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Erfurt

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Insgesamt 30 Bewertungen
Bewertung vom 31.03.2025
Halbinsel
Bilkau, Kristine

Halbinsel


ausgezeichnet

Berührende Geschichte

Nach dem frühen und plötzlichen Tod ihres Mannes hat Annett ihre Tochter Linn alleine in dem kleinen Häuschen auf der Halbinsel an der Nordsee groß gezogen. Geld war nie viel da, aber Liebe und Geborgenheit, ein Zuhause, ein Rückzugsort und Ankerplatz für die beiden Frauen. Jetzt ist Linn erwachsen, engagiert sich für Umweltschutz und Aufforstung. Als sie bei einem Vortrag einen Zusammenbruch erleidet, nimmt ihre Mutter sie wieder bei sich zu Hause auf und lernt ihr Kind auf eine neue Art und Weise kennen.

"Halbinsel" ist ein berührender und tiefgehender Roman über eine Mutter-Tochter-Beziehung und die Probleme und Hürden des Lebens, vor die wir alle mehr oder weniger täglich gestellt werden. Autorin Kristine Bilkau gelingt es in einer leichten und schwingenden Sprache die alltäglichen Herausforderungen zweier Frauen zu erzählen und dabei trotzdem nicht nur an der Oberfläche zu kratzen, sondern weit in die Tiefe zu gehen. Ich denke nahezu jeder kann sich in den vermittelten Emotionen wiederfinden und einfühlen. Es ist interessant die persönliche Entwicklung der beiden Hauptfiguren mitzuerleben und zu verfolgen, wie sich ihre Beziehung zueinander verändert. Beide lernen auf besondere Weise dem eigenen Empfinden zu vertrauen und auf ihre innere Stimme zu hören. Die Verbundenheit zu den eigenen Wurzeln hat ihnen dabei geholfen und Halt gegeben. Dieses Buch animiert dazu sich treu zu bleiben und gibt dem Leser eine gewisse Leichtigkeit und eine große Portion Selbstvertrauen mit.

Bewertung vom 29.03.2025
Hier draußen
Behm, Martina

Hier draußen


ausgezeichnet

Keine Dorfromantik

Lara und Ingo wollen raus aus der Großstadt, mehr Zeit für sich haben und für die Kinder. Mehr Platz, mehr Ruhe, gesünder leben - das alles denken sie hier draußen zu finden. Dazu haben sie einen alten Resthof im holsteinischen Fehrdorf gekauft. Während Ingo fast täglich zu seinem Start-up nach Hamburg pendelt, kümmert sich Lara um Haus, Hof und Kinder und versucht nebenbei als freiberufliche Illustratorin zu arbeiten. Aber der Einstieg im Dorf ist nicht einfach als Zugezogene. Als Ingo auf der Heimfahrt eine weiße Hirschkuh anfährt, erzählen die Fehrdorfer von alten Geschichten, die besagen, dass derjenige der für ihren Tod verantwortlich ist, nunmehr nur noch ein Jahr zu leben hat...

"Hier draussen" ist ein eindringlicher Roman über den Traum vom Landleben. Es wird nicht nur die Geschichte von Lara und Ingo erzählt, sondern man lernt auch einige der alteingesessenen Dorfbewohner und ihre Geschichten kennen. Dabei wird das Landleben keinesfalls romantifiziert, sondern auch von geplatzten Träumen, Existenznot und dem verpassten Glück erzählt. Egal ob Hühnermastbetrieb, Schweinezucht oder Hippie-Kommune - sie alle hatten eine Vorstellung vom Landleben, die nicht immer realitätskonform war.
Autorin Martina Behm gelingt der Spagat viele Lebensentwürfe kritisch zu betrachten, ohne irgendjemanden anzuklagen und Vorwürfe zu machen. Fakt ist, sie alle können und wollen nicht ohne ihr Dorf leben und trotzdem bleibt am Ende für einige immer noch die Hoffnung auf einen Neuanfang übrig.

Bewertung vom 23.03.2025
Flusslinien
Hagena, Katharina

Flusslinien


ausgezeichnet

Jahreshighlight

Margrit Raven ist 102 Jahre alt. Ihren Lebensabend verbringt sie in einer Hamburger Seniorenresidenz nahe der Elbe. Im Kopf ist sie noch ganz klar, nur der Körper wird schnell müde und die Kräfte lassen nach. Fahrer Arthur unterstützt sie. Täglich bringt er Margrit in den Römischen Garten, er hilft ihr nicht nur körperlich sondern auch mental durch ihre erfrischenden Gespräche. Dabei trägt auch Arthur mit seinen 24 Jahren schon eine persönliche Bürde mit sich herum. Und auch Margrits Enkelin Luzie steht am Scheideweg. Sie hat das Abitur abgebrochen und versucht ein Trauma zu bewältigen.

