Wieder einmal ist es Beate Maly gelungen ein historisches Thema in einer sehr unterhaltsamen Geschichte, mit scharf gezeichneten Charakteren, lebendig werden zu lassen. Dabei bezieht sie sich auf die Pädagogin und Politikerin Stella Klein-Löw, die damals genau wie die Hauptprotagonistin Stella Herzig das Land verlassen hatte und nach Ende des 2. Weltkrieges zum Wiederaufbau zurück nach Wien kehrte. Stella findet nach ihrer Rückkehr aus England, wohin sie als Jüdin ins Exil geflüchtet war, Unterschlupf in der Wohnung ihrer besten Freundin Feli, die sich als Sekretärin des Lindengymnasiums dafür eingesetzt hatte, dass Stella wieder als Lehrerin arbeiten konnte. Doch die Schrecken des Krieges und das Gedankengut der Nazis haben ihre Spuren in den Seelen der Menschen, besonders auch ihrer Schüler, hinterlassen. Im Kollegium der Lehrer gibt es nach wie vor Pädagogen, die den Schülern im Sinne eines unbarmherziges Menschenbildes begegnen und sich als ehemalige Parteimitglieder nicht eingestehen wollen, dass der Krieg verloren ist. Stella setzt alles daran für die Grundsätze einzutreten, an die sie selbst glaubt und begegnet den schutzbefohlenen Kindern mit Verständnis, Engagement und Großherzigkeit. Immer wieder holen sie die Geister ihrer Vergangenheit ein, was ihr besonders deutlich wird, als sie auf Leopold Moser trifft, der als vorübergehender Schulwart in Funktion eines Tischlers das Gymnasium wieder in standsetzt.
Es verschwindet immer wieder rationiertes Essen aus der Schulküche, dass die Schule von den allierten Amerikanern erhält. Feli, Stella und Josef, ein weiterer Pädagoge, erhalten dazu entsprechende Hinweise und legen sich auf die Lauer. Mehr will ich nun nicht mehr verraten!
Es war mir eine Freude dieses Buch zu lesen, das flüssig geschrieben, dennoch Tiefe und viel Gefühl verströmt und erst einmal begonnen, nicht mehr aus der Hand gelegt wurde. Schon jetzt sehne ich den 2. Teil herbei, der im Januar 2026 erscheinen wird.
In der heutigen Zeit ist dieses Buch wichtiger denn je! Antisemitismus und rechte Gesinnung bedrohen erneut unser friedliches Zusammenleben und es ist an uns dagegen aufzustehen und die Stimme zu erheben. Möge dieses Buch einen Beitrag dazu leisten.
Tommi, der mit Anfang 30, mangels Geld und verkrachtem Autorendasein, im Wohnmobil seines sehr speziellen Vaters wohnt, bekommt regelmäßig Hilfe von Svetlana seiner ukrainischen Putzfrau, die ihn resolut, aber dennoch auf ihre Art sehr liebenswürdig, an ihrer Sicht auf die Welt teilhaben lässt, und im Fortgang der Geschichte, die noch etwas verborgenen, positiven Persönlichkeitsanteile des jungen Mannes hervorholt. Die beiden finden am Waldrand ein allein auf sich gestelltes Mädchen, das weder spricht noch anderweitig Auskunft über seine Lage gibt. Im Rucksack des Kindes befindet sich nur eine kleine Notiz, die aber nicht viel aussagt. Vor allem Svetlana ist wild entschlossen dem Kind zu helfen und lässt Tommi keine Chance dem auszuweichen. Doch beide erahnen nicht, was sich hinter dieser Begegnung verbirgt und welche Ausmaße die Verstrickungen annehmen werden, in die sie geraten, je weiter sie der Lösung des Falls auf die Spur kommen.
Die Dialoge und die sehr humorvoll ausgearbeiteten Charaktere haben mich oft schmunzeln lassen. Ich habe dieses Buch als sehr gut umgesetztes Hörbuch in nur zwei Tagen angehört, weil ich mich mehr als gut unterhalten gefühlt habe und weil Volker Klüpfel es verstanden hat, die Spannung und auch den Unterhaltungswert aufrechtzuerhalten. Klare Hörbuchempfehlung!
