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Benutzername: 
Wukc
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 9 Bewertungen
Bewertung vom 22.10.2023
Männer töten
Reisinger, Eva

Männer töten


weniger gut

Gutes Thema aber blasse Hauptfigur in etwas lahmer Story

Die Handlung ist schnell erzählt; Vorsicht, Spoiler! Protagonistin Anna Maria ist von Berlin in ein Dorf gezogen, in dem Frauen die Männer töten, die sie verletzt haben oder von denen sie sich bedroht fühlen. Auch Anna Maria wird zur Mörderin.

Der Roman thematisiert Gewalt von Männern gegen Frauen. Physische, sexuelle und psychologische Gewalt, geschildert aus dem Blickwinkel der Protagonistin.

Den Schreibstil empfinde ich als holperig. Eigentümliche Formulierungen treten auf, sie könnten Ausdruck von Anna Marias Gedanken sein, aber die Figur bleibt mir fremd. Ich sehe nur, was sie tut, aber nicht, was sie fühlt oder denkt. Leider kann ich deswegen die Handlung nicht nachvollziehen. Die Frauen begehen die Morde und erzählen davon, als hätten sie falsch geparkt. Ich hätte mir mehr Emotionen gewünscht, oder das Gegenteil, emotionale Kälte. Aber dem Roman fehlt einfach die psychologische Ebene, so habe ich es jedenfalls empfunden. Lange dachte ich, dass alles nur ein Traum von Anna Maria sei.

Da der Scoop – die Frauen bringen ihre Peiniger um – schon ziemlich zu Beginn des Romans erzählt wird, habe ich eine Steigerung erwartet. Doch diese bleibt aus. Weitere Morde werden begangen, aber durch die distanzierte Erzählweise berühren sie mich nicht.

Positiv an dem Roman ist das Thema Gewalt gegen Frauen. Auch das Gendern hat mir gut gefallen.

Bewertung vom 31.07.2023
Anti (eBook, ePUB)
Luftvogel, Lisei

Anti (eBook, ePUB)


gut

Lockerer Schreibstil, autobiografisch wirkende Handlung
Der Schreibstil ist schön flüssig und perspektivisch, ich bin in das Ruhrpott-Setting mit antiautoritärem Kinderladen und Hippy-Eltern schnell eingetaucht. Da in der Beschreibung des Romans steht, dass die Geschichte keine Autobiografie ist, habe ich erwartet, dass eine typische Romanhandlung folgt, dies war aber nicht der Fall. In dem Buch habe ich den roten Faden, die eigentliche Geschichte, vermisst. Zwar konnte ich die Protagonistin, das Mädchen Maja, ein paar Jahre ihres Lebens begleiten, aber die Ereignisse reihten sich so aneinander wie im wahren Leben. Nach der Beschreibung hatte ich eine "klassische" Geschichte im Sinn einer Heldenreise erwartet. Für ein Lesepublikum, das sich für antiautoritäre Erziehung im Deutschland der siebziger Jahre interessiert, ist Anti eine schöne Lektüre.

Bewertung vom 10.01.2023
Rho
Schmidt, E. S.

Rho


ausgezeichnet

Ein starker Roman mit posthumanem Touch

Der Science-Fiction-Roman spielt auf Deuteragäa, einem Planeten, der sich zwar um seine Sonne, aber nicht um sich selbst dreht. Deswegen ist Leben nur in der Dämmerungszone zwischen der vereisten Nacht- und der glühend heißen Tagseite möglich. Dort haben sich vor nicht allzu langer Zeit Menschen von der Erde angesiedelt. Sie leben sehr dicht aufeinander, da der Platz beschränkt ist. In der Wüste nah dieser von Menschen bewohnten Zone leben doggengroße „Insekten“, die Mantis, die von den Menschen kaum erforscht sind. Die Bezeichnung der Tiere als Insekten hat mich als Biologin zunächst gestört, denn wegen ihres Exoskeletts und der Tracheenatmung können Insekten nicht so groß werden. Doch ich habe mich damit getröstet, dass die Protagonistin Moira diesen Begriff nur deshalb wählt, da die Tiere äußerlich den Insekten der Erde ähneln. Und tatsächlich stellt sich im Lauf des Romans heraus: Mantis sind keine Insekten!

