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Lisas Bücherleben
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Bonn
Über mich: 
Ich bin 32 Jahre alt, arbeite im Verlagswesen und bin zugezogen aus dem beschaulichen Sauerland. Ich lese alle Genres querbeet - nur mit Erotik und reiner Romantik kann ich nicht viel anfangen ... Für Empfehlungen bin ich jederzeit offen :)
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 24 Bewertungen
Bewertung vom 14.08.2024
Das Ende ist nah
Gudarzi, Amir

Das Ende ist nah


ausgezeichnet

Auf der Flucht aus dem Iran, wo er aufgrund seiner Teilnahme an Demonstrationen gegen das Regime politisch verfolgt wird, landet A. in der österreichischen Provinz, wo er Asyl beantragt. "Das Ende ist nah" beschreibt seine Geschichte und sein Suchen nach einem Platz in dieser Welt.

Ich habe -unendlich- lange gebraucht, dieses Buch durchzulesen. Jede Seite brachte ein neues, belastendes Detail mit sich, eine neue Geschichte von Verachtung, Vorurteil und Hass Neuem gegenüber, sodass ich wirklich immer wieder Pausen vom Text gebraucht habe.
Das Buch ist wahnsinnig toll aufgebaut - man liest ohne Worte zwischen den Zeilen erst die Hoffnung über den Neubeginn, dann die Irritation über die Feindseligkeit, die A. entgegenschlägt, dann die Hilflosigkeit und schließlich die Resignation. Im "Show, don't tell" ist dieser Autor einfach ein absolut glänzendes Musterbeispiel. Er braucht keine Emotionswörter, um zu beschreiben, welche Wirkung bestimmte Handlungen haben. Auch beeindruckt war ich von den Charakteren und ihrer Entwicklung. A. steht dabei natürlich im Mittelpunkt, aber auch Sarah, eine Wienerin, ist sehr überzeugend gezeichnet. Dabei hatte ich zuerst eine abgrundtiefe Abneigung gegen sie, weil sie ihre Privilegien nicht für 20 Pfennig reflektiert, ständig alles auf sich bezieht und andere pathologisiert. Später fand ich sie zwar immer noch pathetisch und unsympathisch, konnte allerdings auch Mitleid für ihre Figur aufbringen, die sich in einem Strudel aus Selbstmitleid verliert.

Mein Fazit: Ein sehr intelligent geschriebenes, wortgewaltiges und emotionales Buch, das seine Leser_innen mehr als einmal bescheiden darüber nachdenken lässt, wie einfach ein Leben eigentlich verlaufen kann. Klare Leseempfehlung, wenn der Raum für das schwere Thema da ist.

Bewertung vom 15.04.2024
So ist das nie passiert
Collins, Sarah Easter

So ist das nie passiert


ausgezeichnet

Willa, die Protagonistin von "So ist das nie passiert" ist eine junge Frau, die mit ihrem Partner in London lebt und ihren Freundeskreis regelmäßig bei gemütlichen Dinnerpartys trifft. Dabei hat sie es jedoch nie ganz geschafft, ihr Leben wirklich so zu leben, wie sie es sich gewünscht hätte, denn seit ihre Schwester Laika vor 20 Jahren spurlos verschwunden ist, jagt Willa einem Phantom nach und ist der festen Überzeugung, dass ihre Schwester noch lebt.

