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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Stresserella
Wohnort: 
NRW

Bewertungen

Insgesamt 10 Bewertungen
Bewertung vom 04.07.2024
Das erste Licht des Sommers
Raimondi, Daniela

Das erste Licht des Sommers


sehr gut

„Das erste Licht des Sommers“ erzählt die komplexe Geschichte der Familie Casadio über drei Generationen (weiter), doch hauptsächlich geht es um Norma, das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter, die engen Verwandtschaftsbeziehungen der Familie und Freundschaften, aber auch die Liebe und deren Höhen und Tiefen. Über 70 Jahre begleiten wir Norma und die Veränderungen, die sie erlebt und durchmacht.

Auch diesmal hat Daniela Raimondi ein so unglaublich fesselndes, vielschichtiges, magisches Familienporträt abgeliefert, dass ich es kaum weglegen konnte. Die Charaktere sind wunderbar beschrieben, gern hätte ich auch diesmal an der ein oder anderen Stelle mehr(/weniger) über gewisse Personen erfahren. Hauptsächlich aber, fühlt man mit Norma mit, möchte man, dass alles für sie gut wird. Gefehlt hat mir höchstens der Stammbaum, den man in Daniela Raimondis erstem Roman „An den Ufern von Stellata“ finden kann.

Am Cover gefällt mir tatsächlich besonders, dass es dem des ersten Romans vom Stil so ähnlich ist, dass ich auch ohne Titel und Autor auf einen neuen Roman von Daniela Raimondi getippt hätte. Absolute Leseempfehlung für beide Romane der Autorin.

Bewertung vom 27.06.2024
Ehemänner
Gramazio, Holly

Ehemänner


sehr gut

Stell dir vor du kommst etwas angeheitert von einer Party zurück in deine leere Wohnung, die aber plötzlich gar nicht mehr leer ist. Und Single bist du auch nicht mehr, sondern ziemlich verheiratet. Zumindest behauptet das der fremde Mann in deiner Wohnung. Die im Übrigen auch nicht mehr so wirklich wie deine Wohnung aussieht. Klingt verrückt? Denkt sich auch Lauren, der genau das nach dem Junggesellinnenabschied ihrer besten Freundin passiert. Und wenn man meint es könnte nicht mehr abgedrehter werden, schickt man den Ehemann etwas vom Dachboden holen und herunter kommt ... ein anderer.

Ich war absolut gut unterhalten, keine Frage. Der Schreibstil ist flüssig und sehr gut lesbar, die Idee eh fantastisch. Es war spannend und es gab überraschende Wendungen. Einige Passagen in der Mitte wären der Handlung jedoch auch weniger detailliert nicht abträglich gewesen, wohingegen das Ende gern etwas ausführlicher hätte sein dürfen. Alles in Allem eine lockere, leichte und allemal unterhaltsame Lektüre für den Sommer, die einen nicht unbedingt zum Denken zwingt.

Bewertung vom 24.04.2024
Yellowface
Kuang, R. F.

Yellowface


ausgezeichnet

Juniper Hayward und Athena Liu kennen sich schon seit ihrer Collegezeit, beide sind Autorinnen. Doch während scheinbar alles was Athena anfasst mühelos zu Gold wird, ist Juniper trotz aller Anstrengung mit ihrer Arbeit deutlich weniger erfolgreich. Sie ist sich sicher, ihr Misserfolg und Athenas Erfolg sind nur Folgen ihrer beider Hautfarbe und Herkunft. Bei einem ihrer seltenen Treffen wird June Zeugin von Athenas Unfalltod und entdeckt, während sie auf den Rettungsdienst wartet, ein Manuskript von Athena, welches sie prompt an sich nimmt. Denn die Geschichte muss veröffentlicht werden, unter welchem Namen auch immer, und genau das tut sie. Unter einem Künstlernamen, der so gesehen nicht wirklich einer ist, veröffentlicht June und hat endlich den Erfolg, von dem sie sicher ist, ihn zu verdienen. Doch so sehr sie für ihr vermeintliches Werk gelobt wird, so schnell sieht sie sich mit Kritik und Vorwürfen konfrontiert. Und plötzlich stellt sich die Frage, wie weit June für ihr Geheimnis und ihren Erfolg gehen wird.

