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Benutzername: 
Janneke
Wohnort: 
Aachen

Bewertungen

Insgesamt 34 Bewertungen
Bewertung vom 05.09.2024
Als wir Schwäne waren
Karim Khani, Behzad

Als wir Schwäne waren


sehr gut

Poetisch!
„Als wir Schwäne waren“ ist ein ergreifendes autobiografisches Werk von Behzad Karim Khani, das tief in die bewegende Kindheit und Jugend des Autors eintaucht. Auf eindrucksvolle Weise schildert Khani seine Erfahrungen als Migrant, der in den 90er Jahren aus dem Iran ins Ruhrgebiet flieht. Doch der erhoffte Neuanfang wird schnell durch die bittere Realität überschattet: Herausforderungen und Diskriminierung prägen den Alltag der Familie. Bald wird deutlich, wie schwierig es ist, sich als ewiger Gast in einer neuen Heimat einzuleben – insbesondere, wenn der Begriff ‚Gast‘ eine ernüchternde Bedeutung erhält und diese oft die feindselige Lebenswirklichkeit widerspiegelt, die Migranten erleben.
Khani schreibt in einer kunstvollen, poetischen Sprache und behandelt dabei komplexe Themen wie Stolz, Demütigung, Niederlagen, Hoffnung, Gewalt, Liebe und Freiheit.
Insgesamt hat mich vor allem die Sprache beeindruckt. An manchen Stellen hätte ich mir gewünscht, dass der rote Faden etwas klarer erkennbar wäre. Das hätte mir persönlich mehr Klarheit und Kohärenz verschafft, aber das ist vielleicht auch Geschmackssache.

Bewertung vom 05.09.2024
Juli, August, September
Grjasnowa, Olga

Juli, August, September


sehr gut

Authentische Identitätssuche!
Sergej, Lous zweiter Ehemann, ist ein jüdischer Pianist. Auch Lou ist jüdisch, doch ihre Tochter Rosa war noch nie in einer Synagoge und denkt fälschlicherweise, Adolf Hitler habe ein Buch über Anne Frank geschrieben. Die Familie lebt ihren Glauben kaum, und es scheint, als würde sich das Paar zunehmend voneinander entfremden.
Zum Geburtstag ihrer Tante reisen Lou und Rosa nach Gran Canaria, wo Lou schnell erkennt, dass hinter dem familiären Prahlen viele Lügen und unausgesprochene Wahrheiten lauern. Entschlossen, den Dingen auf den Grund zu gehen, stellt sie sich den lange verdrängten Fragen.
Mit viel Feingefühl und einer Prise zynischen Humors erzählt Olga Grjasnowa die Geschichte der Identitätssuche einer jungen jüdischen Frau. Zwar wirken manche Figuren etwas blass, doch gerade durch diese Leerstellen gewinnt die Erzählung an Authentizität. In dieser Familie wird oft geschwiegen, und viele Verhaltensweisen bleiben unerklärlich – egal, wie sehr man versucht, sie zu verstehen.
Der flüssige Schreibstil lädt dazu ein, in Lous Leben einzutauchen, mitzudenken und schließlich loszulassen, wenn es an der Zeit ist. Dieses Buch hat mir einige sehr schöne Lesestunden beschert!

Bewertung vom 02.09.2024
Ich komme nicht zurück
Khayat, Rasha

Ich komme nicht zurück


ausgezeichnet

Schmerzlich-schön! Über Familie und Freundschaft
„Damit war das beschlossene Sache, Nabil hatte uns zu Freunden erklärt, und keiner von uns gab ein Widerwort.“ So einfach werden Freundschaften geschlossen, wenn wir Kinder sind. So war es auch für Hanna, Zeyna und Cem, die in einem Sommer in den Achtzigerjahren für Freunde erklärt wurden. Mit den Jahren wurden ihre Unterschiede, Wünsche und auch Spannungen immer spürbarer. Obwohl Hanna sich Jahre später nichts sehnlicher wünscht, als dass die drei wie früher zusammenhalten und sowohl Sorgen als auch Freuden teilen, muss sie sich eingestehen, dass die Unterschiede vielleicht schon immer größer waren, als sie es damals wahrgenommen hatte.

Poetisch und zugleich packend beschreibt die Autorin die emotionale Reise von Hanna. Besonders beeindruckt hat mich die sprachliche Brillanz, mit der Rasha Khayat arabische Elemente in den Text einfließen lässt, was die kulturelle Tiefe und die Lebendigkeit der Charaktere verstärkt. Mit wenigen Worten füllt die Autorin ganze Leben. Sie erzählt von der bedingungslosen, unendlichen Liebe einer außergewöhnlichen Wahlfamilie, von Verlust und Freundschaft und davon, wie viel wir voneinander lernen können.