Das Debüt von Sarah Easter Collins erzählt von Liebe, vom Familienleben und wie wahnsinnig verschieden es gelebt wird, von Missbrauch und von der Unzuverlässigkeit unserer Erinnerungen. Und das tut es klug und gebunden an unterschiedliche Perspektiven - Willas beste Freundin Robyn, deren Partnerin und einige andere Personen spielen wichtige Rollen in der Betrachtung der Gesamtsituation um den Fall Laika. Ich war wirklich total gefangen in dieser dramatischen Familienhistorie - immer wieder, wenn ich dachte "Okay, DAS ist jetzt der große Skandal, jetzt weiß ich alles!", platzte die nächste Bombe. Ich habe das Erzähltempo sehr geliebt und konnte stellenweise nicht mit dem Lesen aufhören. Ein sehr durchdacht geschriebenes Buch, das die emotionalsten Szenen supernüchtern erzählt (weil das meist über Rückblenden geschieht und die Narrative da schon gesetzt sind) und genau dadurch einen leicht creepigen Charakter bekommt. Es entsteht ein Abstand zu dem, was passiert, wobei es doch eigentlich so berührend und hyper-emotionale Situationen sind. Trotzdem wird es aber zwischen den Figuren nicht unemotional oder stumpf, weil wir immer wieder auch in die Gegenwart springen und mitbekommen, wie die Protagonist_innen auf Enthüllungen oder Begegnungen reagieren. Dabei wird zwar immer wieder dasselbe Setting abgespielt (die Dinnerparty), allerdings nehmen unterschiedliche Figuren unterschiedliche Dinge war, und so wird es - auch immer mit genügend Abstand zur letzten Dinnerpartyszene - nie langweilig, dass wir jetzt wieder in der Küche stehen und nicht mehr in Erinnerungen unterwegs sind.

Mein Fazit: Ein superstarkes Debüt mit gesundem "Schauder-Faktor" und einer absolut packenden Atmosphäre. Ich bin schon gespannt, was wir von dieser Autorin als nächstes lesen dürfen!

Bewertung vom 27.02.2024
Der Dorfladen - Wo der Weg beginnt
Jacobs, Anne

Der Dorfladen - Wo der Weg beginnt


weniger gut

Im hessischen Dörfchen Dingelbach bei Frankfurt begleiten wir in diesem Buch ein sehr buntes Potpourri an Figuren durch den Alltag. Die Handlung spielt kurz nach dem Ende des ersten Weltkrieges und jeder einzelne Charakter ist davon mehr oder weniger gezeichnet. Im Mittelpunkt der Handlung: Frieda Haller, ein eigensinniges Mädchen, das um jeden Preis Schauspielerin werden will - in einer Zeit, in der so manches junge Mädchen noch gegen ihren Willen mit dem Bauern drei Dörfer weiter verheiratet wird.

Ich habe mit diesem Buch wirklich sehr gekämpft. Der Einstieg in die Dorfgeschichte wird sehr schnell überladen mit Figurennamen, Berufen, Positionen im Dorf und Beziehungen untereinander. Grade am Anfang schwirrte mir regelrecht der Kopf, während auf der Handlungsebene noch gar nichts passiert war - ich musste mich fast zwingen, weiterzulesen. Dabei ist besonders das Charakterdesign völlig überladen von Klischees und Stereotypen, eine Entwicklung zeigt sich nur bei den Protagonist_innen, deren einzige Entwicklung auch nur darin besteht, sich vom Dorf zu emanzipieren. Frieda durch den Weg an die Schauspielschule, Ilse Küpper durch die Leitung ihrer Firma, Marthe Haller durch die Abgrenzung von einem der herrischen Männer im Dorf. Das Resultat der flachen Charaktere: Ich wollte von Kapitel zu Kapitel springen, die Erzählperspektive der einen Charaktere überspringen, gleichzeitig aber andere Charaktere nicht verlassen. Besonders die toughe Fabrikbesitzerin Ilse Küpper hatte es mir angetan - eigentlich hätte mir ihre Geschichte in dem Buch schon gereicht, um zumindest interessiert zu sein.

Gegen Ende nimmt das Buch dann doch noch etwas Fahrt auf und macht neugierig, wie es mit den vielseitigen Frauenfiguren weitergeht. Das konnte für mich aber die Stagnation und die Sackgassen in den Geschichten anderer Dorfladenbesucher_innen nicht wiedergutmachen und alles in allem konnten mich die Verstrickungen der Dingelbacher Dörfler_innen einfach nicht schwungvoll genug mitnehmen. Mein Fazit: Nichts Neues im Saga-Genre.

Bewertung vom 29.09.2023
Dear Dolly. Die besten Antworten auf die wichtigsten Fragen im Leben
Alderton, Dolly

Dear Dolly. Die besten Antworten auf die wichtigsten Fragen im Leben


weniger gut

Ich habe ehrlich nicht erwartet, das Buch einer selbstbezeichneten "Kummerkastentante" unterhaltsam zu finden. In den Kolumnenauszügen geht es hauptsächlich um Fragen um Beziehungen, Freundschaften, Sex und Trennung. Ein bisschen liest sich das Ganze wie Dr. Sommer für Erwachsene.