Es stand schon lange auf der Wunschliste von Übersetzungen, jetzt konnte ich es endlich lesen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Der Schreibstil ist fesselnd und modern, es ist gut und flüssig lesbar. Auch inhaltlich hatte ich nichts auszusetzen. R.F. Kuang bietet uns interessante Einblicke in Buchbranche und Verlagswesen, behandelt gesellschaftlich aktuelle und wichtige Themen wie Rassismus und kulturelle Aneignung, aber auch den Einfluss und die Gefahr von Social Media und die Frage nach dem eigenen moralischen Kompass. Nicht nur einmal wollte ich June packen und schütteln, anschreien, sie fragen was in ihrem Kopf vor sich geht. Ihre Versuche der (nicht sehr gelungenen) Selbstüberzeugung haben mich stellenweise beinahe wütend gemacht. Nichts an ihrem Verhalten ist sympathisch, aber wie sollte sie das in dieser Geschichte auch sein? Das Ende fand ich wenig überraschend, aber naheliegend und passend. So oder so gehört „Yellowface“ dieses Jahr zu meinen Top-Empfehlungen.

Was unbedingt noch erwähnt werden muss, ist diese fantastische Gestaltung. Wer auch immer sich das ausgedacht hat, Applaus. Als wären die knallige Farbwahl und der schöne Farbschnitt nicht schon genug, hatte man die großartige Idee, den Titel des im Roman behandelten Romans auf den Buchdeckel zu drucken, inklusive ursprünglicher und veröffentlichender Autorin. Kein Blick unter den Schutzumschlag hat mich je so überrascht.

Bewertung vom 23.04.2024
Und alle so still
Fallwickl, Mareike

Und alle so still


ausgezeichnet

Was wäre wenn?

An einem Sonntag im Juni legen Frauen ihre Arbeit nieder und sich selbst. In stillem Protest liegen sie auf der Straße, vor Krankenhäusern, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und tun nicht mehr, was die Gesellschaft von ihnen erwartet: Sich kümmern. Und durch diesen Protest kreuzen sich die Wege der drei Protagonisten. Wir folgen Elin, der Influencerin, für deren Follower*innen nur ihr Aussehen zählt. Wir folgen Nuri, der jeden Job macht, seien Bedingungen und Bezahlungen noch so schlecht, um seinem bisherigen Leben zu entfliehen, seinen Weg zu finden und der doch irgendwie nirgendwo dazu gehört. Wir folgen Ruth, die in der Pflege arbeitet und sich schon immer kümmert, um alles und jeden, nur nicht richtig um sich selbst.

Erneut führt uns Mareike Fallwickl, in einem erschreckend realistischen Szenario, die Probleme unserer heutigen Gesellschaft vor Augen. Sei es die Frage nach der Definition von Gewalt, real oder online, die Elin beschäftigt, der Pflegenotstand, mit dem Ruth während ihrer Arbeit im Krankenhaus kämpft oder die Chancenungleichheit, mit der Nuri sich konfrontiert sieht. Im Wechsel folgen wir den dreien zunächst durch ihren Alltag und erfahren im Laufe der Kapitel welche Auswirkungen der Protest der Frauen auf sie und ihre Leben hat. Schön vor allem, dass mit Nuri auch die männliche Sichtweise gezeigt wird. Die Kapitel der Protagonisten werden unterbrochen von kurzen Kapiteln der Berichterstattung, Gebärmutter und Pistole, die ich zunächst befremdlich fand, die sich aber perfekt einfügen und die Geschichte vorantreiben, bis sich am Ende alles fügt.

Mareike Fallwickl hat erneut einen Roman geschrieben, der wehtut und wachrüttelt. Und zwar nicht nur den unwissenden Leser, der sich mit den Problemen unserer Zeit bisher vielleicht eher weniger beschäftigt hat. Auch ich musste immer wieder schlucken. Es ist klar, dass die Geschichte stellenweise etwas überspitzt dargestellt wird und doch wird hier ein im Großen und Ganzen so realistisches Szenario geschaffen, das so unglaublich viel Wahres enthält. Es zwingt den Leser förmlich sich mit der Frage „Was wäre wenn?“ auseinanderzusetzen. Dicht gefolgt von „Wie kann es besser werden?“.

Ich war von der ersten Seite an gefesselt von dieser faszinierenden, utopischen Geschichte und möchte jedem Menschen nahelegen, dieses Buch zu lesen.

