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Bewertung vom 26.08.2019
Alles außer fern
Konrad, Ksenia

Alles außer fern


sehr gut

Das Buch über Integration, neue Perspektiven bzw. Einstellungen startet mit einer Überraschung: Bügeln? Das hatte ich nicht erwartet, aber ok, ich bin ja bekennender Bügel-Fan, kann die Autorin also durchaus verstehen, dass sie beim Bügeln Zeit für sich selbst, quasi als Denkpause, findet.

Im Folgenden erfahren wir, in angenehm kurzen Abschnitten, mehr von der Autorin, von Erinnerungen an ihre Oma über ihre Vorliebe von Sprachtraining, anstatt Sprachunterricht zu sprechen, bis hin zu den Hobbies der Teilnehmer ihres Kurses; dazu, wie von einer Sprachtrainerin nicht anders zu erwarten, sehr viel darüber, wie kompliziert die deutsche Sprache als Fremdsprache ist. Besonders klar wird das, wenn man sich selber bei den "Info für die Muttersprachler" an den Deutsch LK oder Linguistikseminare erinnert fühlt.

Langweilig wurde mir beim Lesen nie, weil ich meistens entweder fasziniert war, mit welcher positiven und bodenständigen Grundeinstellung die Trainerin ihren Kurs begleitete oder einfach nur kopfnickend da saß, wenn sie schrieb, wie viel auch sie als Sprachtrainerin lernt, einfach in dem sie neugierig anderen Kulturen gegenüber ist und so eigene Vorurteils-Strukturen überprüft bzw. verändert und eine gewisse Gelassenheit erlangt. Schön, wie ich mich da selber angesprochen gefühlt habe, denn genau das versuche ich auch: immer neugierig bleiben, sei es Menschen oder neuen Situationen gegenüber.

Von dem Buch nehme ich für mich mit, wie wichtig es ist, mit Leidenschaft und Freude zu arbeiten, ob es nun Sprachtrainerin oder Nageldesignerin ist. Im Bezug auf Integration bleibe ich (wie schon beim Leseeindruck) dabei: Sprache ist ein, vielleicht sogar DAS wichtigste Werkzeug, um in einem Land anzukommen. Wahrscheinlich sollten wir uns dabei alle stärker bemühen, im Alltag und da wo es möglich ist selber zu vielen kleinen Sprach-Co-Trainern zu werden und einfach mal Neuangekommende anzusprechen, neugierig zu sein, ohne sie sprachlich zu überfordern. Ich denke, dann würde Integration noch mehr gelingen - für beide Seiten.

Ich gebe "Alles ausser fern" 4 von 5 Sternen. Einen kleinen Punkt ziehe ich ab, weil die ganzen linguistischen Hinweise den Lesefluss z.T. doch arg stören, manches an ein Didaktik-Seminar erinnert, und dann wird die Autorin von der Trainerin leider fast schon zur (Ober-)Lehrerin. Das hindert mich aber nicht daran, das Buch weiterzuempfehlen, weil es mir größenteils wirklich sehr gut gefallen hat:
- die deutlich zu spürende Liebe zur deutschen Sprache,
- die oft lustigen, aber immer interessanten Anekdoten der Kursteilnehmer und -trainerin, z.B. die (fehlende) Logik beim Wort "Mitesser" brachte mich zum Schmunzeln,
- der Perspektivenwechsel, der mir so einige Denkanstösse gegeben hat,
- und das bunte Cover, was die positive Haltung der Autorin so gut wiedergibt.