Sowohl sprachlich als auch emotional mitreißend und berührend – für mich ein absolutes Lesehighlight!

Bewertung vom 07.06.2024
Der ehrliche Finder
Spit, Lize

Der ehrliche Finder


ausgezeichnet

Großartige Literatur!

Jimmy ist vieles wichtig: Gute Noten, die er stolz seinen Eltern zeigen kann, seine Flipposammlung, die er ordentlich pflegt, aber vor allem liegt es ihm am Herzen, einen Freund zu haben – einen besten Freund. Als er diesen in Tristan findet, dem Jungen, der mit seiner Familie aus dem Krieg geflüchtet ist und mit nichts kam, scheint sein Glück nahezu vollkommen. Doch auf manches hat Jimmy keinen Einfluss, und die Freundschaft wird auf die Probe gestellt…

„Der ehrliche Finder“ ist herzerwärmend und gleichermaßen erschütternd. Dieses kurzweilige Buch hallt lange nach. Der Roman zeigt eindrucksvoll, was für ein kostbares Geschenk Freundschaft ist und verheimlicht dabei nicht die Bürde, die sie sein kann. Großartige Literatur, grandios übersetzt von Helga van Beuningen.

Wer von einer Freundschaftsgeschichte, die unter die Haut geht lese möchte, sollte unbedingt zum neuen Buch von Lize Spit greifen.

Bewertung vom 07.06.2024
Happy Hour
Granados, Marlowe

Happy Hour


sehr gut

Cocktails, Vintage-Kleidung und schillernde Partys. Das ist der Traum, den Gala und Isa in New York leben – oder zumindest leben wollen. Der Preis? Ganz schön hoch, wenn man pleite ist... aber wie schaffen es die Beiden dann, von Party zu Party zu tanzen?

„Happy Hour“ bietet einen faszinierenden Einblick in das wilde und ungebundene Leben zwei junger erwachsener Frauen, für die das Leben eine einzige Party zu sein scheint. Marlowe Granados hat einen sehr erfrischenden, gut lesbaren Schreibstil, der das Buch trotz fehlender Tiefe der Charaktere und des Plots sehr unterhaltsam macht. Sie schreibt eigen, flott und stets in der Grätsche zwischen dreist und humorvoll.

Isa und Gala sind eher unsympathische Protagonistinnen, doch ihr ungebundenes Leben und ihre vermeintliche Freiheit haben mich beim Lesen gepackt. Beide leben in den Tag hinein und in die Nacht hinaus, ohne dabei Rücksicht auf andere zu nehmen und genau genommen nehmen sich auf wenig Rücksicht auf sich selbst. Eine Party jagt die nächste und oftmals sind es nicht mal gute!

Obwohl ich mir mehr „Trashy-Gossip-Girl-Vibes“ vorgestellt habe und ich weniger NY-Feeling hatte als erwartet, passte das chaotische Leben der beiden, in dem alles Schlag auf Schlag kommt, doch in die pulsierende Welt meiner Vorstellung von New York. Die Darstellung von Alltagsrassismus und Oberflächlichkeit mag einige Leser abschrecken, für mich passt es aber gut zur Realität und zur erzählten Geschichte.

Am Ende geht es doch mehr um Geldsorgen, Schmarotzern und Alkohol. Isa und Gala ziehen schamlos ihr Ding durch, ohne dass weder für sie noch für die Leser immer klar ist, was das eigentlich ist. Es hat mich an "Die Einladung" von Emma Cline erinnert, in dem ebenfalls eine unsympathische Protagonistin eine faszinierende Geschichte trägt.

Letztlich gelingt es "Happy Hour", durch die besondere Erzählweise und die authentische Darstellung eines Lebensstils zu überzeugen. Man muss die Charaktere nicht mögen, um das Buch zu schätzen, und gerade die unverblümte Darstellung des Lebens von Isa und Gala macht es zu einer Empfehlung meinerseits.



