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Benutzername: 
takabayashi
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Berlin
Über mich: 
Vielleser

Bewertungen

Insgesamt 158 Bewertungen
Bewertung vom 29.03.2025
Die Kurve
Schmidt, Dirk

Die Kurve


weniger gut

Gewollt und nicht gekonnt

Mit diesem angeblichen Krimi konnte ich so gar nichts anfangen. Vielleicht auch besonders, weil ich vorher gerade mit Begeisterung SKIN CITY von Johannes Groschupf gelesen hatte. Der macht vor, wie es richtig geht. Das Titelbild und die Leseprobe fand ich recht vielversprechend, die Dialoge erinnerten mich zunächst sogar an die Sprache von Groschupf. Irgendwie cool, lässig und schnoddrig. Doch das täuschte, die Dialoge wurden immer kryptischer, zwar flüssig zu lesen, aber irgendwie nichtssagend, geprägt von gewollter Coolness.
Carl, ehemals Sozialarbeiter und Leiter eines Jugendzentrums in Herne – der titelgebenden Kurve, einer umgewidmeten ehemaligen Tankstelle – hat irgendwann einen kriminellen Weg eingeschlagen: er leitet eine Agentur für kriminelle Dienstleistungen, seine Angestellten hat er aus dem Kreis seiner ehemaligen Schutzbefohlenen rekrutiert, die alle ihre besonderen Talente einbringen können. Abgesehen davon, dass alle Beteiligten moralisch eher „sehr elastisch“ sind, konnte ich in den vielen kurzen Kapiteln keine wirkliche Krimihandlung erkennen und konnte mir keinen Reim darauf machen, was der Autor uns damit sagen will. Es geht eigentlich mehr um die Geschichten der einzelnen Figuren aus Carls Dunstkreis, aber auch da werden nur zu wenige Informationen gegeben, um die Charaktere wirklich zu verstehen. Die Schreibweise ist zwar flott und gut und schnell lesbar, aber eine zusammenhängende Geschichte entsteht nicht aus den einzelnen Vignetten, auch wenn sie teilweise recht unterhaltsam sind.

Bewertung vom 15.03.2025
Skin City
Groschupf, Johannes

Skin City


ausgezeichnet

Wieder ein "Berlin Noir" mit Sogwirkung!

Wie immer bei den Berlin Noirs von Johann Groschupf (2 davon hatte ich schon gelesen), hat mich der Schreibstil sofort in seinen Bann gezogen und mitgerissen. Normale Thriller sind das nicht, die würde ich auch gar nicht lesen wollen. Die Sprache ist hart und schnörkellos, die Figuren sind vielschichtig und interessant. Der Autor führt uns in die unterschiedlichsten Milieus, wir lernen die 3 Hauptfiguren, ihr Umfeld und ihre Geschichten kennen und die Verbindung zwischen diesen Handlungssträngen, die sich erst allmählich erschließt. Koba ist ein junger Georgier mit geschickten Händen, der mit 2 Kollegen zusammen für eine organisierte Einbrecherbande Einfamilienhäuser und Villen am Stadtrand ausräumt; Jacques „Jacke“ Lippold, gerade aus dem Knast gekommen, ist eher ein „Edelbetrüger“, der sich an die Berliner Kunstszene heranwanzt; Romina Winter, Kriminalbeamtin aus einer Roma-Familie, die sich hochgekämpft hat, aber doch sehr geprägt ist von ihrer Herkunft. Bei ihrer Figur hat der Autor für meinen Geschmack allerdings etwas zu sehr in die Klischee-Kiste gegriffen!
Die Handlung entwickelt sich rasant und spannend, aber folgt dabei nicht den Handlungsmustern eines üblichen Thrillers, Groschupf schreibt sehr viel literarischer, bleibt dabei jedoch immer „unputdownable“. Viel Berliner Lokalkolorit, viel Atmosphäre, unerwartete Wendungen und ein Schluss, der haarscharf am Kitsch vorbeischrammt. Trotz kleinerer Kritikpunkte (Klischeehaftigkeit von Rominas Figur) hat mich dieser ungewöhnliche Krimi wieder vollkommen begeistert und ich empfehle ihn allen, die einen intelligenten Krimi mit Tiefgang zu schätzen wissen.

