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AnnBee

Bewertungen

Insgesamt 29 Bewertungen
Bewertung vom 22.11.2019
Abenteuer Geschmack!
Vries, Antje de

Abenteuer Geschmack!


sehr gut

Kochkunst
Kochbücher gibt es viele auf dem Markt – dieses ist tatsächlich etwas sehr Besonderes, ein Hybrid aus Sach- und Kochbuch. Die Autorin führt zunächst in die Welt des Geschmacks ein. Mit wissenschaftlichen Belegen und alltagsnahen Beispielen erklärt sie zunächst, wie alle unsere Sinne und der Kontext des Essens unser Geschmackserlebnis beeinflussen – auch das Visuelle, der Geruch, die Haptik und das frische Knacken beispielsweise einer Möhre spielen eine Rolle. Außerdem beschreibt sie, wie verschiedene Gemüsearten zu ganz unterschiedlichen Geschmackserlebnissen führen können. Zu fünfzehn Gemüsesorten – von der Aubergine bis zur Roten Beete – gibt es jeweils 3-5 Rezepte, die unterschiedliche Geschmackskomponenten unterstreichen, etwa die Süße der Möhre oder ihre Frische im Salat.
Diese Rezepte sind dabei oft recht anspruchsvoll und verwenden meist Zutaten, die man nicht unbedingt zuhause hat oder im nächsten Supermarkt findet. Her hätte ich mir etwas mehr Alltagstauglichkeit gewünscht. Außerdem mag ich fast die Hälfte der verwendeten Gemüsearten nicht (zB Spargel, Artischocke, Rote Beete, ...). Für mich war es daher kein Volltreffer. Für Leute, die ihre Kochkunst auf das nächste Level bringen wollen, ist es aber bestimmt toll. Dazu ist es sehr hochwertig gestaltet.

Bewertung vom 13.10.2019
Hotel Cartagena / Chas Riley Bd.9
Buchholz, Simone

Hotel Cartagena / Chas Riley Bd.9


sehr gut

Der unübersichtliche Typ Frau

Staatsanwältin Chastity Riley feiert mit ihren Kollegen den 65. Geburtstag eines Vorgesetzten in einer Hotelbar. Der Abend gestaltet sich kompliziert – nicht nur, weil man bei der Polizei anscheinend nur arbeiten kann, wenn man einen ordentlichen psychischen Knacks hat (und viel trinken kann), Riley sich mit verschiedenen Kollegen in verschiedenen Stadien einer Affäre befindet, und sowieso jeder irgendwie mal mit jedem – sondern weil es zufällig in just dieser Bar zu einer Geiselnahme kommt. Anführer der Geiselnehmer ist ein Exilhamburger, der die letzten Jahrzehnte in Südamerika verbracht hat und nun zurückkommt, um eine Art Ocean’s Eleven-Ding durchzuziehen.
Ein Krimi im klassischen Sinn ist das nicht, in der Art, dass ein Täter gefunden werden müsste oder die Polizei irgendetwas ermittelt. Das meiste ergibt sich halt so; im Mittelpunkt stehen hier vielmehr die Polizisten und Rileys Innenleben. Trotzdem liest sich das spannend und flüssig weg. Man muss allerdings die sehr besondere Sprache dieser Reihe mögen; viel Hamburg, viel Kiez, viel „Alter, ey“. Vom Einheitsbrei des deutschen Krimis hebt sich das positiv ab. Irgendwie kommt es mir aber trotzdem manchmal zu aufgesetzt cool vor; ich kann mir nicht recht vorstellen, dass Menschen, die eine Ausbildung bei der Polizei oder gar ein Jurastudium hinter sich haben, so reden und denken. 3,5 Sterne.