Zurück zur Handlung: Während die Mantis sich in der ersten Zeit der menschlichen Besiedlung friedlich verhielten, führen sie nun Angriffe durch, die zahlreiche Todesopfer fordern. Die Protagonistin Moira, eine Ärztin und Journalistin, entgeht bei einem dieser Überfälle nur knapp dem Tod. Ein Soldat rettet ihr das Leben und flieht mit ihr vor den Mantis in die Wüste. Dort entdeckt Moira, dass der Soldat kein gewöhnlicher Mann ist – mehr will ich von der Handlung nicht verraten.

Schmidts Schreibstil ist locker und flüssig. In den ersten zehn Seiten ist zwar viel Information verpackt, so dass ich diese tatsächlich zwei Mal gelesen habe, aber dann wurde der Roman zum Pageturner. Die Geschichte wird aus der Sicht von Moira, von Keith und von Rho erzählt, die Figurensprachen sind herrlich verschieden und jede auf ihre Art sympathisch. Mir gefiel besonders, dass selbst die „großen“ Gefühle wie Schmerz, Trauer, Angst und Liebe so wunderbar unpathetisch beschrieben sind, aber dennoch stark und präsent wirken. Der Antagonist Keith ist zwar kein sympathischer Kerl, doch die Autorin versteht es, ihn als facettenreichen Menschen zu schildern, der in mir eher Mitleid als Abneigung weckt.

Die Romanwelt ist weder distropisch noch utopisch. Offenbar leben die Menschen auf Deuteragäa relativ gleichberechtigt miteinander, Sexismus und Rassismus sind kein Thema im Roman, und auch die Klassenunterschiede scheinen gering zu sein. Dadurch konzentriert sich die Spannung nur auf die Geschichte selbst, auf die Story. Und diese ist meisterhaft gesponnen. Die Handlungsstränge verweben sich reibungslos, die Wendungen kommen genau zum richtigen Zeitpunkt und werden plausibel eingeführt. So bleibt die Spannung durch den ganzen Roman erhalten. Ich habe ihn fast in einem Rutsch gelesen und empfehle ihn nicht nur Science-Fiction-Fans, sondern allen Leser*innen, die spannende Romane mit aktiv handelnden Heldinnen mögen.

Bewertung vom 18.11.2022
Die verkannten Grundlagen der Ökonomie
Eisler, Riane

Die verkannten Grundlagen der Ökonomie


ausgezeichnet

Riane Eislers Sachbuch „Die verkannten Grundlagen der Ökonomie – Wege zu einer Caring Economy“ behandelt ein ökonomisches Modell, das auf Fürsorge basiert. Das Buch ist durch zahlreiche Quellen so gut dokumentiert wie eine Diplomarbeit und gleichzeitig so verständlich geschrieben, dass auch Fachunkundige einen leichten Zugang finden. Ich stelle es in eine Reihe mit „Unsichtbare Frauen“ von Caroline Criado-Perez übersetzt von Stephanie Singh und „Die Geschlechterlüge“ von Cordelia Fine übersetzt von Susanne Held.

In „Die verkannten Grundlagen der Ökonomie“ beschreibt Eisler, wie die gängigen Wirtschaftsmodelle die Fürsorge für andere Menschen (Care-Arbeit) ausblenden. Dabei sei die Care-Arbeit nicht nur grundlegend für unser psychologisches und körperliches Wohlbefinden, sondern auch für die Umwelt und sogar für unsere Wirtschaft: Wäre die Care-Arbeit eine bezahlte Tätigkeit (was meist nicht der Fall ist), dann würde die resultierende Summe an die Hälfte des Bruttoweltprodukts heranreichen.

