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Benutzername: 
Janneke
Wohnort: 
Aachen

Bewertungen

Insgesamt 31 Bewertungen
Bewertung vom 07.06.2024
Der ehrliche Finder
Spit, Lize

Der ehrliche Finder


ausgezeichnet

Großartige Literatur!

Jimmy ist vieles wichtig: Gute Noten, die er stolz seinen Eltern zeigen kann, seine Flipposammlung, die er ordentlich pflegt, aber vor allem liegt es ihm am Herzen, einen Freund zu haben – einen besten Freund. Als er diesen in Tristan findet, dem Jungen, der mit seiner Familie aus dem Krieg geflüchtet ist und mit nichts kam, scheint sein Glück nahezu vollkommen. Doch auf manches hat Jimmy keinen Einfluss, und die Freundschaft wird auf die Probe gestellt…

„Der ehrliche Finder“ ist herzerwärmend und gleichermaßen erschütternd. Dieses kurzweilige Buch hallt lange nach. Der Roman zeigt eindrucksvoll, was für ein kostbares Geschenk Freundschaft ist und verheimlicht dabei nicht die Bürde, die sie sein kann. Großartige Literatur, grandios übersetzt von Helga van Beuningen.

Wer von einer Freundschaftsgeschichte, die unter die Haut geht lese möchte, sollte unbedingt zum neuen Buch von Lize Spit greifen.

Bewertung vom 07.06.2024
Happy Hour
Granados, Marlowe

Happy Hour


sehr gut

Cocktails, Vintage-Kleidung und schillernde Partys. Das ist der Traum, den Gala und Isa in New York leben – oder zumindest leben wollen. Der Preis? Ganz schön hoch, wenn man pleite ist... aber wie schaffen es die Beiden dann, von Party zu Party zu tanzen?

„Happy Hour“ bietet einen faszinierenden Einblick in das wilde und ungebundene Leben zwei junger erwachsener Frauen, für die das Leben eine einzige Party zu sein scheint. Marlowe Granados hat einen sehr erfrischenden, gut lesbaren Schreibstil, der das Buch trotz fehlender Tiefe der Charaktere und des Plots sehr unterhaltsam macht. Sie schreibt eigen, flott und stets in der Grätsche zwischen dreist und humorvoll.

Isa und Gala sind eher unsympathische Protagonistinnen, doch ihr ungebundenes Leben und ihre vermeintliche Freiheit haben mich beim Lesen gepackt. Beide leben in den Tag hinein und in die Nacht hinaus, ohne dabei Rücksicht auf andere zu nehmen und genau genommen nehmen sich auf wenig Rücksicht auf sich selbst. Eine Party jagt die nächste und oftmals sind es nicht mal gute!

Obwohl ich mir mehr „Trashy-Gossip-Girl-Vibes“ vorgestellt habe und ich weniger NY-Feeling hatte als erwartet, passte das chaotische Leben der beiden, in dem alles Schlag auf Schlag kommt, doch in die pulsierende Welt meiner Vorstellung von New York. Die Darstellung von Alltagsrassismus und Oberflächlichkeit mag einige Leser abschrecken, für mich passt es aber gut zur Realität und zur erzählten Geschichte.

Am Ende geht es doch mehr um Geldsorgen, Schmarotzern und Alkohol. Isa und Gala ziehen schamlos ihr Ding durch, ohne dass weder für sie noch für die Leser immer klar ist, was das eigentlich ist. Es hat mich an "Die Einladung" von Emma Cline erinnert, in dem ebenfalls eine unsympathische Protagonistin eine faszinierende Geschichte trägt.

Letztlich gelingt es "Happy Hour", durch die besondere Erzählweise und die authentische Darstellung eines Lebensstils zu überzeugen. Man muss die Charaktere nicht mögen, um das Buch zu schätzen, und gerade die unverblümte Darstellung des Lebens von Isa und Gala macht es zu einer Empfehlung meinerseits.



