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Forti

Bewertungen

Insgesamt 204 Bewertungen
Bewertung vom 26.07.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


sehr gut

Anfangs hat man bei Alina Bronskys neuem Roman "Pi mal Daumen" vielleicht das Gefühl, dass diese Geschichte der zwei gegensätzlichen Charaktere Oscar und Rosa etwas einfach und schnell auserzählt ist, aber das ist nicht so. Die Figuren waren mir am Anfang zu überzeichnet, wuchsen mir aber mit der Zeit dann trotzdem richtig ans Herz. Rosa, Oscar und auch Linus hätte ich gerne noch weiter durchs Leben begleitet.
Die Geschichte erzählt von Freundschaften, ungerechten Bildungschancen, dem Wissenschaftsbetrieb an einer Universität und davon, sich nicht vom ersten Eindruck einer Person blenden zu lassen. Das ist jetzt alles nicht neu und auch nicht hoch komplex, aber sehr unterhaltsam und liebenswert geschrieben.
Für mich hat diese Geschichte sehr viel mehr Inhalt, skurrilen Charme und Aussagekraft als es anfangs wirkte und das hat mir sehr gut gefallen.

Bewertung vom 15.07.2024
Nochmal von vorne
Suffrin, Dana von

Nochmal von vorne


sehr gut

Wie schon in ihrem Debut "Otto" widmet sich Dana von Suffrin auch in "Nochmal von vorne" einer dysfunktionalen, traumatisierten deutsch-(ost)jüdischen Familie. Das ist oft schwarz-humorig, bohrt in Abgründen ohne immer Antworten zu haben. Das Buch hat wenig Handlung, beleuchtet in Rückblenden das Familienleben mit all seinen Abgründen. Und obwohl das Buch durchaus Potential zu einer sehr dunklen Lektüre hat, wird es nicht dauerhaft düster. Die Ich-Erzählerin Rosa vermittelt immer die Hoffnung, zwar nicht auf eine strahlende Zukunft, aber darauf, irgendwie mit diesem Leben und all seinem Ballast zurecht zu kommen.
Wem "Otto" gefallen hat, der wird auch das neue Buch von Dana von Suffrin mögen. Wer hingeben ein Problem mit Schachtelsätzen und/oder der Abwesenheit einer Handlung hat, wird mit diesem Buch nicht glücklich werden.

Bewertung vom 10.01.2024
Nebenan ist doch weit weg
Bones, Antje

Nebenan ist doch weit weg


sehr gut

Ein gelungenes Jugendbuch (ab ca. 11 Jahren), das nicht nur das Thema Umzug in eine fremde Umgebung sensibel umsetzt, sondern auch das Thema Polen gelungen behandelt. Beide Themen werden von der Autorin Antje Bones nicht zum Exzess ausgeschlachtet, so geht es beim Thema Polen nicht wirklich in die Tiefe, aber das wäre hier auch zu viel. Stattdessen auch viel Alltag einer Zwölfjährigen mit Schule, Familie, Freundschaften, aber halt mit Polen-Hintergrund. Die Ich-Erzählerin lässt dabei aber auch immer tief in ihre aufgewühlte Gefühlswelt blicken nach dem Umzug in ein fremdes Land mit neuer Sprache.
Die gelungenen Zeichnungen von Michael Szyszka lockern das Buch auf, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.

Bewertung vom 08.12.2023
Als wir an Wunder glaubten
Bürster, Helga

Als wir an Wunder glaubten


sehr gut

Die Autorin behandelt die Nachkriegszeit nicht plakativ - Themen wie Kriegsversehrtheit, die Nazi-Vergangenheit und Armut werden zwar erwähnt, stehen aber gleichberechtigt mit der eigentlichen Geschichte der Jugendlichen Betty und ihrer Mutter Edith. Über die Vergangenheit wird meist nicht gesprochen - das bezieht sich nicht nur auf die Nazi-Vergangenheit, sondern auch auf die Beziehungsgeflechte im norddeutschen Dorf, in dem die beiden Leben. Um so interessanter für Betty und die Lesenden, was die verschrobene Guste zu erzählen hat. Was ist hier Fakt und was Fiktiv - das bleibt lange offen. Das passt auch zum dritten großen Thema des Romans: Aberglaube. Vermeintliche Heilsbringer stehen bei vielen hoch im Kurs - eine Fortsetzung der Versprechen der Nazis und gleichzeitig Hoffnung in trüben Zeiten. Dennoch etwas, das ich noch nie als Thema speziell für die Nachkriegszeit auf dem Schirm hatte.
Für mich insgesamt eine ruhige, gut erzählte, andere Geschichte über die Nachkriegszeit in Deutschland. Gefallen hat mir auch die Konzentration auf den weiblichen Blickwinkel.