Bewertung vom 08.03.2024
So weit der Fluss uns trägt
Read, Shelley

So weit der Fluss uns trägt


ausgezeichnet

Es sind die 1940er Jahre. Victoria, 17 Jahre alt, hat kein leichtes Leben und sich doch damit abgefunden. Im kleinen Städtchen Iola, abgeschieden, zwischen den Bergen Colorados und weiten Wäldern, lebt sie nach dem frühen Tod der Mutter, deren Platz sie bestmöglich zu füllen versucht, mit ihrem Vater, Onkel und Bruder auf einer Pfirsichfarm. Eines Tages begegnet sie dem jungen Wilson Moon, der in der Stadt Arbeit sucht und verliebt sich in ihn. Es könnte perfekt sein, doch Wilson Moons indigene Wurzeln sorgen nicht nur für Unmut bei den Einwohnern, sie machen eine Beziehung nahezu unmöglich.

Mir gefiel die Geschichte so gut. Victorias Leben, welchen Einfluss und welche Folgen ihre Beziehung zu Wilson hat, sowohl für sie selbst als auch ihre Familie, die Entscheidungen, die sie trifft. Zwischendrin hat es mich wirklich umgehauen. Und trotzdem konnte ich es etwa ab der Mitte nur noch überfliegen und die wörtliche Rede lesen. Und das nicht, weil der Schreibstil in irgendeiner Weise schlecht war, ganz im Gegenteil, Shelley Read malt ganz wundervolle Bilder mit Worten. Und doch hatte ich im Verlauf irgendwann das Gefühl deutlich mehr über Pfirsiche und die Natur Colorados zu lesen, als über die Charaktere. Es wurde mir zu zäh und langatmig, wodurch mir die Charaktere viel zu sehr in den Hintergrund gerutscht sind. Ich hätte so gern mehr über gewisse Stellen der Geschichte gelesen oder mehr über einzelne Personen erfahren.

Meine hohen Erwartungen wurden nicht erfüllt. Da ich aber die Geschichte an sich wirklich gut fand, würde ich das Buch trotzdem jedem Leser empfehlen, der sich gern in ausschweifenden Naturbeschreibungen verliert. Ich gehöre leider nicht dazu. Ich hab’s versucht.

Bewertung vom 08.02.2024
Trophäe
Schoeters, Gaea

Trophäe


gut

Der reiche Amerikaner Hunter White reist nach Afrika. Viel Geld hat er investiert, um sich seinen Traum zu erfüllen. Denn Hunter, ironischer könnte es kaum sein, liebt die Jagd. Was ihm noch fehlt um die „Big Five“ vollzumachen ist ein Spitzmaulnashorn, dessen präparierter Kopf ein wunderbares Geschenk für seine Ehefrau wäre. Und genau dieses wird ihm von seinem Freund und Jagdleiter van Heeren angeboten. Doch wie nicht anders zu erwarten geht einiges schief, Wilderer kommen ihnen in die Quere. Hunters Nashorn, die Trophäe, die ihm noch fehlt, das Geld, die Chance, weg. Van Heeren macht ihm daraufhin ein Angebot, dass Hunter zunächst genauso abstößt, wie fasziniert. Denn mit den „Big Five“ hört es nicht auf.

Sprachlich ist „Trophäe“ ein absolut faszinierendes Buch. Gaea Schoeter weiß wie man mit Worten umgeht, Bilder malt, den Leser mittendrin sein lässt. Lisa Mansing hat eine fantastische Übersetzung geliefert, die nichts von dem vermissen lässt, wofür die Autorin ihrerseits ausgezeichnet wurde. Es ist eine Wucht. Inhaltlich bin ich allerdings ungefähr so zwiegespalten, wie Hunter nach dem Angebot der „Big Six“. Es ist spannend, interessant, fesselnd, so gut formuliert. Es werden wundervolle Landschaften und Szenen beschrieben und doch war es stellenweise zu viel, zu weit weg von meinem moralischen Empfinden. Nichts am Protagonisten, seinen Gedankengängen, seinem Handeln ist sympathisch oder (für mich) ansatzweise nachvollziehbar, ich konnte stellenweise nur noch den Kopf schütteln. Und doch konnte ich beim Lesen einiges über ein Thema lernen, mit dem ich mich so nicht befasst hätte, musste Dinge nachschlagen und, wie man im Englischen so schön sagt, „went down the rabbit hole“.