Die Liebesbeziehung zwischen diesen beiden Größen der Weltliteratur beginnt die Autorin in ihrem Roman 1958 und lässt ihn im Jahr 1990 im Tessin, der südlichen Schweiz enden. Ingeborg war zu diesem Zeitpunkt bereits seit 17 Jahren nicht mehr am Leben. Bettina Sorks schildert abwechselnd, einfühlsam und nachvollziehbar die verschiedenartigen Sichtweisen und Gefühlslagen dieser Liebesbeziehung aus Sicht beider Protagonisten. Der flüssige Schreibstil, in den die gut recherchierten, geschichtlichen Informationen eingebettet sind, macht das Lesen zu einem Vergnügen. Wer tiefgründiger über die Liebe und die Ausgestaltung ihrer in Bezug auf Alltagstauglichkeit, Erwartungshaltungen, Verrat, Grenzüberschreitungen und ihre nach sich ziehenden Konsequenzen nachdenken möchte, kann hier Antworten für sich finden oder es einfach nur bedauern, dass wir Menschen gerade dort scheitern, wo wir für einen kurzen Moment glaubten Vertrauen und Heimat finden zu können. Wie unterschiedlich dürfen Liebende sein, ohne, dass sie das gefährden, was sie als so liebenswert an ihrem Gegenüber erachten? Wo sollte und muss das Ego schweigen, um zu bewahren und zu erhalten, was so unschätzbar kostbar ist? Tatsächlich lässt sich anhand der Fehler anderer und deren Beschreibung auch etwas lernen.
Der neue Band des Allgäuer Autorenduos ist weder besonders komisch noch besonders spannend. Ein Stück weit ist ein Buch immer ein Zeugnis seiner jeweiligen Zeit. Allerdings wird mir, was die politische Einordnung gewisser Meinungen anbelangt, zu wenig differenziert, was wiederum zeigt, dass selbst bei den Autoren offenbar das um sich gegriffen hat, was ich "antidemokratische Ignoranz" nennen möchte. Selbst die Eßkultur wird von der Zuordnung der jeweiligen politischen Strömung nicht ausgenommen. Stereotypischer geht es fast schon gar nicht mehr. Oder soll das vielleicht ein Versuch sein, sich über unsere höchst bedenkliche
gesellschaftliche Spaltung lustig zu machen? Was rechte Gesinnung mit einer impfkritischen Haltung und extrem schlechten Eßgewohnheiten zu tun hat, ist für mich nicht ersichtlich. Selbst in seiner Abschiedsrede muss Kluftinger nochmal betonen, mit welchem Engagement Herr Dr. Langhammer für seine Patienten einsteht und wie er sie umsichtig mit der vor der Infektion schützenden Impfung versorgt hat. Wie schön, dass Kobr und Klüpfel niemanden im Freundes- und Familienkreis haben, der an der Corona-Impfung verstorben ist bzw. unter den Langzeitfolgen der Impfung leidet.
Es handelt sich auch nicht um einen wirklichen Krimi. In meinen Augen ist es lediglich eine Abrechnung der "rechten Impfgegner" mit dem herrschenden System. Dass Journalismus nicht mehr unabhängig ist, habe ich seit der Corona-Pandemie verstanden, aber von einem Lehrer wie Kobr, dem man doch die Fähigkeit zum kritischen Denken unterstellen könnte, hätte ich mehr erwartet.
Jim, mit eigentlichem Namen James, ist der Hauptprotagonist einer an Tom Sawyer und Huckleberry Finn angelehnten Erzählung von Mark Twain. Der Autor, Percival Everett, lässt die Ereignisse der sehr abenteuerlichen Geschichte aus der Perspektive von Jim, dem Sklaven, erzählen, der klug und belesen ist. Um den Weißen Unterlegenheit zu demonstrieren, sie nicht zu verunsichern und damit zu verärgern, bedient sich James einer für Sklaven typischen Sprache, die die Vorurteile stützen und erfüllen sollen, die die Sklavenhalter ihnen gegenüber haben. Huck und James sind auf der Flucht und vielen Gefahren ausgesetzt. Zu Beginn muss man sich ein wenig an die in Everetts eigenem Stil nachempfundene Sprache der Sklaven gewöhnen, was aber recht schnell gelingt und zudem ein wichtiges Merkmal innerhalb der Geschichte darstellt, denn über Sprache drückt sich Zugehörigkeit und Identität aus. Je mutiger James wird, desto häufiger wechselt er in die eigentliche Sprache und lässt erkennen, dass er die ihm zugedachte Position ganz berechtigt in Frage stellt.
