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Buchgespenst

Bewertungen

Insgesamt 8 Bewertungen
Bewertung vom 01.05.2022
Die Forsyte Saga
Galsworthy, John

Die Forsyte Saga


sehr gut

Die Forsytes sind eine große, angesehene Familie, die seit Generationen in London eine große gesellschaftliche Rolle spielen und ihr Vermögen gut hüten und mehren. Mit der großen Verlobungsfeier von June mit dem mittellosen, aber aufstrebenden Architekten Phil nimmt das Schicksal allerdings eine unerwartete Wendung. Nicht nur June verliert alles auch ihr Onkel Soames steht vor den Trümmern seiner Lebensträume. Für die ganze Familie Forsyte beginnt damit ein neues Kapitel, das sich von überkommenen Traditionen löst. Den neuen Zeiten entgegenschreitend, an der Vergangenheit festhaltend, neue Entscheidungen treffend – die einen schaffen sich neue Ziele, andere klammern sich an zerstörte Träume, jedes Familienmitglied muss auf seine eigene Art mit dem Leben zurechtkommen. So schreitet die Zeit fort, der Weltkrieg zieht vorüber und neue Generationen blühen auf, mit eigenen Hoffnungen, Träumen, Zielen und Problemen, überschattet von einer schuldhaften Vergangenheit, die droht auch sie zu zerstören.

Eine große Familiensaga, die vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts beispielhaft zeigt wie sich in sich überschlagenden Zeiten und rasch verändernden Traditionen Menschen verändern müssen oder im Strudel der Ereignisse zermahlen werden. Packend und wunderbar geschrieben mit ausgefeilten Charakteren und einem riesigen Schauplatz. Je tiefer man in das Buch eintaucht desto mehr Facetten findet man. Je öfter man es liest desto mehr Details und Blickwinkel findet man. Man liest mit Sympathie, mit Antipathie und glaubt, dass sich das ganze Leben in all seinen Wundern, Unvorhersehbarkeiten und unausweichlichen Grausamkeiten und Schicksalsschlägen vor einem entfaltet.

Im Mittelpunkt stehen die Charaktere. Ihre Entwicklung, die Familienverhältnisse, ihr Wanken zwischen Tradition und Veränderung. Ereignisse der Zeit wie der Burenaufstand oder der 1. Weltkrieg sind eher ein Hintergrundrauschen. Wer Dramatik und atemberaubende Spannung sucht sollte zu einem anderen Buch greifen, hier liegt der Fokus auf Familie und Persönlichkeitsentwicklung sowie den Wechsel der Generationen.

Die dreibändige Reclam-Ausgabe präsentiert die Geschichte in einem handlichen Format. Die Bände umfassen jeweils knapp 400 Seiten sodass man nicht von einem großen Wälzer erschlagen wird. Jeder Band ist liebevoll gestaltet. Ein schickes Cover, Lesebändchen und der größte Pluspunkt – ein ausführlicher Kommentarteil machen diese Ausgabe zu etwas ganz Besonderem. Ein zusätzlicher Bonus ist ein ausführlicher Stammbaum der Forsytes. Er ist separat beigelegt, sodass man ihn bei jedem Buchwechsel mitnehmen kann. Da die Familie wirklich riesig ist und ein Name in 5 Generationen auftaucht, ist der sehr hilfreich um den Überblick zu behalten.

Die Geschichte bekommt von mir 4 Sterne, denn der letzte Funke zur Begeisterung hat mir gefehlt, die Ausgabe hat allerdings 5, denn diese Ausstattung ist der absolute Wahnsinn.

Ein toller Klassiker in einer großartigen Ausgabe, eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 30.05.2021
Alles, was passieren wird
Hacker, Katharina

Alles, was passieren wird


sehr gut

Mit Katastrophen kennt sich Iris aus. Während ihre Mitschüler sich bei Friday for Future engagieren und düstere Zukunftsprognosen diskutieren, ist Iris‘ Leben ganz real zerbrochen – und niemand nimmt davon Notiz. Sie glaubt nicht, dass nach dem Tod ihrer Mutter noch mal irgendetwas gut werden wird. Doch die zufällige Begegnung mit der Schimmelstute Bellina verändert alles.

