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R. S.

Bewertungen

Insgesamt 165 Bewertungen
Bewertung vom 10.06.2024
Das falsche Blut / Ishikli Caner Bd.2
Gravenbach, Philipp

Das falsche Blut / Ishikli Caner Bd.2


gut

Rasanter Thriller ohne inhaltliche Tiefe

"Das falsche Blut" ist der 2. Teil der Reihe rund um Ishikli Caner, ehemalige Auftragskillerin und nun Geheimagentin, der trotz seines rasanten Schreibstils und der vielversprechenden Handlungsprämisse mich nicht komplett von sich überzeugen konnte.

Die Handlung verspricht zunächst Spannung. Ishiklis neuer Auftrag dreht sich um ein stummes Kind, welches dank ihrer besonderen Fähigkeiten nicht nur von ihr gesucht wird. Auch der französische Staatsschutz und die Handlanger eines Pharmakonzerns strecken ihre Finger nach dem Kind aus. Ein gefährlicher Kampf um das Kind und bald auch gegen die Freisetzung eines tödlichen Virus beginnt.

Erzählt aus verschiedenen Perspektiven und in kurzen Kapiteln wird von Anfang an ein flüssiger Lesefluss sowie Spannung erzeugt. Der Autor hält sich nicht lange mit Nebensächlichkeiten auf und fliegt nur von einer spannungs- und actiongeladenen Szene zu nächsten. Keine Verschnaufpause für die Lesenden und die handelnden Personen. So, wie es sich für einen Thriller auch gehört.

Doch leider kämpft der Thriller inhaltlich mit so einigen Schwächen. Zu viele Köche verderben bekanntlich den Brei und das ist auch leider hier der Fall.
Auf etwas mehr als 300 Seiten werden einfach zu viele verschiedene Handlungsstränge eingeführt und begonnen, ohne je wirklich tiefgehend behandelt zu werden. Alles wird nur so oberflächlich gestreift. Vielleicht werden so manche Entwicklungen erneut in einem Folgeband aufgegriffen, jedoch insgesamt fehlt es inhaltlich an Substanz.
Besonders der Handlungsaspekt rund um den Pharmakonzern kam mir deutlich zu kurz. Da habe ich mir einfach mehr skrupellose Aktionen und vor allem Einblicke in ihre Geschäfte und Beweggründe erhofft. Doch, enttäuschenderweise Fehlanzeige.
Infolgedessen wirkte die gesamte Handlung selbst für einen Thriller zu abgedreht und stellenweise wie ein billiger Action-Film.

Ebenso kann die Personenzeichnung auch nicht wirklich überzeugen. Zu stereotyp, zu machomäßig und zu oberflächlich. So scheinen Verletzungen, auch teils schwierige, die jeweiligen Personen nicht großartig zu beeinträchtigen und besonders Ishikli weiß sich aus jeder noch so schwierigen Situation zu befreien.

Kurz: Ein spannender Schreibstil sowie eine Handlung, die Schlag auf Schlag voranschreitet, allein reichen nicht für einen guten Thriller. Auch die Geschichte drumherum muss passen. Blasse und überzogene Charaktere sowie eine schwach erzählte Handlung sorgen eher für Frust als für Lust.

Bewertung vom 31.05.2024
Der 1. Patient / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.4
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Der 1. Patient / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.4


sehr gut

Wenn die KI entscheidet - spannender Justiz-Krimi

Wer war verantwortlich, die behandelnde Ärztin oder das die OP unterstützende KI-System?

Das ist die entscheidende Frage, die im vierten Band der Justiz-Krimireihe von Schwiecker und Tsokos "Der 1. Patient" Gegenstand der Handlung ist, die gekonnt Hochspannung, aktuelle Themen und interessante Einblicke in die Medizin und das Justizsystem auf fesselnde Art und Weise miteinander verbindet.