Zum Thema Alltagsrassismus:

Ich muss sagen, dass mich das tatsächlich gar nicht so stört, dass der Alltagsrassismus nicht wirklich eingeordnet wird. Es ist eine Tatsache, dass Alltagsrassismus stattfindet - was absolut grausam ist. Für mich passt es aber sowohl zum Roman im Ganzen, als auch zu den Personen und der Zeit, in der es stattfindet. Es ist wichtig darüber in den Diskurs zu gehen und es ist wichtig anzuerkennen, dass wir Alltagsrassismus im echten Leben und auch in Büchern begegnen. Genauso sehe ich es auch mit den Problemen, die wir Frauen im Generellen haben (nachts allein rumlaufen, Taxi oder Bahn fahren, Catcalling, usw) all das sind Probleme und die sind schlimm! Aber leider finden manche Momente einfach innerhalb weniger Sekunden statt und sind für außenstehende dann vielleicht auch schon wieder vorbei. Manchmal ist sich unser Gegenüber nicht mal bewusst, dass das Gesagt etwas Beleidigendes oder Rassistisches ist - vielleicht war es sogar als Kompliment gemeint. Wir sind nicht mehr im Jahr 2013, aber viele Probleme bestehen noch immer und ich denke so Foren wir hier, in denen wir uns darüber empören und vielleicht auch weiter mit anderen Menschen über unsere Empörung sprechen, helfen zumindest in Teilen, Rassismus nicht als etwas Normales abzutun.

Bewertung vom 07.06.2024
Insight - Dein Leben gehört mir
Wesseling, Antonia

Insight - Dein Leben gehört mir


gut

Habe etwas mehr erwartet..
Was passiert, wenn du um jeden Preis versuchst zu verstecken, wo du herkommst – alle Augen aber stets auf dich gerichtet sind?
Valerie ist an einem Punkt in ihrem Leben, an dem sie glücklicher eigentlich nicht sein könnte. Doch auf eine unangenehme Aktion folgt die nächste, und die Influencerin fühlt sich nicht nur beobachtet, sondern bedroht.
Von der Spannung her war der Roman für mich sehr gut zu lesen. Definitiv fesselnder Stoff - aber nicht auf eine unangenehme Art, die ein typischer Thriller mir geben würde. Der interessante Plot hat, finde ich, sehr gut in unsere schnelllebige, zu großen Teilen digitalisierte Welt gepasst. Dennoch bin ich nicht richtig mit dem Buch warm geworden.
Die Charaktere an sich wirkten auf mich zwar nicht unauthentisch, doch irgendwie blieben sie bis zum Ende etwas blass, und vor allem bei den Interaktionen war etwas für mich nicht stimmig. Es gab wenig Entwicklung, was zwischenmenschliche Beziehungen angeht. Mehr Tiefe bei den Charakteren hätte der Geschichte sicher gutgetan. Zwar wurde vor allem bei Valerie einiges angerissen, doch für ein gelungenes Bild ihrer Person war es dennoch zu oberflächlich.

Die spicy Szenen waren für mich leider eher unangenehm zu lesen, vor allem, weil die Chemie zwischen den Protagonisten für mich nicht da war. Die Auswahl der Worte fand ich dann in manchen Situationen eher befremdlich, und ich habe dann die anderen Szenen nur überflogen – die Story hat natürlich trotzdem wunderbar funktioniert. Es mag auch etwas dem geschuldet sein, dass ich in dem Genre einfach kaum lese – in der Vergangenheit war es wenn dann auch häufig auf Englisch. Da ist meine persönliche Hemmschwelle, was explizite Ausdrücke angeht auch einfach eine andere.

Alles in allem gibt es natürlich ein Publikum für dieses Buch, mich hat es nur leider nicht überzeugt.

Bewertung vom 22.04.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


ausgezeichnet

Mal wieder Grandioses von Caroline Wahl!
Der neue Roman von Caroline Wahl erzählt eine grandiose Coming-of-Age Geschichte, die auf stürmische Weise das Leben von Ida beschreibt.
Bereits ihr Debütroman „22 Bahnen“ war für mich letztes Jahr ein Highlight und auch „Windstärke 17“ hat mich absolut mitgerissen.
Nach dem Tod von ihrer Mutter weiß Ida nicht wohin mit sich und ihrer Wut. Sie weiß nur, dass sie weg von dem Ort muss, den nicht nur ihre große Schwester Tilda, sondern nun auch ihre Mutter verlassen hat.
Ich durfte Caroline Wahl letztes Jahr bei Lesungen zuhören und mir ist beim Lesen des Buches irgendwann aufgefallen, dass ich mit ihrer Vorlesestimme im Kopf gelesen habe, was mir noch mehr Spaß beim Lesen bereitet hat. Durch ihre temporeiche und dabei sehr einfühlsame Sprache schafft sie es, mit Ernsthaftigkeit und Humor über tragische und schöne Momente zu schreiben, die Ida beim Erwachsenwerden durchlebt. Sehr bewegend fand ich, dass die besondere Beziehung zu ihrer Schwester Tilda deutlich wurde, obwohl diese nur kleine Auftritte in diesem Buch hat. Durch und durch authentisch, turbulent und unverblümt. Ein absolutes Lese-Muss!