Der Leser nimmt Anteil an den wichtigen Fragen wie Identität, Gleichheit, Freiheit, Würde und welchen Wert ein menschliches Leben hat. Auch das Wesen des Menschen mit seinen Abgründen des Bösen zeigt sich, und ich konnte mich selbst dabei beobachten, dass ich fast erleichtert war, dass James einen der Peiniger seiner scheinbar gerechten Strafe zuführte, S. 308 „War es böse, Böses zu töten? „Doch was ist Gerechtigkeit? Wie lange muss man Menschen quälen, bis sie sich ihrer Haut wehren?
Amerika hat die Geschichte der Sklaverei und Rassentrennung bis heute nicht angemessen bewältigt. Ron de Santis, der Gouverneur von Florida, hat das Curriculum an Schulen für den Geschichtsunterricht dahingehend geändert, dass Schülern ab der 5. Klasse angebliche Vorteile der Sklaverei unterbreitet werden sollen. Wie und wo kann man in einem solchen menschenverachtenden System von Ausbeutung und Gewalt Vorteile finden? Offenbar ist jedes Mittel recht, wenn man an höhere politische Ämter gelangen möchte. Dieses Buch ist ein weiterer gelungener Wurf des US-amerikanischen Autors und Professors für englische Literatur und eine angemessene Antwort auf die nationalistische „America First Politik“ und daher gebe ich meine klare Leseempfehlung.
Die vorgelegte Romanbiografie über die Heilige Katharina von Siena, die 1347 als zweitjüngste von 25 Kindern einer Wollfärberfamilie geboren wurde, ist historisch gut eingebettet in die damaligen politischen Verhältnisse, die eine Trennung von Kirche und Staat noch nicht vorsah. Schon als Kind vernahm sie in einer Vision den Ruf Gottes und folgte diesem auch gegen den anfänglichen Widerstand ihrer Mutter Lappa unbeirrt nach und wurde Mantellatin. Sie engagierte sich sozial und in ihrem späteren Leben auch politisch. So kümmerte sie sich um an Lepra erkrankte Menschen, gab einem obdachlosen, frierenden Mann ihren Mantel und entgegnete den Zuschauenden sie wolle sich lieber ohne Mantel statt ohne Liebe finden lassen. Ihre Beharrlichkeit im Gebet und ihre unnachgiebigen Liebe zu Jesus Christus sind für uns heute oft lauen Christen ein großes Vorbild. Nach einer Vision aß Katharina nur noch sehr wenig und körperliche Bußübungen waren Teil ihrer Persönlichkeit bis sie eine erneute Vision von Christus ihrem Bräutigam hatte und ab da in der Öffentlichkeit stand, um in vielerlei Hinsicht zu vermitteln. Stets war sie von ihrer famiglia umgeben, zu der auch ihr Beichtvater, der Dominikaner, Raimund von Capua gehörte.
In ihrer Radikalität war sie eine Verfechterin der Kreuzzüge, was für uns heute nicht zu verstehen ist und einer entschiedenen Bezeugung der Nächsten und Feindesliebe laut Evangelium nach unserm Verständnis entgegensteht. 1375 soll sie die nur für sie sichtbare Stigmatisation erhalten haben.
Sie starb 1380 und wurde zuerst in Rom in der Dominikanerkirche „S.Maria sopra Minerva“ beigesetzt. 5 Jahre später wurde ihr Kopf durch Raimund abgetrennt und als Reliquie in die Basilika San Domenico in Siena gebracht, ganz in der Nähe ihres Geburtshauses.
Katharina wird heute als Schutzheilige Italiens, Europas und der Stadt Rom verehrt.
Die Autorin hat eine fesselnde Geschichte geschrieben, die mich auch über das Lesen hinaus sehr beschäftigt hat. Die beschriebenen Charaktere wirken authentisch, so, dass ich nach kurzer Zeit Teil des Geschehens war und in Gedanken mit Katharina und der famiglia, ihrem vertrauten Kreis, unterwegs war.
