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Bookwood
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Bad Honnef

Bewertungen

Insgesamt 84 Bewertungen
Bewertung vom 29.06.2024
Die verkaufte Sängerin / Cristina Bd.1
Lorentz, Iny

Die verkaufte Sängerin / Cristina Bd.1


sehr gut

Von der Gauklerin zur Hofsängerin
Das Buch „Die verkaufte Sängerin“ bildet den Auftakt einer neuen Serie der sehr bekannten Autorin Iny Lorentz. Diese steht für spannende historische Romane mit gut recherchiertem Hintergrund. Auch in ihrem jüngsten Werk bleibt sie dieser Linie treu und erzählt eine Geschichte, die viel Potenzial für einen Mehrteiler hat.
Im Mittelpunkt der Story steht die 14-jährige Cristina, deren Leben alles andere als leicht ist. Sie zieht mit einer Gruppe Gauklern durch die Lande, in der sie eher geduldet als geschätzt wird. Sie ist das uneheliche Kind der Schwester des Clanchefs und unterscheidet sich schon durch ihr Aussehen erheblich von ihren Verwandten. Da ihre Mutter früh starb, hat sie aber keine andere Wahl, als bei ihrer Familie zu bleiben. Eines jedoch zeichnet Cristina aus: Sie hat eine unvergleichlich schöne Stimme und ist eine begnadete Sängerin.
Aber auch das betrachtet die Frau ihres Onkels eher voller Neid, deren Ziel es ist, Cristina loszuwerden.
Als sich die Gelegenheit bietet, das Mädchen an einen Bediensteten des Herzogs von Sachsen-Meiningen zu verkaufen, wird Cristina aus ihrem bisherigen Leben herausgerissen und muss sich in die strengen Regeln einer Ausbildung zur Hofsängerin fügen. Doch auch bei Hofe werden Intrigen gegen sie gesponnen und so gerät sie in eine Gefahr, aus der sie quasi in letzter Minute von ihrer Lehrerin Elizabeth Karau und dem Hofbeamten Irmbert von Lauenstein gerettet wird.
Die Handlung des Romans, der zu Beginn so etwas als „Aschenputtel-Geschichte“ daherkommt, entwickelt sich im Verlauf des Buches zu einer komplexeren Geschichte. Cristina durchläuft eine Entwicklung, in der sie zu einer selbstständigen Persönlichkeit wird, die ihre eigenen Entscheidungen trifft und sich nicht weiter in ihrem Leben herumschubsen lassen will. Ich denke, das wird in den Folgebänden von der Autorin so weiterentwickelt werden. Interessant fand ich die Beschreibung des damaligen Gesellschaftslebens innerhalb der vielen, damals existenten kleinen Herzogtümer. Wie kompliziert gestaltete sich doch alles durch diese ausufernde Bürokratie!
An einigen Stellen hätte ich mir in dem Buch noch etwas mehr Tiefgang gewünscht. Die Figur des lüsternden Balduin von Vollendorf war mir etwas zu einfach gestrickt und seine Intrigen zu offensichtlich. Trotzdem hat mir das Buch gefallen und Interesse an der Fortsetzung geweckt. Das fotorealistische Cover gefällt mir persönlich nicht ganz so gut, ist aber sicher im Buchladen für viele ein Hingucker.