Bewertung vom 20.02.2024
James
Everett, Percival

James


ausgezeichnet

Es bedarf nicht viele Worte, denn jeder Satz sitzt.
Was für eine bewegende Neuinterpretation. Percival Everett lehnt seinen neuen Roman „James“ an die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn an. Im Fokus der Geschichte steht James, der unter seinen Sklavennamen Jim in Hannibal, der Kleinstadt beim Mississippi bekannt ist. Die Abenteuer, die Jim erlebt, sind jedoch keine kindlichen Spiele und Reisen. Sie sind die brutale, ungerechte Realität eines Schwarzen Sklaven.
Everett zeichnet mit seiner prägnanten, einfachen Sprache ein Bild, das die facettenreichen Charaktere und ihre individuellen Persönlichkeiten hervorhebt und ebenso historische Ereignisse aufgreift, die das Leben der Schwarzen Menschen prägten. Der Autor schreibt dabei mit einer Selbstverständlichkeit über das Grauen und die Verbrechen an Sklaven, die die Ignoranz und Irrelevanz seitens der weißen Menschen verdeutlicht. Die Sklavensprache, im Deutschen fabelhaft übersetzt von Nikolaus Stingl, trägt ungemein zu der Diskrepanz und dem Machtgefälle zwischen Schwarzen und weißen bei.
Dieser Abenteuerroman der etwas anderen Art hat mich von Anfang an gefesselt und ich konnte mich kaum zwischen "Ich möchte unbedingt weiterlesen" und "Ich möchte nicht, dass es vorbei ist" entscheiden. Ich bin absolut begeistert von diesem starken, wortgewaltigen Roman, der trotz seiner simplen Sprache - oder grade deswegen, Bilder zeichnet, die noch lange im Kopf bleiben.

Bewertung vom 31.01.2024
Wir sitzen im Dickicht und weinen
Prokopetz, Felicitas

Wir sitzen im Dickicht und weinen


ausgezeichnet

Große Leseempfehlung meinerseits!
„Wir sitzen im Dickicht und weinen“ ist ein schonungslos ehrlicher, vielschichtiger Familienroman, der vor allem von komplexen Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern erzählt. Die Autorin zeichnet dabei wunderbar authentische Charaktere, die die Geschichte zum Leben erwecken lassen. Nachdem die Erzählung in der Gegenwart startet, brauchte es bei mir einen Moment, bis ich in darauffolgenden Kapiteln erkannte, dass in den Zeiten und auch in den Protagonistinnen gesprungen wird. Die Autorin hat großes Sprachtalent, das sich in den unterschiedlichen Erzählstimmen spiegelt, auch die schweizer Ausdrücke machten die Geschichte sehr nahbar und die Charaktere auf eine gewisse Art charmant. Felicitas Prokopetz zeigt auf, wie tiefgehend, bittersüß und toxisch zwischenmenschliche Beziehungen sein können und wie unterschiedlich unsere Erinnerungen und Wahrnehmungen. Eine große Leseempfehlung meinerseits.

Bewertung vom 04.01.2024
GUY'S GIRL
Noyes, Emma

GUY'S GIRL


gut

Sehr aufwühlend, nicht für jeden!
Mich haben das Cover und auch der Titel des Buches sehr angesprochen. Der Klappentext hat mich tatsächlich teils abgeschreckt, aber im Endeffekt habe ich mich doch dazu entschieden, das Buch zu lesen.
Ich bin gut in die Geschichte gekommen, aber tatsächlich musste ich immer wieder zwischendurch pausieren, weil ich mit manchen Szenen doch etwas überwältigt war. Das Thema Essstörung ist ein sehr großes in dieser Geschichte und da ich unmittelbar mit dem damit im echten Leben konfrontiert bin, war es nicht immer leicht das zu lesen. Ich kann mir vorstellen, dass es Menschen, die vielleicht sogar selbst betroffen sind sehr triggern kann.. aber da ist natürlich jeder anders. Mir hat die Geschichte dennoch gut gefallen, aber ich würde jetzt nicht explizit dafür eine Empfehlung aussprechen, weil es wirklich ein super sensibles Thema ist.