Wer sich bisher noch nicht mit dem Leben von Heiligen beschäftigt hat, sich aber dafür interessiert, erhält über dieses Buch einen guten ersten Zugang.
Sie, Solène, die junge Anwältin sieht sich gescheitert, hat das Gefühl nicht genug getan zu haben, als sich ihr Mandant nach einer für ihn dramatischen Urteilsverkündung aus dem sechsten Stock des Gerichtsgebäudes stürzt. Wie bisher muss sie erkennen, kann es für sie nicht mehr weitergehen. Therapeutisch wird ihr nach der Klinikentlassung geraten sich ehrenamtlich zu engagieren. So wird sie auf den "Palast" aufmerksam, in dem sie als Schreiberin für in Not geratene Frauen fungieren soll. Anfänglich tut sich Solène schwer einen Zugang zu den Frauen zu finden. Erst als an ihrem eigenen Schmerz gerührt wird und sie diesen mit den Frauen dort teilt, bricht sich der Bann und sie wird Teil einer Gemeinschaft, des Kollegiums, in der sie nicht wie gewohnt von außen betrachtet, sondern die Einzelschicksale spüren kann. Eines Tages geschieht etwas, das ihr erneut das Gefühl gibt versagt zu haben und sie sich daraufhin unfähig sieht dort weiterhin tätig zu sein. Doch oft bekommt man auch eine weitere Chance und diese findet unsere Hauptfigur in einer obdachlosen, jungen Frau.
Der Roman wechselt zwischen der Gegenwart in Paris und den 1920er Jahren, in denen die junge Offizierin der Heilsarmee, Blanche Peyron, für die Ärmsten der Armen unermüdlich im Einsatz war. Sie spürt bereits in jungen Jahren ihre Berufung ihr Leben ganz in den Dienst der Notleidenden zu stellen, etwas was Solène erst nach und nach lernt. Dieses sich vom Leid berühren zu lassen, nicht stets in geschützter Distanz zu verharren und trotzdem genug Kraft aufzubringen das Gute für den Nächsten voranzubringen. Mitgefühl dem Taten folgen. Eine der großen Taten Peyrons war gemeinsam mit ihrem Mann Spendengelder für den "Palast der Frauen" aufzutreiben, von denen man anfänglich glaubte, dass es ein Ding der Unmöglichkeit darstellte bei den immens hohen Kosten, die dieses Vorhaben einforderte.
Laetitia Colombani beschreibt die Ereignisse und Schicksale mit einer solchen Ergriffenheit, dass ich eine tiefe Traurigkeit in meinem Inneren spürte. Die Tonart Moll zieht sich wie ein roter Faden durch die Grundstimmung im Angesicht von so viel Leid, an dem wir Menschen oft genug achtlos vorüber gehen, fragen nicht danach, warum sich jemand nicht angepasst verhält und sind oft genug mit Vorurteilen und schnell mit einem Urteil zur Hand, dass dem Demjenigen meistens nicht annähernd gerecht wird, mehr einer Verurteilung gleich kommt. Blanche und auch Solène tun genau das Gegenteil davon und rufen uns dazu auf, es ihnen gleich zu tun.
"Das Haus der Frauen" hat mich tief bewegt und ich würde es nicht nur Frauen, sondern allen mutigen Menschen empfehlen zu lesen oder zu hören, die nicht am Leid "ihrer Schwester", "ihres Bruders" vorbeigehen und die somit diese Welt ein kleines Stückchen besser machen können.
Elly, sie ist eine von den vielen unbekannten, mutigen und altruistischen Frauen, die es wagten für das Richtige einzustehen und sich selbst treu blieben, auch wenn es so manches Opfer forderte. Unsere Hauptprotagonistin ist vor Kriegsbeginn Köchin in einem jüdischen Haushalt und rettet den kleinen Sohn Leon vor den Nazis als seine Eltern festgenommen werden. Für Elly und den Kleinen beginnt nun eine herausfordernde Zeit und wir dürfen mitfiebern, ob es ein Wiedersehen der Familie nach dem Krieg geben wird.