Der Grund dafür, warum die Care-Arbeit bei ökonomischen Modellen meist nicht einbezogen wird, liegt für Eisler darin, dass diese Arbeit hauptsächlich von Frauen erledigt wird. Fürsorge wird also als weibliche Tätigkeit wahrgenommen. Da heute die meisten Gesellschaften Frauen abwerten, gestehen sie auch „weiblichen“ Tätigkeiten weniger Wert und insbesondere weniger wirtschaftlichen Wert zu. Eisler erklärt ihre These, indem sie Dominanz und Partnerschaft gegenüber stellt: Im Dominanzmodell bestimmen wenige Menschen über die Verteilung der Güter, treffen Entscheidungen und unterdrücken die Mehrheit mittels Angst und Schmerz. Im Partnerschaftsmodell dagegen arbeiten die Menschen zusammen für das Allgemeinwohl. Nach Eisler befindet sich jede Personengruppe, ob Familie, Unternehmen oder Staat, irgendwo zwischen diesen Polen „Dominanz“ und „Partnerschaft“.

Eisler fordert eine Wirtschaftsordnung, die zum Allgemeinwohl beiträgt und die Erhaltung der Natur berücksichtigt. Dazu verlangt sie nach einem neuen Narrativ, das beschreibt, was Wirtschaft ist und was sie sein kann. Eislers Vorschlag: eine neue Wirtschaftstheorie, die sie „Caring Economy des Partnerismus“ nennt. Diese hat die Entwicklung des menschlichen Potentials zum Ziel, und Fürsorge ist ihre Basis. Um die „Caring Economy des Partnerismus“ zu verwirklichen, müssen alle Institutionen vom Dominanzmodell abrücken und sich dem Partnerschaftsmodell annähern. Der Weg dahin führt über eine Änderung der kulturellen Werte und eine Aufwertung der Care-Arbeit.

„Die verkannten Grundlagen der Ökonomie“ ist für alle Menschen geschrieben, die sich für gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragen interessieren. Das Buch bietet Lösungsansätze und zeigt Möglichkeiten auf, als Einzelperson am Wandel unserer Gesellschaft mitzuwirken. Es ist voller Aha-Momente, die alte Glaubenssätze schwanken lassen. Die Lektüre hinterließ mich nicht frustriert durch die Erkenntnis, wie übel es um uns steht, sondern im Gegenteil: motiviert, selbst tätig zu werden. „Der erste Schritt besteht darin, dass wir im öffentlichen Diskurs den Begriff „Care“ mit dem Wirtschaftsbegriff verknüpfen und ein Bewusstsein dafür schaffen, welche wirtschaftliche Bedeutung Fürsorge hat“, schreibt Eisler (S. 31f). Meinen ersten Schritt, nämlich auf dieses tolle, absolut lesenswerte Buch aufmerksam zu machen, habe ich hiermit getan.