Bewertung vom 04.01.2024
Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne
Scherzant, Sina

Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne


ausgezeichnet

Hat mir super gefallen!
Das Cover von "Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne" finde ich absolut gelungen. Die Farben sind super stimmig und ich finde es ist insgesamt ein schönes Cover, was mich definitiv dazu gebracht hätte, es in die Hand zu nehmen. Auch wenn ich mir den Titel bis heute nicht ganz merken kann, das Buch hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen.

Die Protagonistin Katha ist, ähnlich wie ich, in den späten 90ern und frühen 00er Jahren aufgewachsen. Demnach hat ich vieles an meine eigene Kindheit erinnert und so Popkultur-Referenzen machen mir immer noch mehr Spaß, wenn ich sie wirklich auch gänzlich verstehe. Mir hat aber auch die Erzählstimme der Autorin außerordentlich gut gefallen. Sina Scherzant hat ein unglaublich gutes Gespür für treffende Worte und es hat Spaß gemacht, in die Welt von Katha einzutauchen, ganz besonders, weil trotz des sarkastisch-humorvollen Ton nicht die Ernsthaftigkeit der Geschichte auf der Strecke blieb.

Bewertung vom 17.10.2023
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


ausgezeichnet

Inspiriert dazu zu diskutieren, nachzudenken und umzudenken!
Glattauer schreibt in einem lockeren, ja sogar humorvollen Ton eine unheimlich bewegende Geschichte über Verlust, Familie und Menschlichkeit. Der Fokus liegt dabei auf der Familiengeschichte einer Politikerin, die ihrer Tochter zuliebe das Flüchtlingskind Aayana mit in den Toskana-Urlaub genommen hat. Schnell entpuppt sich der doch eigentlich wohlverdiente Urlaub in eine Katastrophe und auf einmal steht die Frage „Sind alle Menschenleben gleich viel wert“ im Raum.
Nicht nur die einzelnen Familienmitglieder und involvierte kommen zur Sprache. Wie es heutzutage nicht unüblich ist, hat auch jeder Mensch im Internet eine Meinung. So werden auch die stimmen in den Sozialen Medien in Glattauers Roman immer lauter. Sie alle haben etwas zu sagen und sie alle stellen Fragen, werfen Vorwürfe in den Raum, nehmen in Schutz und verurteilen gleichermaßen. Denn wer hat denn Schuld? Ist Lügen manchmal notwendig? Wer darf wen verurteilen? Und darf das durch die Meinungsfreiheit nicht eigentlich sowieso jeder?
Glattauer hat eine mitreißende, trauriger weise sehr fesselnde Geschichte geschrieben, die die erschreckende Realität im Umgang mit medialen Schlagzeilen in unserer privilegierten Gesellschaft widerspiegelt.
Das Buch ist keine leichte Kost, dennoch ein aktuelles, wichtiges Thema, das der Autor in seinem Roman aufgreift. Inspiriert dazu zu diskutieren, nachzudenken und auch umzudenken!

Bewertung vom 15.10.2023
Das Café ohne Namen
Seethaler, Robert

Das Café ohne Namen


sehr gut

Handlungen eher unaufgeregt - Sprache macht viel her!
Seetalers neuer Roman „Cafe ohne Namen“ ist ein ruhiger Roman, der ohne großen Spannungsbogen die unterschiedlichsten Charaktere beleuchtet, die ihren Weg in das Café ohne Namen finden. Im Fokus der Geschichte stehen dabei Robert und seine Angestellte Mila. Wir begleiten aber auch die Nebencharaktere durch ihre kleinen und großen Sorgen im Leben. Denn in Wien ist um 1966 eine Aufbruchsstimmung zu spüren, die sich auf die Menschen zu übertragen scheint. Hoffnung, Liebe, das Streben nach Glück, nach einem anderen Leben aber auch die Vergänglichkeit dessen scheinen irgendwie greifbar. Auch wenn die Handlungen des Romans eher unaufgeregt sind, macht die Sprache viel her, denn die Atmosphäre wird großartig eingefangen.