Mein Fazit: Ich möchte unbedingt mehr von Gaea Schoeter lesen, allerdings zu einem weniger unmoralischen Thema.

Bewertung vom 08.02.2024
Notizen zu einer Hinrichtung
Kukafka, Danya

Notizen zu einer Hinrichtung


sehr gut

Ansel Packer wird in 12 Stunden sterben. Denn Ansel ist ein Mörder und wartet auf seine Hinrichtung. Wieso? Das erfahren wir nicht von Ansel selbst, dessen letzte 12 Stunden weniger von Reue, als vielmehr von Hoffnung und Rechtfertigung gespickt sind, sondern aus der Sicht mehrerer Frauen, die in Ansels Leben auf die eine oder andere Art eine Rolle gespielt haben. Und doch geht es gar nicht hauptsächlich um Ansel und auch nicht direkt um die Lösung des Falles, um die investigative Arbeit oder das Urteil. Vor allem geht es um die Rolle, die Ansel im Leben jeder dieser Frauen gespielt hat und den Einfluss, die diese Begegnungen hatten. Da ist seine Mutter Lavender, die eine Entscheidung treffen musste, die sich keine Mutter vorstellen will. Da ist Saffy, Ermittlerin der Polizei, die Ansel schon seit ihrer Kindheit kennt. Und da ist Hazel, deren Zwillingsschwester Ansels zweifelhaftem Charm erlegen ist.

Was mir besonders gut gefällt ist Danya Kukafkas Herangehensweise an die Geschichte. Wir haben ein Verbrechen, aber keinen klassischen Ermittler, keine klassische Polizeiarbeit. Wir haben „nur“ Ansels letzten 12 Stunden, beschrieben in der zweiten Person Singular, sowie die Geschichten der Frauen über mehrere Jahre, beschrieben in der dritten Person Singular. Die unterschiedlichen, sich abwechselnden Perspektiven haben meinen Lesefluss nicht gestört und die Spannung sogar meiner Meinung nach noch gesteigert. Die Geschichte ist ausnahmslos fesselnd, man möchte wissen wie es weiter geht, wie die Dinge zusammenhängen. Auch das Ende hat mich überrascht.

Als (ungewöhnlichen) Thriller würde ich „Notizen zu einer Hinrichtung“ aber nicht bezeichnen, dafür mangelt es mir an durchgehendem Nervenkitzel. Es wurde in einer anderen Rezension als „psychologisches Drama“ beschrieben, was ich als absolut treffend empfinde. Doch der Roman ist mehr als ein psychologisches Drama, er ist gesellschaftskritisch, er wirft Fragen auf, regt zum Nachdenken an, zeigt uns eine andere Perspektive. Sollte man unbedingt lesen.

Bewertung vom 13.10.2022
Miss Kim weiß Bescheid
Cho, Nam-joo

Miss Kim weiß Bescheid


ausgezeichnet

Während uns Cho Nam-Joo in ihrem Debütroman eindrucksvoll die Welt ihrer Protagonistin umschrieben hat, handelt es sich bei ihrem neuen Roman um eine Sammlung von Kurzgeschichten. Doch auch in diesen acht zum Teil überschaubaren, zum Teil längeren Geschichten, bietet uns die Autorin einen wunderbar klaren Einblick in das Leben und die Schicksale von acht Koreanerinnen unterschiedlichen Alters und gesellschaftlicher Stellung, sowie deren Umgang mit und dem Leiden unter patriarchalen Strukturen.

Auch in diesem Werk spricht Cho Nam-Joo aktuelle, kritische Themen an. Sie führt uns die Probleme der einzelnen Protagonisten vor Augen, wie zum Beispiel häusliche Gewalt und emotionalen Missbrauch, aber auch Ungleichbehandlung (am Arbeitsplatz), Cybermobbing, sowie das Leben alleinstehender Frauen im Alter. Diese brisanten und kritischen Themen und Probleme beschreibt sie in gewohnt klarer, nüchterner, vielleicht fast schon emotionsloser Weise, was mir bereits an ihrem ersten Werk sehr gut gefiel. Eine besonders emotionale Schreibweise hätte es mir persönlich schwer gemacht, mich auf die ohnehin thematisch schwierigen und gesellschaftskritischen Geschichten einzulassen.