Bewertung vom 15.09.2019
Laufen
Bogdan, Isabel

Laufen


ausgezeichnet

Einatmen ausatmen

Was für ein Buch. 200 Seiten innerer Monolog einer „mittelalten, mittelfitten, mittelgutaussehenden Frau“, in dem sich, wie das halt so ist, manches im Kreis dreht oder doch zumindest wiederholt, Abseitiges und Nebenseitiges gedacht wird, usw. Das klingt erstmal, als wäre es anstrengend, ist aber ein sehr besonderes Leseerlebnis.
Die Protagonistin hat einen schweren Verlust erlitten; ihr depressiver Partner hat sich umgebracht. In ihrer Verzweiflung beginnt sie zu laufen, wegzulaufen, und wir haben an ihren Gedanken teil, ihrer Schuld, Wut und Einsamkeit, ihrem Humor, ihrer Widerstandskraft. Langsam arbeitet sie sich aus der Trauer heraus, ein Prozess, der aber nie einfach gerade aus verläuft, sondern der eher eine Art „Aufwärtsspirale“ ist. Durch das Laufen wird die Körperlichkeit des Trauerns und des Abschiednehmens deutlich, die Protagonistin erläuft sich einen neuen Lebensweg.
Die Autorin hat eine hier eine ganz eigene Erzählstimme gefunden. Gerade dadurch, dass sie auch das Triviale nicht scheut (in keinem anderen Buch wird es beispielsweise so oft den Satz „ich kann nicht mehr“ geben), wird der Roman umso lebensnäher. Das Buch hat mich sehr berührt, ich habe geweint und gelacht, dabei ist es nie sentimental; vielmehr zeigt es, das Trauer und Verlust ein Teil des Lebens sind, der viel zu oft ignoriert wird; und das Trauern kein Zustand, sondern ein Prozess ist.

Bewertung vom 07.09.2019
Der Sprung
Lappert, Simone

Der Sprung


sehr gut

Die Frau auf dem Dach

Eine junge Frau auf einem Hausdach, eine Anwohnerin ruft die Polizei; vor dem Haus sammelt sich eine Menge von Gaffern. Aus einer Vielzahl von verschiedenen Perspektiven schildert Lappert dieses Ereignis und bringt uns damit viele der beteiligten Personen nah. Wer ist die Frau auf dem Hausdach? Will sie wirklich springen, und warum? Nach und nach erschließen sich die Antworten auf diese Fragen.
Die vielstimmige Erzählung ist dabei vor allem zu Anfang sehr gekonnt. Die Autorin braucht nur wenige Worte, um einen ganzen Reigen interessanter Charaktere zu schaffen. In deren Leben bekommen wir einen kurzen Einblick, der aber dennoch immer eines zeigt: Jeder Mensch hat seine Geschichte, und ohne diese zu kennen, beurteilt man ihn oder sie oft ungerecht.
Gleichzeitig bleiben dabei allerdings die Nebenfiguren ohne eigene Erzählstimme oft sehr blass, fast schablonenhaft; so etwa der böse mobbende Schüler oder der egoistische Partner im Fitnesswahn, der durch sein Verhalten seiner übergewichtigen Partnerin den Spiegel vorhält. Hier hätte ich mir etwas mehr Differenzierung gewünscht. Auch manche der Hauptpersonen schrammen nah am Klischee entlang: zum Beispiel das unbeliebte dicke Mädchen, das ein toller Kumpel ist, oder der überkandidelte Modedesigner.
Trotz der vielen verschiedenen Perspektiven liest sich das Buch dabei sehr leicht und flüssig weg. Am Ende geht es etwas schnell, einige Fäden und Figuren bleiben mehr oder weniger in der Luft hängen. Das ist bei der Vielzahl von Geschichten in diesem Buch wahrscheinlich auch nicht anders möglich; ich hätte insgesamt lieber etwas weniger Charaktere noch näher kennengelernt. Insgesamt aber auf jeden Fall ein Lesevergnügen!