Ein interessantes, fesselndes Jugendbuch, das viele Themen anspricht. Ganz aktuelle Jugendthemen mit Friday for Future, aber auch Freundschaften, Trauer und den Mut etwas zu verändern. Besonders hat mich begeistert, dass es hier nicht lapidar um ein Problempferd geht, das nur von einem problembelasteten Mädchen „geheilt“ werden kann und es dabei selbst „heilt“. Das Pferd und seine Geschichte spielt gar keine so große Rolle wie ich es bei der Inhaltsangabe angenommen habe. Es ist ein Auslöser, aber kaum mehr. Die Geschichte des Pferdes war mir am Ende fast etwas zu viel des Guten, denn es geht hier um Iris und ihren Weg aus der Trauer und dem Schockzustand, der durch den Tod der Mutter und den daraus resultierenden radikalen finanziellen Veränderungen ausgelöst wurde.

Besonders erschüttert hat mich an der Geschichte, die bewusste Unverhältnismäßigkeit mit der viele Probleme nebeneinander gestellt wurden. Die abstrakten und auch selbstgerecht anmutenden Diskussionen über Umweltschutz und Engagement, während vor den Augen von Schülern und Lehrern Iris völlig zusammenbricht – und niemand sieht hin. Im Gegenteil. Die beste Freundin kündigt die Freundschaft, weil sich Iris die Haare abschneidet. Als sie sich keine Geigenstunden mehr leisten kann, tobt der Lehrer, weil sie die Stunden aufgibt. Sie hat nichts zu essen, weil der Vater unfähig ist einen Job zu leisten, der genug Geld einbringt und mit seiner eigenen Trauer so viel zu tun hat, dass er Iris vergisst. Eindringlich wird die Not von Iris beschrieben, ihre Ohnmacht und schließlich der Wille da rauszukommen.

Manche Aspekte kamen mir in der Geschichte schließlich zu kurz, manche Begegnungen mit Charakteren waren mir entweder weit hergeholt unsympathisch oder auch weit hergeholt märchenhaft. Sehr schön wird wiederum umgesetzt wie Iris sich weiterentwickelt und einen Neuanfang für sich ermöglicht. Zum Schluss blieben mir allerdings zu viele Erzählstränge offen.

So bleiben 4 Sterne für ein sehr gut geschriebenes Jugendbuch, das zwischen einigen Extremen schwankt.

Bewertung vom 14.09.2020
Der Hund und sein Mensch
Reichholf, Josef H.

Der Hund und sein Mensch


ausgezeichnet

Eiszeitmenschen, die aus dem Wolf den Hund züchteten – ein Bild, das sich wohl jedem, der sich schon mal mit der Entwicklungsgeschichte des Hundes auseinandergesetzt hat eingeprägt hat. Josef H. Reichholf beginnt mit dieser These und weist dann nach, dass es sich so einfach nicht zugetragen haben kann. Knochenfunde, Züchtungserfahrungen und Forschungsergebnisse der Zoologie widersprechen der märchenhaften Schöpfungsgeschichte und eröffnen dafür ein spannendes, komplexes und noch lange nicht umfassend erkundetes Forschungsfeld.

Josef H. Reichholf schafft es wissenschaftlich fundiert, verständlich und sehr interessant einen weiten Bogen zu spannen, der nicht nur die Entwicklung von Wolf und Hund abdeckt, sondern so ganz nebenher die Menschheitsgeschichte abhandelt, sowie die Entwicklung der Tierwelt in engem Zusammenhang mit der Entwicklung des Menschen – seit er aus Afrika seinen Siegeszug um die Welt begann. Angereichert um persönliche Erfahrungen als Hundebesitzer, die ihm auch als Wissenschaftler einen völlig neuen Blick auf den Forschungsgegenstand eröffneten.

Toll geschrieben und sehr informativ bietet dieses Buch einen großartigen Einblick in ein interessantes Forschungsfeld, das noch viele Überraschungen bereithält. Manchmal hätte ich mir allerdings gewünscht, dass der persönliche Erfahrungsbericht zugunsten der wissenschaftlichen Fakten reduziert worden wäre. Trotzdem langweilt das Buch auf keiner Seite!

