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Benutzername: 
Blümchen
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Dresden

Bewertungen

Insgesamt 159 Bewertungen
Bewertung vom 24.08.2024
Ehemänner
Gramazio, Holly

Ehemänner


gut

Vorne hui, hinten... naja 🤷🏻‍♀️

Was mit einer grandiosen Idee und genialen Szenen begann, wurde zum Ende hin arg konstruiert und nichtssagend.

Es geht um einen geheimnisvollen Dachboden, der nach Laurens Teilnahme an einem Junggesellenabschied plötzlich Ehemänner "ausspuckt". Sobald sie einen auf den Dachboden zurück schickt, kommt der nächste die Leiter herunter. Was Lauren anfangs schockiert und irritiert, macht ihr zunehmend Spaß, denn sie kann ihre Keben wechseln wie in einem Videospiel... Doch irgendwann wird sie der Situation überdrüssig - bekommt sie den Dachboden in den Griff? Kann sie dessen Geheimnis lüften?

Nun, das sind die Fragen, die jeden Leser dieser Geschichte bei der Stange halten. Und das Ende war für mich leider eine herbe Enttäuschung.

Deshalb kann ich trotz tollem Schreibstil, durch den man nur so hindurchfliegt und einer grundsätzlich genialen Plotidee nur 3,5 Sterne vergeben. Da wurde viel versprochen, aber die zweite Hälfte des Buches kann das leider nicht halten.

Bewertung vom 10.08.2024
Wellengang
Griffin, Anne

Wellengang


sehr gut

Typisch irisch - melancholisch, etwas schroff, aber liebenswert!

Anne Griffin hat in diesem Roman zwei Themen miteinander verwoben: Heimat und das Leben nach einem großen Verlust. Jedes der beiden Themen hat gewissermaßen einen Erzählstrang und eine eigene Geschichte.

Verbunden sind diese Geschichten in der Protagonistin Rosie Driscoll. Rosie wuchs auf einer kleinen Insel vor der Küste Irlands auf, ihr Vater war Kapitän der Inselfähre und das war auch Rosies Traum: Kapitänin werden. Sie erfüllte sich diesen Traum und hielt schon mit Anfang 20 ihr Kapitänspatent in der Hand. Doch das Schicksal mischte die Karten neu, als sie ihren späteren Ehemann Hugh kennenlernte. Für ihn verließ sie die Insel und zog nach Dublin. Sie bekamen zwei Kinder, hatten ein hübsches Haus - eine typische Mittelklassefamilie eben.

Als ihre 17jährige Tochter Saoirse (sprich: Sier-scha) eines Nachmittags spurlos verschwindet, wird das Leben der Familie auf den Kopf gestellt. Auf die ersten fieberhaften Wochen der Suche folgen lange Monate zwischen Hoffen und Bangen, die schließlich einer gewissen Resignation weichen, als Saoirse immer noch nicht gefunden ist. Nur Rosie gibt die Hoffnung nicht auf, dass ihre Tochter lebt. Und sie verliert sich selbst dabei.

8 Jahre nach dem Verschwinden des Mädchens erleidet Rosie einen Zusammenbruch und kehrt Dublin den Rücken. Sie flieht auf ihre Heimatinsel und versucht, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Dort setzt das Buch an - es startet mit Rosies Ankunft auf der Insel. Der Rest der Geschichte wird in Rückblenden erzählt. Zwischen den Kapiteln erfährt man jeweils mit 1-2 Sätzen ganz langsam die wahre Geschichte über Saoirses Verschwinden.

Auf mich machte das Buch irgendwie einen zweigeteilten Eindruck. Einerseits die Geschichte um die Inselfähre, andererseits die Geschichte einer Mutter, die mit der Ungewissheit über das Schicksal ihrer Tochter leben muss. Da der zweite Erzählstrang aber eine solche Wucht hatte, blieb der andere Erzählstrang für mich immer ein wenig blass und irgendwie „lapidar“.

