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Sophie95

Bewertungen

Insgesamt 37 Bewertungen
Bewertung vom 20.08.2024
Die schönste Version
Thomas, Ruth-Maria

Die schönste Version


ausgezeichnet

Jella und Yannick sind ineinander verliebt - so scheint es zumindest noch im ersten Kapitel von Ruth Maria Thomas Roman "Die schönste Version". Der Cut zum zweiten Kapitel trifft einen nochmal viel härter, nachdem Thomas diese schöne, fast schon zu perfekte Szene zwischen dem Paar im ersten Kapitel beschrieben hat. Denn jetzt ist Jella bei der Polizei - um Jannick wegen körperlicher Gewalt anzuzeigen.
Thomas hat mich mit ihrer unglaublich schönen und präzisen Sprache durch die Geschichte getragen. Sie beschönigt nichts, alles ist roh und nahbar und in einigen Momenten unfassbar traurig. Im Verlauf der Geschichte wird die Beziehung zwischen Jella und Yannick aufgedröselt, vom ersten Kennenlernen zur echten richtigen Beziehung für Jella, der ersten Liebe. Yannick ist der erste Mann, dem sie sich öffnen kann. Und trotzdem gibt es einen Kipppunkt, der die Beziehung der beiden ins toxische umschlagen lässt. Dabei geht es nicht nur um körperliche Gewalt, sondern auch um das Gefühl nicht man selbst zu sein, sich zu verstellen, gefangen zu sein. Ruth Maria Thomas beschreibt Jellas Aufwachsen, das ein Aufwachsen als junges Mädchen und Frau in Ostdeutschland ist, die ersten Male, der erste Sex, die ersten Erfahrungen mit Männern.
"Die schönste Version" hat mich berührt, auch wenn der Roman seine Botschaft nicht herausschreit. Das Buch wirkt nach - und ist definitv eines meiner Jahreshighlights!

Bewertung vom 08.07.2024
VIEWS
Kling, Marc-Uwe

VIEWS


sehr gut

Ausgerechnet bei einem Date sieht BKA-Kommissarin Yasira Saad das verstörend brutale Video der 16-jährigen Lena zum ersten Mal. Die junge Frau ist ein paar Tag zuvor verschwunden. Jetzt stellt sich die Frage: Wo ist Lena? Und wer hat ihr die schreckliche Tat aus dem Video angetan? Für Yasira beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, der sowohl sie, als auch ihre Tochter in Gefahr bringt.
Marc-Uwe Kling schafft es in seinem neuen Krimi die aktuellen gesellschaftliche Debatte um Soziale Medien, Deepfakes, Aufmerksamkeitssuche und Selbstdarstellung perfekt für seine Zwecke zu nutzen. Das Hörbuch, von Kling selbst eingelesen, ist durchgehend spannend, die knapp sechs Stunden vergehen wie im Flug während man fast atemlos darauf wartet, endlich zu erfahren, wer Lena entführt hat. Was sich über die gesamt Hörbuch-Zeit so schön aufbaut endet dann in einem guten, aber irgendwie auch ein wenig unnötig zugespitztem, Plot-Twist. Vor allem in der letzten Viertelstunde passiert noch einmal so viel, dass ich mich frage, warum ausgerechnet das Ende so schrecklich und dicht ausfallen musste. Für mich hat gerade das Ende das Leseerlebnis noch einmal getrübt. Für mich hat sich außerdem die Frage gestellt, ob Kling als Mann in der Perspektive einer Frau schreiben muss und dabei vor allem auch ihre Sicht eines sexuellen Übergriffs. Das hinterlässt bei mir einen komischen Beigeschmack.
Dennoch fand ich das Hörbuch spannend und kurzweilig und kann es, trotz des abruptem Ende, empfehlen.

Bewertung vom 01.07.2024
Und alle so still
Fallwickl, Mareike

Und alle so still


sehr gut

Frauen liegen im stillen Protest auf der Straße - das ist das Setting in Mareike Fallwickls neuem Roman "Und alle so still". Ich war ein sehr großer Fan von "Die Wut, die bleibt", fand dass das Thema der Care-Arbeit und die Belastung der Frauen super aufgegriffen und emotional verpackt wurde. Auch Mareike Fallwickls zweiter Roman, hat mich unterhalten, mich mit dem Thema der Pflege und Menschen mit Behinderung auseinandergesetzt, das ich aus einigen Blickwinkeln noch nicht beleuchtet hatte. Dennoch bin ich mit einer der Hauptfiguren dieses Mal nicht warm geworden, die einzelnen Handlungen sind für mich nicht so schön ineinandergeflossen und haben ein großes ganzes Ergeben. Teilweise waren mir die Dinge, die Mareike Fallwickl vermitteln wollte an einigen Stelln zu dogmatisch, zu gewollt und zu konstruiert. Dennoch fand ich, dass auch "Und alle so still" ein starker Roman über wichtige Themen ist und definitiv eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 01.07.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