Bewertung vom 26.06.2024
Unter dem Moor
Weber, Tanja

Unter dem Moor


sehr gut

Verwobene Schicksale
Als die junge Berliner Ärztin Nina einen Burnout erleidet, bricht sie alle Brücken hinter sich ab, kündigt ihren Job in der Charité und flieht in ein einsames Dorf mitten im Stettiner Haff. Dort will sie Klarheit darüber erlangen, wie es beruflich mit ihr weitergehen soll und auch darüber, ob sie sich mit ihrem bisherigen Lebensgefährten Jan eine Zukunft vorstellen kann. Zunächst werden diese anstehenden Entscheidungen jedoch in den Hintergrund gedrängt, denn Ninas Hündin stöbert im Wald Knochen auf, die, wie sich herausstellt, von einem Menschen stammen. Parallel zu Ninas Geschichte erzählt die Autorin Tanja Weber aber noch zwei weitere Geschichten, in denen zwei Frauen die Hauptrolle spielen: da ist zum einen Gine, die mit 14 Jahren 1936 ins Dorf kam, um ihr Landjahr auf dem Gutshof der Familie von Wetzlaff abzuleisten und die dabei Schreckliches erlebte. Zum anderen erhält man Einblicke in das Leben von Sigrun, die in der DDR aufwuchs, einen Nachfahren der von Wetzlaffs heiratete und schließlich verschwand. Alle drei Geschichten werden feinfühlig aufbereitet und miteinander verwoben. Jede für sich wäre schon Stoff für ein eigenes Buch, aber im Zusammenspiel machen sie den Roman „Unter dem Moor“ vielschichtig und facettenreich. Eine ganz besondere Atmosphäre vermittelt die Moorlandschaft mit seinen Wäldern, die das gesamte Buch durchdringt. Mir war der Roman fast etwas zu kurz. Da hätte noch vieles erzählt werden können. Einiges bleibt leider im Dunkeln. Mir hat am Buch besonders gefallen, dass es quasi eine Mischung aus Krimi in der Jetztzeit und historischem Roman ist. Die einzigartige Natur bleibt immer gleich, nur die Menschen kommen und gehen. Ich habe „Unter dem Moor“ nicht aus der Hand legen können, da es mich während des Lesens schon sehr in seinen Bann gezogen hat. Das Cover ist ebenfalls richtig schön und passend. Man bekommt richtig Lust, selbst einmal ins Stettiner Haff zu reisen.

Bewertung vom 31.05.2024
Die Sehenden und die Toten / Ein Carla-Seidel-Krimi Bd.1
Piontek, Sia

Die Sehenden und die Toten / Ein Carla-Seidel-Krimi Bd.1


ausgezeichnet

Toller Serienauftakt
Wow, was für ein toller Auftakt für eine neue Krimireihe, in der Carla Seidel als Ermittlerin im Fokus steht. Die Autorin Sia Piontek hat sich als Schauplatz für ihren Krimi das Wendland ausgesucht. Eine gute Wahl, wie ich finde, denn die ruhige Atmosphäre dieses Landstrichs mit seinen idyllischen Dörfern steht im krassen Gegensatz zu den menschlichen Abgründen, die sich in Carla Seidels erstem Fall nach ihrem Weggang aus Hamburg auftun. Dabei hatte die Ermittlerin, die mit ihrer pubertierenden Tochter zusammenlebt, so gehofft, ihr belastendes Leben in Hamburg hinter sich lassen zu können. Beruflich war sie dort sehr erfolgreich, wurde jedoch von ihrem sadistischen und gewalttätigen Mann gequält. Mit Alkohol versuchte sie ihre Probleme zu verdrängen und drohte so die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. Zunächst scheint es auch so, als hätte sie ihr Leben wieder im Griff, allerdings verfällt sie durchaus in Stresssituationen wieder in alte Verhaltensmuster. Auch ihr neuer Fall, bei dem ein Jugendlicher getötet wurde, bringt sie an ihre Grenzen und man kann sicher sein, dass die Ermittlerin auch in den Folgebänden der neuen Reihe sicherlich weiterhin mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen haben wird.
Obwohl die Thematiken des Krimis alle nicht neu sind, gelingt es der Autorin wirklich gut, einen spannenden Fall mit den Alltagsproblemen einer Ermittlerin zu verquicken. Mir war Carla Seidel mit ihren Ecken und Kanten sehr sympathisch und auch ihre Schwierigkeiten mit Tochter Lana finde ich durchaus realitätsnah. Der Mordfall ist wendungsreich gestaltet und fesselt bis zum Schluss beim Lesen. Besonders das Finale fand ich nochmal echt super.
Die Covergestaltung passt perfekt, so dass ich eigentlich nur resümierend feststellen kann, dass ich mich auf jeden Fall auf einen Fortsetzungsband freue.

