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Benutzername: 
Kairan Nariak
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Bewertung vom 02.09.2018
2054 - Putin decodiert
Rahr, Alexander

2054 - Putin decodiert


ausgezeichnet

Der langjährige Osteuropahistoriker und Russlandexperte Alexander Rahr überrascht mit seinem neuen Buch. Statt einer herkömmlichen Analyse, bietet er dem Leser einen Politthriller über Russland und Putin als Lesestoff an. Die Erzählung beginnt mitten im Kalten Krieg. Ein russischer Politemigrant wird in eine Militärfestung nach Südfrankreich gebracht, wo er erfährt, dass die Russen über bestimmtes Zukunftswissen verfügen, das sie strategisch gegen den Westen einsetzen könnten. Es beginnt die Jagd nach dem mutmaßlichen Herrschaftswissen. Ein geheimer russischer Orden der Eurasier und westliche Geheimdienste versuchen sich gegenseitig auszustechen. Rahr macht hier eine künstlerische Pause und katapultiert den Leser auf eine Reise in das Europa des 16. Jahrhunderts. Iwan der Schrecklich baut im Osten gerade das neue russische Imperium auf, die europäischen Mächte sehen ihn als Gegner. Doch der Westen braucht die russischen Rohstoffe für seine Wirtschaft. Ein mysteriöser Wahrsager sagt Iwan den Zerfall Russlands für 1605 voraus. Rahr bringt den Leser zurück in unsere Zeit - den Wiederaufbau Russlands nach dem Fall des Kommunismus. Putin versucht nach dem Terrorangriff auf die USA am 11. September 2001, eine neue Weltordnung mit der NATO zu schmieden. Doch der Westen betrachtet Russland als Gegner. Der Held des Romans, ein deutscher Politologe, gerät in einen Strudel spannender Ereignisse. Ihm öffnen sich verschlossene Türen in den Kreml, doch sein Wissen schadet ihm in Deutschland, denn in seiner Heimat wird er als Russlandversteher denunziert. 2014 bricht zwischen West und Ost ein hybrider Krieg aus. Der Kampf um die Ukraine bietet den Höhepunkt der Handlung des Buches. Eine neue Weltordnung - eine brandgefährliche - ist am Entstehen. Think-Tanks, Medien, Parteien, diverse transatlantische Geheimorganisationen und natürlich die Geheimdienste kämpfen alle im Hintergrund um die Deutungshoheit in der Weltpolitik. Das in Russland mutmaßlich versteckte Geheimwissen, in der sagenumwobenen Bibliothek Iwan des Schrecklichen gelagert, wird bei einem Brand vernichtet. Ein Roboter ermittelt in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtigen Politik den Namen des Nachfolgers Putins. An der Flüchtlingswelle im Sommer 2015 zerbricht die europäische Einheit. Währenddessen erschüttert der neue US Präsident Trump die Grundfeste der globalen Weltordnung. Die EU leidet, die Weltpolitik gerät in Chaos, Russland und China schließen sich zu einem anti-NATO Block zusammen. Was das Buch so lesenswert macht: Rahr verpackt sein über viele Jahre erworbenes Fachwissen und Informationen über Russland aus erster Hand in eine teils realistische, teils utopische Erzählung, die dem Leser auf komplizierte politische Zusammenhänge unserer Ära plötzlich die Augen öffnet. Rahr teilt sein bislang verborgenes Wissen aus den Korridoren des Kremls mit. Der Konflikt Russland-Westen liest sich wie ein spannender Roman. Der Autor zwingt dem Leser kein eigenes Narrativ auf. Aber er regt zum Nachdenken und Überdenken festgefahrener Positionen an. Jede Episode des Buches wirkt auf das eigene Faible, geschichtliche Begebenheiten tiefer zu erforschen, inspirierend. Die Zukunft wird uns vor die Wahrheit stellen. Ob uns die Wahrheit dann „frei“ machen wird, das konnte zu seiner Zeit auch der Johannes nicht wissen; aber wusste es vielleicht der Michel? Oder bleibt doch alles ein streng gehütetes Geheimnis? Es bleibt und wird also spannend. Lesen Sie dieses Buch!

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