Der Justiz-Krimi beginnt mit einer Diskussionsrunde über die Chancen und Risiken von KI, gefolgt von einer Routine-Operation, die für den Patienten tödlich endet. Die Chefärztin Dr. Sasha Müller wird daraufhin wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Doch während der Ermittlungen stellt sich heraus, dass sie bei dem Eingriff von einem KI-System unterstützt wurde. Rechtsmediziner Justus Jarmer kommt zu dem eindeutigen Schluss, dass ein Behandlungsfehler vorliegt. Der Berliner Strafverteidiger Rocco Eberhardt setzt alles daran, die Unschuld seiner Mandantin zu beweisen und herauszufinden, ob die KI versagt hat.

Von Anfang an wird dank kurzer Kapitel und wechselnder Erzählperspektiven die Spannung konstant hochgehalten. Dazu trägt natürlich auch die packend erzählte und glaubhaft konstruierte Handlung bei. Man merkt, dass die Autoren wissen, von was sie schreiben.
Trotz des Hauptaugenmerk auf dem Gerichtsprozess, wird es zu keinem Zeitpunkt langweilig. Es macht Spaß, den Argumenten von Verteidigung und Anklage zu folgen und so nebenbei Einblicke in das Justizwesen zu gewinnen.
Ebenso findet nicht nur das hochaktuelle Thema KI Eingang in den Krimi, sondern auch der Einfluss der Berichterstattung auf die öffentliche Meinungsbildung wird angesprochen.

Nur zum Ende hin, ging es mir persönlich etwas zu schnell und die Frage nach dem Einsatz von KI in der Medizin und die Chancen und Risiken, die damit eingehen, fiel auch etwas unter dem Tisch.

Alles in allem, ein gelungener Justiz-Krimi, an dem nicht nur Fans der Thriller und Krimis von Tsokos Gefallen finden werden.
Wer auf der Suche nach einem Krimi mit einer intelligenten und packenden Handlung voller fachmännisches Wissen aus dem Bereich Justiz und Medizin ist, wird von "Der 1. Patient" nicht enttäuscht werden.

Bewertung vom 28.04.2024
Fucking Famous
Hashagen, Anne

Fucking Famous


sehr gut

Abgedrehter und bitterböser Einblick in die Welt der Influencer

Das unschuldig wirkende rosa Buchcover von "Fucking Famous" täuscht, denn der kurzweilig geschriebenen Roman ist alles andere als unschuldig.
Die Protagonistin und Erzählerin Lotte Hohenfeld ist nämlich nicht gerade eine Sympathieträgerin, eigentlich niemand so wirklich. Ist aber auch nicht verwunderlich, wenn man in der Influencer-Welt auf Instagram unterwegs ist.

Von Anfang an ist der Ton und die Richtung gesetzt, begleitet mit den bitterbösen und zynischen Gedanken der Protagonistin, folgt man Lotte auf ihrem Weg zu bekannten und erfolgreichen Influencerin mit B-Prominentenstatus.
Die Handlung ist gespickt mit echten Namen aus der Promi- und Influencerwelt und besonders diejenigen, die durch Instagram und Social Media zu zweifelhaften Ruhm gekommen sind, bekommen ihr Fett weg.

Das Buch fühlt sich an, wie ein wilder Rodeo-Ritt und besonders zum Ende hin, wurde es etwas zu wild und abgedreht, was der Unterhaltung jedoch keinen Abbruch tut.

Der tief zynische Ton, die leicht überdrehte Handlung, in der liebenswerte Charaktere quasi nicht existent sind, und dazu noch eine wenig für sich einnehmende Hauptperson, wird nicht jeden ansprechen.
Für alle, die gerne mal etwas Neues und Frisches lesen wollen, das nur so von Boshaftigkeit, Oberflächlichkeit und kaum Menschlichkeit sprüht, sowie einen interessanten Einblick in der Welt der Influencer wirft, der wird seine (Schaden?)freude mit "Fucking Famous" haben.

Bewertung vom 13.04.2024
Das kleine Buch der großen Risiken
Thomä, Jakob

Das kleine Buch der großen Risiken


sehr gut

Ohne großes Risiko zu empfehlen

Muss ich mir Sorgen machen oder gibt es noch Hoffnung für die Menschheit?