4 ½ Sterne für ein schönes Sachbuch, das Lust macht, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Josef H. Reichholf hat eine unnachahmliche Art Sachbücher spannend und kurzweilig zu gestalten und dabei niemals banal zu werden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.02.2017
Die Krone der Sterne Bd.1
Meyer, Kai

Die Krone der Sterne Bd.1


sehr gut

Iniza, eine junge Adlige, wird vom Hexenorden auserwählt als Braut der Gottkaiserin zu dienen. Eine Ehre in Tiamande und ein Mysterium: niemand weiß, was aus den Bräuten wird. Iniza hat auf jeden Fall andere Pläne und mit ihrem Geliebten Glanis ihre Flucht geplant. Damit beginnt eine rasante Jagd durch das All, bei der Kopfgeldjäger Kranit und die Alleshändlerin Shara Bitterstern mehr oder weniger freiwillig mitmischen. Der Kampf um die Zukunft hat gerade erst begonnen!
Ein rasanter Auftakt zu einer vielversprechenden Science Fiction-Reihe. Man kommt kaum zu Atem. Jede Seite bringt neue Charaktere, neue Dimensionen und lockt einen immer tiefer in die unendlichen Weiten des Alls. Hinter dem traumhaften Cover verbirgt sich eine Geschichte, die jede Minute wert ist. Ein bisschen bedauerlich bleibt, dass beim hohen Tempo die Charakterentwicklung keine Chance hat. Das ist allerdings nur dem Jagdfieber geschuldet und wird sich im nächsten Band ganz sicher ändern.
Wundervolle Illustrationen von Jens Maria Weber ergänzen den Band super. Schade ist, dass sie das Buch nur einleiten und nicht durchgängig begleiten.
Die Reihe verspricht sehr komplex zu werden und ich kann die Fortsetzung nicht erwarten! Die über 400 Seiten haben sich weggelesen wie nichts. Ich war überwältigt. Trotzdem glaube ich, dass es noch Potential gibt, gerade in der Charakterdarstellung, und deswegen gibt es von mir (noch) nicht die vollen 5 Sterne. Der Folgeband kann gar nicht schnell genug erscheinen. Eine klare Leseempfehlung für alle Science Fiction-Fans!

Bewertung vom 23.04.2016
Nur ein Tag / Allyson & Willem Bd.1
Forman, Gayle

Nur ein Tag / Allyson & Willem Bd.1


sehr gut

Ein Tag, der alles verändert

Es war nicht ihre Art, doch als Willem, der ihr völlig fremde gut aussehende Schauspieler, sie fragt, kann Allyson nicht anders: sie sagt ja, und reist mit ihm spontan nach Paris – der Stadt, die sie nicht mehr zu sehen hoffen konnte. Ein berauschender Taumel durch die Stadt der Liebe, doch dann ist Willem fort. Das folgende Jahr ist das schwerste, das Allyson je durchgemacht hat. Statt die erste Collegezeit zu genießen fühlt sie sich erdrückt, von den Wünschen und Erwartungen ihrer Eltern, ihrer Freunde, den Ansprüchen des Lebens – und Willems eigenartigem Verschwinden. Der eine Tag hat Allyson für immer verändert.
Ein Buch, das ganz andere Erwartungen weckt als es erfüllt und für mich damit umso besser ist. Es verspricht eine große Liebesgeschichte und romantische Verwicklungen. Im Grunde ist das aber nur der Anfang und ein Aspekt einer eindringlichen Geschichte über das Erwachsenwerden. Allysons Collegezeit, ihre Entwicklung, steht im Mittelpunkt. Die Begegnung mit Willem ist nur der Auslöser. Weiter bleibt er eine wichtige Bezugsperson und die große Liebe, aber die Selbstfindung von Allyson ist das Zentrum.
Ich bin kritisch an das Buch rangegangen. Irgendwie hat es mich gereizt, obwohl es ein Genre zu sein schien, das eigentlich nicht meins ist. Es überraschte mich positiv. Allysons Geschichte hat mich mitgenommen, selbst die romantische und etwas holprig begonnene Reise war doch toll inszeniert. Besonders schön fand ich aber die Collegeepisode, die den Hauptteil des Buches ausmacht. Schräge Charaktere lockern die doch ernste Geschichte auf.
Fazit: interessante Geschichte, toller Schreibstil, einprägsame Charaktere. Der Schluss enttäuschte mich. Selbst für einen ersten Band (und im Hinblick darauf, was der zweite erzählen wird) viel zu offen. Das bisschen genügt einfach nicht, um den Leser zufrieden zu stellen. Dafür wurden zu viele Erwartungen geweckt, zu viel Spannung aufgebaut.
Solide 4 Sterne für ein überraschendes Buch, das ich sicher noch mal zur Hand nehmen werde.