ausgezeichnet

Nachdem in Caroline Wahls Debütroman "22 Bahnen" eine Überdosis von Ida und Tildas Mutter den Höhepunkt bildete, beginnt "Windstärke 17" zwei Monate nach deren Tod. Ida flüchtet aus der Kleinstadt nach Norddeutschland, setzt sich in einen Zug und will so weit wie möglich weg. Sie landet in Rügen, fängt dort an, in einer Bar, der "Robbe", zu arbeiten, lernt deren Besitzer Knut kennen und wenig später dessen Frau Marianne. Beide avancieren schnell zu so etwas wie Ersatzeltern für Ida, die immer noch mit dem Tod ihrer Mutter und Schuldgefühlen zu kämpfen hat. Das spiegelt sich vor allem in ihrem – wie Ida es beschreibt – "suizidalen" Verhalten, wie etwa selbst beim größten Sturm in den Wellen der Ostsee zu schwimmen. Genau dieses Verhalten eskaliert in dem Moment, als alles, was sie auf Rügen gefunden zu haben scheint – Geborgenheit und Stabilität – auseinanderzubrechen droht. Genau wie "22 Bahnen" ist Carolines zweiter Roman nah an der Hauptfigur. Ida erzählt aus der Ich-Perspektive, es scheint, als könne man direkt in ihren Kopf schauen. So erlebt man ihre Entwicklung hautnah mit: Von einer jungen verschlossenen Frau, die mit Panikattacken kämpft und der es schwerfällt, zu vertrauen, hin zu jemandem, der lernt, Liebe und Hilfe zuzulassen. Mal wieder ein Highlight!

Bewertung vom 26.03.2024
Yellowface
Kuang, R. F.

Yellowface


sehr gut

Ich habe Yellowface Ende letzten Jahres bereits auf Englisch gelesen. Was soll ich sagen: der Roman hat mich fanatisiert. Spannend und unangenehm zu lesen zu gleichen Teilen. Ich fand das Konzept des Romans, dass Juniper den Roman ihrer Kommilitonin Athena nach deren Tod unter ihrem Namen veröffentlich super. RF Kuang hat es sehr gut geschafft das Thema Cancel Culture, Rassismus und White Privilige unterzubringen. Da der Roman aus Junipers Sicht in der ersten Person erzählt, war die Lektüre stellenweise sehr unangenehm, weil mich Juniper stellenweise super aufgeregt hat. Aber wahrscheinlich ist das auch genau der Effekt, den Kuang erreichen wollte. Yellowface ist auf jeden Fall ein sehr spannendes, kurzweiliges Buch, dass mich zum Nachdenken über das Verlagswesen und Rassismuserfahrungen in dieser Branche angeregt hat.

Bewertung vom 25.03.2024
Mutternichts
Vescoli, Christine

Mutternichts


gut

In Mutternichts erzählt Christine Vescoli die Geschichte ihrer Mutter, nachdem diese gestorben ist. Sie geht zurück bis in ihre Kindheit, die viele ihrer Eigenschaften geprägt hat, die sie an ihre Tochter weitergegeben hat. Ich mochte Vescolis unaufgeregten Schreibstil und die Introspektion in den einzelnen Kapiteln. Zu Beginn fand ich den Einstieg etwas schwierig, die Zeitebenen springen teilweise ein bisschen und stellenweise fiel es mir schwer komplett in die Geschichte bzw zu den Figuren zu finden. Dennoch fand ich es interessant, zu lesen, wie das Schreiben Vescoli geholfen hat ihren Verlust zu verarbeiten und ihre Mutter im Nachhinein besser zu verstehen. Das aufwachsen unter harten Bedingungen hat das Leben ihrer Mutter nachhaltig geprägt, so dass sie sich immer zurück genommen hat. Eine Eigenschaft des Kleinmachens, die sie dann an ihre Tochter weitergeben hat. Mutternichts ist ein kurzweiliger, interessanter und vielschichtiger Roman, der die Beziehung von Mutter und Tochter beleuchtet.

Bewertung vom 25.03.2024
Nachbarn
Oliver, Diane

Nachbarn


sehr gut

"Nachbarn" ist eine Sammlung von Geschichten. Von Geschichten, die vom Leben Schwarzer Menschen in den 50ern und 60ern in Amerika erzählt. Es geht um Segregation, Rassismus, Sklaverei und soziale Ungleichheit. Diane Oliver schafft es, durch die verschiedenen Perspektiven der Protagonist*innen der Storys all diese Themen anschaulich zu vermitteln. Die Sprache der Übersetzung ist einfach und leicht zu lesen, aber schafft es dennoch die Nuancen der Lebensrealtitäten sehr gut abzubilden. Obwohl die einzelnen Geschichten teilweise vor mehreren Jahrzehnten veröffentlich wurden, sind einige der Themen traurigerweise immer noch aktuell und können in aktuelle Diskurse über Rassismus eingebettet werden. Diane Oliver wirft ein Spotlight auf Menschen, die mir vor der Lektüre des Buches wohl fremd geblieben wären. Eine große Empfehlung, die neben dem Aspekt, dass man eine Menge lernt auch unterhaltsam zu lesen ist.

