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Erfurt

Bewertungen

Insgesamt 17 Bewertungen
12
Bewertung vom 27.01.2025
Von hier aus weiter
Pásztor, Susann

Von hier aus weiter


ausgezeichnet

Abschied nehmen

Wie konnte er ihr das antun? Natürlich war Rolf krank, er derjenige, der körperlich leiden würde, aber warum lässt er Marlene alleine und nimmt sie nicht mit in seinen Freitod?
All das sind Fragen, die Marlene sich nicht nur während der Trauerfeier, sondern vor allem auch davor und danach stellt. Ihr Mann Rolf war krank. Ein Hirntumor. Gestorben ist der berentete Arzt allerdings an einer Überdosis Medikamente, die er selbst bewusst eingenommen hat. Und Marlene sitzt jetzt da, in ihrer Trauer, lebensunfähig und mit kaputter Dusche. Welch Zufall, dass der herbeigerufene Klempner Jack einmal Marlenes Schüler war. Und er scheint sie mindestens genauso zu brauchen, wie sie ihn.

"Von hier aus weiter" vereint alle Stimmungen, die man sich im Dunstkreis von Trauer und Abschied vorstellen kann. Es ist ein poetisches Buch, das Fragen stellt und dabei nicht die Wahrheit verschönt. Es ist anklagend und mahnend zugleich und trotzdem gibt es Hoffnung auf das was danach kommt, nicht auf einen Neuanfang, nicht auf ein Weitermachen, sondern auf ein Integrieren und Anpassen an neue Situationen.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, genau so ein Werk braucht es, um einen Verlust verarbeiten zu können und weiterzuleben. Die an manchen Stellen eingeflochtenen Ereignisse, die sich unserem Verstand zu entziehen scheinen, sind für mich dabei das Salz in der Suppe. Ein absolut lesenswertes Buch in jeder Lebenslage!

Bewertung vom 27.01.2025
Klapper
Prödel, Kurt

Klapper


ausgezeichnet

Berührend

Thomas ist 15 Jahre alt. In seiner Klasse ist er der Außenseiter. Alle nennen ihn nur "Klapper", weil seine Gelenke bei nahezu jeder Bewegung klappern. Er ist ein Einzelgänger, keine Freunde, kein Sitznachbar. Bis Vivi auftaucht. Sie ist größer als die anderen Schüler, stark und selbstbewusst. Zielstrebig setzt sie sich auf den freien Platz neben Klapper. Auch Vivi wird anders genannt, einfach nur Bär. Aber im Gegensatz zu Klapper, hat sie sich diesen Namen selbst ausgesucht.

"Klapper" erzählt die Geschichte eines Teenagers, der mit sich, seinen Eltern, seinen Mitschülern und der ganzen Welt hadert. Auf den ersten Blick scheint das nichts neues zu sein, auf den zweiten schon. In den kurzen Kapiteln kommt die Monotonie des Alltags eines einsamen, traurigen und perspektivlosen Jungen zum Ausdruck, dessen ganze Motivation plötzlich von einer Person abhängt. Man ist Zuschauer in diesem Drama und würde so gerne helfen, den Jugendlichen die Augen öffnen und den Eltern auch! Doch am Ende steht für Klapper der tragische Verlust und die Trauer, keineswegs die Hilfe.
Mich hat dieses Buch sehr berührt. Es zeigt schonungslos und emotionsgewaltig, wie hinter der bürgerlichen Fassade die Probleme versteckt werden.

Bewertung vom 14.01.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


ausgezeichnet

Ein Dialog über Liebe

In einem Zug von Wien nach München sitzen sich in einer Vierersitzgruppe ein Mann und eine Frau gegenüber: der Autor Eduard Brünhofer und Physio- und Psychotherapeutin Catrin Meyr. Nach einem raschen Vorstoß der Frau kommen die beiden ins Gespräch. Ein Gespräch, was man so zwischen zwei sich eigentlich fremden Personen nicht erwartet hätte. Ein Gespräch mit intimen Fragen, über das Leben, über Alkohol und als zentralen Punkt ein Gespräch über die Liebe.