Katharina Hagena hat mit "Flusslinien" einen lebensklugen und wortgewaltigen Roman erschaffen. Die Elbe schlängelt sich als Sinnbild ruhig und stetig durch Margrits langes Leben. Sie ist Rückzugsort und Bezugspunkt in einem. Das trifft auch auf Luzie und Arthur zu, die ihre Kraft in und am Wasser finden. Es geht um Familien und deren Rückhalt, zu lernen nicht mit der Vergangenheit zu hadern, sondern sie anzunehmen, daraus zu lernen und dafür die Zukunft mitzubestimmen.
Auf eine sanfte und melancholische Art erfährt man mehr von diesen drei so verschiedenen Leben. Vor allem Margrit mit ihrer erfrischenden und altersweisen Art, ihren teils ironischen und direkten Antworten, wächst einem schnell ans Herz und macht dieses Buch aus. Für mich ein unaufgeregtes Jahreshighlight!

Bewertung vom 23.03.2025
Die Kurve
Schmidt, Dirk

Die Kurve


sehr gut

Problemlöser

In Neapel wird versucht einen Altmafioso zu erledigen. Seine Tochter kann das im letzten Moment verhindern. An wen wendet man sich in so einem Fall? Natürlich an Carl. Carl findet für alle Probleme eine Lösung beziehungsweise er hat für jedes Problem jemanden, der er es lösen kann. Da ist Ridley, mit einer Vorliebe für Drogen aller Art und teure Hotels. Schneider, der Unsympath und eiskalte Killer. Oder Betty, die aber eigentlich mehr mit ihren eigenen Problemen zu tun hat.

"Die Kurve" beginnt sehr sprunghaft. Zunächst werden verschiedene Schauplätze und die dortigen Geschehnisse vorgestellt, die erstmal zusammenhangslos erscheinen. Alle Handlungsstränge laufen jedoch bei Carl zusammen und nach und nach bekommt man eine Vorstellung von seinem Team und der persönlichen Hintergründe seiner Leute. Die Erkenntnisse, die man erhält, liegen irgendwo zwischen atemberaubend und schockierend. Alles in allem hofft man, dass es sich bei diesem Thriller um reine Fiktion hält, aber ich fürchte es gibt Welten, in denen so etwas möglich ist.
Ich habe ein bisschen gebraucht, bis ich richtig in der Geschichte drin war, dann hat sie mich aber gefesselt und abgeholt.

Bewertung vom 20.03.2025
Schwebende Lasten
Gröschner, Annett

Schwebende Lasten


sehr gut

Pionierin

Nach dem Tod der Mutter wächst Hanna bei ihren älteren Halbschwestern auf. Dort arbeitet sie im Blumenladen der Schwester mit und entdeckt so ihre Liebe zur Floristik. Bald schon heiratet sie Karl, einen Arbeiter, mit dem sie insgesamt sechs Kinder bekommt. Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs erfüllt Hanna sich ihren Traum vom eigenen Blumenladen, doch in den damals widrigen Zeiten muss sie bald schließen. Der Krieg nimmt ihr nicht nur ihre Berufung, sondern auch zwei ihrer Kinder und ihrem Mann das Bein.
Aber Hanna gibt sich und ihre Familie nie auf und macht im Magdeburger Stahlwerk eine besondere Entwicklung durch.

"Schwebende Lasten" rollt das Leben der Hanna Krause auf, einer Frau, die zeitlebens hart für sich und ihre Familie gearbeitet hat und eine Pionierin ihrer Zeit war. Sowohl als Blumenbinderin, wo sie fortschrittliche Arrangements kreierte und besonderes Feingefühl bewies, als auch als Kranführerin inmitten des von Männern dominierten Stahlwerks. Hier musste sie sich besonders beweisen, durchsetzen und ihren Stand behaupten. In der durchweg schwierigen Zeit zwischen zwei Weltkriegen und anschließendem Kalten Krieg, war ihr Mann Karl mit seinem Hang für Kneipen und Alkohol nur wenig Stütze für sie und die Kinder.
Autorin Annett Gröschner würdigt in ihrem Buch diese besondere Frau, wenn auch Hanna Krause mit Sicherheit nicht die einzige, sondern eine von vielen Frauen war, die mehr als nur ihren "Mann" gestanden hat.