Mir persönlich hätte das Buch wohl noch besser gefallen, wenn sich die Autorin gar nicht weiter der Rahmengeschichte, sondern nur dem Porträt von Rosie als Mutter gewidmet hätte. Ihre verzweifelten Versuche, auch nach Jahren die Hoffnung zu bewahren, dass ihr Kind noch lebt, waren so eindringlich und kraftvoll, dass das locker das ganze Buch getragen hätte. Auch wenn die Geschichte dann wahrscheinlich noch melancholischer gewesen wäre - sie wäre auch noch einmal intensiver gewesen und das hätte für mich das I-Tüpfelchen der Geschichte ausgemacht.

Ich hätte es auch gern gehabt, wenn Saoirses Geschichte nicht nur in diesen kurzen Teasern zwischen den Kapiteln erzählt worden wäre (oder besser: nur angedeutet, denn mehr ist in dem Umfang ja nicht möglich), sondern wenn sie in eigenen Kapiteln zwischen denen über ihre Mutter mehr Raum bekommen hätte. Ich muss auch sagen - so richtig logisch war mir die Art, wie und warum Saoirse verschwindet, nicht. Da fehlen mir auch nach Beendigung des Buches noch Puzzleteile und das ärgert mich ein wenig.

Insgesamt fand ich den Roman sehr lesenswert - insbesondere Rosies Geschichte als Mutter eines verschwundenen Mädchens war sehr anrührend und hat mich tief bewegt. Wer auch im Sommer nicht vor einer etwas melancholischen Geschichte zurückschreckt und psychologischen Tiefgang in Büchern schätzt, ist mit diesem Roman gut beraten!

Bewertung vom 28.07.2024
Am Himmel die Flüsse
Shafak, Elif

Am Himmel die Flüsse


ausgezeichnet

Die Reise eines Wassertropfens

Elif Shafak ist und bleibt eine begnadete Erzählerin. Auch in „Am Himmel die Flüsse“ beweist sie wieder einmal, dass sie komplexe und kontroverse Themen zu einem Roman verbinden kann, der mitreißt und trotzdem flüssig erzählt ist. Man hat am Ende einfach das Gefühl, dass die Erzählung in sich „rund“ war. Das ist es, was für mich ein beeindruckendes Buch ausmacht - und genau das war dieser Roman für mich.

Wie man (leider) erst im Nachwort erfährt - und deshalb sage ich es bewusst am Anfang meiner Rezension - beruht vieles in diesem Roman auf wahren Begebenheiten. Die Autorin hat unheimlich viel recherchiert, um ihre Themen so wahrheitsgetreu wie möglich in ihr fiktives Werk einbinden zu können. Und das ist ihr richtig gut gelungen.
Anhand von drei Lebenswegen zu unterschiedlichen Zeiten erzählt sie die Geschichte eines großen Kunstwerks, eines kulturellen Erbes und einer ganzen Region im Nahen Osten. Verbindendes Element ist dabei ein Wassertropfen, der immer wieder in anderer Gestalt auf die Erde kommt - mal als Schneeflocke, mal als Salzwassertropfen im Meer, mal als Trinkwassertropfen… und dazwischen immer wieder verdunstet und erneut in den Kreislauf des Wassers eingeht.

Wir folgen im 19. Jahrhundert Arthur Smyth, der in ärmlichen Verhältnissen in London ohne Zukunftsperspektive aufwächst und doch letztlich ein Meisterwerk vollbringt, indem er das Gilgamesch-Epos auf Keilschrifttafeln entziffert. Vorbild für diese Figur war George Smith, ein Londoner aus der Arbeiterschicht, der zur Koryphäe für alte Keilschrifttafeln wurde. Wir folgen der 9jährigen Narin im Jahr 2014, deren Dorf im Nahen Osten einem Staudamm weichen soll. Und schließlich ist da Zaleekhah (sprich: Sahlie-cha, so zumindest wird es im Hörbuch ausgesprochen) im Jahr 2018, die als Hydrologin in London zu allem rund um Wasser forscht.