Der Schreibstil ist witzig und ich musste oft schmunzeln (Lob an die Übersetzerin!). So richtig beiseitelegen konnte ich das Buch nicht, ich habe es super schnell runtergelesen.
Aber: Die ellenlange Einleitung ist meines Erachtens viel zu viel. Man hat schon vor lauter Worten gar keine Lust mehr auf die kurz-knackigen Kolumnen! Das Ganze liest sich auch irgendwie wie eine ... Entschuldigung? Für die Arbeit der Autorin, die selbst impliziert, dass die Tätigkeit als Kummerkastentante jetzt nicht unbedingt die Spitze der journalistischen Nahrungskette ist. Ist doch gar nicht nötig?
Einige der Fragen fand ich außerdem an der Frage vorbei beantwortet, teilweise binär und vorurteilsbehaftet. Da ist die Frau, die ein bestimmtes Verhalten an ihrem Partner unattraktiv findet, und fragt, ob das jetzt schon ein Trennungsgrund sein könnte. Und als Antwort kommt sinngemäß, wie sie denn darüber denken würde, wenn sie jetzt schwanger oder Mutter wäre. Joa, danke für die super unangemessene Bemerkung. Queere Fragensteller_innen gibt es in dem Buch übrigens nicht, obwohl ich sehr sicher bin, dass einige Fragen eingegangen sein dürften - es wird immer wieder betont, wie stark bei der Auswahl der Fragen ausgesiebt werden müsste. Da ist die Zielgruppe halt auch gleich klar. Mittelalte, weiße und gut situierte Frauen "im besten Alter". Uff.

Insgesamt: Kurzweilige, witzige Lektüre für den Strandkorb, aber insgesamt kein literarisches Meisterwerk, keine spannenden Beziehungsfragen, die mich mein Weltbild hätten infrage stellen lassen und eine nur semi-sympathische Kummerkastentante mit eigener Kolumne. Nett.

Bewertung vom 06.06.2023
Fünf Sommer mit dir
Fortune, Carley

Fünf Sommer mit dir


weniger gut

Persephone und Sam lernten sich schon als Teenies im neu erworbenen Ferienhaus von Percys Eltern kennen und waren seitdem nicht nur allsommerlich Nachbarn, sondern auch vom ersten Moment an füreinander bestimmt.
Was als Teenager-Sommer-Romanze beginnt, verschiebt sich für den/die Leser_in bald auch bis in die Gegenwart, wo sich die beiden als Erwachsene wiedertreffen – und so einiges aufzuarbeiten haben.

Die Protagonistin hat mich vom allerersten Moment an genervt. Über-selbstkritisch, ständig lamentierend und jammernd, unsicher ... Aber am schlimmsten war dieser klassische "Ich weiß, was am besten für dich ist und ich bin's nicht, deswegen ziehe ich mich jetzt wortlos aus dieser Beziehung zurück"-Move, den ich einfach schon in tausend und einem Liebesroman gelesen habe.
Sam dagegen ist natürlich der absolute Traumtyp ohne Makel, durchtrainiert und fehlerlos. Durch ein bescheuertes Missverständnis, tanzen die beiden Protagonist_innen mehr als 12 Jahre umeinander herum – sie permanent an sich zweifelnd, er still leidend-vermissend, aber mit Sixpack. Ich kanns nicht mehr lesen ...

Ich verstehe, was die Autorin hier versucht hat: Das Buch ist eine Hommage an einen Sommer am See und möchte einerseits diese unbeschwerte Freibad-Zeit zeigen, in der wir alle noch Probleme hatten, die uns im Nachhinein nichtig vorkommen, andererseits aber auch den erwachsenen Blick auf Beziehungen und die Planung des eigenen Lebens. Das funktioniert auch ganz gut, das Buch ist die ideale Sommerlektüre und der Vibe stimmt. Darunter leidet aber die Story total, die sich auf ein großes Finale hinzieht wie Kaugummi, dabei sehr vorhersehbar bleibt, und am Schluss verpufft der Konflikt, der über Hunderte von Seiten aufgebaut und dann groß verkündet wird, einfach im Nichts. Für mich wenig glaubwürdig, genau so wie die sehr gebügelten Charaktere. Richtig kennenlernen dürfen wir ohnehin nur Percy, alle anderen wenigen Personen, die sie umgeben, bleiben Stereotype.

