Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
easymarkt3
Wohnort: 
...

Bewertungen

Insgesamt 763 Bewertungen
Bewertung vom 03.12.2024
Unser Ole
Lange-Müller, Katja

Unser Ole


sehr gut

Eine wahre Geschichte verfremdet erzählt.
Die Autorin ist in Ost-Berlin geboren, kennt also selbstbewusste, unabhängige Frauen der DDR und ihre oft lieblos aufwachsenden Kinder. Die besonders herzlosen Beziehungen zwischen drei Frauen hier und einem geistig behinderten Sohn Ole sind geprägt durch die Angst vor Einsamkeit, Mitschuld, Machtlosigkeit, Verarmung und dem Mangel an Liebe und Vertrauen zwischen Mutter und Tochter. Wie diese doch sehr unterschiedlichen Frauen durch Lieblosigkeit im gesamten Leben beeinträchtigt wurden, wird gut beschrieben, wenn auch in manch verschachteltem Satzbau. Das Zusammenleben mit dem autistischen Ole wird realistisch vorstellbar in seiner ganzen Absonderlichkeit, bildet hier den roten Faden bis zu seinem ungeklärten Verschwinden als dramatischer Höhepunkt. Das dörfliche Ambiente des renovierungsbedürftigen Umsiedler- Hauses, Elviras Nikolaushaus, bildet den traurigen Mittelpunkt für tiefgehende emotional abweisende Verstrickungen untereinander und auch gegenüber Ole. Drei verschiedene Frauen-Biographien mit ihren seelischen Verletzungen sind gut karikiert mit passender Wortwahl.

Bewertung vom 02.12.2024
Wo der Wald beginnt
Junk, Martina

Wo der Wald beginnt


sehr gut

Tiefe Freundschaft auf die Probe gestellt
Die Idylle auf dem Land mit viel erwarteter Bewegungsfreiheit für die Kinder im Garten, auf angrenzender Wiese und nahem Wald stellt sich als bedrohliche Kulisse heraus, dramatisch und atmosphärisch gut schrittweise aufgebaut. Auch die knisternde zwischenmenschliche Spannung nicht nur zwischen den zwei Freundinnen Kim und Anne, sondern auch zwischen den Eheleuten wird in den Dialogen kitzelnd mit Bedacht überzeugend beschrieben. Das Fremdsein, die Feindseligkeit im Dorf wird ebenso scharf thematisiert wie ihre alte Freundschaft und Toleranzgrenzen, Gerüchte und große Vorurteile aller dörflichen Beteiligten gegenüber Zugereisten. Die Angst vor Veränderung, vor allem Neuem, Fremden wird durch die Aktivitäten von Ehemann Sebastian wirkungsvoll behoben. Der Versuch, im Dorf anzukommen, akzeptiert zu werden ist bildlich, inhaltlich und auch sprachlich gelungen wie Schnee und Eis sich im Schmelzprozess mit Wasser vermischen. Am Beispiel des verdreckten, verletzten Mannes im Wald wird dem Leser ein Spiegel unserer Toleranzfähigkeit und Mitmenschlichkeit vorgehalten. Ein Buch zum Nachdenken.

Bewertung vom 02.12.2024
Nostalgia
Kubiczek, André

Nostalgia


gut

Eine unsortierte Familienchronik
Dieser Roman handelt in den ersten drei Teilen von dem Aufwachsen eines Kindes André mit Migrationshintergrund in der DDR, beginnend ab 1981 mit harten Kindheitsproblemen rund um Schule, Freundschaft und Erwachsen werden. Nicht nur ist sein jüngerer Bruder geistig behindert durch einen Unfall, auch der Gesundheitszustand seiner laotischen Mutter verschlechtert sich zunehmend bis zu deren Tod 1986. Im vierten Teil handelt es sich hingegen hauptsächlich um seine Mutter Teo, ab 1979 chronologisch in der Rückschau bis zu ihrer Kindheit in Laos. Der rote Faden ist verwirrend bei dieser zeitlichen Aufbereitung von detaillierten, interessanten Informationen zum Alltagsleben in der ehemaligen DDR. Der sensible, eher schweigsame Junge André, im Buch als “er“ bezeichnet, erträgt die schwere Bürde der großen Verantwortung für Bruder und kranker Mutter. Wie schwer diese familiäre Last ist, wird feinfühlig und atmosphärisch beschrieben, jedoch ohne Wut oder Vorwürfe gegenüber allen Familienmitgliedern. Der Vater spielt keine so wichtige Rolle hier, denn mit „Lappalien“ kann er nicht belastet werden neben dem Schreiben seiner Dissertation und starker akademischer Arbeitsbelastung mit Reisetätigkeit. Erzählerisch imponiert der Romanteil um André bis zu Teil 4, der eher die bisherige einheitliche Struktur zeitlich wirr verkompliziert.