"In einem Zug" war für mich von Beginn an ein sehr ungewöhnliches Buch. Es ist ein durchgehender Dialog mit den eingeschobenen Gedanken einer der beiden Personen. So erfährt man sehr viel über Brünhofer, über Catrin Meyr dagegen sehr wenig. Allerdings bleibt damit auch Raum für die große Überraschung am Ende der Geschichte, die ich so nicht erwartet hätte und einen interessanten Abschluss gebildet hat.
Daniel Glattauer ist ein sehr ehrliches Buch gelungen. Nichts wirkt gestellt oder übertrieben. Man bekommt beim Lesen das Gefühl, es könnte sich genauso zugetragen haben und spürt die Atmosphäre zwischen den Akteuren. Während für mich Brünhofer ein Sympathieträger war, weil Catrin ihn zusehends verbal in die Enge getrieben hat, wurde sie mir mehr und mehr unsympathisch mit den vielen dreisten und direkten Fragen. Aber auch das ist eine Kunst, die negativen Emotionen derart treffend im Text zu transportieren.
Wer Lust auf knackige Dialoge mit philosophischen Hintergrund hat, ist bei diesem Buch genau richtig!

Bewertung vom 10.01.2025
Wackelkontakt
Haas, Wolf

Wackelkontakt


ausgezeichnet

Faszinierende Erzähltechnik

Franz Eschers Steckdose hat einen Wackelkontakt. Deshalb wartet er auf den Elektriker, der eine neue Steckdose einbauen soll. Eschers Leidenschaft sind Puzzles. Doch auch das Puzzeln ist ihm heute nur ein unzureichender Zeitvertreib.  Um die lange Wartezeit zu überbrücken greift er zu seiner zweitliebsten Beschäftigung, einem Buch über die Mafia und beginnt die Geschichte des Kronzeugen Elio Russo zu lesen.
Auch Elio Russo wartet. Er wartet darauf aus dem Gefängnis frei zu kommen. Sein Zeitvertreib ist ebenso ein Buch. Es handelt von Franz Escher, der ein Problem mit seiner Küchensteckdose hat.
Und dann begeht Escher einen Fehler, der dem Elektriker das Leben kostet.

"Wackelkontakt" ist ein grandioses Buch mit einer faszinierenden, wenn auch eigentlich simplen Erzähltechnik.
In einem fließenden Text werden die Geschichten der beiden Männer erzählt, die man jeweils aus dem Buch des anderen erfährt.
Für mich hat es eine Weile gedauert, bis ich die Zusammenhänge durchschaut hatte, was die Geschichte nicht minder spannend gemacht hat. Will man das Konstrukt durchdenken, stellt sich automatisch im übertragenen Sinne die Frage wer war zuerst da? Henne oder Ei?
Auch der zunächst etwas verschroben wirkende Escher, ist mir nach und nach sympathisch geworden. Es wird eine sehr komplexe Geschichte erzählt, ohne Widersprüche einzubauen und vor allem auch ohne unnötige Umschweife zu machen, die zu keinem Zeitpunkt ihre Spannung verliert.

Bewertung vom 31.12.2024
Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben
Decker, Anika

Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben


ausgezeichnet

Absolutes Lesevergnügen

Nina ist fast 50, geschieden und hat zwei erwachsene Kinder. Ihr Ex-Mann Phil hat mit Möchtegern-Influencerin Lulu Zwillinge bekommen. Ihre Schwester Lena lebt ihren persönlichen Traum der heilen Welt und freut sich im oberen Drittel der Berliner Vorstadtfamilien angekommen zu sein. Und Ninas Mutter sprengt mit ihrer Anwesenheit oftmals den Rahmen, nicht nur erst wenn sie zum Alkohol greift.
Als auf einer Geburtstagsfeier dann der 20 Jahre jüngere David in ihr Leben tritt, fühlt Nina sich erstmals wieder lebendig, was aber natürlich nicht ohne Hindernisse bleibt.

"Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben" ist ein herzlich ehrliches Buch über Menschen, die man im Setting jeder Großstadt finden könnte. Menschen mit ganz alltäglichen Problemen, Wünschen und Gefühlen. Autorin Anika Decker schreibt mit viel Witz und Augenzwinkern, ohne dabei zu dick aufzutragen oder zum Kitsch abzurutschen. In den beiden Schwestern Nina und Lena kann sich fast jede Frau wiederfinden und mitfühlen. Dabei wird außerdem noch das wichtige Thema der Metoo-Bewegung aufgegriffen und damit den Frauen gerade im Schauspielbereich eine Stimme gegeben.
Für mich ein außergewöhnliches Buch, dass nicht nur sehr unterhaltsam, sondern auch gehaltvoll ist!