In "Das kleine Buch der großen Risiken" versucht Jakob Thomä eine Antwort auf die Frage zu finden, indem er von A bis Z verschiedene potenzielle Gefahren bzw. Risiken für die Weltbevölkerung näher beleuchtet. Seine Themenwahl macht neugierig (z. B. Außerirdische oder Zombieapokalypse) und ist aktuell (z.B. Totalitärer Staat oder Künstliche Intelligenz).

Gut strukturiert und logisch aufgebaut ist der erste Eindruck, den man auf den ersten Seiten vom Sachbuch gewinnt, was auch im weiteren Verlauf bestätigt wird. Am Anfang jedes Kapitels fasst der Autor das mögliche Risiko kurz zusammen und liefert eine knappe Einschätzung, ob man sich Sorgen machen soll oder eher weniger, um dann im Anschluss noch ausführlicher darauf einzugehen. Eine tiefgreifende Analyse sollte man jedoch nicht erwarten; das bedeutet aber nicht, dass der Autor in seiner Erklärung einseitig argumentiert. Er nennt die wichtigsten Punkte, positiv wie negativ, und hält dabei gekonnt die Balance zwischen Faktenvermittlung und humorvollen Anekdoten. Wer noch mehr wissen will, kann auf die zitierten Quellen am Ende zurückgreifen.

Da die Kapitel vergleichsweise kurz sind und leicht verständlich geschrieben sind, hier und da mit einer Prise Humor, fliegt man regelrecht durch die Seiten. Trotz des Themas kommt hierbei jedoch keine Weltuntergangsstimmung auf, auch wenn so manches Risiko nicht unterschätzt werden sollte.

Natürlich stellen die verschiedenen Risiken nur eine Auswahl möglicher dar, abschließend ist sie nicht. Interessant ist die Themenwahl auf jeden Fall.

Leserinnen und Leser, die Gefallen an populärwissenschaftlichen Büchern finden, die geschickt Wissen und Unterhaltung miteinander verbinden, werden von "Das kleine Buch der großen Risiken" sicherlich nicht enttäuscht sein.
Ein Buch, das trotz der darin enthaltenen Risiken zu empfehlen ist ;)

Bewertung vom 14.03.2024
9mm Cut
Ruge, Sybille

9mm Cut


sehr gut

Eve Kleins spannende Reise in der Welt der Reichen und Superreichen

In "9mm Cut" hält sich die Autorin Sybille Ruge nicht lange mit Nebensächlichkeiten und unnötigen Firlefanz auf.
Direkt und unverblümt folgt Szene auf Szene, wodurch der gut und glaubwürdig konstruierte Thriller schnell eine Sogwirkung entfaltet.

Im Mittelpunkt der spannenden Handlung steht die intelligente Privatermittlerin Eve Klein, die für ihren Auftraggeber bei der NGO "Interni" Nachforschungen betreiben soll, den bei der wohltätigen Stiftung scheint nicht alles mit rechten Dingen zuzugehen. Dazu begibt sich Eve nach Zürich und ermittelt verdeckt im Umfeld der Geschäftsführung von "Interni". Sie erhält so Zugang zur Welt der Reichen und Superreichen, die von Scheinheiligkeit und Gier geprägt ist und auch nicht vor zwielichtigen Geschäften haltmacht.

Mit der Eve Klein hat die Autorin eine Privatermittlerin erschaffen, die während sie ihre Gegenspieler ausschaltet, Goethe zitieren kann und sonst auch nicht lange fackelt.
Eve ist praktisch veranlagt und zeigt nur wenig Emotionen, was sich auch im Erzählton widerspiegelt. Dieser ist von Nüchternheit, der ein oder anderen derben Formulierung und einer Prise Sarkasmus geprägt und sicherlich nicht für jeden ansprechend. Wer einen bildhaften Schreibstil und eine atmosphärische Beschreibung bevorzugt, wird nur wenig Gefallen an dem Thriller finden.

Leider leidet auch die Personenzeichnung von Eve unter dem rasanten und kompakten Schreibstil. Eve als Person lernt man nicht so richtig kennen, sie bleibt unnahbar. Für ihre Tätigkeit als Privatermittlerin von Vorteil, einen bleibenden Eindruck bei Leser und Leserinnen hinterlässt sie eher weniger.
Im Gegensatz zur gut durchdachten Handlung, die sich durch scharfzüngige Beobachtungen aktueller politischer sowie gesellschaftlicher Entwicklungen und einer glaubhaften Beschreibung der Lebens- und Scheinwelt der Reichen sowie Superreichen überzeugen kann.