Bewertung vom 02.12.2024
Über allen Bergen
Goby , Valentine

Über allen Bergen


ausgezeichnet

Über die Kraft der Natur und den Zauber der Berge
Dem Cover liegt ein Gemälde einer verschneiten, bergigen Winterlandschaft zu Grunde mit einer braun gekleideten Person am unteren Bildrand – passend zum Szenarium des Romans in den französischen Alpen. In drei Abschnitten je nach Jahreszeit strukturiert beginnt die Geschichte mit dem Jungen Vadim Pavlevitch, Jude, 12 Jahre alt, aus Paris. Ab dem Winter 1942 lebt er nun in Valloncine an den Aiguilles Rouges, einer Bergkette in den nördlichen französischen Alpen, unter falschem Namen - nämlich Vincent Dorselles – acht Monate lang in bäuerlicher Gemeinschaft bis zu erneutem Aufbruch im Herbst 1943. Nicht nur seine bisherige Asthma-Erkrankung heilt, auch seine anfängliche Schüchternheit, Blässe und Unterernährung scheinen während seines Reifeprozesses in idyllischer Landschaft und ursprünglicher Fauna und Flora zu schwinden. Während Vincent sich harmonisch einfügt bei der Mithilfe in tägliche bäuerliche Tätigkeiten, die sehr detailliert je nach Jahreszeit und Wetterlage beschrieben werden in authentischer, teils romantisierter Schreibweise, gewinnt er Freundschaft, erneute Familienwärme und fast eine neue Identität. Seine besondere Sensibilität für Farben erinnert nicht nur in seinen Zeichnungen an Kandinsky oder auch an Arthur Rimbaud mit seiner Sonett über Vokale, deren unterschiedlichen Charaktere er mit Farben verbindet. In die leise, atmosphärische Natur-Erzählung sind auch politische Fakten dieser Zeit eingeflochten wie die italienischen Alpini als Besatzer, Mussolinis Absetzung, die Ferienkindern aus Lyon etc. Anfang und Ende dieses Romans sind eingerahmt von den Gräueln des 2. Weltkriegs, doch im Kern bleibt in der dörflichen Abgeschiedenheit in den Bergen eine heile, behütende, mitmenschliche Welt bestehen. Der warmherzige, poetische Schreibstil gefällt.

Bewertung vom 20.11.2024
Der König und der Uhrmacher
Indriðason, Arnaldur

Der König und der Uhrmacher


sehr gut

Eine spannende Lektüre aus dem 18. Jahrhundert
Das Cover passt zu diesem historischen Roman. Es zeigt Schloss Christiansborg in Kopenhagen, wo einer von zwei Erzählsträngen spielt. Die Hauptfiguren Jon Sievertsen, Uhrmacher aus Island und Christian VII, König im Dänemark des 18. Jahrhunderts, entwickeln während unregelmäßiger Treffen im Lager dieses Schlosses mit einer einstmals berühmten astronomischen, sehr defekten Uhr aus dem Jahr 1592 des berühmten Schweizer Uhrmachermeisters Isaak Habrecht eine gewisse Vertrautheit. Diese zwei Männer in ihrer großen gesellschaftlichen Unterschiedlichkeit sind verbunden durch die folgenreiche Rechtsprechung von König Friedrich IV., Vater von Christian VII., Anhänger des Puritanismus und Verhänger härtester Strafen gegen Unzucht und Inzest auch in Island, damals zu Dänemark gehörend. Während auf einer Erzählebene der Uhrmacher Jon vom traurigen, tragischen Schicksal seiner Eltern und dem dortigen Leben in Island berichtet, erkennt der an Schizophrenie oder Ähnlichem leidende König im Dialog mit Jon Parallelen zu seiner Familiengeschichte in Bezug auf Vaterschaftsanerkennung und außerehelichem Beischlaf. Die Reparatur der komplizierten Uhr bildet eine Art Rahmenhandlung z. B. mit der Suche nach verkauften Teilen der Uhr und vermittelt schließlich einen besonderen Zauber. Die Fakten über Stóridómur, einer Reihe von Gesetzen, die vom isländischen Parlament Alþingi im Sommer 1564 nach der Einführung des Luthertums in Island verabschiedet wurden und die wichtige Rolle des Bezirksamtmanns als Vollstrecker königlicher Urteile sind gut beschrieben. Die historischen Figuren von König Christian VI., seinem Vater Friedrich IV., des Schweizer Uhrmachermeisters Isaak Habrecht und des Arztes Johann Friedrich Struensee sind geschickt und spannend verflochten mit dem isländischen Krimi über zwei unschuldig Verurteilte. Der Schreibstil und auch die Wortwahl sind im Großen und Ganzen der Epoche im 18. Jahrhundert angepasst. Die Beschreibung des charakterlichen Wandels von königlicher Arroganz zu freundschaftlicherem Verhalten gegenüber dem Uhrmacher gefällt.
Ein interessantes, spannendes Lesevergnügen.