Bewertung vom 31.05.2024
Das Baumhaus
Buck, Vera

Das Baumhaus


ausgezeichnet

Wer ist Opfer, wer Täter?
Für mich ist „Das Baumhaus“ bereits der zweite Krimi, den ich von der deutschen Schriftstellerin Vera Buck lese. Hat sie mich schon mit „Wolfskinder“ begeistert, so hat sie meine Erwartungen mit ihrem neuen Buch noch absolut übertroffen.
Der Schauplatz der Geschichte ist das sommerliche Schweden. Nora und Hendrik versprechen sich von ihrem Familienurlaub mit ihrem kleinen Sohn Finn ein Eintauchen in eine Bullerbü-Idylle, die sie zur Ruhe kommen lassen soll. Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer. Schnell wird klar, dass das Ferienhaus, das Hendrik von seinem Großvater geerbt hat, von düsteren Ereignissen aus der Vergangenheit erfüllt ist. Nora stellt außerdem fest, dass sie ein Geheimnis, das sie vor Hendrik zu verbergen versucht, bis in die schwedische Wildnis verfolgt. Und dann verschwindet schließlich auch noch der kleine Fynn, was einen Albtraum Wirklichkeit werden lässt. Die junge Schwedin Rosa, die die Polizei mit ihrer besonderen Fähigkeit, in Pflanzen Todesspuren von Lebewesen erkennen zu können, wird ebenso darin verwickelt, wie auch Hendrik, dem nur langsam klar wird, dass sein bisheriges Leben ein einziges Lügengebäude darstellt.
„Das Baumhaus“ ist ein außerordentlich clever konstruierter Krimi. Die Geschichte ist teilweise etwas verworren, aber trotzdem so spannend, dass man da die ein oder andere Schwäche in der Story problemlos verzeihen kann. Besonders gut gefallen hat mir die Figur der Rosa, die durch ihre besondere Art als Person gut und sympathisch gezeichnet ist. Der absolute Pluspunkt des Buches liegt für mich darin, dass man beim Lesen lange nicht erkennt, wer eigentlich Opfer und wer Täter ist. Das macht für mich letztendlich den Reiz der Geschichte aus. Die Covergestaltung gefällt mir richtig, richtig gut und ist wunderschön gemacht. Allerdings bräuchte ich den Farbschnitt nicht, den ich für Ressourcenverschwendung halte und der mich sogar etwas beim Lesen stört. Aber das ist natürlich Geschmacksache. Ansonsten ist „Das Baumhaus“ für mich eine absolute Leseempfehlung und macht neugierig auf weitere Bücher der Autorin.

Bewertung vom 31.05.2024
Das Echo der Gezeiten
Frank, Rebekka

Das Echo der Gezeiten


sehr gut

Die Kraft des Meeres
Der Roman „Das Echo der Gezeiten“ von Rebekka Frank erzählt die Geschichten zweier starker Frauen, deren Leben gleichermaßen mit der Kraft des Meeres eng verbunden ist.
Tilda Puls lebt in den 60er Jahren im Ort St. Peter. Sie träumt davon Taucherin oder sogar Unterwasserforscherin zu werden, kämpft aber gegen ein in den Köpfen ihrer Zeit verankertes Frauenbild an. Im 17. Jahrhundert ist die zweite Frauengeschichte angesiedelt. Damals lebte die junge Nes Dorn, die mit ihrer Mutter vor Vater und Ehemann geflohen ist und auf der Insel Strand Zuflucht in einem fand. Auf Strand verschwinden immer wieder Kinder und als die junge Frau dahinterkommt, wer dafür verantwortlich ist, fasst sie einen mutigen Plan.
Die beiden Erzählstränge werden immer abwechselnd weitererzählt. Dabei gibt es einige „Cliffhänger“, die dazu führen, dass man der Fortsetzung der jeweiligen Geschichte quasi immer regelrecht entgegenfiebert. Dabei ist die Handlung im 17. Jahrhundert eine Mischung aus Kriminalroman und historischem Frauenschicksal. Tilla Puls Geschichte fokussiert sich eher darauf, den Zeitgeist der 60er Jahre widerzuspiegeln, wo weibliche Studentinnen noch die absolute Ausnahme und Wissenschaftlerinnen von ihren männlichen Kollegen eher müde belächelt und nicht ernst genommen wurden.
Leider hat das Buch einige kleine Längen. Das Verhältnis von Tilla zu ihren Eltern wird mir nicht konsequent genug beleuchtet und auch die Liebesszenen wirken etwas aufgesetzt.
Auch in Nes Geschichte werden einige Hintergründe nur angerissen und Figuren, wie z.B. die des Pay nicht überzeugend gezeichnet. Trotzdem hat mir das Buch insgesamt ziemlich gut gefallen, besonders die Tauchgänge von Tilla fand ich sehr spannend. Auch wie sich die beiden Geschichten der Frauen letztendlich zum Schluss zusammenfügen, fand ich rund.
Die Covergestaltung finde ich gelungen, die Farbgestaltung erinnert an Meer und Strand.
Wer gerne historische Frauenromane liest, wird sich sicherlich von „Das Echo der Gezeiten“ gut unterhalten fühlen.