Abwechselnd wird aus den Perspektiven der Hauptfiguren erzählt, drei Stränge, die lange Zeit nebeneinander her laufen und sich schließlich auf den letzten 100 Seiten zu einem furiosen Finale verbinden. Niemals hätte ich geahnt, was schließlich passieren würde (Narins Geschichte ist mir sehr nahe gegangen) - aber letztlich hätte man es wissen können, denn es muss durch die Nachrichten gegangen sein und beruht ebenfalls auf wahren Begebenheiten. Als Mitteleuropäer hört man leider zu oft weg, wenn es um Konflikte im Nahen Osten geht…

Dieses Buch verband mit einer teils ausschweifenden, poetischen Sprache (die aber dennoch über diesen ganzen umfassenden Roman gut lesbar blieb) Wahrheit mit Fiktion und vermittelte einerseits Wissen zur „Wiege der Zivilisation“ Mesopotamien, dem Gilgamesch-Epos, der Entdeckung seiner Bedeutung sowie zum kulturellen Erbe der Eziden und ihrer Verfolgung. Daneben - aber nicht untergeordnet - wird auch die Frage des Umgangs mit der Lebensgrundlage Wasser gestellt, sowohl in Kulturen, die Trinkwasser für selbstverständlich ansehen als auch solche, für die (Trink-)Wasser etwas Besonderes ist. Ein Buch, das so viel enthält - so viele Informationen, aber auch so viele Denkanstöße. Ein Buch, das man gelesen haben sollte und das unbedingt weiterempfehle.

Bewertung vom 09.07.2024
Aufbruch in eine neue Welt / Savannah Bd.1
Wilke, Malou

Aufbruch in eine neue Welt / Savannah Bd.1


sehr gut

Neue unbekannte Welt - Das harte Siedlerleben im 18. Jahrhundert

Auswanderersagas sind in der Unterhaltungsliteratur schon immer beliebt gewesen, auch wenn sie in letzter Zeit von den Romanen aus dem späten 19./ beginnenden 20. Jahrhundert ein wenig verdrängt wurden. Jetzt hat sich mal wieder eine Autorin an dieses Thema gewagt und die Geschichte ihrer Wahlheimat Georgia aufgearbeitet.

Im Mittelpunkt steht Eleonore, genannt Nellie, die gleich zu Beginn des Buches von ihrem Vater verstoßen wird. Ungewollt schwanger war das junge Mädchen für ihn nur ein Klotz am Bein - und so verlässt sie schweren Herzens ihre jüngeren Geschwister und zieht allein los. Außer einem Cousin hat sie keine Verwandtschaft und so versucht sie sich zu diesem durchzuschlagen - was auch gelingt. Dort wird sie zum Glück aufgenommen, lernt weitere Verwandte und Bekannte kennen und erfährt erstmals etwas wie Familienzusammenhalt - aber auch die Verheißung eines besseren Lebens in einer fernen Kolonie. In deutschen Gefilden hält die junge Schwangere nichts und so macht sie sich auf ins Abenteuer - mit dem Schiff nach Georgia...

Die Autorin schildert in bester Familiensaga-Tradition die Geschichte einer jungen Auswanderin, die viele Abenteuer zu bestehen hat, bis sie sich in einem fernen Land ein neues Leben aufbauen kann. Im Mittelpunkt stehen ihr Kampfgeist und die immer wieder neuen Herausforderungen dieser neuen und vollkommen fremden Welt - mit anderen Pflanzen und Tieren, einem komplett anderem Klima und Krankheiten, die bisher niemand kannte.

Auch das enge Zusammenleben der Siedler führt natürlich immer wieder zu Problemen und unvorhergesehenen Situationen, die - wie in Unterhaltungsromanen üblich - zu ein wenig Drama und Verwicklungen führen.

Das Thema Unterhaltung steht eindeutig im Mittelpunkt der Geschichte und auch wenn die Autorin die wirklich schwerwiegenden Themen der damaligen Zeit - beispielsweise die aufkommende Sklavenhaltung und das Zusammenleben der indigenen Völker mit den Siedlern - thematisiert, geschieht das nach meinem Dafürhalten doch sehr „weichgespült“. Hier hätte ich mir noch mehr Authentizität gewünscht (auch wenns wehtut und vielleicht dadurch für einige Handlungsstränge kein Happy End möglich ist…). Denn das wahre Leben war mit Sicherheit nicht so gnädig wie Nellie zu ihrem Sklavenpaar Grover und Destiny… Sie hatten mit der Protagonistin als ihrer „Herrin“ verdammt viel Glück - ich denke das spiegelt nicht die wahren Schicksale der allermeisten farbigen Personen dieser Zeit wieder (kleine Anmerkung: wer zu diesem Thema einen richtig tollen Roman lesen möchte - greift zu „Das Gemälde“ von Geraldine Brooks!). Und auch die Situation zwischen der indigenen Bevölkerung und den Siedlern wird doch sehr wohlwollend geschildert - ich bin mir nicht sicher ob das die damaligen Realitäten wiederspiegelt.

