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FCRiki

Bewertungen

Insgesamt 6 Bewertungen
Bewertung vom 19.03.2021
Die Farbe des Nordwinds
Jahn, Klara

Die Farbe des Nordwinds


ausgezeichnet

Hallig-Zauber – mit einem Tropfen Schwermut

Vordergründig geht es – wie in allen guten, der Unterhaltung dienlichen Büchern – um die Verstrickung einer Hauptperson in Raum, Zeit und Beziehungen: Ellen kehrt auf jene Hallig zurück, auf der sie einige Zeit mit ihrer Hippie-Mutter gelebt hat. Diese einzigartige Landschaft hat sie damals bezaubert, wurde zum einzigen Ort, an dem sie sich je heimisch gefühlt hat. Dort hat sie die gleichaltrige Liske kennengelernt, die für sie wie eine Schwester war. Nun, zwanzig Jahre später, will Ellen endgültig auf der Hallig bleiben. Sie hat den Posten der Hallig-Lehrerin übernommen - ein guter Grund, von der Hallig-Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Liske aber, ihre ehemalige Wahlschwester, bleibt auf Abstand.

Soweit das Offensichtliche. Im Hintergrund, präsent wie ein „Wallpaper“, bleibt die Natur: die Vogelstimmen, die Sonnenstrahlen, der Wind, das Meer. Im Kopf des Lesers entsteht die einzigartige Nordsee-Landschaft, deutlicher für jene, die sie kennen, aber deutlich genug für jene, die noch nie an der Nordseeküste, im Watt, auf den Halligen gewesen sind. Und je länger man liest, desto klarer wird: diese Landschaft ist bedroht.
Klar, sie war immer bedroht. Sturmfluten und Orkane verschlangen Teile des Landes, holten sich Tiere, Menschen, Gebäude, brachten Not und Tod. Und doch blieben die meisten Bewohner auf den Halligen. Trotzig und stolz stellten sie sich den damaligen Herausforderungen, so wie sich die Bewohner der Gegenwart den modernen Problemen stellen.

Mit einem Kunstgriff, nämlich mit einer zweiten Zeitebene, dem Damals, lenkt die Autorin das Denken der Leser auf die Zukunft der Halligen. Steigt der Meeresspiegel – mit Fortschreiten des Klimawandels – werden die Halligen endgültig untergehen. Für Liske ist dieses Problem sehr real. Mit ihrem klaren Blick auf die Natur weiß sie, was zu tun ist, und was man nicht tun sollte. Sie wird zum Spiegelbild von Arjen, der im „Damals“ vor einer großen Flut gewarnt hatte und nicht gehört wurde …

Ein sehr ansprechendes Buch!

Bewertung vom 08.03.2021
La Parisienne
Tramuta, Lindsey

La Parisienne


sehr gut

50 Pariserinnen. Ihre Geschichten, ihre Träume, ihre Stadt. Viele Fotos, die zum „Hineinträumen“ einladen. Und Adressen besonderer Plätze, alles für die Zeit „danach“ – wenn man wieder nach Paris reisen darf.

Lindsay Tramuta, die Autorin, lebt selbst in Paris. Sie stellt Frauen aus allen Teilen der Welt vor, zum Beispiel Mihaela Iordache, die aus Rumänien einwanderte und nun die Kaffeerösterei Belleville Brûlerie leitet, oder die mit dem Prix Goncourt ausgezeichnete Autorin Leïla Slimane, die in Marokko geboren wurde. Sie gewährt Einblick in die unterschiedlichsten Arbeitswelten, lässt die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, zu Wort kommen, präsentiert die Schmuckdesignerin Amélie Viaene, die Luftfahrtingenieurin Delphine Dijoud, die Olympia-Boxerin Sarah Ourahmnoune, die sich für Gleichberechtigung im Sport einsetzt, die Rabbinerin Delphine Horvilleur, eine von drei Rabbinerinnen in Frankreich.
Die Frauen erzählen, wie sie wurden was sie sind, was sie erreichen wollen, was ihnen wichtig ist. Sie geben persönliche Kulturtipps, verraten ihre Lieblingsorte und, erzählen, in welchen Geschäften sie weshalb am liebsten einkaufen.