Bewertung vom 13.03.2016
Mein Herz wird dich finden
Kirby, Jessi

Mein Herz wird dich finden


ausgezeichnet

Es ist über 400 Tage her, seit Mias Herz in Dunkelheit versunken ist. Der Tod ihres Freundes Jacob hat auch ihr Leben beendet. Nur zaghaft tastet sie sich vor, auf der Suche nach den letzten Lebenszeichen ihres Freundes. Sie findet eine überwältigende Liebe. Alles wäre gut, wäre die Begegnung Glück oder Zufall, doch alles basiert auf einer Lüge, die das neue Leben zu einer fragilen Seifenblase macht. Ein falscher Schritt und alles zerbricht.
Das Buch ist so wunderbar geschrieben, dass ich es nicht aus der Hand legen konnte. Die Herzsymbolik wird allerdings bis zum Letzten ausgereizt und fällt einem irgendwann auf die Nerven. Jedes Kapitel wird mit einem passenden Zitat rundum das Herz, medizinisch, philosophisch oder literarisch, eingeleitet, sodass ich immer wieder nach den Quellen recherchiert habe. Alles wird aus Mias Sicht erzählt, sodass die Ansichten manchmal etwas einseitig wirken und der eine oder andere Charakter zu kurz zu kommen scheint, doch mir hat es gefallen wie die Wahrnehmung so ganz auf Mia konzentriert war. Als Leser verfolgt man quasi mit wie Mia immer mehr von der Außenwelt wahrnimmt je mehr sie Jacobs Tod verarbeitet. Sogar die Kapitelumfänge scheinen diesem Zurückfinden ins Leben zu entsprechen.
Ich hab das Buch nicht weglegen können. Es hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Der wundervolle Stil, die sympathischen Charaktere und die vielseitige Geschichte haben mich überzeugt. Hier wird viel mehr als eine banale Liebesgeschichte erzählt, die zur Trauerbewältigung dient. Es geht um Vertrauen, um Leben, Verantwortung und so viel mehr. Es gibt viel zu entdecken!
Eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 02.02.2015
Was fehlt, wenn ich verschwunden bin
Lindner, Lilly

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin


ausgezeichnet

Wortgewaltige Sprachlosigkeit

April ist fort.
Phoebe bleibt alleine zurück und vermisst ihre große Schwester, die mit Magersucht in eine Klinik eingewiesen wurde. Phoebes Welt bricht mit Aprils verschwinden zusammen. Sie betet ihre große Schwester an und will ihr helfen gesund zu werden. So schreibt sie ihr Briefe. Jeder soll zeigen wie sehr April geliebt und gebraucht wird, jeder soll sie einen Schritt näher zur Genesung bringen. Mit jedem will Phoebe verstehen und auch ihr eigenes Leben meistern. Denn alles um sie herum bröckelt und bricht. Ihr bleiben nur Worte.

Ein Buch, das den Leser sprachlos und tränenüberströmt zurücklässt. Ein Buch von außergewöhnlicher sprachlicher Schönheit, überwältigender Poesie und herzergreifender Geschichte.
Es geht um so viel mehr als eine Krankheit. Familie, Freunde, Achtsamkeit, Leben – die Macht der Worte in den unterschiedlichsten Facetten, all das trifft den Leser direkt ins Herz und nimmt dort für immer einen besonderen Platz ein.
In der ungewöhnlichen Form eines Briefromans liegt hier ein brillantes Kunstwerk vor, das den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Ein Feuerwerk an Bonmots bringt einen zum Lachen, zum Nachdenken und vor allem zum Weinen. Die Geschichte lässt einen so viel entdecken, dass jedes Detail zum Inhalt schon zu viel wäre. Immer wenn man glaubt, jetzt hätte sie einem alles gegeben, übertrifft sie noch einmal alles – und das bis zur letzten Seite! Sätze, ja, ganze Szenen, prägen sich dem Leser für immer ein.

Noch nie hat ein Buch es geschafft mich derartig zu berühren. Es nimmt einem den Atem, erschüttert die Welt und bleibt im Gedächtnis. Mir fehlen die Worte um dieses wortgewaltige Meisterwerk, die sprachlich brillant formulierte Sprachlosigkeit zu beschreiben!
Die Geschichte ist hart und schonungslos – die Sprache pure Poesie.

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