Bewertung vom 09.03.2025
Campion. Tödliches Erbe
Allingham, Margery

Campion. Tödliches Erbe


ausgezeichnet

Herrlich - Englischer Krimi-Klassiker ganz nach meinem Geschmack!

Ich hatte früher schon mal einige Bücher von Margery Allingham aus der legendären schwarz-gelben Diogenes Krimi-Reihe gelesen, und erinnere mich, dass sie mir gut gefallen haben. Aus der Albert Campion Serie war aber glaube ich noch keiner dabei.
Dieser unauffällige junge Mann, der, wenn er es darauf anlegt, sehr einfältig aussehen kann, wird demzufolge häufig unterschätzt (ähnlich wie in den 70er Jahren Colombo), ist aber ein Spitzendetektiv.
Es geschieht zwar auch ein Mord, aber hauptsächlich geht es darum, den Diebstahl eines goldenen Kelches zu verhindern, den die adlige Familie Gyrth seit ewigen Zeiten im Auftrag der Krone aufbewahrt. Die Geschichte spielt in den 30er Jahren und ist gewürzt mit Ironie, schwarzem Humor, interessanten, teils recht pittoresken Gestalten, und einem spannenden Plot. Es geht etwas langsamer zu, als in modernen Krimis, der Ermittler gebraucht nur sein Hirn und keinen technischen Schnickschnack, verfügt aber tatsächlich über ein enormes Netzwerk an Kontakten, von (Klein-)Kriminellen über Zigeuner bis hin zum Hochadel.
So schnell habe ich lange kein Buch mehr durchgelesen, die Autorin gehört nicht grundlos zu den britischen Queens of Crime des sogenannten Goldenen Zeitalters (zusammen mit Agatha Christie, Dorothy Sayer und Ngaio Marsh): der Roman ist spannend und amüsant, und ich kann ihn - zumindest an Liebhaber klassischer englischer Krimis - uneingeschränkt weiterempfehlen. Ich freue mich auf weitere Neuauflagen!

Bewertung vom 03.03.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


ausgezeichnet

Gut gegen trübes Winterwetter

Nach seinem sehr berührenden und deutlich ernsteren, gesellschaftskritischen Roman „Die spürst du nicht“ hier nun wieder ein „typischer“ Glattauer, der mich vom Schreibstil her sehr an „Gut gegen Nordwind“ erinnert hat.
Schon der Titel ist herrlich doppeldeutig, denn nicht nur sitzen die beiden Protagonisten zusammen in einem Zugabteil auf der Strecke von Wien nach München , sondern es passiert auch etwas „in einem Zug“ (im Sinne von: ein Glas in einem Zug austrinken, eine Arbeit in einem Zug – ohne Unterbrechung - beenden), das ich jedoch hier nicht spoilern möchte.
Der Erzähler ist ein Liebesromanautor eher späten, mittleren Alters, der seit vielen Jahren nichts mehr veröffentlicht hat. Er befindet sich auf dem Weg zu einer Krisensitzung bei seinem Verlag in München. Ihm schräg gegenüber sitzt eine Frau frühen mittleren Alters, die ihn – wie von ihm befürchtet – in ein Gespräch verwickelt, ihn aber (leider? Oder gottseidank?) nicht kennt, bzw. nicht als berühmten Schriftsteller erkennt. Die Frau ist Psychologin, dezidierte Gegnerin von Langzeitbeziehungen, und fragt ihn, nachdem er sich als erfolgreicher Autor und seit langem glücklich verheirateter Mann geoutet hat, über seine Beziehung zu seiner Ehefrau aus.
Bis auf eine kurze Unterbrechung durch einen zugestiegenen Italiener, bleiben die beiden allein in ihrem Abteil. Das Gespräch wird immer intimer, manchmal möchte der Autor es abbrechen, lässt sich aber, von mehreren Minifläschchen Rotwein beflügelt, doch weiter darauf ein.
Berichtet wird das alles aus der Perspektive des Autors und unwillkürlich fragt man sich, ob und wie weit er wohl ein alter Ego von Daniel Glattauer ist? Nicht nur berichtet er den Gesprächsverlauf, sondern vor allem auch alles, was ihm selbst während dieser Zugfahrt, während dieses Gespräches so durch den Kopf geht.
Die Dialoge sind raffiniert, witzig und durchaus tiefsinnig, seine Gedanken voller Selbstironie. Am Ende gibt es dann noch eine sehr gelungene, unvorhersehbare Wendung.
Ich fand diesen kurzen Roman wieder brillant, sehr unterhaltsam, warmherzig und auch spannend, obwohl nur wenig passiert. Was mir an Glattauers Romanen besonders gefällt sind seine Raffinesse, seine Wortgewandtheit, sein Humor, und mit welcher Treffsicherheit er den Zeitgeist widerspiegelt. Und da bin ich bei diesem Roman wieder voll auf meine Kosten gekommen!