Mein Fazit: Nette Unterhaltung für einen Tag am See, knuffige Szenen am Wasser – Tiefgang, gut ausgearbeitete Figuren oder eine komplexe Handlung darf man aber weiß Gott nicht erwarten.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.04.2023
Unsre verschwundenen Herzen
Ng, Celeste

Unsre verschwundenen Herzen


sehr gut

Wir befinden uns in einer dystopischen (nicht allzu fernen) Zukunft. Durch einen Beschluss der Regierung beherrscht der Nationalismus den Alltag der Amerikaner_innen – "unamerikanisches" Handeln, Denken oder auch Aussehen werden nicht toleriert. In diese bedrückende Welt wurde Bird hineingeboren. Der Zwölfjährige lebt mit seinem ihn liebenden Vater zusammen, und doch fehlt etwas in seiner kleinen Welt. Nie hat er verstanden, warum seine Mutter ihn damals verließ und wo sie hinverschwunden ist. Als er einen rätselhaften Brief von ihr erhält, macht er sich auf die Suche. Nach seiner Mutter und nach all den verschwunden Herzen ...

Das Coole an der Handlung dieses Buches: Es ist keine klassische Dystopie im Sinne von "Die Rebellenkämpfer_innen gegen das Establishment, Dinge explodieren und Gebäude stehen in Flammen". Celeste Ng beschreibt eine stille Rebellion und eine stille Gewaltherrschaft durch die Regierung. Das Mittel des Machterhalts ist die Wegnahme der Kinder von mehr oder weniger großen Kritiker_innen des Systems. Sie werden in Pflegefamilien gegeben und sehen ihre ursprünglichen, vermeintlich schadhaften Familienmitglieder nie wieder. Dadurch geht die ganze Geschichte emotional eine Ebene tiefer – wir befinden uns nicht in einem gewaltvollen Kampf von Gut gegen Böse, sondern beobachten verlassene Eltern und Kinder bei der Suche nach ihren Familien und sich selbst. Und während die Handlung Birds Reise und Suche beschreibt, geht es doch eigentlich vielmehr darum, anzukommen und einen Platz in einer ungerechten Welt zu finden.

Die Sprache, die die Autorin verwendet, hat mich zunächst hingerissen. Sie malt mit Worten wunderschöne Bilder und hat das Prinzip "Show, don't tell" absolut perfektioniert, obwohl der Mittelteil des Buches zum größten Teil aus Erzählungen und Berichten der näheren Vergangenheit besteht. Obwohl gar nicht endlos viel passiert, hat sie es geschafft, mich in die Schicksale der Suchenden eintauchen zu lassen und mich mitzunehmen in diese rassistische Gesellschaft und ihre Entstehung. Am Ende fühlte sich das jedoch eher konstruiert und hölzern an, fast kitschig, als müsste das Buch jetzt möglichst schnell zu einem schlüssigen Ende gebracht werden. Superschade!

Die Gesellschaft, die Celeste Ng hier zeichnet, ist unserer (bedauerlicherweise) sehr ähnlich. Inspiriert wurde sie vom Rassismus gegen asiatisch-stämmige Menschen im Laufe der Corona-Pandemie. Die Erzählung schrammt gefährlich nah an dieser unserer Zeit vorbei, was auf mich eine dauerhaft beunruhigende Wirkung beim Lesen hatte. "Unsere verschwundenen Herzen" ist eine Dystopie, die nicht weit genug weg von meiner Lebenswelt war, um mich wirklich von der Handlung abgrenzen zu können und dieses Fallenlassen hervorzurufen, das ich sonst beim Lesen suche. Diese bedrückende Stimmung hatte mich immer ein bisschen "on edge" und ergänzte sich herrlich mit dem bildgewaltigen Schreibstil der Autorin. Dabei war ich aber nie gelangweilt oder habe eine actionreichere Handlung vermisst, ich wollte im Gegenteil noch mehr von diesen Sprach-Bildern aus dieser Welt, die meiner so nah war.