Nicht nur in Zeiten von Reisebeschränkungen großartig. Liest sich beinahe so, als ob man in einem Café am Boul‘ Mich‘ säße und die Vorübergehenden beobachtete.

Bewertung vom 04.03.2021
Der Schiffskoch
Deen, Mathijs

Der Schiffskoch


ausgezeichnet

Man muss nichts von der Seefahrt verstehen, um diese Geschichte spannend zu finden. Schon auf den ersten Seiten macht sich ein Hauch salziger Luft bemerkbar, das Gefühl, auf dem Deck eines Schiffs zu stehen und die Mannschaft bei der Arbeit zu beobachten.
Es ist keine leichte Arbeit, denn das Versprechen grenzenloser Freiheit, das Schiffe auszeichnet, kann ein Feuerschiff nicht einlösen. Ein Feuerschiff wird auf einer Position im Meer fixiert und zum schwimmenden Leuchtturm. Dienst auf einem Feuerschiff zu leisten bedeutet, das Gefühl des Gefangenseins nicht zu beachten, es vor den anderen zu verbergen. Was nahezu unmöglich wird, wenn Meernebel aufkommt. Die Angst, von einem vorbeifahrenden Schiff gerammt und versenkt zu werden – egal, wie realistisch diese Gefahr ist - lässt die Nerven der Besatzung blank liegen.
Mathijs Deen bringt seine Leser auf das Feuerschiff „Texel“. Hier arbeitet Lammert, der Schiffskoch. Er liebt seinen Beruf. Für seine Leute bereitet er wunderbare Gerichte zu, denn er weiß, dass gutes Essen entspannt. Er möchte den Kameraden zumindest für die Dauer der Mahlzeiten ein wenig Druck von der Seele nehmen.
Eines Tages holt ihn die Erinnerung an seine Kindheit ein, und an ein javanisches Gericht namens „Gulai Kambing“, ein zartes Ziegencurry. Der einzige Nachteil: man braucht ein „Milch-Zicklein“ als Zutat.
Es geht nicht anders: Lammert muss ein sehr junges Tier mit an Bord nehmen. Das ist eigentlich streng verboten, aber auch der Kapitän will seine Mannschaft bei Laune halten.
Und so nimmt das Unheil seinen Lauf.

Bewertung vom 01.03.2021
Der Klang der Wälder
Miyashita, Natsu

Der Klang der Wälder


ausgezeichnet

Vordergründig geht es um das perfekte Stimmen eines Klaviers. Tatsächlich aber begab sich die Autorin auf die Suche nach Bildern, nach Worten, um die Urgewalt Klang verständlich zu machen. Was den jungen Tomura, der „musik-fern“ in einem entlegenen Dorf in den Bergen Hokkaidos aufgewachsen ist, bis ins Mark trifft, ist nicht die Musik, ist keine Komposition. Es sind einzelne Töne, die dem Klavierstimmer ein Bild vom Zustand des Schulflügels geben sollen. Sie versetzen Tomura dorthin, wo er seit seiner frühen Kindheit Ruhe und Geborgenheit gefunden hat: in die Wälder seines Heimatdorfes. Der Geruch des Waldes, die letzten Sonnenstrahlen, der sanfte Hauch der auf die Dunkelheit wartenden Nachttiere überwältigen ihn. Für ihn öffnet sich mit diesen Klängen die „Landschaft des Tons“, eine Formulierung, auf die sein Gesprächspartner, der Stimmer, nicht weiter eingeht.
Eingebettet in die Erzählung vom weiteren Leben des jungen Tomura – seiner Ausbildung zum Klavierstimmer, seinem Bemühen, den ihm anvertrauten Klavieren den richtigen Klang zu geben, seine Gefühle für eine junge Pianistin – kreist dieses Buch um „Klang“, um „Tonwelten“, um das Ungreifbare, Unsagbare, das Töne, Klänge, Musik in Menschen auslösen kann.
Außer diesem „dem Ur-Erlebnis Klang Nachfühlen“ wird ein europäischer Leser vieles über Japan erfahren, über Umgangsformen, über den gegenseitigen Respekt, über den Alltag, und darüber, welche Rolle Musik in Japan spielt.

