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easymarkt3
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Insgesamt 842 Bewertungen
Bewertung vom 20.03.2025
Von Stufe zu Stufe
Kucher, Felix

Von Stufe zu Stufe


sehr gut

Suche nach Raritäten in der Ukraine und nach neuer beruflicher Chance
Auf dem Cover schlängelt sich das Negativfilm einer Filmrolle älteren Datums wie ein langer Regenwurm – zielgerecht zum Thema des Romans über die Entwicklung der österreichischen Filmindustrie ab 1906 hinführend. Auf zwei Erzählebenen geht es zunächst um den bald arbeitslosen Erzähler Marc, der unzufrieden mit seinem Archivjob und als Kartenabreißer im Kino nach seinem Studium der Filmwissenschaft im Dezember 2021 als Roofer illegal auf Wiens Hochhausdächern herumgeistert. Über Omas Betreuerin Katalina aus der Ukraine entwickelt sich dann eine abenteuerliche Rettung von Filmdosen für Zelluloidfilme aus der Stummfilmzeit. Der Buchtitel bezieht sich auf den Film Von Stufe zu Stufe, der 1908 von dem Team Louise Kolm und Jakob Fleck, den österreichischen Filmpionieren, gedreht wurde als ersten abendfüllenden österreichischen Spielfilm. Die Recherchearbeit des Erzählers, seine Suche nach raren Quellen, ist gut nachvollziehbar.
Die zweite Erzählebene handelt sehr detailliert von der Entwicklung der ausleihbaren Pathé-Kinematographen, der Kinematographen-Theater und den Bemühungen des Ehepaars Anton und Louise Kolm, neben der Arbeit in ihren Fotoateliers einen niveauvollen Spielfilm zu erstellen, weg vom billigen Klamauk in Kurzfilmen.
Der Schreibstil lässt sowohl die Gegenwart als auch die Vergangenheit lebendig, realistisch, menschlich greifbar werden. Der Leser geht mit auf diese sehr spezielle Reise in die Vergangenheit der österreichischen Filmindustrie, verknüpft mit universitärer Jobsuche in Wien und den harten Realitäten in der Ukraine – sicher interessant für Filmfans der Stummfilmzeit.

Bewertung vom 19.03.2025
Halbinsel
Bilkau, Kristine

Halbinsel


sehr gut

Verlogene Welt rund um Emissionshandel und CO2-Zertifikaten – interessant.
Die Szenerie spielt auf der Halbinsel Nordstrand, nahe beim Watt, mit Blick auf Felder, Wald und Vögel. Die Ich-Erzählerin Annett, Mutter der 25-jährigen Linn, lässt in vielen Rückblicken ihre tiefgehenden Gedanken zu Linns Kindheit und über das kurze Familienleben mit dem früh verstorbenen Ehemann Johan Revue passieren. Während des beschriebenen Zeitraums zwischen Mai und September wandelt sich das Verhältnis von Mutter und Tochter zu Gefährtinnen in einem langsamen Prozess des neu Kennenlernens und des vertrauensvollen Gewährens. Ist Linn mit gekündigtem Job und aufgelöster Wohnung in Berlin unerwartet wieder im Elternhaus eingezogen, verhält sie sich zunächst depressiv, antriebslos, abweisend und ist voller Enttäuschung über ihren bisherigen verlogenen Jobinhalt. Nach anfänglicher Verunsicherung, belastet auch durch einen vermeintlichen Versicherungsfall mit Bildrestaurierung und Neuanstrich in einem Hotel, füllt sich das Miteinander mit tiefgehenden Gesprächen z.B. über ihre Zukunft in 5 Jahren oder über den verlogenen Emissionshandel und CO2-Zertifikaten. Eigentlich leben Eltern wie Annett oft im Konflikt zu ihren Kindern, indem sie aus Fürsorge, getragen mit Hoffnungen und Erwartungen gleichzeitig deren Freiheit einschränken für eine Welt, die so anders sein mag als jene, in der man als Eltern selbst aufgewachsen ist – ein Generationenkonflikt. Künstler wie Gustav Mahler, Vilhelm Hammershøi, Detlev von Liliencron, Henrik Ibsen oder Theodor Storm sind bereichernd eingeflochten in Überlegungen der Ich-Erzählerin. Historisch interessant ist auch die Erwähnung der 2. Marcellusflut im Januar 1362, verbunden mit Verhaltensregeln im Watt für den Notfall.
Ein tiefgründiger Versuch einer Konfliktauflösung!

