom 02.06.2024
Zerreißprobe

Zerreißprobe


ausgezeichnet

Heute gibt’s hier ein bisschen Kultur. Im E. A. Seemann Verlag ist ein toller neuer Kunstband erschienen: „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft 1945-2000“, der die Werke der gleichnamigen Ausstellung der Neuen Nationalgalerie Berlin, die noch bis September 2025 läuft, zeigt und erklärt.

Die Zeit des Kalten Kriegs ist geprägt von Spannungsfeldern, wie dem Wiederaufbau, der Teilung Deutschlands bis hin zum Mauerfall. Gleichzeitig transformiert sich die Gesellschaft, alte Normen werden aufgebrochen, sie emanzipiert sich und auch neue Technologien üben ihren Einfluss aus. All das bietet natürlich auch ordentlich Stoff für die Kunst.

In diesem Band werden die bedeutendsten Werke vor allem deutscher und westlicher Künstler*innen vorgestellt, wie z. B. Marina Abramovic, Andy Warhol und Yoko Ono. Das Buch widmet sich verschiedensten Themenbereichen und die Herausgebenden Joachim Jäger, Marta Smolinska und Maike Steinkamp picken sich exemplarisch einige bedeutsame Künstler*innen heraus, denen sie ein Portrait auf mehreren Seiten widmen.

Die Texte sind kurz und prägnant und geben einen guten Einblick in die Stilrichtungen, Themen, Werke und die Intentionen der Künstler*innen, zeigen den Schaffensweg einiger Werke auf und gehen auf deren Bedeutung für die (Kunst-) Welt ein. Ich bin absolut begeistert, konnte viele neue, interessante Persönlichkeiten und deren Werke kennenlernen.