„Miss Kim weiß Bescheid“ ist auf jeden Fall ein gesellschaftskritischer Story-Band, den ich gerne weiterempfehle! Wer sich gern mit kritischen Themen auseinander setzt, sollte Cho Nam-Joos Bücher unbedingt lesen. Ich freue mich darauf, noch mehr von der Autorin zu lesen.

Bewertung vom 13.10.2022
Lügen über meine Mutter
Dröscher, Daniela

Lügen über meine Mutter


sehr gut

Eine Frau blickt zurück auf ihre Kindheit und das Leben ihrer Familie in den 1980er Jahren. Hauptthema – das (Über-)Gewicht der Mutter, der Umgang des Vaters mit eben diesem, ein kleines Mädchen mittendrin. Eine dieser Geschichten, bei der man schon nach wenigen Seiten den Protagonisten zurufen möchte, dass sie endlich ihre Sachen packen und sich „retten“ sollen.

Unterteilt in zwei Arten von Kapiteln, auf der einen Seite die Erzählungen ihrer Kindheit, auf der anderen Seite fast schon Analysen der Eltern und ihrer selbst, empfand ich den Roman zwar als gut lesbar, die analysierenden Kapitel allerdings an einigen Stellen recht inhaltlos und überflüssig, während ich einige doppelt lesen musste, zum Beispiel das Kapitel zur Parentifizierung. Im Zwiespalt bin ich bezüglich der kursiv gedruckten Redewendungen, die sich durch den ganzen Roman ziehen. An und für sich passend und eine schöne Idee, für mich persönlich hätten es aber auch ein paar weniger getan.

Der Kritik an Aufbau und Inhalt zum Trotz, handelt es sich bei „Lügen über meine Mutter“ um einen thematisch (immer) aktuellen und wichtigen Roman. Auch unwissende Leser erkennen schnell die psychische Gewalt, die der Vater die Geschichte hindurch an den Tag legt, ebenso welche Auswirkungen diese Gewalt auf Mutter und Kind hat. Ein Thema, über das unbedingt gesprochen werden muss – mehr gesprochen werden muss.

Bewertung vom 13.10.2022
Die Meerjungfrau von Black Conch
Roffey, Monique

Die Meerjungfrau von Black Conch


gut

Mit „Die Meerjungfrau von Black Conch“ bietet uns Monique Roffey eine wirklich schöne und besondere Geschichte. Erzählt wird der Mythos einer Meerjungfrau, die aufgrund ihrer Schönheit verflucht und dazu verbannt wird, fortan als Meerjungfrau zu leben. Eines Tages erscheint sie, angezogen von seinen Liedern, dem Fischer David, der sich auf der Stelle verliebt. Dann wird Aycayia von einem Fischerboot gefangen und von David gerettet. Und was dann folgt ist vielleicht doch kein so guter Plan ..

Aus drei doch sehr unterschiedlichen, aber miteinander verflochtenen Perspektiven erzählt sie den Mythos der Meerjungfrau Aycayia, die einem Fischer vor Black Conch erscheint. Während aus Aycayias Sicht in Versen erzählt wird, stehen die Tagebucheinträge des Fischers, viele Jahre später verfasst, sprachlich in krassem Gegensatz. Hier nutzt die Autorin eher leichtere Sprache, die stellenweise sehr nach Dialekt klingt. Alles verbunden durch Kapitel eines namenslosen Erzählers.

Die Tagebucheinträge haben es mir persönlich etwas schwer gemacht, besonders die Doppelung einzelner Wörter haben meinen Lesefluss ein wenig gestört. Ebenfalls unglücklich fand ich die stellenweise sehr anzügliche und wollüstige Sprache, sowie einige Ungereimtheiten, die aufmerksamen Lesern unter Umständen schnell auffallen. Auch das Cover finde ich im Vergleich zu den fremdsprachigen Ausgaben nicht besonders gelungen.

Im Großen und Ganzen handelt es sich um einen Roman, an dem sicher eine breit gefächerte Leserschaft Freude haben könnte. Kann man über die wenigen genannten Kritikpunkte hinwegsehen, bietet „Die Meerjungfrau von Black Conch“ auf jeden Fall ein schönes Lesevergnügen. Für kritischere Leser greift Monique Roffey genug Themen auf, mit denen es sich auseinanderzusetzen gilt.