Bewertung vom 18.11.2024
Leuchten am Meeresgrund
Fox, Brad

Leuchten am Meeresgrund


sehr gut

Ein hochwertiges Leseerlebnis.
Diese bemannte Tiefseeforschung und die daraus resultierenden Logberichte von Charles William Beebe, Direktor des Instituts für Tropenforschung, mögen an Jules Verne erinnern. Der Tiefenrekord der 1930er-Jahre – bis zu 923 m - um die Insel Nonsuch mit der Bathysphere, einer Tauchkugel, bringen bedeutende Entdeckungen zu Tage: Die Biolumineszenz in ihrer natürlichen Umgebung (Explosionen von tierischem Licht), eine neue Sicht auf viele bisher unbekannte Spezies (Fische, Krebse, Kalmare, Kraken, Seesterne oder auch Schnecken) und das Erkennen der unvorstellbaren Dunkelheit der Tiefsee ohne Sonnenlicht unter 600 m. Wie surrealistisch die Erlebnisse von Beebe empfunden wurden, zeigt sein Eingeständnis der fehlenden Kommunizierbarkeit des Gesehenen – nicht vergleichbar mit jetzigen Robotertauchgängen in Ton und Bild. Beebe hielt die Unausdrückbarkeit – die Nicht-Übermittelbarkeit von Erfahrung – für die Strafe, die der Mensch dafür zahlen muss, in neue Dimensionen vorzudringen.
Der Schreibstil ist nicht nur Fakten orientiert, sondern auch philosophisch, poetisch gefärbt: Dunkelheit war nicht die Abwesenheit von Licht, sondern sie war das Ergebnis wegfallender Schleier.
Nicht nur der berufliche Lebensweg von Beebe wird beleuchtet. Eher ist es eine historische Reise mit Erwähnung vieler Wissenschaftler, Literaten und Politikern, behaftet mit dem menschlichen Drang nach Lüftung von naturwissenschaftlichen Geheimnissen nebst technischem Fortschritt. Zahlreiche Illustrationen und Fotos lockern den Text auf.
Respekt vor dem Mut und dem Teamgeist hier beschriebener Herausforderungen. Sehr lehrreich

Bewertung vom 16.11.2024
Die Stille nach dem Fest
Roller, Alex;Scheffler, Ethel;Feldhorst, Anja

Die Stille nach dem Fest


sehr gut

Eine bunte Palette an Kurzkrimigeschichten passend zum Fest
Diese Krimisammlung ist 2023 zusammengetragen worden von den Mörderischen Schwestern . einem Netzwerk von Frauen, deren gemeinsames Ziel die Förderung der von Frauen geschriebenen, deutschsprachigen Kriminalliteratur ist. Bei diesen sechzehn sehr verschiedenen Verbrechen zur Adventszeit und zu Weihnachten geht es um Kindsentführung, Einsamkeit, Diebstahl etc. in weihnachtlichem Ambiente in Cottbus, Magdeburg, Hausen, Thüringen und so weiter. Zu jeder Kurzkrimigeschichte gibt es ein passendes, typisches, traditionelles Weihnachtsrezept wie Honigkuchen, Schlesischer Mohnstollen, Kartoffelsalat, Glühweinsirup etc. – leicht zum Ausprobieren detailliert beschrieben. Eine interessante Mischung!