"9mm Cut" ist ein etwas untypischer Thriller. Es ist ein Thriller, der sich durch seine scharfe Beobachtungsgabe, eine vielversprechende Protagonistin und ein dichtes Erzähltempo, das volle Aufmerksamkeit fordert, auszeichnet.
Gerne mehr von Eve Klein!

Bewertung vom 14.03.2024
Trabant
Sommer, Stefan

Trabant


gut

Roadmovie ohne Ziel

Ein Roadmovie von Istrien nach München, dem es an Tempo und Ziel fehlt, so präsentiert sich "Trabant" mir nach dessen Lektüre.

Georg Himmel macht sich nach dem Erhalt einer falsch an ihm gesendeten SMS seines Vaters in seinem alten Opel Corsa auf den Weg zum Münchner Flughafen, um die Ehe seiner Eltern zu retten. Zumindest glaubt er das, nachdem er die SMS seines Vaters gelesen hat, die eine Ehekrise für Georg anzudeuten scheint. Die Eltern sind für den ängstlichen Georg, ein wichtiger Bezugspunkt in seinem Leben und so macht er sich auf den Weg, obwohl er eigentlich der Trauzeuge seines Freundes sein sollte.
Auf der Fahrt nach München, erinnert sich an Georg an Ereignisse und Momente aus seiner Kindheit mit seinen Eltern und das Bild seiner Eltern bekommt Risse.

Der etwas gemächlich beginnende Roman hat es mir hierbei jedoch mit seinem Gedanken- und Zeitsprüngen nicht leicht gemacht, ihn in vollen Zügen genießen zu können.
Denn sprachlich mit seinem ausdrucksstarken und bildhaften Schreibstil konnte er mich überzeugen, nur inhaltlich blieb er zu verwirrend für mich.

Zum einen wurde, trotz der Rückblicke in die Vergangenheit und ein paar netten Vater-Sohn Momenten, für mich Georg Himmel als Person nie so richtig greifbar. Das Gleiche gilt für seine Eltern. Zudem erschloss sich mir die Bedeutung mancher Erinnerung für den Gesamtverlauf der Geschichte nicht so wirklich.
Zum anderen erinneren mich manche Passagen eher an einen Fiebertraum, worunter die Grenze zwischen Wahrheit und Einbildung verwischt wurden und so für zusätzliche Verwirrung sorgen.

Insgesamt habe ich mir von "Trabant" einfach etwas mehr erwartet.
Gute Ansätze bzw. Ideen für eine packende Geschichte sind vorhanden, jedoch verbleiben ungenutzt.

Bewertung vom 14.03.2024
James
Everett, Percival

James


sehr gut

Jim bekommt eine eigene Stimme und was für eine!

"James" erzählt den Klassiker "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" erfrischend neu.

Erzählt wird die packende Neuerzählung der bekannten Geschichte, die in den 1840er-Jahren in Missouri spielt, aus der Sicht des Sklaven Jim, der sich lieber James nennt.
Jim mimt den dummen Sklaven, er ist aber genau das Gegenteil davon. Er ist intelligent, kann lesen und schreiben und zeichnet sich durch Empathie gegenüber seinen Mitmenschen aus.
Als er an einen Mann in New Orleans verkauft werden soll, was ihn von seiner geliebten Frau und Tochter trennen würde, flieht er gemeinsam mit Huckleberry "Huck" Finn, der seinem gewalttätigen Vater entkommen will. Für beide beginnt eine Reise voller Abenteuer den Mississippi herunter, um die freien Staaten zu erreichen. Mehr als einmal muss Jim hierbei Huck retten.

