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Erfurt

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Insgesamt 41 Bewertungen
Bewertung vom 11.07.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


ausgezeichnet

Parallelwelten

Antonia liebt Jakob. Nach dem Zusammenziehen wollen sie den nächsten Schritt wagen und ein gemeinsames Kind haben. Aber es läuft alles anders, als sie es sich vorgestellt hatten, ihr Weg führt über Kinderwunschbehandlung und Hormone und endet trotzdem nicht mit einem Baby.
Und dann wacht Antonia auf und hat ein Neugeborenes auf ihrem Bauch liegen, knapp über der Kaiserschnittnarbe. Der Mann neben ihr ist aber nicht Jakob, sondern Adam, ihre Jugendliebe. Dabei kann sie sich weder an die Schwangerschaft oder die Geburt noch an ihr gemeinsames Leben erinnern.

"Im Leben nebenan" erzählt die Geschichte einer jungen Frau, deren Gegenwart vom Kinderwunsch geprägt ist. Ungeschönt und trotzdem einfühlsam lässt Autorin Anne Sauer die Leser an Antonias Gefühlswelt teilhaben. Diese Kapitel wechseln sich mit Antonias Leben als frisch gebackener Mutter ab. Dieses Buch zeigt nicht nur eine Perspektive, sondern beleuchtet mehrere Seiten des Mutterseins. Besonders geschickt ist die Verwebung der beiden Parallelwelten ineinander, von der man sich eine Auflösung am Ende erhofft.
Dieses Buch hat mich tief berührt. Es schlägt sich thematisch nicht auf eine Seite, sondern lässt viel Spielraum für Interpretationen zu und regt nachhaltig zum Nachdenken - auch über das eigene Leben - an.

Bewertung vom 17.06.2025
Myers, Benjamin

Strandgut


sehr gut

Starke Charaktere

Earlon "Bucky" Bronco lebt mit seinen knapp über 70 Jahren zurückgezogen und ohne größere gesellschaftliche Kontakte in Chicago. Sein ständiger und einziger treuer Begleiter sind seine quälenden Hüftschmerzen. Mit Opioiden versucht er sich und seine Leiden weitestgehend zu betäuben. Einziger Lichtblick: er wurde von einer kleinen Soul- verrückten Gemeinde in England zu einem Weekender eingeladen, um seine beiden jahrzehntealten Songs vor Publikum zu spielen.

Titel und Cover passen hier eins zu eins zur gediegenen Stimmung, die dieses Buch vermittelt. Unaufgeregt und entschleunigend erzählt Autor Benjamin Myers die Geschichte von Bucky, der im "Alten England" auf die jüngere Dinah trifft. Beide sind auf ihre Art und Weise gezeichnet vom Leben, haben einschneidende Erfahrungen gemacht und das Vertrauen in sich und ihre Umgebung ein Stück weit eingebüßt. Wer Spannung sucht, ist hier falsch. Was aber nicht heißt, dass dieser Roman langweilt, aber sein Tempo passt sich seinen charakterstarken Figuren an und schirmt den Alltagsstress ab. "Strandgut" erzählt von verpassten Chancen und gibt trotzdem die Hoffnung darauf, Frieden mit sich selbst schließen zu können.

Bewertung vom 13.06.2025
Reid, Taylor Jenkins

Atmosphere


ausgezeichnet

Gefühlsfeuerwerk

Als Astrophysikerin ist es für Joan Goodwin der größte Traum Astronautin zu werden. Anfang der 1980er Jahre ist das für Frauen noch ein Ding der Unmöglichkeit. Und doch schafft sie es als eine der ersten Frauen im Programm der NASA für einen Spaceshuttle-Flug aufgenommen zu werden. Dies verlangt physisch und psychisch das Maximum von ihr ab. Privat ist sie eigentlich ungebunden, wäre da nicht ihre kleine Nichte Frances, für die sie wie eine zweite Mutter ist.