„Savannah“ ist ein wenig „In einem fernen Land“, ein wenig „Vom Winde verweht“ (Sophie!), ein wenig „Fackeln im Sturm“ und ein wenig „Der mit dem Wolf tanzt“… aber alles verpackt in einen Unterhaltungsroman der genau auf die Vorlieben deutscher Leser*innen und den deutschen Buchmarkt zugeschnitten ist. Eine schöne Lektüre für den Urlaub - um sich mit dem Thema aber kritisch auseinanderzusetzen, müsst ihr andere Bücher zu diesen Themen lesen.

Bewertung vom 01.07.2024
Bad Summer People
Rosenblum, Emma

Bad Summer People


ausgezeichnet

Ein Sommer mit der High Society

Wer kennt sie nicht - die Geschichten über die High Society, die reichen New Yorker, die ihre Sommer in ihrem millionenteuren Ferienhaus in den Hamptons verbringen… Ein ähnliches „Reichendomizil“ ist Fire Island vor New York (die Insel gibt es tatsächlich, im Buch wurde nur der Ort Saltaire zu Salcombe).

Emma Rosenblum erzählt hier eine Geschichte von den „beneidenswerten“ Reichen und Schönen - die am Ende eher bedauernswert sind in ihrem permanenten Streben danach, den schönen Schein zu wahren. Denn das scheint das wirklich Anstrengende in einem solchen Leben zu sein.

Eins muss man zu diesem Buch sagen: Die Story, die die Autorin hier von den Lesern bzw Hörern ausbreitet, strotzt vor Klischees über die High Society - aber das Buch macht trotzdem unheimlich Spaß und so ist man mit Interesse, aber zum Teil auch mit einer gehörigen Portion Schadenfreude dabei, wenn Intrigen gesponnen werden oder sich die „Sommer-Nachbarn“ gegenseitig etwas vormachen.

Denn nichts ist wie es scheint in dieser Gemeinschaft von reichen, schnöseligen New Yorkern, die jedes Jahr den Sommer auf Fire Island verbringen und natürlich niemanden hinter die Fassade ihrer Familie oder ihres eigenen Lebens schauen lassen wollen. Alles ist toll, alles ist leicht, keiner hat Probleme… naja, zumindest nach außen hin.

Die Leser merken aber schnell, dass hier alles nur scheinheilig ist - denn die Paare betrügen sich gegenseitig und untereinander, natürlich wird regelmäßig hinter dem Rücken der anderen gelästert und letztendlich erschüttert eine Tragödie den Ort. Doch was ist wirklich passiert in dieser Nacht? Die Antwort darauf gibt es erst auf den letzten Seiten bzw. in den letzten Hörminuten. Die Geschichte wartet bis zum Schluss mit Wendungen auf, die man teilweise erwartet hat, teilweise aber auch nicht…

Sprecherin Alina Vimbai Strähler unterstützt mit ihrem Sprachstil den sommerlichen Vibe, der beim Lesen dieses Romans aufkommt. Ihre Stimme passt gut zur Geschichte und hat mich gut durch den Roman geführt.

Dieses Buch ist richtig gute Sommerunterhaltung - absolut zu empfehlen als spannende Strandlektüre für den Urlaub oder als entspannde Unterhaltung auf dem Liegestuhl im eigenen Garten. Und sind wir doch mal ehrlich… wer lästert nicht mal ab und zu über die Nachbarn oder Bekannte? Mit diesem Buch kann man das ohne schlechtes Gewissen tun! ;-)

Bewertung vom 28.06.2024
Herzklopfen in Wildberry Bay / Wildberry Bay Bd.2
Covi, Miriam

Herzklopfen in Wildberry Bay / Wildberry Bay Bd.2


ausgezeichnet

Lovestory vor tragischem Hintergrund

Am 02.09.1998 stürzte vor der Küste Nova Scotias ein Flugzeug ins Meer - es gab keine Überlebenden. Diese Tragödie hat sich Autorin Miriam Covi nicht ausgedacht - das ist wirklich passiert. Auf dem Flug von New York nach Genf kam es auf dem SwissAir Flug 111 zu einem Kabelbrand - mit dem Ergebnis, dass die Instrumente versagten und die Crew die Kontrolle über das Flugzeug verlor.