Bewertung vom 23.09.2023
Nachts erzähle ich dir alles
Landsteiner, Anika

Nachts erzähle ich dir alles


gut

Eine heitere Sommerlektüre war "Nachts erzähle ich dir alles" für mich nicht. Der Flair der Côte d’Azur im Sommer kam gut rüber, ohne sich in den Vordergrund zu drängeln. Die eigentliche Geschichte kommt aber leider ziemlich erwartbar daher und lässt bei der Hauptfigur Léa kaum ein Klischee der modernen Großstadtfrau aus. Dabei greift Autorin Anika Landsteiner diverse ernste Themen auf, die der Klappentext allesamt verschweigt, weswegen ich hier auch nicht spoilern möchte. Die Umsetzung fand ich mittelmäßig gelungen. Bei einem Thema mutete es zu belehrend an, sonst bleibt es meist eher oberflächlich - insgesamt kommt es zu keinen Lösungen. Muss es ja auch nicht immer, aber vielleicht wenigstens bei einzelnen Themen.
Für mich leider weder ein Feel-Good-Sommerroman, noch richtig 'ernste' Literatur, noch eine gelungene Mittelweg zwischen beiden. Es bleibt der sommerliche Flair, der aber weder zum Rest des Buches passte, noch als wirklicher Gegensatz diente.

Bewertung vom 21.09.2023
Vom Ende der Nacht
Daverley, Claire

Vom Ende der Nacht


weniger gut

Claire Daverley erzählt in "Vom Ende der Nacht" eine Liebesgeschichte der leisen Töne. Die Geschichte von Rosie und Will wird beginnend von der Schulabschlussklasse bis hinein in ihre 30'er ruhig erzählt, für mich zu ruhig, aber anderen Lesenden wird das bestimmt gefallen. Die eigentliche Handlung ist trotz mehrerer Schicksalsschläge, die die beiden ereilen, überschaubar. Die Charaktere sind stereotyp und überraschen nie. Glücklich ist in diesem Buch niemand - die Traurigkeit, mit der beide leben, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Für mich blieben alle Figuren auf Distanz, vor allem Rosie und ihre Entscheidungen konnte ich schlecht nachvollziehen.
Lange habe ich dem Buch zu gute gehalten, dass es dabei wenigstens nicht kitschig war. Das ändert sich leider gegen Ende, als die Autorin zu dick aufträgt.
Interessant fand ich die Wechsel zwischen dialoglastigeren Abschnitten und reinen Erzählungen. Das war gut umgesetzt und sorgte für Abwechslung. Insgesamt sprachlich auf intelligente Art und Weise eingänglich.
Trotzdem insgesamt für mich leider überhaupt nicht überzeugend.

Bewertung vom 30.08.2023
Die Lügnerin
Karig, Friedemann

Die Lügnerin


gut

Friedemann Karigs Buch passt gut zu seiner lügnerischen, unzuverlässigen Erzählerin, bei der man nie weiß, woran man ist. Ihre Lügen sind nie so hahnebüchend, dass sie offensichtlich sind, sondern immer an der Grenze zu noch glaubhafter Erzählung. Man ist also die ganze Zeit im Ungewissen, was nun Wahrheit ist und was Lüge (im Zweifelsfall alles?).
Der Umgang mit Wahrheit, Lügen und Glauben und das Wahrwerden von Lügen kann wohl auch als Kommentar auf unsere Zeit gelesen werden, wo überall Täuschungen und Lügen lauern.
Mir fehlte hier allerdings ein Handlungsbogen, der dem Buch mehr Struktur gegeben hätte. Stattdessen plätschert die Handlung zwischen harten Zeitsprüngen vor sich hin. Für mich schwierig, hier am Ball zu bleiben.
Sprachlich eloquent. Potential ist definitiv vorhanden und es war ja durchaus auch interessant, aber richtig gefunkt hat es bei mir nicht.