"Atmosphere" ist ein Feuerwerk der Gefühle! Taylor Jenkins Reid gelingt gleich mit dem Einstieg ins Buch eine unheimliche Spannung aufzubauen, die so nicht über das gesamte Buch zu halten ist. Das ist aber auch nicht schlimm, denn man erfährt in Rückblicken zu wenigen Jahren zuvor, wie Joans Weg bei der NASA sich entwickelt hat und was sie in diese anfänglich beschriebene Ausnahmesituation gebracht hat. Dabei ist in dieser fiktiven Biografie der historisch-wissenschaftliche Hintergrund verwoben mit einer besonderen und tiefsinnigen Liebesgeschichte. Aufregende Momente wechseln sich mit detailreich recherchierter und doch allgemein verständlicher Raumfahrt und emotionalen Situationen ab. Dieses Buch war für mich das erste von dieser Autorin, aber mit Sicherheit nicht das letzte!

Bewertung vom 13.06.2025
Kullmann, Katja

Stars


sehr gut

Anders sein

Carla Mittmann ist nicht so ganz zufrieden mit ihrem Leben - aber eben auch nicht gänzlich unzufrieden. Sie arbeitet in Teilzeit im Büro eines Möbelunternehmens. Als Nebenerwerb hat sie nach ihrem Philosophiestudium begonnen online maßgeschneiderte Horoskope an den Mann oder die Frau zu bringen.
Als eines Morgens ein Pflasterstein durch ihre Fensterscheibe fliegt, bringt dieser - und die damit verbundene Botschaft - eine Lawine in ihrem Leben ins Rollen.

Dieses Buch ist anders. "Stars" erzählt die Geschichte einer auf den ersten Blick ganz normalen Frau, nicht mehr ganz jung, aber zu jung um sich alt zu nennen. Aber trotzdem ist sie anders als die Mehrheit. Die Offenheit und Direktheit mit der die Protagonistin über sich selbst erzählt, machen das Buch besonders. Ebenso die Thematik im Bereich von Astrologie und Horoskopen, wobei diese keinesfalls romantisiert, sondern auch kritisch hinterfragt werden, ist ein Alleinstellungsmerkmal. Zu Beginn hat mir zunächst noch etwas die Spannung gefehlt. Ich war überfahren von den vielen Kuriositäten, gepaart mit den philosophischen Aussagen und Gedankengängen der Carla Mittmann. Nach und nach kam ich aber besser in den Text und wurde für mein anfängliches Durchhaltevermögen belohnt. Ich hadere allerdings noch mit dem Ausgang des Buches. Ohne zu viel zu verraten, bin ich mir unschlüssig, ob das Ende die entsprechende Auflösung bietet, die man sich zu den Ereignissen am Anfang von "Stars" wünscht. Trotz allem hat mir dieses etwas andere Lesevergnügen viel Freude bereitet!

Bewertung vom 13.06.2025
Grandl, Peter

Reset


ausgezeichnet

Brillant

Ein Flugzeug wird im deutschen Luftraum entführt. Die Terroristen erschießen den Co-Piloten und wollen die Maschine in das Münchner Flughafengebäude krachen lassen. Ein Oberst der Luftwaffe soll die Maschine vorher abfangen, um schlimmeres zu verhindern, was bedeuten würde alle 176 Passagiere in den Tod zu schicken. Wie wird er sich entscheiden?
Und dann stellt sich heraus, dass das alles Fake ist. Die Nachrichten berichten über Detonationen von Atombomben, was nationale Sicherheitslagen auslöst - und niemand weiß mehr was er glauben kann und was nicht.

Peter Grandl hat mit "Reset" eine schaurige Vision gezeichnet, was KI unter Umständen alles auslösen und zerstören kann. Ähnlich wie die Pandemie lähmt ein Computervirus die ganze Welt, legt privates Leben, Regierungen und selbst das Militär lahm. Dabei reißt die Spannung im Buch, beginnend von der ersten Seite, nie ab. Man lernt verschiedene Personen, ihre besonderen Charakterzüge und ihren Umgang mit der unsichtbaren Bedrohung kennen. Man muss sagen, dass die Handlung leider nur wenig konstruiert ist und damit umso realer möglich erscheint. Dieser Thriller führt dazu, die eigene Abhängigkeit von Technik im Allgemeinen und computerbasierter Intelligenz im Besonderen kritischer zu sehen und zu hinterfragen. Ein genauso erschreckend wie brillantes Buch!