Bewertung vom 18.03.2025
Haus Waldesruh
Krems, David

Haus Waldesruh


sehr gut

Ein spannungsgeladener Schüler-Lehrer-Plot
Das Cover mit dem Forsthaus „Haus Waldesruh“ passt ideal zu dem Roman von David Krems. Die Szenerie spielt in einer kalten Jahreszeit in diesem einstöckigen Jagdhaus in der Umgebung von Wien. Den vier ehemaligen Klassenkameraden geht es nach 15 Jahren seit der Matura nicht nur um ein Wiedersehen samt Austausch von Erinnerungen. Auch schmerzhafte Geheimnisse und mehr tauschen sie in drei Romanteilen aus.
Geht es im ersten Teil um Regelabsprachen, um diverse Themen wie Klimawandel, Umweltschutz, vegane Ernährung, Diskriminierungserfahrungen, zwei Geheimnisenthüllungen und um eine Gedenkminute an ihren Mitschüler Max in Verbindung mit dem Angst einflößenden Klassenvorstand Treichl, folgt im zweiten Teil der unerwartete Auftritt von Josef Treichl samt Marcos Geständnis, dem es um Rache, Gerechtigkeit für Max und um Verschiebung der Machtverhältnisse geht. Mit zunehmendem kriminellem Verhalten dieser Gruppe steigert sich die Spannung auch untereinander, realistisch beschrieben. Mit Leas Geheimnis offenbart sich auch die bisherige, scheinbar gut durchdachte Planung und der eigentliche Sinn dieses Treffens mit ungeplanter Flucht – alles rational und emotional sprachlich gut gesteigert. Schließlich gibt es im dritten Teil in einem alten Stammcafé aus Schülerzeiten nach Wochen voller Kommunikation in Chats und Telefonaten ein abschließendes, sehr aufschlussreiches Treffen der zwei Freundinnen mit überraschenden Wahrheiten.
Die verschiedenen Charaktere sind in ihrer Eigenart während der zunehmenden Stresssituation detailliert karikiert und psychologisch einfühlsam beleuchtet. Die immer noch unterschwellige Angst und Ohnmacht gegenüber mancher Ex-Lehrperson prägt diesen Roman.

Bewertung vom 17.03.2025
Heimweh im Paradies
Mittelmeier, Martin

Heimweh im Paradies


sehr gut

Amerikanische Jahre von Thomas Mann

Das Cover zeigt einen Küstenstrich in gleißender Sonne, wahrscheinlich die Westküste bei Los Angeles, wo viele Exilanten aus Europa strandeten aus Angst vor dem Naziregime. Das Buch um Thomas Mann als Hauptfigur streift kurz den Wohnort in der Schweiz seit 1933, um lebensnah und im Detail über den Neuanfang in den USA zu berichten. Während seiner Schaffensperiode bis 1952 in Pacific Palisades erfährt man viel über dortige Begegnungen mit alten Freunden wie z.B. Arnold Schönberg, Theodor W. Adorno, Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Max Horkheimer, Franz und Alma Werfel etc. Auch werden weitere Bücher wie ›Doktor Faustus‹ in ihrem Entstehungsprozess beschrieben. Sein politisches Engagement gegen Hitlers Regime über viele Jahre wird beleuchtet neben seinen zahlreichen Vortragsreisen nicht nur über seine schriftstellerischen Werke. Wie auch aus seinen Tagebucheinträgen ersichtlich geht es auch um Anfeindungen und Hoffnungen ihm gegenüber. Viel wird auf seine Bücher »Buddenbrooks« und »Zauberberg« eingegangen, ebenso auf Arnold Schönbergs Zwölftonmusik. Historische Fakten wie z.B. Ausgrenzungsmechanismen bei Enemy Aliens, Manns Reden an das deutsche Volk über BBC, Besuch bei Präsident Roosevelt und die amerikanische Einbürgerung sind chronologisch eingefügt. Mit der Veränderung des gesellschaftlichen und politischen Klimas der McCarthy-Ära erfolgt die Rückkehr in die Schweiz mit dem Tod von Thomas Mann 1955. Als Ehemann, Vater oder Bruder von Heinrich tritt er weniger in Erscheinung, was ihn menschlich unnahbar wirken lässt, auch wenn er den Kontakt zur Jugend sucht.
Was für ein unruhiges, bewegtes Berufsleben mit großer Verantwortung nicht nur für die eigene große Familie!