Dieser Debütroman von Marie Sand besticht durch seine einfühlsamen und ehrlichen Schilderungen- ein wirklich gelungener Erzählstil, der dazu führt, das Buch hat man erstmal begonnen zu lesen, nicht mehr aus der Hand zu legen. Anfänglich hatte ich mir die Köchin allerdings älter vorgestellt und war erstaunt, als ich plötzlich las, sie sei Mitte Dreißig. Warum eine Pfarrerstochter, die evangelisch sein musste, sich an Maria wandte, wunderte mich ein wenig, auch das Beten des Rosenkranzes ist nicht protestantisch, auch nicht das Lesen einer Messe für Verstorbene. Hier muss sich weder die Autorin noch die Lektorin wirklich auskennen, was ich etwas peinlich finde, weil es zur Allgemeinbildung gehört. Auch ist mir ein Widerspruch aufgefallen. Als der amerikanische Besatzersoldat sich verabschiedete, hieß es Elly könne Loslassen, hinterherwinken ohne Wehmut, S.227 und als Leon sein Abschiedsessen erhielt, hieß es auf S. 244: "Abschiede lagen Elly nicht, denn sie hafteten sich klebrig auf die Gedanken und zwangen einen, auf eine Zeit zurückzublicken, die nicht mehr zu ändern war." Was mich noch nachdenken ließ war die Verbindung, die Elly zu ihrer leiblichen Tochter Mathilda hatte. Es ist eher unrealistisch, dass eine Mutter ein Kind anderer Eltern mehr liebt als ihr eigenes.
Dennoch ist die Geschichte in sich stimmig aufgebaut und konzentriert sich dabai auf das Wesentliche. Die Charaktere sind authentisch beschrieben. Allerdings hatte ich Zweifel an der Person des Stephan Bauer. Diese Mischung aus Depression, Überforderung, Besonnenheit und plötzlich unbeherrschtes Einschlagen auf Kinder oder das Weggeben des jüngsten Sohnes aus erster Ehe.
Da ich mich aber insgesamt sehr gut unterhalten gefühlt habe, die Behandlung des beschriebenen Themas als erzählerisch gut umgesetzt sehe und mit Elly mitfühlte und litt, erhält dieser erste Roman der Autorin 5 Sterne mit klarer Leseempfehlung.
Nannerl Mozarz- zwischen Talent und weiblicher Rollenerwartung im 18. Jahrhundert
Der hier von der Wienerin Autorin, Beate Maly, vorgelegte biographische Roman über das Leben der Maria Anna Walburga Ignatia Mozart setzt sich kritisch mit den kulturhistorischen Erwartungen der damaligen Zeit auseinander und zeigt zu welchen Opfern Frauen damals bereit waren, um sich und die Herkunfsfamilie zu schützen. Sie ist das erste überlebende Kind des Ehepaars Mozarts und es ist davon auszugehen, dass sie deshalb eine besondere Fürsorge der Eltern genoss. Schnell stellte sich ihr musikalisches Talent heraus, welches aber in den Schatten des begabten Bruders Wolfgang Amadeus zurücktreten musste. Die Geschichte nimmt die Lesenden mit durch die Ereignisse ihrer Kindheit und Jugend, lässt ihre Begeisterung für die Musik spürbar werden. Sie gilt als eine der begabtesten Pianistinnen ihrer Zeit, was ihr Bruder sehr zu schätzen wusste, legte er doch große Stücke auf die Expertise seiner Schwester. Als unsere Hauptprotagonistin ihrer großen Liebe, Franz Armand d`Ippold, begegnet, erleben wir welche gesellschaftliche und ökonomische Einflüsse damalige Verbindungen bedroht haben und Frauen stets darauf bedacht sein mussten ihren guten Ruf nicht zu verlieren.
Die äußerst empathische Erzählweise fesselt von Anfang bis Ende. Anschließend musste ich unbedingt noch mehr von Nannerl in Erfahrung bringen, wollte wissen, wie ihr Leben weiter verlaufen ist. Wenn es gelingt ein solch großes Interesse zu wecken, dann hat eine fantastisch erzählte Geschichte, wie diese, volle fünf Sterne verdient.