Bewertung vom 18.11.2022
Der Verdrüssliche
Holzmair, Eva

Der Verdrüssliche


ausgezeichnet

In dem Roman von Eva Holzmair geht es um eine verschwundene Alabasterbüste, eines der über fünfzig Selbstportraits des deutsch-österreichischen Bildhauers Franz Xaver Messerschmidt (1736 – 1783). Die Handlung spielt sich aus der Sicht von drei Figuren ab. Die erste ist Dr. Carola Broggiato, eine pensionierte Hofrätin mit einem Krebsleiden. Brogiatto arbeitete „in ihrer aktiven Zeit“ im österreichischen Bundesdenkmalamt und ist eine begeisterte Kunstliebhaberin. Sie erfährt durch Zufall, dass die Skulptur „Der Verdrüssliche“ von dem Künstler Franz Xaver Messerschmidt das Wiener Kunstmuseum Belvedere verlassen hat. Es wurde verkauft, offenbar ohne dass Informationen über dieses Geschäft an die Öffentlichkeit drangen. Broggiato weiß aus ihrer Zeit als aktive Hofrätin, dass die Skulptur normalerweise Österreich nur als Leihgabe hätte verlassen dürfen und beginnt zu ermitteln.
Die zweite Perspektivfigur ist die junge Malerin Gitta Hausladen. Hausladen hat einen Aufenthalt in einer psychatrischen Klinik hinter sich und versucht, sich wieder in den Alltag einzugewöhnen und sich um ihr Kind im Grundschulalter zu kümmern. Hartnäckig kämpft Hausladen gegen ihre gelegentlichen Wahnvorstellungen und ständigen Selbstzweifel an. Allmählich kristallisiert sich heraus, dass Mitglieder der Familie Hausladen verstrickt sind in die zentrale Frage des Romans: Was ist mit der Skulptur des „Verdrüsslichen“ geschehen?
Die dritte Perspektive, vielleicht die, die mir am besten gefallen hat, ist sicher die ausgefallenste. Der Charakterkopf „Der Verdrüssliche“ kommentiert die Gegenwart und erzählt von seiner jahrhundertelangen Vergangenheit. Die Figurensprache ist Holzmair hier ganz besonders gelungen. Ein wenig altertümlich, ohne altbacksch zu wirken, voller Witz und Lebensweisheit.
Die drei Handlungsstränge, die zunächst scheinbar nichts miteinander zu tun haben, verweben sich, schaukeln die Spannung hoch und enden in der überraschenden und schlüssigen Auflösung des Falls.
Holzmair ist ein spannender Krimi gelungen, der mich wie ein historischer Roman mit dem Wirken Messerschmidts und der Gesellschaft im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert vertraut macht. „Der Verdrüssliche“ ist auch ein feministischer Roman. Die Figuren der Dr. Broggiato und der Künstlerin Hausladen kämpfen trotz ihrer jeweiligen Krankheit um Anerkennung und Selbstbestimmung. Sie lassen sich von Konventionen oder Hindernissen manchmal kurz bremsen, jedoch nie aus der Bahn schlagen. Letztendlich ist Holzmairs Roman auch einfach ein belletristischer Leckerbissen, der allein wegen seines geschliffenen Schreibstils, der prägnanten Sprache und der einfühlenden Figurenpsychologie eine eindeutige Leseempfehlung verdient hat. „Der Verdrüssliche“ hat mich sehr beeindruckt

Bewertung vom 15.10.2022
Die Höllenfahrt der Acheron
Hasselmann, D. O.

Die Höllenfahrt der Acheron


ausgezeichnet

Im 18. Jh. wird in London der 13jährige David, Sohn einer bitterarmen Prostituierten, von seiner Mutter an den Kapitän eines Frachtschiffs verkauft. Von den rüden Manieren der Mannschaft und der Strenge des Kapitän ist er zunächst abgestoßen und will bei der ersten Gelegenheit fliehen. Doch dann lebt er sich einigermaßen an Bord ein, nicht zuletzt wegen des regelmäßigen Essens und seines Freundes Cesar. Doch eines Tages beschädigt ein Sturm das Schiff so schwer, dass es nicht mehr manövrierfähig ist. Es folgen Wochen auf dem schwimmenden Wrack, auf dem sich mit der Zeit die Mannschaft in eine ausgehungerte Meute verwandelt, die einem psychisch kranken Priester gehorcht.
Hasselmann schildert eindringlich, wozu Menschen in Extremsituationen fähig sind – zu Gräueltaten wie auch zu mutiger Gegenwehr. Das Buch beschreibt in der Tat eine Höllenfahrt, und zwar nicht nur im nautischen, sondern auch im psychologischen Sinn. Nichts für Zartbesaitete, auch wenn am Ende … Nein, ich will nicht spoilern. Lest selbst!

Bewertung vom 27.09.2022
Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein
Matthiessen, Jakob

Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein


ausgezeichnet

Tod oder Taufe – Die Kreuzfahrer am Rhein" ist ein packender Roman über die Judenverfolgung zur Zeit des ersten Kreuzzugs. Im Jahr 1096 nach Christi Geburt (bzw. 4856 nach jüdischer Zeitrechnung) überfallen Kreuzfahrer auf ihrer Reise nach Jerusalem die Städte am Rhein: Speyer, Worms und schließlich auch Mainz. Schon auf der Fahrt ins Heilige Land wollen sie die Städte „säubern“ – die Juden aus ihnen töten oder taufen. In einigen wenigen Tagen werden furchtbare Gräueltaten begangen, doch in den betroffenen Städten wird auch Solidarität geübt.
Matthiessen beschreibt die Ereignisse vornehmlich aus der Sicht der Freunde Rabbi Chaim und Domdekan Raimund. Beide sind „ihrem“ Gottesverständnis verbunden, doch sie interessieren sich lebhaft für den Glauben ihres jeweiligen Freundes“. Dies nutzt der Autor, um sein großes Wissen vom Juden- und Christentum mit seiner Leserschaft zu teilen. Matthiessen versteht es glänzend, diese Informationen in den Handlungsfluss einzubauen ohne je belehrend zu wirken. Die Perspektive des Bauernburschen Peter, der sich von dem intriganten Kreuzfahrer Rotkutte rekrutieren lässt, zeigt die Sicht der Kreuzfahrer. Hier treffen Menschen zusammen, die Grausamkeit, Gier, Armut oder, wie in Peters Fall, Abenteuerlust gepaart mit Leichtgläubigkeit zu der Reise bewegt haben. Auch unter ihnen finden wir nicht nur Täter, sondern auch Opfer.
Die bewegende Beschreibung des Judenpogroms aus den verschiedenen Perspektiven hat mir sehr gefallen. Durch die hervorragende Recherche hat der Autor meine Kenntnis über die beiden Religionen und insbesondere ihrer Gemeinsamkeiten enorm erweitert. Der Roman ist ein absolutes Muss für Leute, die sich für die europäische Geschichte oder für die jüdische und christliche Religion interessieren. Auch eine Leserschaft, die eine komplexe Figurenpsychologie schätzt, wird an „Tod oder Taufe“ Gefallen finden.

Bewertung vom 01.05.2022
Sperling
Korbach, Katharina

Sperling


sehr gut

Lesenswerter, atmosphärischer Großstadt-Roman

Charlotte und Wolfgang sind zwei einsame Seelen, die sich in Berlin über den Weg laufen. Zuerst stalkt Wolfgang, der Dozent, die Studentin Charlotte, doch dann sucht sie von selbst Kontakt zu ihm.
Katharina Korbach schreibt sehr schön atmosphärisch. Schon allein deswegen ist der Roman lesenswert. Die Figuren wurden mir schnell immer vertrauter, bis sie in einer gewissen Distanz verharrten. Und genau das passt zu den beiden: Charlotte und Wolfgang haben psychische Probleme. Charlotte ist magersüchtig, diese Krankheit hat die Autorin sehr glaubwürdig dargestellt. Wegen ihrer psychischen Erkrankung akzeptiere ich, dass ich im Roman nicht erfahre, was Charlotte so verletzt hat, dass sie ihren Selbstmord auf Raten in Angriff nahm. Ich kann mir vorstellen, dass dieser weiße Fleck in ihrer Vergangenheit bedeuten soll, dass sie Dinge verdrängt. Was mit Wolfgang nicht stimmt, erfahre ich nicht so recht, wahrscheinlich, weil die Figur es selbst nicht weiß. Aber auch er leidet unter der Einsamkeit, die sich vielleicht in der Großstadt noch verschärft.
Auch wenn Charlotte und Wolfgang sich gegenseitig gut tun, die Heilung bedeuten sie sich nicht. Ihr Verhältnis ist keine Lovestory (sehr angenehm!), sie stehen sich nah und wahren doch einen gewissen Abstand. Von mir aus hätte die Geschichte hier enden können.
Doch zum Schluss fahren Charlotte und Wolfgang mit Freunden in ein Ferienhaus in der Provence. Dort schreibt Wolfgang schnell seine Doktorarbeit fertig, an der er zuvor fast verzweifelt ist. Charlotte beginnt wieder zu malen – und zu essen. Am Ende hat sie ordentlich zugenommen, so, dass der tätowierte Sperling auf ihrer Rippe aussieht, als flöge er. Das Ende ist also ein glückliches, eigentlich sehr schön. Doch wie es zu dieser Wendung kommt, habe ich nicht verstanden. Ich habe das Gefühl, als fehlte ein Kapitel. Doch insgesamt ist der Sperling ein gelungener Roman, dessen Stimmung mich noch ein paar Tage gefangen hielt.