Bewertung vom 31.05.2024
Wo die Asche blüht
Que Mai, Nguyen, Phan

Wo die Asche blüht


ausgezeichnet

Verletzte Seelen
„Ganz gleich, wer den Krieg gewinnt, die Menschen verlieren immer“. Dieses Zitat aus Nguyen Phan Que Mais Buch „Wo die Asche blüht“ fasst eigentlich schon absolut treffend den Inhalt des sehr berührenden Romans zusammen.
Im Mittelpunkt der Geschichte, die während des Vietnam-Krieges und in der Gegenwart spielt, stehen Menschen, deren Leben durch den Krieg zerstört wurde und die die Dinge, die damals passiert sind, niemals verarbeiten oder gar vergessen konnten.
Erzählt wird von dem Schwestern Tran und Quyinh, die aus einem Dorf nach Saigon kommen, um dort als Barmädchen zu arbeiten um so die Schulden ihrer verarmten Eltern abbezahlen zu können. Zu spät erst erkennen sie, dass sie für skrupellose Barbesitzer und traumatisierte US-Soldaten lediglich eine Ware sind und zerbrechen an der Realität.
Das Buch möchte aber besonders auch auf die Geschichte derjenigen aufmerksam machen, die heutzutage noch ganz besonders unter den Auswirkungen dieses grausamen Krieges leiden: die sogenannten Ameurasier, die Nachkommen der amerikanischen GIs, die quasi gezwungen waren, ein Leben zwischen zwei Welten zu führen und meist mit Verachtung, Rassismus und Zurückweisung konfrontiert wurden.
Die Figur des „Phong“ im Roman steht stellvertretend für vielen vielen Kinder, die ihre leiblichen Eltern nie kennengelernt haben und ständig auf der Suche nach ihren Wurzeln waren. Nicht zuletzt wird ein Teil des Buches aber auch aus der Sicht des US-Veteranen Dan erzählt, den die Schuld, seine hochschwangere vietnamesische Freundin einfach zurückgelassen zu haben, umtreibt und der immer noch mit den Dämonen seines Kriegstraumas kämpft.
Ein wirklich beeindruckender Roman ist das, der einen von der ersten Seite an in seinen Bann zieht. Obwohl die Themen sehr ernst und überwiegend auch sehr traurig sind, gelingt der Autorin der Spagat zwischen schonungsloser Darstellung und emphatischer Schilderung ungemein gut. Mich hat das Buch auch dazu bewogen, Dinge nachzurecherchieren und mein Wissen über den Vietnam-Krieg und über Vietnam zu vertiefen. Ich empfehle dieses Buch absolut zur Lektüre, wenn man sich für diese Themen interessiert. Die Covergestaltung gefällt mir gut und ich bin schon sehr gespannt auf ein nächstes Werk der Autorin.

Bewertung vom 31.05.2024
Issa
Mahn, Mirrianne

Issa


ausgezeichnet

Heilsame Reise zurück zu den eigenen Wurzeln
Mirrianne Mahn hat mit ihrem Erstlingsroman „Issa“ ein Werk geschaffen, das berührt und durch seine beeindruckende Erzählweise überzeugt. Es verbindet die Geschichte von fünf Frauen einer Familie, die zu verschiedenen Zeitpunkten angesiedelt sind und geht dabei durchaus schwierige Themen wie Kolonialherrschaft, Missbrauch, oder die Diskriminierung von Frauen an, ohne dabei ins Schwermütige abzudriften. Nein, es ist die durchgehende leichte und teilweise sogar sehr humorvolle Darstellung der Geschehnisse, die dem Roman seinen einzigartigen Charakter verleihen.
Im Mittelpunkt des Werkes steht Issa, die ungeplant von ihrem Freund schwanger geworden ist. Sie ist, bedingt durch ihre Abstammung, von je her hin und her gerissen zwischen dem Leben der Familie ihrer Mutter in Kamerun und ihrem Leben in Deutschland. Ihr Partner behandelt sie schlecht, mit ihrer Mutter streitet sie häufig. So ist es eine Art Flucht für sie, als sie überstürzt zur Vorbereitung der Geburt ihres Kindes nach Kamerun reist. Die Rituale ihrer noch traditionell lebenden afrikanischen Familie muten Issa zunächst fremd und teilweise sogar skurril an, aber mehr und mehr kommt sie durch das entschleunigte Leben zu sich selbst und kann eine Entscheidung treffen, wie sie in Zukunft leben will.
Durch Rückblenden zu einzelnen Lebensphasen von Issas Großmüttern und ihrer Mutter lernt man bei der Lektüre sehr viel über das Leben unter der Kolonialherrschaft in Kamerun. Erschreckend waren die brutale Ausbeutung und die Misshandlungen, die die Menschen damals erleiden mussten. Auch heute noch ist das Leben der Bevölkerung davon geprägt und die Autorin erinnert an das damals herrschende Leid, das nicht vergessen werden darf. Mich hat das Buch angeregt, noch einmal genau nachzuforschen, wie die historischen Zusammenhänge waren. Das Buch „Issa“ wird bei mir sicher noch länger nachwirken und gehört für mich jetzt schon zu den Lesehighlights des Jahres 2024.