Anfangs noch der ursprünglichen Handlung folgend, beginnt Everett etwa ab der Mitte des Romans anhand überraschende Wendungen die Geschichte in eine andere Richtung zu lenken.
Es wird deutlich, dass es nicht Hucks Geschichte, sondern Jims ist. Man taucht in Jims Gedanken- und Gefühlswelt ein und bekommt einen Eindruck davon, was es heißt, ein Sklave zu sein. Stimmungsvoll wird hierbei eine Bild der damaligen Zeit erzeugt. Der Autor ist sich des historischen Kontextes des Romans bewusst, schafft es jedoch, die sozialen und rassischen Belange unserer heutigen Zeit anklingen zu lassen.

Einzig am Anfang braucht der Roman etwas, um an Fahrt aufzunehmen.

"James" ist voller Action und Satire, aber auch ernsten Momenten und ein gelungenes Beispiel dafür, wie man einen Klassiker in die Gegenwart überführt, ohne dabei den Geist des Originals zu verlieren.
Everett erzählt all dies in seiner scharfen und direkten Prosa düsterer, gewalttätiger, unheimlicher und moralisch verdorbener als im Original.

Bewertung vom 26.11.2023
Pionéa - Loop (eBook, ePUB)
Martainn, Lucas

Pionéa - Loop (eBook, ePUB)


gut

Bildhafte Reise mit inhaltlichen Schwächen

"Pionéa-Loop" von Lucas Martainn ist ein anspruchsvoller Fantasyroman, der einen, wenn man sich auf ihn einlässt, durchaus in seinen Bann ziehen kann. Mich konnte er jedoch nicht so fesseln wie erhofft.

Die sehr bildhafte, ja fast schon melodische, Sprache des Autors lässt einen von Anfang an in eine Welt eintauchen, in der seltsame Ereignisse stattfinden. So taucht gleich schon zu Beginn im Himalaya eine Boje auf, eine Frau verschwindet plötzlich und man ist neugierig, was sich dahinter verbergen könnte. Auf rund 800 Seiten taucht man dann in eine außergewöhnliche und komplexe Geschichte ein.

Die Komplexität der Handlung zeugt einerseits von einem gut durchdachten Konzept des Autors, andererseits erfordert sie die volle Aufmerksamkeit der Lesenden.
Und genau damit hatte ich mit zunehmender Seitenzahl so meine Probleme. Denn mit steigender Seitenlänge sorgten die verschiedenen Handlungsstränge rund um die vergleichsweise große Anzahl an Hauptpersonen bei mir eher für Verwirrung als für Durchblick. Manche Längen in der Erzählungen und ungelenke sprachliche Formulierungen trugen ihren Teil dazu bei.
Auch konnte mich die Umsetzung des Themas der Zeitreisen nicht immer ganz überzeugen.

Sprachlich toll, inhaltlich jedoch noch mit Luft nach oben, ist der Eindruck, den der erste Band der Reihe bei mir hinterlässt.
Eher für Liebhaber anspruchsvoller Fantasyromane zu empfehlen.

Bewertung vom 05.11.2023
Unsereins
Mahlke, Inger-Maria

Unsereins


sehr gut

Bildhaft erzähltes Familienporträt um die Jahrhundertwende

"Unsereins" von Inger-Maria Mahlke ist ein bildreich erzählter Familienroman, in dessen Mittelpunkt die bürgerliche und kinderreiche Familie Lindenhorst steht.
Der Roman spielt um die Jahrhundertwende in Lübeck. Man folgt der Familie, ihren Bediensteten sowie Bekannten und Freunden über mehrere Jahre und wird so Teil ihres Lebens und Schicksals.

Der ruhige erzählte Roman erinnert mit seiner Handlung und Setting an "Buddenbrooks" von Thomas Mann, der in Form des Autors auch Eingang in "Unsereins" findet.

Kurze Kapitel bzw. Abschnitte sorgen gemeinsam mit dem flüssigen und bildreichen Schreibstil dafür, dass ein überzeugendes und glaubwürdiges Bild der damaligen Zeit entsteht.
Mit feiner Beobachtungsgabe taucht man in die Welt der Lindenhorsts, des Dienstmädchen Ida und des Ratsdieners Isenhagen ein und bekommt so einen Eindruck der damaligen Gesellschaft. Man wird Zeuge von gesellschaftlichen Auf- und Abstiegen und wie die Frauen des Romans versuchen aus ihren gesellschaftlichen Rollen auszubrechen bzw. sich Freiräume zu schaffen.

