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Sophie95

Bewertungen

Insgesamt 36 Bewertungen
Bewertung vom 08.07.2024
VIEWS
Kling, Marc-Uwe

VIEWS


sehr gut

Ausgerechnet bei einem Date sieht BKA-Kommissarin Yasira Saad das verstörend brutale Video der 16-jährigen Lena zum ersten Mal. Die junge Frau ist ein paar Tag zuvor verschwunden. Jetzt stellt sich die Frage: Wo ist Lena? Und wer hat ihr die schreckliche Tat aus dem Video angetan? Für Yasira beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, der sowohl sie, als auch ihre Tochter in Gefahr bringt.
Marc-Uwe Kling schafft es in seinem neuen Krimi die aktuellen gesellschaftliche Debatte um Soziale Medien, Deepfakes, Aufmerksamkeitssuche und Selbstdarstellung perfekt für seine Zwecke zu nutzen. Das Hörbuch, von Kling selbst eingelesen, ist durchgehend spannend, die knapp sechs Stunden vergehen wie im Flug während man fast atemlos darauf wartet, endlich zu erfahren, wer Lena entführt hat. Was sich über die gesamt Hörbuch-Zeit so schön aufbaut endet dann in einem guten, aber irgendwie auch ein wenig unnötig zugespitztem, Plot-Twist. Vor allem in der letzten Viertelstunde passiert noch einmal so viel, dass ich mich frage, warum ausgerechnet das Ende so schrecklich und dicht ausfallen musste. Für mich hat gerade das Ende das Leseerlebnis noch einmal getrübt. Für mich hat sich außerdem die Frage gestellt, ob Kling als Mann in der Perspektive einer Frau schreiben muss und dabei vor allem auch ihre Sicht eines sexuellen Übergriffs. Das hinterlässt bei mir einen komischen Beigeschmack.
Dennoch fand ich das Hörbuch spannend und kurzweilig und kann es, trotz des abruptem Ende, empfehlen.

Bewertung vom 01.07.2024
Und alle so still
Fallwickl, Mareike

Und alle so still


sehr gut

Frauen liegen im stillen Protest auf der Straße - das ist das Setting in Mareike Fallwickls neuem Roman "Und alle so still". Ich war ein sehr großer Fan von "Die Wut, die bleibt", fand dass das Thema der Care-Arbeit und die Belastung der Frauen super aufgegriffen und emotional verpackt wurde. Auch Mareike Fallwickls zweiter Roman, hat mich unterhalten, mich mit dem Thema der Pflege und Menschen mit Behinderung auseinandergesetzt, das ich aus einigen Blickwinkeln noch nicht beleuchtet hatte. Dennoch bin ich mit einer der Hauptfiguren dieses Mal nicht warm geworden, die einzelnen Handlungen sind für mich nicht so schön ineinandergeflossen und haben ein großes ganzes Ergeben. Teilweise waren mir die Dinge, die Mareike Fallwickl vermitteln wollte an einigen Stelln zu dogmatisch, zu gewollt und zu konstruiert. Dennoch fand ich, dass auch "Und alle so still" ein starker Roman über wichtige Themen ist und definitiv eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 01.07.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