Bewertung vom 16.03.2025
Der ewige Tanz
Schroeder, Steffen

Der ewige Tanz


sehr gut

Anita Berber und ihr Weg zum göttlichen Tanz bis 1928
Das Cover zeigt die Hauptfigur Anita Berber in ihrer Farbe ROT, sowohl als Hintergrundfarbe als auch in ihrem locker gewundenen Kleid, so hat Otto Dix diese im Free-Style expressiv agierende Tänzerin charakterisiert. Mit 29 Jahren ist sie an Tuberkulose im Berliner Bethanien-Krankenhaus bei den Diakonissen im Sommer 1928 gestorben. In Rückblicken sieht sie sich erneut als Star auf der Bühne und in Stummfilmen, bereits auf den Tod wartend. Neben ihrer Kindheit mit Großmutter Lu und ihrer Tanzausbildung geht es um ihren exzessiven Lebensstil, ihren Einfluss auf Mode à la Berber, um ihr Privatleben in kinderlosen Ehen und ihre künstlerischen, ausdrucksstarken Tanzdarbietungen in vielen Ländern. Ihre vielen Begegnungen in Cafés, Clubs etc. mit vielen Künstlern wie z.B. mit der Fotografin Madame d’Ora, dem Regisseur Richard Oswald, Conrad Veidt, dem Arzt und Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld, mit der Malerin Charlotte Berend (Frau von Lovis Corinth) vermitteln einen lebhaften Eindruck einer hemmungslosen Lebensweise, fern von gesellschaftlichen Normen. Der Schreibstil mit Anita als Erzählerin ist persönlich gehalten aus Frauensicht. Der neuen, bewegten Zeit der Weimarer Republik wird historisch gebührend Rechnung getragen.

Bewertung vom 14.03.2025
Luzie in den Wolken
Lucas, Charlotte

Luzie in den Wolken


ausgezeichnet

Ein Luftballonwettbewerb und damit verbundene kreative Wendungen
Das Cover gibt die kindliche Hauptfigur Luzie mit ihren wichtigen Zutaten wie rotem Luftballon und Postkarte inhaltlich wie auch in der Farbgebung passend wieder. Mehrere Themenbereiche umfassen z. B. eine emotionale Sinnkrise, Schreibblockade oder Burn-Out bei Autoren wie der Hauptfigur Gabriel Bach alias Henri Fjord alias Ben Sommer. Das Glück der zweiten Chance für den Buchautor – mal in der Liebe zu Miriam und zugleich als Bonus-Papi für Luzie - kommt als emotional gut verpackte Botschaft wunderbar an. Auch das schwierige Thema wie den Tot ist über den Zeitraum eines Jahres kindlich, auch philosophisch aufbereitet – besonders im weihnachtlichen Hamburger Ambiente. Einfühlsam wird auch auf die Trauerbewältigung von Mutter und Kind eingegangen. Ihre ethisch inakzeptable Vermarktung in Buchform, involvierte Lügerei mit all ihren Komplikationen und der scharfe Spürsinn von Miriam und ihrer Freundin Rebecca bilden einen spannungsvollen Rahmen. Der flotte Schreibstil, besonders in den kreativen, teils lustigen Dialogen, entspricht dem Alter der Figuren. Die verschiedenen Charaktere wie die selbstbewusste 8-jährige Luzie, ihre herzliche Mutter Miriam oder der teils depressive, verzweifelte, teils sich in Unwahrheiten verstrickende Autor Gabriel sind authentisch, ebenso die schillernde Figur der Rebecca mit ihrem Hang zur Spiritualität, mit ihrem Pragmatismus und ihrer Fröhlichkeit. Überhaupt kommt die Beschreibung des finanziell und emotional belasteten Alltagslebens realistisch in vielen Details rüber. Die Einbeziehung des Beatles-Songs »Lucy In the Sky With Diamonds« ist gelungen, die kreative Idee der Briefgeschichten im Second Chance-Laden gefällt.
Eine rührende Geschichte um Ängste, Leere, Schuldgefühle und viel Liebe.