Insgesamt ist das Buch für mich keine leichte Lektüre gewesen, aber ein großartig erzähltes Gesamtkunstwerk mit einer bewegenden Bildsprache und Thematik. Ich hätte mir ein weniger "runtergeschriebenes" Ende gewünscht (mehr Seiten? Ein zweiter Band?), konnte aber bis dahin wunderbar in die Welt abtauchen, die Celeste Ng mit Worten gebaut hat. Sehr eindrücklich!

Bewertung vom 17.11.2022
F.A.C.E. the Challenge
Klitschko, Wladimir;Kiel, Tatjana

F.A.C.E. the Challenge


weniger gut

Mit diesem Buch möchte die Autorin eine "Transformation" an dem/der Leser_in einleiten. Es soll vermitteln, wie man seine Ziele erreicht und im Leben genau da landet, wo man gerne hinmöchte – seien das berufliche oder ganz persönliche Wegpunkte.

Die Autorin ist eine externe Redakteurin, die das Buch für Wladimir Klitschko verfasst hat. Sie stammt nicht aus dem vielgenannten Team von Klitschko selbst, sondern bemüht sich stattdessen verkrampft-beflissen, in jedem nur möglichen Satz Querverweise zum bekannten Boxer zu ziehen. Meine Vermutung: Dieses Buch ist nach einer Idee des Verlags entstanden, der gerne mit Klitschkos Gesicht werben möchte.

Wenn man sich von der Idee freimacht, dass a) irgendwelche wissenschaftlichen Erkenntnisse hinter den Worten in diesem Buch stehen und b) Wladimir Klitschko dafür persönlich irgendwas geschrieben hat, findet man ein paar ganz nette Anregungen und Vergleiche verschiedener Biografien und deren Verlauf im Buch. Ich persönlich halte aber 99 % davon für Augenwischerei und Marketing und kann nicht viel damit anfangen. Der Schreibstil wirkt verkrampft, als hätte man sich an einer Stichpunktliste abgearbeitet und transformiert hat sich bei mir gar nichts.

Bewertung vom 22.07.2021
Sturmvögel
Golz, Manuela

Sturmvögel


sehr gut

Die Protagonistin dieses Buches ist Emmy. Emmy ist wohl der Inbegriff einer rüstigen Rentnerin und hat mich beunruhigend stark an meine eigene Oma erinnert.
Emmys Leben war ein Auf und Ab - durch Kriege, unruhige Zeiten und den steten Kampf mit sich selbst und den Umständen des eigenen Lebens.

In "Sturmvögel" erwartet den/die Leser_in eigentlich eine klassische (Nach-)Kriegs-Biografie. Wir erfahren durch Flashbacks immer mehr über das Leben der Protagonistin und begleiten ihre mittlerweile erwachsenen Kinder dabei, dasselbe zu tun. Dabei werden aber keine abgedroschenen Klischees bedient, der Krieg und andere große geschichtliche Ereignisse geraten bei der Erzählung vielmehr in den Hintergrund und es wird nicht auf Teufel komm raus eine Moral von der Geschicht' provoziert. Der Roman bleibt zu jeder Zeit bei Emmy und ihrer Familie, legt den Fokus auf die Liebe, die sie erfahren und den Zusammenhalt, den sie sich gegenseitig schenken. Klingt jetzt kitschig, ist es vielleicht auch ein kleines Bisschen - aber auf die gute Art.

Ich mochte "Sturmvögel", das als sehr persönliche Nachkriegserzählung besonders durch den Charakter seiner charismatischen Protagonistin heraussticht und weder mit abgedroschenden, superdramatischen Liebesgeschichten daherkommt, noch permanent die "Meine Güte, war das alles schlimm"-Keule schwingt. "Sturmvögel" ist kleiner im Impact, das ließ mich Buch, Geschichte und Charaktere als sympathisch und nahbar empfinden. Fein!