Den Auftakt der dreiteiligen Saga über das Leben einzelner bedeutender Mitglieder der Bloomsbury Group bildet der erste Roman "Die Liebenden von Bloomsbury", der vom Leben der Schriftstellerin Virgina Woolf und ihrer Schwester Vanessa Bell, einer Malerin, und ihrem sich regelmäßig treffenden Zirkel von Cambridge Absolventen, handelt. Obwohl der Untertitel des Buches darauf verweist man dürfe erwarten der Fokus liege hier hauptsächlich auf den biografischen Ereignissen der Virginia Woolf, so sind es doch die Schwestern und ihr enges Beziehungsgefüge, die den Kern der Geschichte bilden. Da es sich um eine fiktive Nachzeichnung möglicher biografischer Ereignisse anhand von fundierter Recherche seitens der Autorin handelt, haben wir es hier nicht mit einem Roman zu tun, der spannungsgeladenen Ereignissen entgegen sehnt, sondern mit dem gelungenen Versuch das damalige Leben am Ende des viktorianischen Zeitalters nachzuzeichnen. Die Sehnsucht der jungen Frauen nach Selbstbestimmung und Berufung tritt deutlich zutage.
Virginias Rolle ist die einer zerbrechlichen Frau, die psychisch instabil auf sich achten muss, ansonsten vor Empfindsamkeit nur so strotzt, eloquent und eitel auftritt, süchtig danach ist geliebt zu werden-besonders von ihrer Schwester Vanessa. Diese Liebe ist so inniglich inszeniert, dass ich mich gefragt habe, wie weit sie ging. Als ihr Schwager seine Liebe zu ihr entdeckt, ist sie unter ihren Gefühlswirren bereit ihr eigenes künstlerisches Schaffen von ihm infrage stellen zu lassen, was zeigt wie sehr sie um Anerkennung bemüht war und wie groß die Selbstzweifel an ihren Fähigkeiten waren, siehe dazu S.427 und 428.
Die Lebendigkeit dieser Geschichte zeichnet sich durch eine sehr hohe Dialogdichte aus, einer äußerst bildreichen Sprache, die sogleich einen inneren Film vor dem geistigen Auge ablaufen lässt, was mich mehr als gut unterhalten hat. Die Charaktere wirken authentisch. Sehr wichtig ist die Rolle des Clives, der zu Studienzeiten in Paris war und uns erst als weltoffener, gebildeter junger Mann begegnet, der die schöne Vanessa heiratet und später auch Gefallen an der geistreichen Virginia findet. Sein Hobby, die Jagd, pflegt er auch in Bezug auf Frauen. Er braucht ungeteilte Aufmerksamkeit, davon hängt seine Zuneigung maßgeblich ab. Plötzlich fühlt er sich von der Intelligenz Virginias angezogen, denn sie schreibt ihm regelmäßig Briefe, zu einer Zeit, in der seine Frau sich ausschließlich um den Nachwuchs und später um ihre Malerei kümmert. Doch genau was er anscheinend anziehend findet, macht ihm insgeheim auch Angst, genau wie die Suffragetten, die vehement das Frauenwahlrecht fordern und die Virginia bitte nicht in ihrem Roman "Melymbrosia" erwähnen soll. Die geistig unabhängigen Schwestern bräuchten ihn eigentlich beide nicht.
Im Nachwort schreibt die Autorin selbst, dass es inhaltlich bei den Treffen der Bloomsburies um Philosophie, Literatur und Kunst gegangen sei. Das wiederum musste im Roman dem ständigem Gerede von Sex und gleichgeschlechtlicher Liebe weichen, wohl als Merkmal sich gerade in dieser Hinsicht befreien zu wollen. Es ist ein Trugschluss zu glauben, nur weil man endlich vulgär über Tabuthemen reden konnte, würde es in die Freiheit geführt haben.
Ich hätte mir noch ein wenig mehr Informationen über die schriftstellerischen Ereignisse Virginias gewünscht und tiefgreifendere Dialoge bei den Treffen im Gordon Square 46. Auch bleibt offen, wie sie zu der Ehefrau von Leonard Woolf wurde. Auch das Ausmaß ihrer bipolaren Störung fließt nur unzureichend in die Geschichte ein.
Dennoch freue ich mich auf den 2. Teil der Saga und kann dieses Buch Interessierten dieser Zeit empfehlen.
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