Mehrere Gedenkstätten erinnern heute in Nova Scotia an das Unglück - und eine davon ist der Ausgangspunkt dieses Romans. Denn Hauptfigur Helena ist dorthin gekommen, um ihrer Mutter zu gedenken, die vor 20 Jahren an dieser Stelle ums Leben kam. Doch aufgrund einer Unachtsamkeit findet sie sich plötzlich selbst in Lebensgefahr wieder. Gerettet wird sie von einem Mann, der sich zufällig in der Nähe aufhielt. Er kümmert sich um die geschockte Touristin und als sie panisch verkündet, wahrscheinlich ihr Schiff zu verpassen, fährt er sie nach Halifax. Mit dem Ergebnis, dass sie trotzdem zu spät sind - die Queen Mary hat längst Richtung Southampton abgelegt und Helena ist zunächst gezwungen in Kanada zu bleiben - denn Fliegen ist keine Option für die traumatisierte Frau.

Wie es weitergeht, kann man sich denken - Helena und ihr Retter fühlen sich zueinander hingezogen und die Leser begleiten sie auf ihrem Weg zum Glück. Doch das hat auch seine Schattenseiten - denn Helena und Luke verbindet viel mehr als sie zunächst annehmen... beide haben Erinnerungen an die Zeit nach dem Flugzeugabsturz damals und beide haben keine Ahnung, dass sie sich damals bereits begegnet sind...

Wie immer hat Miriam Covi eine wunderbare Love Story geschrieben, wenn auch diesmal mit deutlich ernsteren Untertönen und einer eher melancholischen Grundstimmung. Trotzdem kann man sich einfach fallen lassen in diesen Roman und lernt zudem noch viel über die tatsächlichen Begebenheiten rund um den 02. September 1998 und über seine Folgen für die Region und auch die Angehörigen der Opfer.

Es ist sicherlich schwierig, sich in einem „Wohlfühlroman“ eines so ernsten Themas anzunehmen, zumal es sicherlich noch genügend Leute gibt, die eigene Erinnerungen damit verknüpfen. Doch ich hatte den Eindruck, dass die Autorin die Geschichte mit viel Fingerspitzengefühl und Respekt geschrieben hat und versucht hat, einerseits die traumatischen Folgen für die Helfer und Angehörigen der Opfer darzustellen, andererseits aber auch positiv zu bleiben und zu zeigen, dass man trotz einer solchen Erfahrung hoffnungsvoll in die Zukunft schauen kann.

Mir hat dieser zweite Teil der Wildberry Bay-Reihe wieder sehr gut gefallen, was natürlich auch den vielen tollen Nebenfiguren geschuldet ist. So eine Gemeinschaft wünscht man sich - am liebsten würde man sofort die Koffer packen, um alle persönlich kennenzulernen.

Miriam Covi ist für mich eine Garantin dafür, dass ich mit einem Buch einen „Kurzurlaub im Kopf“ machen kann, dass ich gut unterhalten werde, dass ich die wunderbare Natur Kanadas erleben kann, ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen - und auch dieser Roman hat das wieder geschafft. Ich mag ihre Bücher sehr und kann sie nur wärmstens weiterempfehlen!

Bewertung vom 25.06.2024
Forgotten Garden
Gosling, Sharon

Forgotten Garden


sehr gut

Wohlfühlroman nach Goslings bewährtem Strickmuster

Sharon Goslings Wohlfühlromane haben mich schon zwei Mal begeistert und so wollte ich auch den neuesten Streich der Autorin unbedingt lesen. Doch statt mich zu überraschen, setzte sie in diesem Roman auf Altbewährtes und konnte mich daher nicht mehr ganz so in Begeisterung versetzen wie mit ihren vorherigen Büchern – denn ich hatte das Gefühl, dass es kaum etwas Neues gab.