ausgezeichnet

Nachdem in Caroline Wahls Debütroman "22 Bahnen" eine Überdosis von Ida und Tildas Mutter den Höhepunkt bildete, beginnt "Windstärke 17" zwei Monate nach deren Tod. Ida flüchtet aus der Kleinstadt nach Norddeutschland, setzt sich in einen Zug und will so weit wie möglich weg. Sie landet in Rügen, fängt dort an, in einer Bar, der "Robbe", zu arbeiten, lernt deren Besitzer Knut kennen und wenig später dessen Frau Marianne. Beide avancieren schnell zu so etwas wie Ersatzeltern für Ida, die immer noch mit dem Tod ihrer Mutter und Schuldgefühlen zu kämpfen hat. Das spiegelt sich vor allem in ihrem – wie Ida es beschreibt – "suizidalen" Verhalten, wie etwa selbst beim größten Sturm in den Wellen der Ostsee zu schwimmen. Genau dieses Verhalten eskaliert in dem Moment, als alles, was sie auf Rügen gefunden zu haben scheint – Geborgenheit und Stabilität – auseinanderzubrechen droht. Genau wie "22 Bahnen" ist Carolines zweiter Roman nah an der Hauptfigur. Ida erzählt aus der Ich-Perspektive, es scheint, als könne man direkt in ihren Kopf schauen. So erlebt man ihre Entwicklung hautnah mit: Von einer jungen verschlossenen Frau, die mit Panikattacken kämpft und der es schwerfällt, zu vertrauen, hin zu jemandem, der lernt, Liebe und Hilfe zuzulassen. Mal wieder ein Highlight!

Bewertung vom 26.03.2024
Yellowface
Kuang, R. F.

Yellowface


sehr gut

Ich habe Yellowface Ende letzten Jahres bereits auf Englisch gelesen. Was soll ich sagen: der Roman hat mich fanatisiert. Spannend und unangenehm zu lesen zu gleichen Teilen. Ich fand das Konzept des Romans, dass Juniper den Roman ihrer Kommilitonin Athena nach deren Tod unter ihrem Namen veröffentlich super. RF Kuang hat es sehr gut geschafft das Thema Cancel Culture, Rassismus und White Privilige unterzubringen. Da der Roman aus Junipers Sicht in der ersten Person erzählt, war die Lektüre stellenweise sehr unangenehm, weil mich Juniper stellenweise super aufgeregt hat. Aber wahrscheinlich ist das auch genau der Effekt, den Kuang erreichen wollte. Yellowface ist auf jeden Fall ein sehr spannendes, kurzweiliges Buch, dass mich zum Nachdenken über das Verlagswesen und Rassismuserfahrungen in dieser Branche angeregt hat.

Bewertung vom 25.03.2024
Mutternichts
Vescoli, Christine

Mutternichts


gut

In Mutternichts erzählt Christine Vescoli die Geschichte ihrer Mutter, nachdem diese gestorben ist. Sie geht zurück bis in ihre Kindheit, die viele ihrer Eigenschaften geprägt hat, die sie an ihre Tochter weitergegeben hat. Ich mochte Vescolis unaufgeregten Schreibstil und die Introspektion in den einzelnen Kapiteln. Zu Beginn fand ich den Einstieg etwas schwierig, die Zeitebenen springen teilweise ein bisschen und stellenweise fiel es mir schwer komplett in die Geschichte bzw zu den Figuren zu finden. Dennoch fand ich es interessant, zu lesen, wie das Schreiben Vescoli geholfen hat ihren Verlust zu verarbeiten und ihre Mutter im Nachhinein besser zu verstehen. Das aufwachsen unter harten Bedingungen hat das Leben ihrer Mutter nachhaltig geprägt, so dass sie sich immer zurück genommen hat. Eine Eigenschaft des Kleinmachens, die sie dann an ihre Tochter weitergeben hat. Mutternichts ist ein kurzweiliger, interessanter und vielschichtiger Roman, der die Beziehung von Mutter und Tochter beleuchtet.