Bewertung vom 26.05.2025
Dunlay, Emily

Teddy


ausgezeichnet

Zwischen Glamour und Geheimdienst

Teddy stammt aus gutem Hause. Ihre texanische Familie hat es sowohl zu viel Geld geschafft, als auch Einfluss in der Politik. Nur Teddy bleibt hinter den Erwartungen, die an ihre Person gestellt werden, zurück. Doch dann heiratet sie überraschend David, der für einige Zeit nach Rom gehen soll, um im diplomatischen Dienst für den amerikanischen Botschafter zu arbeiten. Was Teddy als Chance auf das europäische Glamour-Leben sieht, endet für sie im Desaster mit Verstrickungen zum Geheimdienst.

Ich bin begeistert von diesem Buch! Aus meiner Sicht vereint es alles, was ein aufregender Sommerroman bieten sollte: starke Charaktere, sommerliches Setting und eine Handlung, die den Spannungsbogen aufrecht erhält. Autorin Emily Dunlay hat mit ihrer Hauptfigur Teddy eine kontroverse Person geschaffen, in die ich mich gut einfühlen konnte. Dass die Geschichte in den 1960er Jahren spielt, macht zusätzlich nochmal einen besonderen Reiz aus und gibt eine außergewöhnliche Atmosphäre. Besonders erwähnenswert ist auch die Haptik des Buches selber, das sowohl vom Cover auf dem Schutzumschlag als auch dem Hardcover in Metallicoptik besonders edel und hochwertig wirkt.

Bewertung vom 23.05.2025
Moore, Georgina

Die Garnett Girls


sehr gut

Tragische Familie

In jeder normalen Familie gibt es mal Streit und Unstimmigkeiten. Die Garnetts sind aber keine normale Familie. Das Verhältnis zwischen Mutter Margo und ihren drei erwachsenen Töchtern ist immer angespannt, obwohl oder vielleicht gerade weil zu jeder Gelegenheit sehr viel Alkohol fließt. Vater Richard ist weg, keiner weiß wirklich wo er ist oder was er macht. Obwohl Margo sich für ihre Töchter gute Partner wünscht, scheint die jüngst stattgefundene Verlobung von Imogen mit William auch nicht ins Schwarze getroffen zu haben.

Was nach einem leichten Sommerbuch aussieht, wartet inhaltlich mit einer viel komplexeren Geschichte als ursprünglich gedacht auf. "Die Garnett Girls" erzählt die Familiengeschichte rund um die drei Schwestern Imogen, Sasha und Rachel. Auch wenn mir die Charaktere der Figuren nur wenig sympathisch waren, hat Autorin Georgina Moore sie sehr authentisch dargestellt. Es geht im wesentlichen um schwierige innerfamiliäre Beziehungen, verletzten Stolz und das mühsame Wahren einer Fassade, die an allen Ecken und Enden bröckelt. Stetes Allheilmittel ist der Alkohol, zu dem nahezu alle Figuren in allen Kapiteln gerne und häufig greifen.
Ein tiefgreifendes Buch über eine tragische Familie, das doch noch Luft nach oben gehabt hätte.

Bewertung vom 15.05.2025
Mommsen, Janne

Das Licht in den Wellen


ausgezeichnet

Ein Leben lang

Die Insel Föhr im Norden Deutschlands ist für Inge mehr als nur Heimat, sie gibt ihr Halt und Rückzugsort zugleich. Und dennoch hat sie nach dem Krieg dort keine Perspektive. Mit Anfang 20 macht sie sich auf die Reise nach New York, weit weg von Familie, Freunden und ihrem Zuhause.
Heute, mit fast 100 Jahren, reist sie mit Enkelin Swantje auf gleichem Weg über den Atlantik in die Stadt, die ihr alles gegeben und gleichzeitig alles genommen hat und spricht über ihre ältesten Geheimnisse.