Bewertung vom 15.11.2024
Weihnachtsgeschichten am Kamin 39

Weihnachtsgeschichten am Kamin 39


sehr gut

Weihnachtsgeschichten am Kamin 39
Das gemalte Cover vermittelt wohlige Weihnachtsstimmung in verschneiter, beleuchteter Stadtszenerie. Festlich geschmückt sind der Weihnachtsbaum und die Straßenbeleuchtung, überall erleuchtete Fenster – eine ansprechende Einladung zum Lesen. Die Beiträge erzählen von Kindheitserinnerungen ab 1945, von Mangel und Zusammenhalt. Auch geht es um teils besinnliche Weihnachtserinnerungen zu DDR-Zeiten, um Weihnachtskrippen, Weihnachtsengel und um das Plätzchen backen. Interessant sind diese gesammelten Beiträge für Jung und Alt. Auch ein Schmunzeln oder sogar ein Lacher z.B. über künstliche Intelligenz oder das Pfeifen ist vorprogrammiert. Eine runde, bunte Sammlung fürs Fest!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.11.2024
Das Haus der Bücher und Schatten
Meyer, Kai

Das Haus der Bücher und Schatten


sehr gut

Sehr spannend.
Das Buchcover, eine Wand einer vollen, historischen Bibliothek zeigend neben einer jungen, verträumten Frau, ist stimmig zum Buchinhalt ansprechend gewählt. Der historische Kriminalroman spielt in den Jahren 1933 und 1913. Mit Cornelius Frey, Kommissar im Leipziger Graphischen Viertel, wo Bücher produziert werden, liest man zunächst viel über Okkultismus, Intrigen, das Aufsteigen der NSDAP und Judentum neben unschuldig Verurteilten und Getöteten um 1933. Die zweite Erzählebene im Jahr 1913 spielt in einem abgelegenen, eingeschneiten Herrenhaus in Livland im Baltikum mit dem ominösen Autor Aschenbrand – alles sehr mysteriös für die Lektorin Paula Engel und ihren Verlobten Jonathan. Erst zum Schluss nach hartnäckigem Alleinkampf von Cornelius wird die Verbindung beider Erzählebenen mit überzeugendem Motiv und Täter klar herausgestellt. Interessant und spannend ist der literarische und historische Hintergrund mit Antisemitismus, Nationalsozialismus und Kommunismus auf beiden Zeitebenen mit diesem Kriminalfall verbunden.

Bewertung vom 13.11.2024
Blutrotes Karma
Grangé, Jean-Christophe

Blutrotes Karma


sehr gut

Etwas langatmig, aber mit interessanten, religiös durchwachsenen Schauplätzen bespickt.
Das Cover in rot-schwarzer Farbgebung offenbart bei genauer Betrachtung eine Frau in sitzender Jogaposition, passend zum Thriller. Dieser entführt den Leser ins chaotische Paris von 1968 mit Studentenunruhen, Arbeiterstreiks und politischen, gewerkschaftlichen Gruppierungen rund um De Gaulle und Pompidou – etwas ausladend. In dieses Setting – eher Nebenschauplatz – taucht neben dem intelligenten, schüchternen Studenten Hervè Jouhandeau sein raubeiniger Halbruder Jean-Louis Mersch, Inspektor bei der Mordkommission, auf. Mit Nicole Bernard, einer Mitstudentin, macht sich dieses ungleiche Trio als Ermittlerteam auf Spurensuche durch Frankreich, Indien und Rom, eingebettet in Religion, indisch-mystischen Wahn und Hippiebewegung. In fünf Unterteilungen mit Beschreibungen zu Sekten mit geheimnisvollen Praktiken und religiösen Feinheiten geht es um die Aufklärung von eigenwilligen Morden an jungen Frauen, wobei die Beschreibungen der indischen Schauplätze besonders bildgewaltig sind. Die Suche nach Motiv und Täter ist kreativ, bildhaft und brutal gestaltet. Viele Informationen zur damaligen Historie und zur Welt der Sekten und spirituellen Gemeinschaften mögen manchem Leser zu ausschweifend vorkommen und der Spannung abträglich sein. Teuflische Täter mit einer Mission!