Da ist eine Protagonistin mit Selbstzweifeln (Luisa), eine neue Chance an einem unverhofften Ort (Collaton im Nordwesten Englands), ein potentieller Love Interest (Lehrer Cas), eine spröde Jugendliche mit Problemen, die im Laufe des Buches zu sich selbst findet (Harper) und eine Gemeinschaft von Menschen, die mit der Zeit zusammenwächst und von gegenseitiger Hilfe und Unterstützung geprägt ist. Mit fast genau den gleichen Zutaten war schon der letzte Roman der Autorin an den Start gegangen und hatte wunderbar funktioniert. Auch diesmal geht das Rezept auf und es entfaltet sich ein Wohlfühlroman, in den man sich fallen lassen kann.

Nur ist es eben nichts Neues mehr, nichts Überraschendes, und ich hatte einfach das Gefühl alles so ähnlich doch schon einmal gelesen zu haben – auch wenn das Thema natürlich ein ganz anderes ist als im letzten Buch und somit trotzdem ein gewisser Unterschied besteht. Aber – um mal metaphorisch zu sprechen: wenn ich Nudeln mit Tomatensoße geliebt habe und jetzt Reis mit Tomatensoße esse, schmeckt es immer noch – aber es bleibt eben auch Tomatensoße und bringt keinen neuen Geschmack…

Deshalb wurden meine Erwartungen doch ein klein wenig enttäuscht, denn ich hatte mir vom neuen Buch auch neue Ideen und eine neue Storyline versprochen – doch alles war recht vorhersehbar. Die Geschichten der Nebenfiguren kamen diesmal etwas kurz für mein Empfinden – es drehte sich doch alles sehr zentriert um Luisa, Cas und Harper.

Das heißt nicht, dass ich das Buch schlecht fand. Es hielt, was es versprach: eine Feel-good-Story mit Gemeinschaftsgefühl und einem kleinen Kribbeln zwischen den Protagonisten. Nette Unterhaltung - nicht mehr und nicht weniger.

Bewertung vom 21.06.2024
Sommerstürme / Season Sisters Bd.2
Helford, Anna

Sommerstürme / Season Sisters Bd.2


sehr gut

Die „Jungferndiebe“

Anna Helford nimmt uns auch im zweiten Teil ihrer Season Sisters-Reihe wieder mit nach England und Wales. In diesem zweiten Roman der Reihe wird Summers Geschichte erzählt. Außerdem gibt es auch hier wieder einen zweiten, historischen Erzählstrang - diesmal mit einem sehr interessanten Hintergrund.

Summer ist Grundschullehrerin und als ein neues Mädchen an ihre Schule kommt, wird sie hellhörig. Denn die kleine Phoebe scheint mit ihrem Vater, einem Musiker, ein sehr unstetes Leben zu führen. Nach Summers eigenen Kindheitserfahrungen ist dies eine Situation, die sie mit allen Mitteln zu verhindern versucht. Doch wie so oft kommt es anders und Bryan Chapman ist irgendwie doch nicht so ein verantwortungsloser Vater, wie es zunächst den Anschein hatte... Als Bryan sie um Hilfe bei der Aufklärung eines mysteriösen Erbes bittet, lernen Summer und er sich näher kennen - und ergründen gleichzeitig die interessante Geschichte der „Thieves of virgins“.

Mir hat dieser leichte Roman auf zwei Zeitebenen wieder viel Spaß gemacht. Während man bei Summers und Bryans Geschichte aber schnell weiß, wohin der Hase hoppelt und auch nicht wirklich überrascht wird, sieht es im historischen Strang schon anders aus.

Mir war zunächst nicht klar, was es mit der Serie an Kunstdiebstählen auf sich hat. Bei den Beutezügen der mysteriösen Bande verschwindet immer auch ein weibliches Mitglied des Haushalts, sei es die Hausherrin, Tochter oder eine Dienstmagd und wird nie wieder gesehen. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, doch die Idee hinter dieser Bande fand ich wirklich pfiffig und nachvollziehbar. Was ich nicht so nachvollziehbar fand, war die Art und Weise, wie die Bande sich gründete und wie deren erster Coup dargestellt war. Ich kann leider nicht mehr dazu sagen, ohne zu viel zu verraten - das muss man selbst lesen und sich ein Urteil bilden.