Zum Thema Alltagsrassismus:

Ich muss sagen, dass mich das tatsächlich gar nicht so stört, dass der Alltagsrassismus nicht wirklich eingeordnet wird. Es ist eine Tatsache, dass Alltagsrassismus stattfindet - was absolut grausam ist. Für mich passt es aber sowohl zum Roman im Ganzen, als auch zu den Personen und der Zeit, in der es stattfindet. Es ist wichtig darüber in den Diskurs zu gehen und es ist wichtig anzuerkennen, dass wir Alltagsrassismus im echten Leben und auch in Büchern begegnen. Genauso sehe ich es auch mit den Problemen, die wir Frauen im Generellen haben (nachts allein rumlaufen, Taxi oder Bahn fahren, Catcalling, usw) all das sind Probleme und die sind schlimm! Aber leider finden manche Momente einfach innerhalb weniger Sekunden statt und sind für außenstehende dann vielleicht auch schon wieder vorbei. Manchmal ist sich unser Gegenüber nicht mal bewusst, dass das Gesagt etwas Beleidigendes oder Rassistisches ist - vielleicht war es sogar als Kompliment gemeint. Wir sind nicht mehr im Jahr 2013, aber viele Probleme bestehen noch immer und ich denke so Foren wir hier, in denen wir uns darüber empören und vielleicht auch weiter mit anderen Menschen über unsere Empörung sprechen, helfen zumindest in Teilen, Rassismus nicht als etwas Normales abzutun.

Bewertung vom 07.06.2024
Insight - Dein Leben gehört mir
Wesseling, Antonia

Insight - Dein Leben gehört mir


gut

Habe etwas mehr erwartet..
Was passiert, wenn du um jeden Preis versuchst zu verstecken, wo du herkommst – alle Augen aber stets auf dich gerichtet sind?
Valerie ist an einem Punkt in ihrem Leben, an dem sie glücklicher eigentlich nicht sein könnte. Doch auf eine unangenehme Aktion folgt die nächste, und die Influencerin fühlt sich nicht nur beobachtet, sondern bedroht.
Von der Spannung her war der Roman für mich sehr gut zu lesen. Definitiv fesselnder Stoff - aber nicht auf eine unangenehme Art, die ein typischer Thriller mir geben würde. Der interessante Plot hat, finde ich, sehr gut in unsere schnelllebige, zu großen Teilen digitalisierte Welt gepasst. Dennoch bin ich nicht richtig mit dem Buch warm geworden.
Die Charaktere an sich wirkten auf mich zwar nicht unauthentisch, doch irgendwie blieben sie bis zum Ende etwas blass, und vor allem bei den Interaktionen war etwas für mich nicht stimmig. Es gab wenig Entwicklung, was zwischenmenschliche Beziehungen angeht. Mehr Tiefe bei den Charakteren hätte der Geschichte sicher gutgetan. Zwar wurde vor allem bei Valerie einiges angerissen, doch für ein gelungenes Bild ihrer Person war es dennoch zu oberflächlich.

Die spicy Szenen waren für mich leider eher unangenehm zu lesen, vor allem, weil die Chemie zwischen den Protagonisten für mich nicht da war. Die Auswahl der Worte fand ich dann in manchen Situationen eher befremdlich, und ich habe dann die anderen Szenen nur überflogen – die Story hat natürlich trotzdem wunderbar funktioniert. Es mag auch etwas dem geschuldet sein, dass ich in dem Genre einfach kaum lese – in der Vergangenheit war es wenn dann auch häufig auf Englisch. Da ist meine persönliche Hemmschwelle, was explizite Ausdrücke angeht auch einfach eine andere.

Alles in allem gibt es natürlich ein Publikum für dieses Buch, mich hat es nur leider nicht überzeugt.

Bewertung vom 22.04.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


ausgezeichnet

Mal wieder Grandioses von Caroline Wahl!
Der neue Roman von Caroline Wahl erzählt eine grandiose Coming-of-Age Geschichte, die auf stürmische Weise das Leben von Ida beschreibt.
Bereits ihr Debütroman „22 Bahnen“ war für mich letztes Jahr ein Highlight und auch „Windstärke 17“ hat mich absolut mitgerissen.
Nach dem Tod von ihrer Mutter weiß Ida nicht wohin mit sich und ihrer Wut. Sie weiß nur, dass sie weg von dem Ort muss, den nicht nur ihre große Schwester Tilda, sondern nun auch ihre Mutter verlassen hat.
Ich durfte Caroline Wahl letztes Jahr bei Lesungen zuhören und mir ist beim Lesen des Buches irgendwann aufgefallen, dass ich mit ihrer Vorlesestimme im Kopf gelesen habe, was mir noch mehr Spaß beim Lesen bereitet hat. Durch ihre temporeiche und dabei sehr einfühlsame Sprache schafft sie es, mit Ernsthaftigkeit und Humor über tragische und schöne Momente zu schreiben, die Ida beim Erwachsenwerden durchlebt. Sehr bewegend fand ich, dass die besondere Beziehung zu ihrer Schwester Tilda deutlich wurde, obwohl diese nur kleine Auftritte in diesem Buch hat. Durch und durch authentisch, turbulent und unverblümt. Ein absolutes Lese-Muss!