Bewertung vom 25.03.2021
Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1
Abel, Susanne

Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1


gut

Eine Geschichte zwischen den Zeiten.
In "Stay away from Gretchen" begleiten wir ein schrulliges Mutter-Sohn-Gespann durch die Zeit. Während sie in Rückblenden immer wieder von ihrer Flucht aus Ostpreußen zur Zeit des zweiten Weltkrieges berichtet, versucht ihr Sohn, ein vielbeschäftigter Fernsehmoderator, in der gegenwärtigen Zeit genau diese Geschichte zu ergründen. Weil seine Mutter zusehends Probleme mit dem Erinnerungsvermögen hat, ist das eine gar nicht so einfache Aufgabe.

Ich mochte die Aufteilung der Perspektiven und die (teils sehr unvermittelten) Sprünge in der Zeit. Leider war es bei mir allerdings so, dass ich immer mehr mit der Mutter Greta mitgefiebert habe - sie hatte die spannendere Geschichte und ihr Sohn war mir von Anfang an dermaßen unsympathisch, dass ich ihm seine Erkenntnisse in der Gegenwart gar nicht so richtig gönnen konnte. Dementsprechend habe ich mich dabei erwischt, wie ich immer ein bisschen enttäuscht war, wenn wieder ein Gretas-Jugend-Kapitel vorbei war. Schade.

Ansonsten: Eine sehr spannende (fiktive) Geschichte über den zweiten Weltkrieg, ein schöner, eingängiger Erzählstil und eine sympathische Protagonistin (Greta ist tough und schlagfertig und trotz ihres Alters sehr fit) haben mich zusammen mit einigen Hintergrundinfos über schwarze Menschen in dieser Zeit sehr gut bei der Stange halten können und ich habe das Buch gern gelesen. Leider gab es zwischendrin immer mal wieder Lesepausen, weil ich mich nicht so recht aufraffen konnte, nach einem Zeitsprung weiterzulesen. Der Effekt war wirklich ein bisschen schade, aber zum Ende habe ich es dann auch noch geschafft, mit Tom ein bisschen warm zu werden.

Ein Buch, das einen in den richtigen Stunden erwischen muss, weil es durch das schwierige Thema und einen zu Anfang unsympathischen Protagonisten nicht ganz leichtgängig ist. Dann jedoch eine interessante (Nach-)Kriegsgeschichte mit Twist in der Gegenwart.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.12.2020
Das Flüstern der Bäume
Christie, Michael

Das Flüstern der Bäume


sehr gut

Wir schreiben das Jahr 2038. Ein globales Waldsterben hat bis auf wenige Oasen weltweit die komplette Flora ausgelöscht. Menschen sterben zuhauf - wer Geld hat, zieht sich in ein komfortables Bungalow-Leben zurück, wer mittellos ist, schuftet, bis kein Leben in Sicherheit mehr finanzierbar ist.

Was wie ein dystopischer Roman einsteigt, entwickelt sich zur Familiengeschichte über vier Generationen. Dabei ist die junge Frau, die uns zunächst als Protagonistin vorgestellt wird, dann auch eigentlich gar nicht mehr der Star der Geschichte - und die dystopische Vision, die mich als Leserin anfixen sollte, wird überhaupt nicht so klar gezeichnet, wie ich mir das vorgestellt und gewünscht hatte.
Mit dem Perspektivwechsel eine Generation rückwärts befinden wir uns zurück in der Gegenwart und erleben das Buch dann auch überwiegend in dieser rückwärtsgerichteten Perspektive.

Ich mochte die Erzählstruktur von "Das Flüstern der Bäume" sehr - bisher habe ich so etwas noch nicht gelesen. Ich habe es genossen, mich auf die unterschiedlich gezeichneten Charaktere einzulassen und über eine alternative Herangehensweise die Hintergründe der Familiengeschichte zu erfahren. Ich konnte mich auf jeden einzelnen davon einlassen und habe durch die schöne, bildhafte Sprache von Michael Christie einen schnellen Einstieg in eine Geschichte gefunden, die mich mit ihrem Fokus überrascht hat.

Insgesamt: Mal was anderes. Ein überraschend erfrischendes Buch, das das Genre Familiengeschichte auf eine andere Ebene hebt und mich mit einer dystopischen Hintergrundgeschichte, die gerne noch etwas vordergründiger hätte sein dürfen, gut unterhalten konnte.