Es ist ein Roman, der detailverliebt und mit einem leicht spöttischen Ton erzählt wird.
Erzählt aus unterschiedlichen Erzählperspektiven, die in ihrem Erzählstil die Persönlichkeit des jeweiligen Charakters widerspiegeln, wird zwar ein plastisches und umfassendes Figurenbild gezeichnet, macht es aber vor allem anfangs auch etwas verwirrend. So muss man erst einen Überblick über die handelnden Personen und die verschiedenen Handlungsschauplätze gewinnen, um sich ganz auf die Geschichte einlassen zu können.

Leider geht jedoch ab etwa der Mitte des Romans der rote Faden verloren. Zudem wirkt er etwas sprunghaft, wodurch die anfängliche inhaltliche Tiefe an Schärfe verliert.

Trotz der schwächeren zweiten Hälfte des Buches kann "Unsereins" begeistern. Der Roman ist ein gut herausgearbeitetes und bildreich dargestelltes Familien- und Zeitporträt, der vor allem durch seine ausdrucksstarke Sprache überzeugen kann.

Bewertung vom 05.11.2023
Endstation Malma
Schulman, Alex

Endstation Malma


ausgezeichnet

Endstation Wahrheit - ausdrucksstark erzählt

"Wann verliert man sein Kind?" - Das ist eine der Fragen, die sich wie ein roter Faden durch den fesselnd geschriebenen neuen Roman "Endstation Malma" von Alex Schulman zieht.

Der wunderbar erzählte Roman spielt in einem Zug und wird aus den Perspektiven dreier Personen erzählt, die zu verschiedenen Zeiten, in der Vergangenheit und in der Gegenwart, unterwegs sind und auf der Suche nach Antworten sind.
Was werden sie am Ziel ihrer Reise finden? Den Drang danach, die Antwort auf diese Frage zu erfahren, lässt einen nur so durch die Seiten fliegen, was dank des einnehmenden, feinen und ausdrucksstarken Schreibstils des Autors einem auch nicht wirklich schwerfällt.

Man folgt der jungen Harriet, die bei ihrem Vater lebt, nachdem ihre Mutter und ihre Schwester sie verlassen haben. 20 Jahre später begleitet man Oskar, der eine Beziehung mit ebenjener Harriet eingeht, der, als die Beziehung scheitert, allein bleibt, mit seiner Tochter. In der Gegenwart folgt man dann der nun erwachsenen Tochter Yana.
Alle drei Handlungsstränge sind gespickt mit Erinnerungen, Gesprächen und Geschichten, die dazu führen, dass man fünf Protagonisten gut kennenlernt. Ständig wird zwischen den drei Handlungsperspektiven hin und her gewechselt, die dann alle, für sich mehr oder weniger befriedigend (Yana) auf die Auflösung am Bahnhof von Malma zusteuern, an dem schwedischen Bahnhof, an dem alle drei Schicksale auf besondere Art und Weise miteinander verbunden sind. So viel sei verraten, die Auflösung ist vor allem eine schmerzvolle, aber hat auch eine liebvolle Komponente.

Auch wenn es einen Erzählstrang in der Gegenwart gibt, liegt der Schwerpunkt in der Vergangenheit und ihren Auswirkungen. Hierbei offenbart sich auch eine Schwäche des Romans, die Gegenwartshandlung erfährt zum Ende hin nicht die gleichen starken Abschluss wie die beiden in der Vergangenheit.
Anfangs waren die verschiedenen Erzählstränge jedoch etwas verwirrend, doch sobald sich einem die Struktur des Romans offenbart, taucht man gebannt in die Geschichte über Familiengeheimnisse, Ungerechtigkeiten, die über Generationen weitergegeben werden, und vergangenen Ereignissen ein, deren Auswirkungen bis in die Gegenwart spürbar sind, ein.

"Endstation Malma" ist ein starkes und berührendes Werk von Alex Schulman, mit dem er einmal wieder sein Talent, fesselnde Geschichten mit vielschichtigen Charakteren zu schreiben, unter Beweis stellt.

Trotz kleiner Schwächen, eine klare Leseempfehlung.