Bewertung vom 12.03.2025
Erdbeeren und Zigarettenqualm (eBook, ePUB)
Docherty, Madeline

Erdbeeren und Zigarettenqualm (eBook, ePUB)


gut

Gefühlschaos

Du bist jung, unerfahren, auf dich gestellt und willst alles vom Leben haben. Der einzige Mensch, der für dich da ist, ist Ella. Ihr wohnt zusammen, ihr teilt eure Probleme, eure Freude, eure Gefühle, nur nicht die Liebe.
Und dann sind da immer wieder diese Schmerzen. Sie nehmen dir die Luft zum Atmen, lassen dich beinahe ohnmächtig werden. Sie bremsen dich aus, engen dich ein und beherrschen dich. Die wenigen Ärzte zu denen du gehst verstehen dich nicht oder wollen dich nicht verstehen.

Autorin Madeline Docherty hat für ihr Buch "Erdbeeren und Zigarettenqualm" einen außergewöhnlichen Schreibstil gewählt. Sie lässt ihre Protagonistin aus der "Du-Persepektive" erzählen. Was ich zunächst als extravagant empfunden habe, wurde mir allerdings mit der Zeit anstrengend. Ich kann mich dadurch auch nicht besser in das rastlose, exzessive Leben der Hauptfigur mit wilden Partynächten, Drogen, anscheinend immer ein bisschen am Rande der Existenznot stehend, einfühlen. Dabei sind die Haupthemen des Buches ganz besonders wichtig und hochaktuell. Einerseits geht es um mehr Akzeptanz und Verständnis für Endometriose, eine Erkrankung unter der sehr viele Frauen leiden. Andererseits geht es um die Gefühle zu Ella, der besten Freundin, die eben über eine tiefe Freundschaft hinausgehen. Eben diese Bisexualität der Protagonistin wird von manchen ihrer Bekanntschaften als eine Mischung aus verstörend und aufregend aufgefasst. Noch so ein aufklärerisches Thema, dem sich das Buch widmet.
Mein Fazit: weniger ist mehr. Durch die Fülle an Themen gehen die einzelnen Aspekte in der Gesamtheit leider etwas unter.

Bewertung vom 10.03.2025
Die Summe unserer Teile
Lopez, Paola

Die Summe unserer Teile


sehr gut

Starke Frauen

Als Lucy die Tür zu ihrem Berliner WG-Zimmer öffnet, traut sie ihren Augen nicht. Dort steht mitten im Raum ein Konzertflügel. Aber es ist nicht irgendein Klavier, sondern ihr Steinway aus der Wohnung ihrer Eltern in München. Der Lieferschein ist jedoch nicht mit dem Namen ihrer Mutter Daria unterschrieben, sondern mit dem Nachnamen ihrer polnischen Großmutter, die kurz nach Lucys Geburt gestorben ist. Obwohl sie diesen Sommer eigentlich nichts weniger vorhat als das, begibt Lucy sich nach Polen auf die Reise zu ihren Wurzeln.

"Die Summe unserer Teile" ist ein philosophisch tiefgreifender Roman über drei starke Frauen, die sich ihrer Vergangenheit und Geschichte stellen müssen, um ihr Leben und die Beziehungen zueinander zu akzeptieren. Abwechselnd in Zeitsprüngen verfolgt man in den einzelnen Kapiteln die Entwicklung der drei Frauen aus drei verschiedenen Generationen. Dabei kommt zum Ausdruck, dass auch die Kinder die Fehler der Elterngeneration oftmals in ähnlicher Form wiederholen und dass es eine perfekte Mutter nicht gibt. Entscheidend sind die Liebe und Geborgenheit, die man seinem Kind mitgibt.
Autorin Paola Lopez ist ein warmherziger und einfühlsamer Roman für den Sommer gelungen, der den Leser dazu animiert die Geschichte und Umstände seiner Vorfahren mehr zu würdigen.

Bewertung vom 05.03.2025
Die Kammer
Dean, Will

Die Kammer


ausgezeichnet

Unter Druck

Die DSV Deep Topaz ist ein besonderes Schiff, ein sogenanntes Taucherbasisschiff, das eine spezielle Druckkammer beherbergt. Darin sind während ihres mehrtägigen Arbeitseinsatzes in der Nordsee Sättigungstaucher untergebracht. Ihre Aufgabe ist es Bohrinseln, Offshore-Windparks oder Pipelines am Meeresgrund zu warten und zu reparieren. Eine der sechs Taucher - und die einzige Frau des Taucherteams - ist Ellen Brooke. Gemeinsam mit ihren fünf Kollegen ist sie für die nächsten Tage in der beengten "Kammer" so hohem Druck ausgesetzt, wie er in ihrer Arbeitstiefe auf dem Meeresboden herrscht. Und plötzlich ist einer der Taucher tot und ein Öffnen der Luke kommt nicht in Frage...