Auch die geheimnisvolle Bewohnerin des Mysterious House blieb für mich etwas auf der Strecke - insbesondere die Art, wie am Schluss für ihr weiteres Auskommen gesorgt werden sollte, kam mir etwas an den Haaren herbeigezogen vor - als bräuchte man nur mal schnell eine Idee und alles ist schick... Die genannte Idee ist aus meiner Sicht zum schnellen Geld verdienen aber sehr ungeeignet und zudem noch sehr langwierig bis überhaupt mal Geld fließt, befürchte ich... kurzum, es passte für mich als Lösung nicht wirklich nachvollziehbar in die Geschichte rein.

Die Liebesgeschichte im historischen Teil war mir etwas zu lang gezogen - da habe ich mich schon ab und zu dabei ertappt wie ich die Augen gerollt und mir gewünscht habe, dass endlich mal was voran geht... selbst unter Berücksichtigung der Standesunterschiede und der damaligen Konventionen erschien mir das doch etwas zu weit gestreckt.

Trotz dieser kleinen Ecken und Kanten, die ich beim Lesen dieses Romans gespürt habe, war es doch ein sehr unterhaltsamer Ausflug nach Großbritannien. Insbesondere die Idee hinter den „Thieves of virgins“ fand ich außerordentlich gelungen. Und im Vergleich mit Band 1 mochte ich diesen 2. Teil sogar noch ein bisschen lieber :)

Bewertung vom 19.06.2024
Wildhonig
Picoult, Jodi;Finney Boylan, Jennifer

Wildhonig


ausgezeichnet

Wer will ich sein? Wer kann ich sein?

„Manchmal denke ich an all die seltsamen und wunderbaren Dinge dieser Welt - die lilafarbene Kartoffel, die Venusfliegenfalle, das Schnabeltier... Wenn es unter dem Himmel Raum für alle diese Wunderdinge gibt, könnte da nicht auch Raum für mich sein?“

Lilys Gedanken sind die ganz normalen Überlegungen einer 17jährigen. Wer kämpft in diesem Alter nicht manchmal mit dem Gefühl, ein Igel in einer Welt von Hasen zu sein? Doch Lily trägt ein Geheimnis mit sich herum - sie hat berechtigte Gründe, immer wieder an sich selbst zu zweifeln. Und doch ist da Asher, ihr Freund, der sie abgöttisch liebt.

Doch eines Tages ist Lily tot. Und Asher war derjenige, der sie fand. Nur fand? Oder ist die Geschichte doch ganz anders, als sie den Anschein hat? Schnell wird Asher unterstellt, er habe mit Lilys Tod zu tun. Er wird vor Gericht gestellt. Und nicht einmal seine Mutter weiß noch, ob sie ihrem eigenen Sohn glauben soll, denn er ist nun mal auch der Sohn ihres Ex-Mannes. Und der hat ihr regelmäßig Gewalt angetan...

Dieser Roman hat mich richtig mitfiebern lassen. Einerseits mit Asher, der so überfordert mit der Situation ist, dass er einem einfach nur leid tut - und obwohl man nicht weiß, ob man ihm glauben kann, will man ihm so gern glauben, dass alles so passiert ist, wie er es darstellt.

Andererseits habe ich mit Lily gefühlt, wenn in eingeschobenen Kapiteln ihre Geschichte erzählt wird, und an vielen Stellen auch gelitten. Denn im Laufe des Mordprozesses offenbart sich Lilys Geheimnis: Lily ist ein Transgender-Mädchen. Und ihr Kampf gegen Vorurteile, gegen Alltagshass, gegen ihre Umwelt und manchmal gegen sich selbst ist so gut beschrieben, wie es nur von jemandem kommen kann, der das selbst erlebt hat - Co-Autorin Professor Jennifer Finney Boylan. Da sie selbst eine Trans-Frau ist, kann sie Lilys Wahrnehmungen so gut beschreiben, dass man unwillkürlich in ihren Bann gezogen wird. Für mich als cis-Frau war es faszinierend, die Welt quasi mit Lilys Brille zu sehen. Es war aber auch sehr ernüchternd, denn natürlich gibt es noch mehr als genug Vorurteile und Widerstände, gegen die Trans-Personen ankämpfen müssen.