Bewertung vom 10.03.2025
Im Wind der Freiheit
Kinkel, Tanja

Im Wind der Freiheit


sehr gut

Die Demokratiebewegung ab 1848 unter Mitwirkung von Frauen
Es geht um Freiheit und Selbstbestimmung, um Gleichheit für Männer und Frauen. Historisch aufbereitet mit besonderem Blick auf selbstbewusste, auch in der Politik aktive Frauen verfolgt man ab 1835 diverse Lebenswege:
in Meißen, Sachsen, Franziska, Louise Otto-Peters, Pseudonyme Otto Stern, sozialkritische Schriftstellerin und spätere Verlegerin einer Zeitung, Demokratin und eine Mitbegründerin der bürgerlichen deutschen Frauenbewegung. Die junge Arbeiterin Susanne, angestellt in der Tuchfabrik Gerstig ausgestattet mit englischen Maschinen, mit ihrer Mutter in Oederan, Sachsen lebend. Die Auswirkung des schlesischen Weberaufstands von 1844 ist noch überall im Gedächtnis. Geht es im 1. Teil zunächst um Zensur von Verlagen und Zeitungen durch das Mainzer Informationsbüro, steigert sich im 2. Teil mit Robert Blum und Louise Otto der Ruf nach Freiheit und Würde, Wahlrecht für alle und Abschaffung der Zensur unter einem geeinten Deutschland. Mit dem erpresserischen Gernot, dem Mainzer Informationsbüro anzugehörend, kommen destruktive, menschenverachtende Elemente ins Spiel, mit Suzanne als geschickter Spionin. Um den ehrlichen Soldaten Lukas Brandstetter, 23, entwickelt sich in Berlin ein neuer Konfliktherd. Die politischen Vorgänge ab der Konstituierung des Vorparlaments in der Paulskirche in Frankfurt am Main sind im Detail nachvollziehbar mit Robert Blum als Abgeordneten, mit Amalie und Gustav Struve, mit Friedrich Hecker, August Peters, Clotilde Koch-Gontard etc.. Im 3. Teil geht es beim Mainzer Informations-Bureau, einem unter Fürst Metternich eingerichteten Geheimdienst, weiterhin um Bespitzelung oppositioneller Bewegungen - auch in Wien - und ihre endgültige Enttarnung.
Der Kampf um Frauenrechte wird eindrucksvoll beschrieben.

Bewertung vom 07.03.2025
Echokammer / Ein Fall für Benjamin & Tong Bd.1
Johnsrud, Ingar

Echokammer / Ein Fall für Benjamin & Tong Bd.1


ausgezeichnet

Ein spannender Plot
Das Cover mit altem Kontrollturm am Wasser deckt nicht den Krimi-Inhalt ab. Fünfunddreißig Tage vor der Parlamentswahl in Norwegen beginnt der Krimi in drei Teilen zunächst mit der Vorstellung der zahlreich aufgeführten Beteiligten: Jens Meidell, kriminalpolitischer Berater der stellvertretenden Vorsitzenden der Arbeiterpartei Christina Nielsen. Sie wird in ihrer Wahlkampagne unterstützt durch das Technologieunternehmen Munin Grafikos, Daniel Carmichael, deren Wahl-o-Mat das Internet nutzt, um Menschen zu manipulieren und zu steuern, über Cookie unter anderem IP-Adressen einsammelt. Der anonyme Blogger Fenris verfasst auf seiner rechtspopulistischen Internetseite Hasstiraden. Die Ermittlerin Liselott Benjamin, verstärkt durch den erfahrenen Martin Tong, folgen unermüdlich unter Zeitdruck den Spuren von zunächst drei Terroristen, die in einem Unfallwagen, einem stillgelegten Kraftwerk, auf Handies, Chatforen, Internetseiten etc. vielfältige Spuren – u.a. die Herstellung von giftigem Rizin - hinterlassen. Diese bewirken schließlich den Einsatz der Antiterroreinheit unter Theobal Polka. Die hochgebildete Technologiejournalistin Sunniva Bjørk, auf der Anrufliste eines Paares niederländischer Freidenker, verfügt über brisante Daten von Terroristen über einen anonymen Informanten. Im zweiten Teil geht es um Wahlkampfinhalte der Arbeiterpartei und deren Missachtung der Menschenrechte z.B. oder um den Machtkampf zwischen den eigenen Reihen, um Lügen, Erpressung, Vertrauensbrüche, leere Versprechungen. Während Fenris enttarnt wird, die Entledigung Daniel Carmichaels diskutiert wird, ist der Justizminister Georg Qvam frustriert über die Fortschritte bei den Terrorermittlungen nach Eingang von deren Forderungen. Mit Akribie besonders bei der Überprüfung von Handynummern erarbeiten die Ermittler Puzzleteile über diese Terroristen, die über Internetkanäle in einem internationalen Netzwerk kommunizieren, über die die Polizei keine Kontrolle hat. Ein Terror- und Katastrophenalarm läutet schließlich den dritten Teil ein. Daniel Carmichael und seine Machenschaften rund um den verschwundenen Informanten Adam Kuzmin und dessen verschlüsselter Festplatte werden aufgedeckt, Puzzleteile auf russischen Internetseiten lüften Informationen über den vermeintlich toten Brage Smith. Der menschliche Faktor wird auch eingeflochten: Die Mutter von Jens, Ingrid Meidell, ist an Demenz erkrankt. Die Krebserkrankung der Präsidentin der Partei Høyre, im Polit-Talk im TV erwähnt, wird jedoch als Wahlkampfthema missbraucht.
Insgesamt interessante Charaktere, realistisch in spannendem Schreibstil porträtiert, gefällt.
Wie stark der Einfluss sozialer Medien im Wahlgeschehen haben kann, macht nachdenklich, ebenso die bearbeiteten Themen wie Terror, Fremdenhass bei Rechtsextremismus und Wahlkampfstrategien ohne Moral, Ethik und Demokratiewahrung.