"Die Kammer" ist ein atemberaubender und einzigartiger Thriller, der sich seinen Namen verdient hat. Autor Will Dean lässt seine Erzählerin Ellen Brooke den Leser in die besondere Welt der Sättigungstaucher entführen. Physikalische, ökonomische und persönliche Hintergründe dieses außergewöhnlichen Arbeitsplatzes werden erläutert, sodass es für den Lesefluss überhaupt kein Problem ist, wenn man von dieser Welt noch nie etwas gehört hat. Der Schreibstil vermittelt einem sehr plastisch die Enge der Kammer und die Auswirkungen von Druck, Gasgemisch und körperlicher Belastung auf die Psyche der Taucher, die der Kern des Buches ist. Allein die Persönlichkeiten und ihre Erlebnisse bieten schon große Spannung abseits der sich überschlagenden Ereignisse an Bord.
Ich bin fasziniert und gefesselt von dieser spannenden Geschichte, die am Ende noch zwei überraschende Wendungen parat hält, die so nicht vorhersehbar waren.

Bewertung vom 03.03.2025
Dunkle Momente
Hoven, Elisa

Dunkle Momente


ausgezeichnet

Recht und Gerechtigkeit

Eva Herbergen ist eine erfahrene Strafverteidigerin, die mit Leib und Seele für die Aufgabe der Verteidigung von Angeklagten einsteht. Dabei gibt es verschiedene Fälle, die sie sowohl persönlich als auch beruflich besonders geprägt haben. Sie erzählt von Kindersoldaten, Kannibalismus, Vergewaltigung, Mord und vielem mehr. Auch wenn Beweise vorliegen ist die moralische und rechtliche Sicht auf die Dinge keineswegs immer eindeutig und klar.

Autorin Elisa Hoven ist selbst Professorin für Strafrecht mit einem Lehrstuhl an der Universität Leipzig und Richterin am Sächsischen Verfassungsgerichtshof. In ihrem Debütroman "Dunkle Momente" lässt sie durch die fiktive Strafverteidigerin Eva Herbergen von scheinbar reellen Fällen berichten, dessen Tatsachen man wie am Fall des Kannibalen zum Beispiel leicht selbst im Internet recherchieren kann.
Jeder der neun Fälle, die von der Autorin erzählt werden, hat seine eigene Tragik. Man bekommt schonungslos aufgezeigt, dass es nicht gibt nur eine Seite der Geschichte gibt, sondern immer ein Geflecht aus Wahrheiten und Verstrickungen zum Kern führt.
Ohne dass sie direkt gestellt werden, kommen beim Lesen viele Fragen auf:
Was ist Schuld? Wie gehen verschiedene Menschen damit um? Was ist gerecht und wie setzt man Gerechtigkeit um?
Elisa Hoven liefert darauf zwar keine Antworten, aber Denkanstöße und Wege, die einem den Pfad zur Gerechtigkeit aufweisen, auch wenn diese nicht immer für alle Beteiligten zu finden ist.
Mich hat dieses Buch in seiner Nähe zur Realität und seinem juristisch fundierten Hintergrund einfach nur gefesselt!

Bewertung vom 26.02.2025
»Wenn Ende gut, dann alles« / Svetlana und Tommi ermitteln Bd.1
Klüpfel, Volker

»Wenn Ende gut, dann alles« / Svetlana und Tommi ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

Amüsantes Duo

Während Schriftsteller Tommi krampfhaft versucht endlich seinen Thriller zu schreiben, ordnet Putzfrau Svetlana seinen Haushalt im Wohnmobil. Dabei fällt ihr am Waldrand ein kleines einsames Mädchen auf, doch auch für die Polizei bleibt die Mutter unauffindbar.
Svetlanas Instinkt ist sofort geweckt und auf ihre Initiative hin setzen Tommi und sie alle Hebel in Bewegung, um dem Mädchen zu helfen.

"Wenn Ende gut, dann alles" ist das Solo-Debüt von Erfolgsautor Volker Klüpfel. Mit Tommi und Svetlana ist ihm ein Ermittlerduo mit Charme, Humor, Intelligenz und Wiedererkennungswert gelungen. Das ist kein Krimi wie jeder andere, sondern er überzeugt von Anfang bis Ende durch seine gut durchdachten und authentischen Figuren, die sich in ihre Umgebung einfügen und den Leser mitnehmen. Obwohl ernste Themen angesprochen werden, gibt es reichlich Momente zum Lachen, ohne dabei sämtliche Klischees zu bedienen. Ich hatte etwas Sorge, dass Svetlanas Akzent, der ausgesprochen gut und konsequent versprachlicht wurde, irgendwann anstrengend zu Lesen werden könnte. Aber im Gegenteil, es hat den Text aufgelockert und echt gemacht.
Ich hoffe auf noch viele weitere Fälle für diese liebgewonnenen Ermittler.