"Das Licht in den Wellen" ist ein Buch, das mit voller Empathie die Lebensgeschichte und persönlichen Schicksale einer starken Frau erzählt, die auf ein bewegtes langes Leben zurückblickt.
Janne Mommsen setzt dabei eine unaufgeregte und gleichzeitig tief emotionale Art und Weise ein, um die ergreifende Geschichte der jungen Inge zu verdeutlichen. Sie musste sich dem gesellschaftlichen Druck und ihren eigenen Gefühlen beugen, hat sich deshalb in unbekanntes Fahrwasser begeben und am Ende für sich gewonnen. Die beiden Zeitstränge - damals und heute - lockern die Erzählung angenehm auf und sorgen dafür, dass die einzelnen Passagen nicht zu langatmig werden. Einige Stellen hätten für mich kürzer gehalten sein können, aber die angedeuteten Geheimnisse aus der Vergangenheit machen immer wieder neugierig auf den Fortgang der Geschichte.

Bewertung vom 05.05.2025
Böhm-Reithmeier, Inga

Die Magie der Konsequenz


gut

In die Tiefe gehend

Bei der Erziehung und Ausbildung von Hunden kommt es auf ein konsequentes Verhalten der Bezugspersonen an. So lautet die These von Inga Böhm-Reithmeier, die mit ihrem Ratgeber-Buch "Die Magie der Konsequenz" ihre Ansichten umfangreich darlegt. Dieses umfasst immerhin 288 Seiten, die sich in aller Ausführlichkeit dem Thema widmen.

Für mich ist dies ein Kritik- und Pluspunkt in einem. Dieses Buch ist durch seinen Umfang sowohl für Einsteiger in der Tierhaltung als auch für erfahrene Hundebesitzer geeignet. Wobei letztere sicher auf einige Passagen hätten verzichten können und sich über prägnantere Zusammenfassungen freuen würden. Theorieabschnitte wechseln sich mit exemplarischen Beispielen und praktischen Übungsvorschlägen ab und auch die für den Kosmos-Verlag so typischen Hochglanzfotostrecken sind vorhanden. Ein gutes Buch für alle, die gerne in die Tiefe gehen, für ein kompaktes Nachschlagewerk aber sicher etwas zu massig geraten.

Bewertung vom 15.04.2025
Ruban, Paul

Der Duft des Wals


sehr gut

Gesellschaftskritik

Celeste ist Flugbegleiterin. Die Fluggäste bringen sie oft an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. In einem der Ferienflieger begleitet sie auch das Ehepaar Judith und Hugo sowie deren Tochter Ava auf dem Weg in ihren Cluburlaub nach Mexiko. Sie hatten die fixe Idee ihre bröckelnde Ehe mit zehn Tagen am Strand und guter Laune kitten zu können. Doch im vermeintlichen Paradies angekommen, stinkt es den Neuankömmlingen gewaltig. Die Ursache ist der mächtige Kadaver eines gestrandeten Wals.

"Der Duft des Wals" ist eine kurzweilige Geschichte über den misslungenen Aufenthalt verschiedener Personen im vermeintlichen Urlaubsparadies. Der Klappentext verspricht einen "absurd-komischen Roman". Das kann ich so nicht bestätigen. Ich finde die Story weder absurd - sondern eher tragisch und leider nah an der Realität - noch komisch, denn die Geschehnisse werden eher nüchtern erzählt. Nichtsdestotrotz macht dieses Buch vor allem eins: es übt Gesellschaftskritik aus. Dabei geht es sowohl um Kritik im Kleinen, an Eltern, die sich in den Vordergrund drängen und dabei kaum noch ihre Tochter sehen, als auch im Großen in Form von Umwelt- und Klimathemen. Der gestrandete Wal und die verzweifelten Versuche der Hotelangestellten seine unangenehmen Hinterlassenschaften zu beseitigen, sind für mich in erster Linie eine Metapher für unsere aktuelle Idiotie. Dieses Buch ist keine launige Unterhaltung für den Sommerurlaub, aber ein Grund zur Selbstreflexion!