Bewertung vom 05.05.2024
Die Dämmerung / Art Mayer-Serie Bd.2 (eBook, ePUB)
Raabe, Marc

Die Dämmerung / Art Mayer-Serie Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Spannend bis zur letzten Seite
Wer ein Buch von Marc Raabe liest, erwartet Spannung bis zur letzten Seite. Und so ist es auch bei seinem neuesten Werk „Die Dämmerung“. Die Personen, die uns in der Geschichte begegnen, kennen wir schon aus dem Band 1 der Serie, in dem der bärbeissige Polizist Art Meyer zusammen mit seiner nun schwangeren Kollegin Nele Tschaikowski bereits einen komplizierten und sehr persönlichen Fall aufklärte. Wieder mit dabei sind aber neben ihren bereits bekannten Kolleginnen und Kollegen der Bundeskanzler und seine Frau. Eine sehr bizarre Mordserie hält dieses Mal Berlin in Atem. Grotesk mit Hirschgeweihen ausgestattete Frauenleichen tauchen auf und die Tochter der ersten Toten gerät mit einer Gruppe Umweltaktivisten in den Verdacht, die Morde begangen zu haben. Doch nach und nach wird klar, dass das Tatmotiv in der Vergangenheit der beiden getöteten Frauen liegt und dass Art ebenfalls wieder persönlich tiefer in die Angelegenheit verstrickt ist, als er es sich wünschen würde. Auch Nele ist gefühlsmäßig sehr stark involviert und muss letztendlich eine grundlegende Entscheidung für ihr weiteres Leben treffen.
Ich fand diesen zweiten Band der neuen Ermittlerserie wieder ausgesprochen spannend. Allerdings ist und das war bereits in Band 1 „Der Morgen“so, die Story doch etwas konstruiert. Vielleicht hätte man als Mitspielende einfach jemand anderes als den Bundeskanzler und seine Frau wählen sollen. Mir gefällt allerdings das Ermittlerduo Art und Nele mit seinen Ecken und Kanten sehr gut. Die Figuren sind wirklich glaubhaft gezeichnet. Toll finde ich, dass die Bücher quasi beide mit einem Paukenschlag beginnen. Das Interesse für den jeweiligen Fall wird sofort geweckt und die Spannung nicht erst langsam aufgebaut.
Die äußerliche Buchgestaltung ist mir persönlich etwas zu grell. Den schwarzen Schnitt bräuchte ich nicht und finde ihn eher hinderlich beim Lesen, zumal wenn man das Buch noch weitergeben möchte. Da steht wohl die Absicht des Eyecatchers im Vordergrund.
Für mich als Marc Raabe-Fan ist das Buch auf jeden Fall eine Leseempfehlung. Allerdings sollte man unbedingt Band 1 vorher gelesen haben, sonst hat man sicherlich Verständnislücken.