Doch nicht nur Lily hat eine Geschichte - auch Ashers Mutter Olivia kämpft immer noch mit ihrer Vergangenheit. Olivia war Opfer häuslicher Gewalt in ihrer Ehe und hat nur durch ihren Sohn den Absprung aus der Beziehung geschafft. Auch ihre Wahrnehmung wird nie eindimensional geschildert, sondern immer sehr vielschichtig - wie Gefühle nun mal sind.

Mit diesem Roman ist den beiden Autorinnen deshalb nicht einfach nur ein spannendes Buch gelungen, sondern sie öffnen Augen und Herzen für die Belange von Transgender-Menschen, die viel zu oft von der Gesellschaft ausgestoßen werden. Außerdem stoßen sie erneut die Debatte um Gewalt in Beziehungen an - ohne erhobenen Zeigefinger. Es ist ein vielschichtiges Plädoyer für Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Toleranz und deshalb ein Buch, das man in diesem Jahr unbedingt gelesen haben sollte!

Bewertung vom 10.06.2024
Tod auf der Elbe
Goldammer, Frank

Tod auf der Elbe


sehr gut

Er kann auch 19. Jahrhundert!

Mit dem Beginn der neuen Krimi-Reihe um Kriminalrat Gustav Heller ist Frank Goldammer nicht mehr nur der Dresdner Krimiautor für die Zeit ab 1945. Er wagt sich nun zurück bis ins Jahr 1879 und lässt den Großvater seines bisherigen Protagonisten Max Heller ermitteln.

Die Zeit ist geprägt von ersten industriellen Fortschritten, die Gustav Heller fasziniert, aber auch teilweise recht skeptisch zur Kenntnis nimmt. Sein erster Fall hat auch gleich einen technischen Hintergrund: auf einem der neumodischen Dampfschiffe, die auf der Elbe fahren, ist ein Kessel explodiert und hat das Schiff zerstört und auch Menschenleben gefordert. Technisches oder menschliches Versagen? Oder steckt vielleicht etwas ganz anderes dahinter?

Die Zeit des späten 19. Jahrhunderts ist spannend, denn die technischen Fortschritte und auch die Fortschritte in der Kriminalistik lassen sich nicht mehr aufhalten. Diese Zeit des Umbruchs zu beschreiben ist allerdings auch eine ziemlich große Herausforderung, die der Autor aber mit Bravour gemeistert hat. An keiner Stelle hatte ich den Eindruck, etwas sei unlogisch oder der Zeit unangemessen geschildert worden. Ganz im Gegenteil, ich habe es genossen, Gustav Heller bei seinen Ermittlungen zu folgen – denn bei modernen Krimistoffen zwischen Smartphones und digitaler Forensik bleibt kaum noch Raum für die Spürnase oder den Scharfsinn eines Kriminalisten. Doch Gustav Heller hat diese Zeit – oder besser: er muss sie sich nehmen, denn schneller ging es damals eben nicht. Und das ist eigentlich auch mal ganz schön.

Bis in die „3. Reihe“ sind die Nebenfiguren gut gezeichnet und haben Ecken und Kanten. Allen voran Hellers Assistent Schrumm, der mitunter ungewollt für Schmunzler sorgt, aber eigentlich ein so helles Köpfchen ist, dass man Respekt vor ihm haben muss. Auch Hellers Frau Helene, die eine patente und selbstbewusste Frau ist, passt sowohl in die Zeit als auch in ein modernes Frauenbild. Nicht zuletzt spielt auch der sächsische König eine kleine Rolle und diese ist ebenfalls mit einem Augenzwinkern gestaltet.



Dieser erste Band der Reihe war für mich zwar kein atemberaubender Pageturner, aber doch ein wunderbar stimmiger historischer Roman, den ich gern gelesen habe und dem hoffentlich noch so einige Abenteuer für Gustav Heller folgen werden!