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Benutzername: 
Nadine W.
Wohnort: 
Holzgerlingen

Bewertungen

Insgesamt 2 Bewertungen
Bewertung vom 04.03.2021
Jive Talker
Kambalu, Samson

Jive Talker


ausgezeichnet

Samson Kondwani Kambalu, ein in London lebender malawischer Künstler, kam als fünftes Kind einer zehnköpfigen Familie 1975 zur Welt. Er erhielt ein Stipendium und besuchte die renommierte Kamazu Academy in Malawi. In seinem ersten autobiografischen Roman "Jive Talker" führt Kambalu, dessen afrikanischer Name "Don`t worry be happy" bedeutet, "ins warme, traurige, witzige, chaotische, schrullige und weise Innere Afrikas" (The Sunday Telegraph). Dabei ist sein Name Programm. Der Jive Talker, wobei Jive leeres, großspuriges Gequassel meint, ist Samsons Vater, ein Hilfsarzt, der seine Bibliothek wie seinen Augapfel hütet. Sein Traum, ein richtiger Doktor und Multimillionär zu werden, bleibt auch nach zahlreichen Ortswechseln im von Hastings Kamuzu Banda diktatorisch regierten Malawi ein Traum. Aber er gibt seinen Kindern die Liebe zum Lesen und Philosophieren und einen nie versiegenden Optimismus mit. So liest auch Samson, der Michael Jacksons Moonwalk liebt, auf dem Klo mit Vorliebe Nietzsche, verkündet mit zwölf Jahren, Gott sei tot und erfindet eine neue Religion: Aus der Holy Bible, der heiligen Schrift, erschafft der junge Samson den Holy Ball, einen mit den Seiten der Bibel tapezierten Fußball zum Exerzieren und Exorzieren und tauft seine neue Religion, die eine alte, nämlich die Sonnenanbetung, wieder zum Leben erweckt, Holyballismus. Als Absolvent der berühmten Kamuzu Academy, dem Eton Malawis, schafft Samson schließlich den Sprung nach Europa, wo sein Holy Ball das berühmteste Kunstwerk des Konzeptkünstlers wird.
Mit den gängigen negativen Vorstellungen von Afrika hat dieser rasante, äußerst humorvolle und intelligente Debütroman nur wenig gemein.

Bewertung vom 27.07.2020
Cloris
Curtis, Rye

Cloris


ausgezeichnet

„Cloris“ ist der im Juli bei C.H.Beck erschienene Debütroman des Amerikaners Rye Curtis, den Cornelius Hartz ins Deutsche übersetzt hat. Cloris Waldrip ist eine 72-jährige Texanerin, die mit ihrem Mann einen Privatflug über die Bitterroot Mountains in Montana macht. Die kleine Maschine stürzt ab, Mr. Waldrip und der Pilot Terry versterben. Wie durch ein Wunder überlebt Cloris, die in jungen Jahren als Lehrerin und Schulbibliothekarin gearbeitet hat und immer aktiv am Leben ihrer methodistischen Heimatgemeinde teilgenommen hat. In keiner Weise auf den Überlebenskampf in der wilden Bergwelt Montanas vorbereitet, versucht die an vielen Stellen schrullig und geschwätzig wirkende, aber sehr liebenswerte Ich-Erzählerin, einen Weg zurück in die Zivilisation zu finden. Die Beschreibung ihrer „Survival-Ausrüstung“ lässt den Leser trotz der dramatischen Umstände lachen: In der Handtasche befinden sich ein Päckchen Taschentücher, eine kleine Bibel und die Hausschlüssel. Außerdem findet Cloris noch eine Handvoll Karamellbonbons im Flugzeugwrack. Dass sie ihre Brieftasche nicht brauchen wird, ist Cloris klar, „aber das Exemplar von „Anna Karenina“ hätte (sie) doch ganz gern gehabt“. Einen Stiefel ihres Mannes nimmt sie kurzerhand auch noch mit, denn das Alligatorenleder ist wasserdicht und das Schuhwerk eignet sich somit als Auffanggefäß für Regenwasser.
Auf einer zweiten Erzählebene lernen wir die Rangerin Debra Lewis kennen. Die Enddreißigerin macht es sich nach einem empfangenen Notruf zum Ziel, Cloris zu finden. Debra ist von einem Trigamisten geschieden, wenig glücklich und lebt allein in einer abgelegenen Hütte. Ständige Begleiter sind ihre Thermosflasche mit Merlot und die Radiostimme von Dr. Howe, der in seiner Sendung die Probleme der Anrufer zu lösen versucht. Debra zur Seite stehen außerdem ihr Kollege Claude und dessen Kumpel Pete, die schwer beschäftigt sind, den Geist der Transfrau Cornelia Ǻkersson aufzuspüren. Eine weitere exzentrische Figur des Romans ist Steven Bloor, alleinerziehender Vater, der an Debras Suchaktion teilnimmt und dessen Tochter Jill Debras Leben ebenfalls durcheinanderbringt.
Rye Curtis begeistert mit seinem Text durch sein gekonntes Nature Writing und seine Charakterzeichnungen. Wie verändert sich ein Mensch in einer Extremsituation? Die makaber komischen Beschreibungen, Cloris Geplapper und Klatsch über ihr früheres Leben in Texas sowie der Aufbau des Romans – die abwechselnd zwischen den Protagonisten wechselnden Kapitel – haben mir großes Lesevergnügen beschert.

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