Bewertung vom 20.02.2024
James
Everett, Percival

James


ausgezeichnet

Es bedarf nicht viele Worte, denn jeder Satz sitzt.
Was für eine bewegende Neuinterpretation. Percival Everett lehnt seinen neuen Roman „James“ an die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn an. Im Fokus der Geschichte steht James, der unter seinen Sklavennamen Jim in Hannibal, der Kleinstadt beim Mississippi bekannt ist. Die Abenteuer, die Jim erlebt, sind jedoch keine kindlichen Spiele und Reisen. Sie sind die brutale, ungerechte Realität eines Schwarzen Sklaven.
Everett zeichnet mit seiner prägnanten, einfachen Sprache ein Bild, das die facettenreichen Charaktere und ihre individuellen Persönlichkeiten hervorhebt und ebenso historische Ereignisse aufgreift, die das Leben der Schwarzen Menschen prägten. Der Autor schreibt dabei mit einer Selbstverständlichkeit über das Grauen und die Verbrechen an Sklaven, die die Ignoranz und Irrelevanz seitens der weißen Menschen verdeutlicht. Die Sklavensprache, im Deutschen fabelhaft übersetzt von Nikolaus Stingl, trägt ungemein zu der Diskrepanz und dem Machtgefälle zwischen Schwarzen und weißen bei.
Dieser Abenteuerroman der etwas anderen Art hat mich von Anfang an gefesselt und ich konnte mich kaum zwischen "Ich möchte unbedingt weiterlesen" und "Ich möchte nicht, dass es vorbei ist" entscheiden. Ich bin absolut begeistert von diesem starken, wortgewaltigen Roman, der trotz seiner simplen Sprache - oder grade deswegen, Bilder zeichnet, die noch lange im Kopf bleiben.

Bewertung vom 31.01.2024
Wir sitzen im Dickicht und weinen
Prokopetz, Felicitas

Wir sitzen im Dickicht und weinen


ausgezeichnet

Große Leseempfehlung meinerseits!
„Wir sitzen im Dickicht und weinen“ ist ein schonungslos ehrlicher, vielschichtiger Familienroman, der vor allem von komplexen Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern erzählt. Die Autorin zeichnet dabei wunderbar authentische Charaktere, die die Geschichte zum Leben erwecken lassen. Nachdem die Erzählung in der Gegenwart startet, brauchte es bei mir einen Moment, bis ich in darauffolgenden Kapiteln erkannte, dass in den Zeiten und auch in den Protagonistinnen gesprungen wird. Die Autorin hat großes Sprachtalent, das sich in den unterschiedlichen Erzählstimmen spiegelt, auch die schweizer Ausdrücke machten die Geschichte sehr nahbar und die Charaktere auf eine gewisse Art charmant. Felicitas Prokopetz zeigt auf, wie tiefgehend, bittersüß und toxisch zwischenmenschliche Beziehungen sein können und wie unterschiedlich unsere Erinnerungen und Wahrnehmungen. Eine große Leseempfehlung meinerseits.

Bewertung vom 04.01.2024
GUY'S GIRL
Noyes, Emma

GUY'S GIRL


gut

Sehr aufwühlend, nicht für jeden!
Mich haben das Cover und auch der Titel des Buches sehr angesprochen. Der Klappentext hat mich tatsächlich teils abgeschreckt, aber im Endeffekt habe ich mich doch dazu entschieden, das Buch zu lesen.
Ich bin gut in die Geschichte gekommen, aber tatsächlich musste ich immer wieder zwischendurch pausieren, weil ich mit manchen Szenen doch etwas überwältigt war. Das Thema Essstörung ist ein sehr großes in dieser Geschichte und da ich unmittelbar mit dem damit im echten Leben konfrontiert bin, war es nicht immer leicht das zu lesen. Ich kann mir vorstellen, dass es Menschen, die vielleicht sogar selbst betroffen sind sehr triggern kann.. aber da ist natürlich jeder anders. Mir hat die Geschichte dennoch gut gefallen, aber ich würde jetzt nicht explizit dafür eine Empfehlung aussprechen, weil es wirklich ein super sensibles Thema ist.