Bewertung vom 16.12.2024
Alles büddn wild
Paulsen, Annemarie

Alles büddn wild


ausgezeichnet

Wiedererkennungswert

Annemarie Paulsen ist studierte Landwirtin, Mutter, Socialmedia-Gesicht, Landmädchen und noch vieles mehr - aber vor allem ist sie authentisch. Und das ist genau das, was ihr Buch "Alles büddn wild" ausmacht.
Sie schreibt darin autobiografisch, in ihrem eigenen "Schnack", wie sie selbst vielleicht sagen würde. Aber trotzdem handelt es sich keineswegs um eine normale Autobiografie in chronologischer Reihenfolge, diese würde Annemarie Paulsen auch gar nicht gerecht werden. Vielmehr werden das Landleben und ihr eigener Werdegang in Form von Anekdoten wiedergegeben. Das zentrale Element ist dabei Humor, aber man muss die Autorin kennen, sie auf ihrem Socialmedia-Account erlebt oder eben ihr Buch gelesen haben, um zu verstehen was ihre Art so witzig macht. Es ist keine Parodie auf Bauern, kein sich lustig machen, sondern die große Kunst über sich selbst und andere lachen zu können, ohne dabei jemanden auszulachen.
Annemarie Paulsen wurde Anfang der 1990er Jahre geboren, als jüngste Tochter der Familie Heuer. Sie hat eine ältere Schwester und sechs ältere Brüder. Das Behaupten in einer Männerdomäne wie der Landwirtschaft wurde ihr also sprichwörtlich in die Wiege gelegt.
Ihre Stärken sind schnelles Sprechen, Billardspielen und zweifelsohne Melken.
Aber es geht in "Alles büddn wild" um viel mehr als nur ein bisschen Landromantik.
Das Buch und seine Autorin haben etwas, was selten ist in der digitalen Welt der Blogger, nämlich Authentizität und Wiedererkennungswert.
Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!
Denn Annemarie Paulsen schreibt nicht nur für Landwirte, Influencer, Stadtmenschen, Landmenschen oder Follower, sondern ausnahmslos für alle!

Bewertung vom 01.12.2024
Mordscoach
Pabst, Lilli

Mordscoach


ausgezeichnet

Tödliche Therapie

Sophie Stach ist Psychotherapeutin. Sie ist gut ausgebildet, reflektiert und besitzt Empathie für ihre Patienten und deren Probleme. Bis die junge hübsche Amelie zum Erstgespräch in Sophies Praxis kommt und sie zum Abschied damit konfrontiert, die Affäre von Sophies Mann zu sein.
Für Amelie endet diese Offenbarung tödlich und für Sophie beginnt ein Versteckspiel inmitten ihres Alltags, was sie letztendlich zur Serienmöderin werden lässt.

"Mordscoach" ist ein aufregender und kurzweiliger Krimi, dem es trotz des Ernsts der Lage keinesfalls an Witz und Komik fehlt. Man rauscht durch die Kapitel und muss nach dem einen Ereignis zugleich wissen was als nächstes passiert. Die Geschehnisse kommen hier im wahrsten Sinne des Wortes Schlag auf Schlag und auf große Umschweife wird verzichtet, was mir persönlich aber sehr gut gefällt, da trotzdem auf die Psyche und das Denken der Hauptperson eingegangen wird und man sich einfühlen kann. Daran merkt man auch, dass die Autorin Lilli Pabst, die unter einem Pseudonym schreibt, selbst als Psychotherapeutin arbeitet.
Ich würde mir sehr wünschen, dass es hierzu eine Fortsetzung gibt, weil ich denke, dass Sophie noch nicht aus dem Schneider ist und mir dieser Krimi ein großes Lesevergnügen bereitet hat!

Bewertung vom 24.11.2024
Neun Tage Wunder
Moninger, Kristina

Neun Tage Wunder


ausgezeichnet

Glück in Glückstadt

Annika ist glücklich in Glückstadt, glücklich mit dem Schriftsteller Ben, für den sie seine Anni ist. Anni ist Anwältin, aber keine die eine steile Karriere gemacht hat, sondern manchmal mehr Pro-bono-Fälle annimmt, als finanziell gut für sie wäre.
Doch Annika war auch mal Nika, Lukas' Nika, Lukas mit dem sie neun Tage in München gelebt hat und dem gegenüber sie eine Schuld trägt. Kompliziert wird die Geschichte, als Ben, der einen Liebesroman schreiben soll, zufällig Lukas kennen lernt und die Geschichte von Lukas und Nika aufschreibt, ohne zu wissen wer Nika eigentlich ist.