Bewertung vom 26.12.2023
Diamantnächte
Rød-Larsen, Hilde

Diamantnächte


sehr gut

Agnetes Leben folgt dem immer gleichen Muster. Ihre Tage sind eingespielt, sie arbeitet und lebt mit ihrem zweiten Mann und ihrer Tochter zusammen. Doch irgendwann fallen Agnete die Haare aus - ein eindeutiges Signal, das etwas nicht stimmt. Woran das liegt? Das versucht sie herauszufinden, indem sie ihre Vergangenheit erforscht und sich dazu entschließt, ihre Geschichte zu erzählen. Währende des Lesens von „Diamantnächte“ erfährt man von Agnetes Vergangenheit, ihrem Studium in London und von ihrem Verlangen gesehen zu werden. Sie fängt eine Affäre mit einem Mann an, fühlt sich gesehen, wird von ihm aber ausgenutzt. Die Affäre entwickelt sich zu eine Abhängigkeit.
Die Handlung in Hilde-Rod Larsens Roman ist nicht immer einfach zu verfolgen. Im Text selbst dissoziiert sich die Ich-Erzählerin von sich selbst, die Erzählperspektive wechselt und es wird schwer nachzuvollziehen, wer gerade spricht. Dennoch bearbeite Larsen mit ihrem Roman wichtige Themen wie Selbstbestimmung, Abhängigkeit, Missbrauch und Einsamkeit.

Bewertung vom 30.09.2023
Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne
Scherzant, Sina

Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne


ausgezeichnet

Katha hat gelernt sich anzupassen - an ihre Familie, ihre Freunde, an ihre ganze Umgebung. Damit es anderen gut geht, hat sie ihr Leben lang gelernt sich selbst klein zu halten, nicht aufzufallen. Nachdem sie nach der Scheidung ihrer Eltern mit ihrer Mutter und Schwester umzieht, lernt sie Angelica kennen. Schnell wird sie für Katha so etwas wie einer Ersatz-Mutter. Als sie schwer krank wird, ändert sich für Katha alles.
Ich habe selten ein Buch gelesen, das so sehr mit mir resoniert hat wie der Roman von Sina Sherzant. Vielleicht wissen viele, wie es ist ein People Pleaser zu sein und sich selbst immer hinter andere zu stellen, aber Sina Sherzant bringt es in "Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne" mit schlauen Beobachtungen auf den Punkt. Dazu kommt das Setting im Jahrhundertsommer 2003 und die Parts zum Aufwachsen in den 2000ern. Auch wenn der zweite Part des Buches durch die eher assoziativen Gedankengänge ein bisschen langatmiger ist, bildet der dritte Teil einen tollen Abschluss. Dazu kommt das wunderschöne Cover und wir haben ein 5-Sterne-Komplettpaket.
Sina Sherzants hat mich zum Nachdenken, zum Lachen, zum Erinnern gebracht. Er hat mich traurig gemacht und mich gleichzeitig aufgeheitert. Definitiv eines meiner Jahreshighlights!

Bewertung vom 16.09.2023
Die Lügnerin
Karig, Friedemann

Die Lügnerin


sehr gut

Clara Konrad lügt. Sie lügt so gut, dass ihre Lügen Wirklichkeit werden. Zumindest ist das die Geschichte, die sie in einer Privatklinik mitten in den Bergen ihrer Therapeutin erzählt. Clara erzählt von ihrer Arbeit als Wahrsagerin, von Kundinnen, deren Vorhersagen genau so eintrafen, wie Clara sie prophezeit hat. Mit der Zeit beginnt Claras Therapeutin zu zweifeln. Kann sie einer Patientien trauen, deren Name schon eine Lüge ist?
Friedemann Karig hat einen vielschichtigen Roman geschaffe, der so viele Ebenen hat, dass es teilweise schwer ist den Überblick zu behalten. Beim Lesen habe ich immer wieder festgestellt, dass manche Aspekte erst später im Buch klar werden; ich habe öfter zurückgeblätter, um andere Dinge besser zu verstehen. Und es ist gerade diese Vielschichtigkeit des Romans, die mich begeistert hat, die einen Aspekt von Detektivgeschichte einfließen lässt. Ich habe die ganze Zeit selbst überlegt, ob ich Clara traue, welche Lügen ihre Identität konstruieren und ob ich dem Roman an sich trauen kann. Dazu hat Friedemann Karig so detailierte Beschreibungen von Identität, Eigen- und Fremdwahrnehmung und Narrativen der Gesellschaft einfließen lassen, dass ich viele Stellen im Buch markiert habe.
Auch wenn mir dann am Ende zu schnell zu viel passiert ist und man nach dem Lesen wirklich ein wenig ratlos zurückbleibt, hat mir das Buch wirklich sehr viel Spaß gemacht und hat noch eine Weile nachgewirkt. Der Roman erzählt auf jeden Fall eine Geschichte, wie ich sie sonst noch nicht gelesen habe - klare Empfehlung.