Bewertung vom 06.03.2025
Die Kammer
Dean, Will

Die Kammer


gut

Die Kammer Will Dean 3*
Thriller in ungewöhnlichem Setting
Das Cover mit geisterhaft aufgedrückter, schwarzer Hand in undurchsichtigem Nebel hinter einem Bullauge setzt bereits nicht alltägliche Akzente, denn dahinter verbringen sechs Sättigungstaucher unter Druckausgleich mehrere Tage während ihres Einsatzes an einer Ölpipeline, hier in der Nordsee. Zu Beginn des Buches befindet sich die Darstellung des Taucherbasisschiffs DSV Deep Topaz, mit Kammer, Nasszelle und Taucherglocke, am Ende ein Glossar. Erzählt wird die Geschichte in der Ich-Perspektive von Ellen Brooke, der einzigen Frau im Team, belastet mit Schuldgefühlen nach dem jähen Verlust ihrer Familie. Die wiederholten Schilderungen von überlebenswichtigen Regeln bezüglich ihres Unterwasseralltags, jedoch nur eines Tiefseeeinsatzes, sind so detailreich und lebendig, dass man die klaustrophobische Atmosphäre voller akuten Gefahren, Misstrauen und Ängste in und außerhalb der eisernen Druckkammer gut nachempfindet. Begriffe wie z.B. Medlock oder TUP-Kapsel etc. werden nicht nur im Text direkt erklärt, sondern fügen sich organisch auch in die Handlung ein, die mit dem ersten Toten auf engstem Raum für arge Beklemmung beim Lesen sorgt. Die völlig fremde Arbeitsumgebung der Sättigungstaucher entpuppt sich dabei als lehrreich, zunehmend spannender mit steigender Anzahl der Todesfälle. Thematisiert werden auch Überlebenswillen, Gruppendynamik, Isolation, Vertrauen, die physischen und psychischen Belastungen. Auch die aufs wesentliche reduzierte Kommunikation und die eigene Art von Humor beleuchtet der Autor treffend. Jedoch das Ende scheint ohne Motiv für die Morde zu sein mit André, vielleicht mit »Bubble-Hirn«, in einer geschlossenen Station eines Krankenhauses. Die Schuldfrage für vier Morde wird nicht eindeutig geklärt, was enttäuscht.

Bewertung vom 05.03.2025
Der Gesang der Seeschwalben / Die Bücherfrauen von Listland Bd.1
Engelmann, Gabriella

Der Gesang der Seeschwalben / Die Bücherfrauen von Listland Bd.1


sehr gut

So viel Liebe zu Mensch, Tier, Natur und Büchern
Das Cover versprüht eine wild romantische Atmosphäre im vernebelten Sonnenaufgang am Meer, mystisch auch die zart übergleitende Farbgebung – sehr ansprechend und passend zum Roman. Der Star der Potcast-Reihe Bemerkenswerte Bücherfrauen mit der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit steht im Mittelpunkt. Von Fenja Lorenzen und ihrem Mutter-Tochter-Drama wird erzählt. In zwei Erzählsträngen ab 1937 und der Gegenwart geht es auch um die Liebe zu einem Mann jüdischer Herkunft mit etlichen negativen Konsequenzen für die Familie. Die Szenerien in zwei Teilen spielen größenteils in Niebüll, Friedrichstadt und Listland, eingebettet in viel Lokalkolorit, Symbolik und historische Daten. Die Journalistin Anna März begleitet die Familie taktvoll auf ihrem Weg der gegenseitigen Annäherung. Die Einstellung gegen Krieg, Hass, ethnische Vorurteile und die Auswirkung früher Traumata wird thematisiert. Diese Schilderungen der Vergangenheitsbewältigung und des Alltagslebens besonders auf Listland wirken realistisch und authentisch, überzeugen auch in ihren größenteils sympathischen Charakteren in angenehmem Schreibstil.