Fazit: sehr lesenswert, stimmt nachdenklich

Bewertung vom 19.02.2021
Die Fälscherin von Venedig
Schnalke, Christian

Die Fälscherin von Venedig


ausgezeichnet

Für alle, die Venedig und die Kunst lieben und ein wenig österreichisch-venezianische Geschichte erleben wollen. Ein großartiger, dichter Kriminalfall.

Venedig im Spätherbst des Jahres 1818 ist nicht alles so, wie es sein sollte. Der tiefe Sturz der Serenissima hat die Bewohner und tiefe Not gestürzt und vor allem den Kunstmarkt aufgemischt. Was als Wiedergutmachung von Seiten Frankreichs gedacht war – die Rückgabe der von Napoleon geraubten Kunstwerke – hat eine gut geölte Betrugsmaschinerie in Gang gesetzt: viele der Gemälde werden kopiert und mit hohem Gewinn an verschiedene Betuchte verkauft.
An dieser Stelle kommt Franz Wercker ins Spiel (Sie könnten ihn aus Schnalkes erstem Roman „Römisches Fieber“ kennen): Er soll im Auftrag des Vatikan innerhalb zweier knapper Monate die Hintermänner dieses einträglichen Geschäfts ausforschen sowie die in Venedig verschwundene Laokoon-Gruppe finden. Scheitert er, wird das gegen ihn verhängte Todesurteil vollstreckt.
Als Kunsthändler getarnt beginnt Franz Wercker seine Nachforschungen und gerät sehr schnell ins Visier der Gauner. Fast ebenso schnell bringt er die österreichische Bürokratie gegen sich auf. Zwielichtige Adelige und habgierige Lebedamen versuchen, ihn mit allen Mitteln aus der Stadt zu drängen. Unerwartete, wertvolle Hilfe kommt von einer Gruppe von Straßenkindern. Und dann ist da noch diese geheimnisvolle Schöne, die sein Interesse schon am Tag seiner Ankunft fesselte und zunehmend sein Denkvermögen blockiert.

Fazit: hinreißend geschrieben, sehr spannend. Bestechend die Verknüpfung mit der deutschen Künstlerszene in Italien. Ein Genuss nicht nur Venedig-Süchtige.

Bewertung vom 19.02.2021
Das Zweite Russische Lesebuch, m. 29 Audio
Audiolego

Das Zweite Russische Lesebuch, m. 29 Audio


ausgezeichnet

Zugegeben, der Titel ist unspektakulär. Aber der Inhalt ist genial!
Zunächst ist nichts ungewöhnlich: jedes Kapitel beginnt mit Vokabeln, dann kommt der Text, dann kommen kurze Dialoge, die zum Üben anregen. Alle Text- und Dialogteile haben eine russische und eine deutsche Spalte. Die Kapitel sind als Audios verfügbar

Diese Texte! Die haben es in sich!
Das erste Kapitel: kurz und knapp. Die Bank, die Kassiererin, der Manager, der Wachmann, der Detektiv. Das zweite Kapitel ist schon etwas länger. Das Problem wird präsentiert: der Bank fehlt Geld. Man lernt u.a. die Vokabeln „verantwortlich, Lügner, Idiot“.
Die folgenden Kapitel werden immer länger, das Geschehen wird immer verrückter. Einbrecher, Betrüger, Schmuggler treten auf, das Verbrechen nimmt seinen Lauf. Nach einer wilden Aktion, in der eine Elefantenherde eine wichtige Rolle spielt, landet der Detektiv in einem gekaperten Kampfflugzeug mit seinen Gefährten in Libyen. Ja, auch Muammar Gadaffi hat seinen Auftritt. Mehr möchte ich nicht verraten.

Ich habe noch nie ein so vergnügliches Lehrbuch gehabt. Ich kann es wärmstens empfehlen!