Bewertung vom 05.05.2024
Das Waldhaus
Webb, Liz

Das Waldhaus


sehr gut

Mörderische Geheimnisse
Liz Webbs Thriller „Das Waldhaus“ ist eine verstörende Familiengeschichte, die in sehr spannender Art und Weise menschliche Abgründe offenlegt.
Als die 37-jährige Hannah wieder zu ihrem sterbenden Vater zieht, ist sie ein menschliches Wrack. Beruflich ist sie gescheitert und ihre psychischen Probleme versucht sie mit exzessivem Alkoholkonsum zu betäuben. Vor Jahren wurde ihre lebenslustige Mutter ermordet. Ihr Tod wurde allerdings nie aufgeklärt. Hannahs Bruder Reece, der inzwischen ein bekannter britischer Schauspieler geworden ist, war damals der Überzeugung, dass sein eigener Vater für den Tod der Mutter verantwortlich war und hat deshalb den Kontakt zu seiner Schwester und dem Vater abgebrochen. Hannah hingegen glaubte an seine Unschuld und beginnt jedoch daran zu zweifeln, als ihr Vater sie in seiner Verwirrtheit für seine Ehefrau hält. Hannah stellt Nachforschungen an und muss erkennen, dass sie bisher in einer Welt voller Lügen gelebt hat. Als sie dem Mörder ihrer Mutter allmählich immer näher kommt, begibt sie sich selbst in tödliche Gefahr.
Lizz Webb zeigt in ihrem Buch eindrucksvoll, wie sehr sich eine Familie in ein Netz von Lügen verstricken kann. Auch wenn man sich gegenseitig eigentlich nur schützen möchte, kann dies auch in die Katastrophe führen. In ihrem Thriller wird die Zerrissenheit der Protagonistin überzeugend dargestellt und nimmt einen großen Raum in der Erzählung ein. Deshalb gerät die Geschichte an einigen Stellen etwas zu langatmig. Dies wird jedoch wettgemacht durch einen wirklich rasanten Showdown, der das Buch zum Schluss doch noch zu einem Pageturner macht. Die Covergestaltung finde ich toll und für mich bräuchte es auch keinen farbigen Schnitt.

Bewertung vom 21.04.2024
Annas Lied
Koppel, Benjamin

Annas Lied


ausgezeichnet

Ein wundervolles Buch
„Annas Lied“ von Benjamin Koppel ist ein wunderschöner Roman, den der Umstand auszeichnet, dass er eine vom Thema her eher traurige Geschichte mit einer wundervollen Leichtigkeit erzählt. Hannah, ist das jüngste von vier Geschwistern und die einzige Tochter der jüdischen Familie Koppelmann. Das ostjüdische Ehepaar Bruche und Yitzhak strandete einst bei der eigentlich nach Amerika geplanten Ausreise in Kopenhagen, wo Yitzhak jetzt eine Schneiderwerkstatt besitzt und Bruche ein strenges Regiment in der Familie führt. Alle Kinder der Koppelmanns sind Musiker und auch Hannah träumt von einer Karriere als Pianistin. Doch ihre Mutter hat für sie ganz andere Pläne. Nachdem schon Hannahs Brüder Schande über die Familie gebracht und nichtjüdische Frauen geheiratet haben, soll Hannah nun mit einem gut situierten jüdischen Ehemann aus Paris vermählt werde. Obwohl Hannah die Aufnahmeprüfung für die Musikhochschule besteht und sich in den Dänen Aksel verliebt, bringt sie es nicht übers Herz, sich gegen ihre Mutter aufzulehnen. Es wird fast ihr ganzes Leben lang dauern, bis es Hannah gelingt, ein Leben zu leben, wie sie es sich erträumt hat.
Es ist wirklich kein leichtes Leben, auf das Hannah Koppelmann im Alter zurückschaut. Eigentlich hat sie vieles verloren, was sie liebte: eine erfolgreiche Karriere als Pianistin blieb ihr verwehrt, die Liebe ihres Lebens durfte sie nicht heiraten und auch zwei ihrer Kinder musste sie ziehen lassen. Trotzdem ist der Roman über diese beeindruckende Frau kein bedrückendes Leseerlebnis. An vielen Stellen kann man schmunzeln, z.B. dort, wo die chaotische Familie bei traditionellen Feiern völlig außer Rand und Band gerät und eine herrliche Lebensfreude versprüht. Man erlebt eine von der klassischen Musik beseelte Hannah, wenn sie Klavier spielt, oder gemeinsam mit den Brüdern musiziert. Das hat eine solche Herzenswärme, die berührt. Man leidet natürlich auch mit Hannah, die ihre große Liebe ziehen lassen muss und ihr Leben dafür mit dem aufgezwungenen Ehemann verbringen muss, der sie quält und nicht wertschätzt. Aber auch dieses Leben meistert diese beeindruckende Frau mit einer überragenden Tapferkeit. Dass Hannah im hohen Alter endlich noch so leben kann, wie sie sich dies als junges Mädchen erträumt hat, tröstet ungemein und macht den Roman zu einem runden Leseerlebnis. Danke Benjamin Koppel für dieses wundervolle Buch.