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Birgit

Bewertungen

Bewertung vom 23.07.2024
Der Doppel-Schreier
Luftvogel, Lisei

Der Doppel-Schreier


ausgezeichnet

Von Wurzeln, Wegen und Zwischenräumen
Zara sucht ihren jahrelang totgeglaubten Vater. Die Reise zu ihm kann man als Entwicklungsroman lesen. Zaras Lehr und Wanderjahre, verkürzt auf ein paar Wochen. Die Philosophin Zara reflektiert ihre Kindheit, die Bindungen an Mutter, den (meist abwesenden) Vater, Familie, Freunde und kommt ihnen näher, löst sich ein Stück, orientiert sich neu. Am Schluss ist ihre Befreiung aus alten Verstrickungen absehbar. Sie scheint bei sich angekommen. Der Vater spielt da schon (fast) keine Rolle mehr.
Der neue Roman von Lisei Luftvogel spielt im Vorkriegs-Damaskus, das es heute leider so nicht mehr gibt. Schade, denn so wie Luftvogel davon erzählt, bekommt man Lust, dort zu sein.
Die Protagonisten erlebt hier Sonderbares und Alltägliches, sie knüpft neue Freundschaften und korrigiert alte Beziehungen – etwa in ihren zahlreichen Telefonaten in die Heimat.
Neben einem riesigen Strauß von kulturellen, religiösen und sozialen Ereignissen im Syrien der 2000er Jahre vermittelt der Roman Einblick in die politische Situation im Nahen Osten. Angetrieben wird die Geschichte immer neu von den Verstrickungen einiger junger politisierter Europäer in den 70er und 80er Jahren und deren - bis heute - weitreichenden Folgen.
Genau beobachtet und stimmungsvoll erzählt, mit vielen interessanten Details zum Vorkriegsleben in Syrien und dem Libanon unterlegt, liest sich die Reise zu Zaras Wurzeln und zurück ungemein spannend. Lisei Luftvogels zweiter Roman ist reflektierter und sehr viel weiter ausgearbeitet als ihr Erstlingswerk Anti, auf den er immer wieder zurückverweist, er ist aber genauso mitreißend.