Bewertung vom 23.08.2023
Heartbreak
Bagci, Tarkan

Heartbreak


gut

Die Geschichte von Marie und Tom hat durchaus Gehalt, wenngleich sie leider auch oft ins Plakative abgleitet. Tarkan Bagci beschreibt in "Heartbreak" toxische Eltern-erwachsenes-Kind-Beziehung, Depression, Panikattacken, Ghosting, toxische Männlichkeit und allerlei andere Themen, über die auch sonst mal mehr und mal weniger gern geredet wird. Die Aufdeckung all dieser Abgründe nimmt im Buch dann mehr Raum ein als die (sehr übersichtliche) eigentliche Handlung, was aber echt OK ist. Obwohl so viele eher ernste Themen angeschnitten werden, wird es nie zu düster. Gleichzeitig wird der Autor den ernsten Themen trotz bzw. im Rahmen der Kürze gerecht.
Die kleinen Witzchen bzw. Sprüche, die das Buch wohl zwischendurch auflockern sollen, waren mir allerdings meist zu flach. Ab und zu wird es dann aber bitterbös-witzig, was mir wiederum doch gefallen hat.
Das Buch schießt manchmal über das Ziel hinaus und es ist keine wirkliche Liebesgeschichte - sonst aber gut lesbar.

Bewertung vom 14.08.2023
Das Pferd im Brunnen
Tscheplanowa, Valery

Das Pferd im Brunnen


sehr gut

In "Das Pferd im Brunnen" berichtet Valery Tscheplanowa episodenhaft aus vier Generationen Familien- und Frauenleben. Die Frauen der Familie - allen voran die Urgroßmutter und die Großmutter - trotzen dem Sowjet-Kommunismus und den anderen Beschwerlichkeiten des Lebens, packen ohne lange zu zaudern an, um sich und die Familie durch zu bringen. Männer sind hier nur kurze Nebendarsteller und glänzen eher durch Abwesenheit. Wir lernen die Frauen in den einzelnen Momentaufnahmen gut kennen; erfahren neben ihrer Tatkräftigkeit auch von (meist unerfüllt bleibenden) Chancen und Träumen, Konflikten und Schuld. Ein intimer Einblick in diese Leben. Das ganze sehr bildhaft mit nie langweilig werdenden Detailbeschreibungen.
Ich fand das Buch in seiner Sprunghaftigkeit zwischendurch durchaus fordernd. Manchmal verschwommen die Generationen und die zwei Wohnungen. Zwischen den Momentaufnahmen bleibt vieles ungesagt, was aber auch ok ist.

Bewertung vom 11.08.2023
Die Einladung
Cline, Emma

Die Einladung


sehr gut

Ich fühlte mich bei der Lektüre von Emma Clines "Die Einladung" die ganze Zeit etwas unbehaglich. Das lag vor allem an der Protagonistin Alex, die von der Autorin genial dargestellt wird. Sie bleibt unscharf, ist manipulativ und ihr Lebenswandel ist wohl eher verwerflich. Beim Lesen wurde sie mir trotzdem nie richtig unsympathisch, ich habe schon mit ihr mitgefiebert, das Schlimmste befürchtet und ihr doch eine Wendung zum Guten gewünscht, denn das elitäre Umfeld, in dem sie sich bewegt, ist nicht besser als sie. Und vielleicht ist es Wunschdenken, aber ein guter Kern war für mich in Alex trotz allem erkennbar. Wie schon in "The Girls" erleben wir eine junge Hauptdarstellerin, die in kein Raster passt, eine Außenseiterin, die dazu gehören möchte, aber nicht wirklich eingelassen wird.
Die eigentliche Handlung ist überschaubar, das Buch lebt von der Atmosphäre, in der das Straucheln der Protagonistin in Kontrast zum sorgenlosen Sommer der Wohlhabenden in den Hamptons steht. Vielleicht passt dazu auch das sehr offene Ende - ich hätte mir zwar einen Abschluss gewünscht, aber im Leben gibt es den ja auch nicht immer. Ansonsten gut lesbar, anders, lohnenswert.