"Neun Tage Wunder" ist eine großartiges gefühlvolles Buch über das Leben und seine Zufälle.
Ich habe mich sowohl in die Geschichte als auch in die Personen verliebt! Die Dialoge sind witzig und trotzdem tiefgründig, realitätsnah und emotional. Es geht um Geheimnisse, das Hadern mit dem eigenen Ich und letztlich ums Glücklichsein. Dabei ist das Buch auch noch wahnsinnig spannend und keine Schmonzette, obwohl es um Liebe und Beziehungen geht.
Für mich eines der besten Bücher, das ich dieses Jahr gelesen habe!

Bewertung vom 07.11.2024
Gefährliche Betrachtungen
Eckardt, Tilo

Gefährliche Betrachtungen


sehr gut

Gehobene Sprache

Übersetzer Miuleris größter Traum ist es, die Werke Thomas Manns ins Litauische übersetzen zu dürfen. Dafür ist er extra ins ostpreußische Dörfchen Nidden gereist, um den großen Schriftsteller selbst um seine Zustimmung zu bitten.
Dieser arbeitet in seinem dortigen Sommerhaus allerdings gerade an einer hochbrisanten politischen Rede, die ihn schwer in die Bredouille bringen könnte, wenn dieser Entwurf in die falschen Hände gerät. Als jedoch genau diese Blätter verloren gehen, werden Miuleris und Mann zu einer Art Watson und Holmes und begeben sich auf die Suche danach.

In einer besonders gehobenen und gut ausformulierten Sprache, gespickt mit allerlei Fremdwörtern und Phrasen die heute durchaus im Deutschen nicht mehr ganz üblich sind, erzählt Tilo Eckardt seinen fiktionalen Kriminalroman mit Thomas Mann in einer der Hauptrollen. Der wahre Held der Geschichte ist jedoch Übersetzer Miuleris. Hat man am Anfang noch etwas Probleme in die Handlung hinein zu finden, was auch dem teilweise etwas schwülstigen Schreibstil geschuldet ist, wächst einem Miuleris - oder Müller, wie ihn Thomas Mann nennt - recht schnell ans Herz. Die Handlung beginnt etwas zäh und es dauert damit eine Weile bis sich eine gewisse Spannung aufbaut, aber letztlich ist man doch sehr daran interessiert, ob hier denn ein Verbrechen vorliegt und wie es weitergeht. Ein echter Krimi, oder das was man sich darunter halt vorstellt, ist das sicherlich nicht, aber trotzdem allemal lesenswert.

Bewertung vom 01.11.2024
Die Mitford Schwestern / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.6
Benedict, Marie

Die Mitford Schwestern / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.6


ausgezeichnet

Familiengeschichte

Die Familie Mitford ist eine bekannte Größe der englischen Adelswelt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zu den sieben Kindern der Familie zählen auch Diana, Unity und Nancy Mitford.
Diana ist die Schöne. Sie hat zwei Söhne, lässt sich aber von ihrem Mann, dem Guinness-Erben scheiden, um ihre Affäre mit Oswald Mosley, dem Anführer der englischen Faschisten ungehindert ausbauen zu können.
Nancy ist älter als Diana und arbeitet als Schriftstellerin. Für die damalige Zeit sehr spät, heiratet sie erst mit über 30 ihren Peter, der mehr Augen für den Alkohol als für seine Frau zu hat. Sie ist die Realistin unter den Schwestern.
Unity, die jüngste der drei, ist die Eigensinnige, die immer aus der Reihe getanzt ist. Für sie gibt es nur Schwarz oder Weiß. Sie geht schließlich nach Deutschland, um ihrem Idol Adolf Hitler so nah wie möglich zu sein.

"Die Mitford Schwestern" ist ein packender historischer Roman, der auf wahren Begebenheiten beruht. Die Mitglieder der Familie Mitford sind wahre Personen und auch ihre Verstrickungen in die damalige Politik sowie die Nähe von Diana und Unity zu den Nationalsozialisten in Deutschland, insbesondere zu Hitler, sind belegt.
Umso bedeutender wird damit dieses Buch. Es beschreibt auf detailreiche Art und Weise die Besessenheit Unitys zu Hitler und die Berechnung Dianas, immer auf ihren Vorteil zu kommen. Nancy ist eine Art Hauptperson. Ihre Kapitel sind als einzige aus der Ich-Perspektive geschrieben und man kann sich in ihre Hilflosigkeit und persönlichen Empfindungen gut einfühlen. Mich hat dieses Buch sehr berührt. Es ist flüssig zu lesen und versucht die Aufarbeitung einer grausamen Zeit. Die Schlüsse für die Gegenwart muss daraus jeder selber ziehen.

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