Bewertung vom 25.03.2024
Nachbarn
Oliver, Diane

Nachbarn


sehr gut

"Nachbarn" ist eine Sammlung von Geschichten. Von Geschichten, die vom Leben Schwarzer Menschen in den 50ern und 60ern in Amerika erzählt. Es geht um Segregation, Rassismus, Sklaverei und soziale Ungleichheit. Diane Oliver schafft es, durch die verschiedenen Perspektiven der Protagonist*innen der Storys all diese Themen anschaulich zu vermitteln. Die Sprache der Übersetzung ist einfach und leicht zu lesen, aber schafft es dennoch die Nuancen der Lebensrealtitäten sehr gut abzubilden. Obwohl die einzelnen Geschichten teilweise vor mehreren Jahrzehnten veröffentlich wurden, sind einige der Themen traurigerweise immer noch aktuell und können in aktuelle Diskurse über Rassismus eingebettet werden. Diane Oliver wirft ein Spotlight auf Menschen, die mir vor der Lektüre des Buches wohl fremd geblieben wären. Eine große Empfehlung, die neben dem Aspekt, dass man eine Menge lernt auch unterhaltsam zu lesen ist.

Bewertung vom 26.12.2023
Diamantnächte
Rød-Larsen, Hilde

Diamantnächte


sehr gut

Agnetes Leben folgt dem immer gleichen Muster. Ihre Tage sind eingespielt, sie arbeitet und lebt mit ihrem zweiten Mann und ihrer Tochter zusammen. Doch irgendwann fallen Agnete die Haare aus - ein eindeutiges Signal, das etwas nicht stimmt. Woran das liegt? Das versucht sie herauszufinden, indem sie ihre Vergangenheit erforscht und sich dazu entschließt, ihre Geschichte zu erzählen. Währende des Lesens von „Diamantnächte“ erfährt man von Agnetes Vergangenheit, ihrem Studium in London und von ihrem Verlangen gesehen zu werden. Sie fängt eine Affäre mit einem Mann an, fühlt sich gesehen, wird von ihm aber ausgenutzt. Die Affäre entwickelt sich zu eine Abhängigkeit.
Die Handlung in Hilde-Rod Larsens Roman ist nicht immer einfach zu verfolgen. Im Text selbst dissoziiert sich die Ich-Erzählerin von sich selbst, die Erzählperspektive wechselt und es wird schwer nachzuvollziehen, wer gerade spricht. Dennoch bearbeite Larsen mit ihrem Roman wichtige Themen wie Selbstbestimmung, Abhängigkeit, Missbrauch und Einsamkeit.

Bewertung vom 30.09.2023
Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne
Scherzant, Sina

Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne


ausgezeichnet

Katha hat gelernt sich anzupassen - an ihre Familie, ihre Freunde, an ihre ganze Umgebung. Damit es anderen gut geht, hat sie ihr Leben lang gelernt sich selbst klein zu halten, nicht aufzufallen. Nachdem sie nach der Scheidung ihrer Eltern mit ihrer Mutter und Schwester umzieht, lernt sie Angelica kennen. Schnell wird sie für Katha so etwas wie einer Ersatz-Mutter. Als sie schwer krank wird, ändert sich für Katha alles.
Ich habe selten ein Buch gelesen, das so sehr mit mir resoniert hat wie der Roman von Sina Sherzant. Vielleicht wissen viele, wie es ist ein People Pleaser zu sein und sich selbst immer hinter andere zu stellen, aber Sina Sherzant bringt es in "Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne" mit schlauen Beobachtungen auf den Punkt. Dazu kommt das Setting im Jahrhundertsommer 2003 und die Parts zum Aufwachsen in den 2000ern. Auch wenn der zweite Part des Buches durch die eher assoziativen Gedankengänge ein bisschen langatmiger ist, bildet der dritte Teil einen tollen Abschluss. Dazu kommt das wunderschöne Cover und wir haben ein 5-Sterne-Komplettpaket.
Sina Sherzants hat mich zum Nachdenken, zum Lachen, zum Erinnern gebracht. Er hat mich traurig gemacht und mich gleichzeitig aufgeheitert. Definitiv eines meiner Jahreshighlights!