Bewertung vom 30.08.2019
Messer / Harry Hole Bd.12
Nesbø, Jo

Messer / Harry Hole Bd.12


sehr gut

Das Martyrium des Harry Hole

Der 12.Teil der Harry Hole-Reihe – so langsam, fürchte ich, ist die Luft raus, auch wenn das immer noch überdurchschnittlich gute Krimis sind. Harry ist (mal wieder) ganz am Boden, wurde von Rakel (mal wieder) verlassen, stirbt (mal wieder) vermeintlich, um dann überraschend von den Toten aufzuerstehen...
Zu Beginn des Buchs wird eine Harry nahestehende Person ermordet, und Harry hat auch gleich einen Verdächtigen: einen vor 20 Jahren von ihm verhafteten Verbrecher, der nun wieder auf freiem Fuß ist. So einfach ist es jedoch nicht, der Fall wird immer verzwickter, und Harry fragt sich zunehmend, warum er sich an die betreffende Mordnacht nicht erinnert. Schließlich gerät er selbst ins Fadenkreuz.
Das ist mitunter sehr spannend und immer gut lesbar. Ich habe Harry über die Jahre sehr ins Herz geschlossen, aber ich finde es doch langsam unrealistisch, dass quasi alle Frauen, die auftauchen, kaum die Finger lassen können von einem 50jährigen, kaputten Alkoholiker. Nun gut. Nesbo legt wie so oft gekonnt falsche Fährten, und hat mich am Ende mit der Auflösung des Falls überrascht. Andererseits wird der Fall mitunter auch eher dadurch vorangetrieben, dass die Polizei äußerst stümperhaft arbeitet – wie sie sich beispielsweise von Svein Finne austricksen lassen, ist einfach lächerlich. Insgesamt ein sehr guter Krimi, der allerdings meine sehr hohen Erwartungen an Jo Nesbo nicht ganz erfüllt hat.

Bewertung vom 19.08.2019
Fünf Lieben lang
Aciman, André

Fünf Lieben lang


weniger gut

Nabelschau

André Aciman erzählt in diesem Roman von fünf Episoden des Verliebtseins seines Protagonisten Paul. Es beginnt mit einer Schwärmerei des 12-jährigen Jungen, und endet im Interesse des mittelalten Mannes an einer wesentlich jüngeren Frau, das nicht erwidert wird. Dazwischen finden sich verschiedene Variationen der „Liebe“, oder dessen, was Paul dafür hält: des Begehrens. Paul lässt sich von der einen Schwärmerei in die nächste treiben, ist dabei immer total obsessiv in seiner Begierde, die allerdings schnell abflaut, wenn es zu einer tatsächlichen Beziehung kommt. Treue, Loyalität, Ehrlichkeit, Interesse am Wohl des Anderen – all das kommt überhaupt nicht vor. Paul geht es nur um den Nervenkitzel des Verliebtseins und er sieht nicht, dass man sich dazu entscheidet, seinen Begierden derart willenlos und charakterlos zu folgen. Er entwickelt sich in dieser Hinsicht auch überhaupt nicht weiter, was schade ist, da es im Roman nur darum geht.
Paul kommt mir wie jemand vor, der so überprivilegiert ist, dass er sich langweilt, und diese Leere nicht anders zu füllen weiß als durch Sex. Die anderen Charaktere bleiben alle durchgehend blass – was wiederum Sinn macht, sind sie doch nur Statisten in der Paul-Show. Paul hat mich zunehmend genervt – ich habe selten beim Lesen so oft mit den Augen gerollt. Den Anfang des Buchs fand ich sprachlich noch gelungen, dann zunehmend flacher, bis schließlich die Metaphern teilweise geradezu rücksichtlos ausgewalzt werden. Nur weil der Protagonist hier bisexuell ist, ist das noch lange nicht interessant oder progressiv. 2,5 Sterne.

Bewertung vom 16.07.2019
Something in the Water - Im Sog des Verbrechens
Steadman, Catherine

Something in the Water - Im Sog des Verbrechens


sehr gut

Hochzeitsreise mit Folgen

Erin und Mark sind das perfekte Paar, oder halten sich zumindest dafür. Sie ist Dokumentarfilmemacherin und arbeitet gerade an einer Reportage über Menschen, die nach langer Haft aus dem Gefängnis entlassen werden. Mark wiederum ist Investmentbanker, verliert aber gerade dann seinen Job, als die beiden heiraten wollen. Schnell zeigen sich erste Risse in der Fassade. Trotz der finanziellen Krise machen die beiden in den Flitterwochen auf Bora Bora einen Luxusurlaub. Dort machen sie beim Tauchen einen erstaunlichen Fund, der sie allerdings verfolgen wird, bis es zu einem dramatischen Ende kommt.
Mir hat das Hörbuch insgesamt gut gefallen, wenn es für einen Thriller auch recht langsam erzählt ist und Erins Leben und Befindlichkeiten sehr ausführlich schildert. Einige von Erins Handlungen fand ich psychologisch unplausibel; die anderen Charaktere der Geschichte blieben wiederum recht blass. Die Dynamik zischen Erin und Mark hätte auch besser spannender erzählt werden können. Trotzdem hat es mich gefesselt, und ich habe Erin die Daumen gedrückt – vielleicht auch wegen der gelungenen Lesung. 3,5 Sterne.