Bewertung vom 16.09.2023
Die Lügnerin
Karig, Friedemann

Die Lügnerin


sehr gut

Clara Konrad lügt. Sie lügt so gut, dass ihre Lügen Wirklichkeit werden. Zumindest ist das die Geschichte, die sie in einer Privatklinik mitten in den Bergen ihrer Therapeutin erzählt. Clara erzählt von ihrer Arbeit als Wahrsagerin, von Kundinnen, deren Vorhersagen genau so eintrafen, wie Clara sie prophezeit hat. Mit der Zeit beginnt Claras Therapeutin zu zweifeln. Kann sie einer Patientien trauen, deren Name schon eine Lüge ist?
Friedemann Karig hat einen vielschichtigen Roman geschaffe, der so viele Ebenen hat, dass es teilweise schwer ist den Überblick zu behalten. Beim Lesen habe ich immer wieder festgestellt, dass manche Aspekte erst später im Buch klar werden; ich habe öfter zurückgeblätter, um andere Dinge besser zu verstehen. Und es ist gerade diese Vielschichtigkeit des Romans, die mich begeistert hat, die einen Aspekt von Detektivgeschichte einfließen lässt. Ich habe die ganze Zeit selbst überlegt, ob ich Clara traue, welche Lügen ihre Identität konstruieren und ob ich dem Roman an sich trauen kann. Dazu hat Friedemann Karig so detailierte Beschreibungen von Identität, Eigen- und Fremdwahrnehmung und Narrativen der Gesellschaft einfließen lassen, dass ich viele Stellen im Buch markiert habe.
Auch wenn mir dann am Ende zu schnell zu viel passiert ist und man nach dem Lesen wirklich ein wenig ratlos zurückbleibt, hat mir das Buch wirklich sehr viel Spaß gemacht und hat noch eine Weile nachgewirkt. Der Roman erzählt auf jeden Fall eine Geschichte, wie ich sie sonst noch nicht gelesen habe - klare Empfehlung.

Bewertung vom 25.07.2023
Nachts erzähle ich dir alles
Landsteiner, Anika

Nachts erzähle ich dir alles


ausgezeichnet

Léa flieht nach Südfrankreich, um ihr eigenes Leben zu vergessen, in dem gerade alles aus den Fugen geraten ist. In ihrer ersten Nacht dort trifft sie auf die 17-jährige Alice, die wenige Zeit später ums Leben kommt. Und Léa ist die Letzte, die sie lebend gesehen hat. Ein paar Tage später steht Alices Bruder Émile vor der Tür - mit vielen Fragen und dem Wunsch den Tod seiner Schwester aufzuklären. Von dem unbeschwerten Sommer, den Léa in Südfrankreich verbingen wollte, ist bald nicht mehr viel übrig, denn Émiles und Léas verflechten sich immer weiter miteinander.
Der Klappentext klingt wie ein typischer Roman einer Sommerromanze in Südfrankreich. Und irgendwie ist er das auch - zumindest zu einem kleinen Teil. Es gibt eine Liebengeschichte, die Anika Landsteiner herzzerreißens schön beschreibt. Aber es gibt eben auch Fragen, die Angst sich zu verlieben, den Alltag abseits des Urlaubs und den Tod von Émiles Schwester, der im Raum steht. Ich mochte es sehr, dass Landsteiner drei Frauenfiguren den Großteil des Romans in den Mittelpunkt stellt. So gibt es neben Léa auch noch ihre Mutter und deren beste Freundin Claire, über dessen Kindheit man auch einiges erfährt.
"Nachts erzähle ich dir alles" hat mich nach an die südfranzözische Küste und nach Paris entführt, ein Kurzurlaub in Romanform. Ich fand die Charaktere authentisch und sympathisch, ich habe mit ihnen mitgefiebert und besonders Léas Probleme sehr gut verstanden. Anika Landsteiners Roman ist also vieles in einem: eine Liebesgeschichte, eine Geschichte über Familien, die nicht immer intakt sein müssen, eine Geschichte über Verlust, eine Geschichte übers Weglaufen und eine Geschichte übers zu sich selbst finden - und das alles verpackt im Sommer.