Bewertung vom 27.02.2025
Für Polina
Würger, Takis

Für Polina


sehr gut

Liebe und Musik

Hannes wächst mit seiner alleinerziehenden Mutter Fritzi auf, die es geschafft hat, ihm ein Heim in einer liebevollen Umgebung zu erschaffen.
Sie wohnt mit ihm bei dem ca. 60jährigen Heinrich, der als eine Art Verwalter in einer etwas heruntergekommenen Villa im Moor lebt. Außerdem sind auch noch Fritzis türkische Freundin Günes und ihre Tochter Polina dort, Hannes und Polina wachsen zusammen auf in dieser Wahlfamilie.
Hannes ist die Hauptfigur des Romans, er ist ein introvertierter, schmächtiger Junge mit leicht autistischen Zügen, der ziemlich früh seine Liebe zur Musik entdeckt und auch seine musikalische Begabung. Im Grunde genommen kommuniziert er am besten über die Musik mit der Außenwelt.
Doch nach dem frühen Tod seiner Mutter und dem Verschwinden von Polina aus seinem Lebensumfeld verbannt er die Musik erst einmal aus seinem Leben, arbeitet für ein Klaviertransportunternehmen und gewinnt dort in seinem Kollegen Bosch einen neuen, treuen Freund.
Hannes erkennt, dass Polina nicht nur seine beste Freundin, sondern auch die Liebe seines Lebens ist und wendet sich doch wieder der Musik zu, wird ein gefragter und berühmter Pianist und hofft, über die Musik den Kontakt zu Polina wieder herzustellen.
Würger beschreibt einfühlsam, jedoch mit nüchternen Worten, den Lebensweg dieses ungewöhnlichen jungen Mannes und seine melancholische Liebesgeschichte mit Polina. Seine Themen sind Freundschaft, Liebe und Verlust. Auch die Menschen , die Hannes umgeben, skizziert er liebevoll und erweckt sie zum Leben. Nur über Polina hätte ich gern mehr gewusst, sie bleibt für mich genauso rätselhaft wie für Hannes.
Die ersten zwei Drittel des Romans habe ich mit Vergnügen, Begeisterung und Anteilnahme gelesen, doch das letzte Drittel hat mich nicht so überzeugt. Im Gegensatz zur zwar komprimierten aber doch langsamen Erzählweise am Anfang, überschlagen sich zum Ende hin die Ereignisse und vor allem wirkt das Geschehen nun etwas klischeehaft.
Eigentlich eine wunderbare Geschichte, bevölkert mit liebenswerten Charakteren, die aber zum Ende hin etwas nachlässt.

Bewertung vom 11.02.2025
Erschütterung
Everett, Percival

Erschütterung


ausgezeichnet

Was tut man nicht alles, um mit einem Schicksalsschlag klarzukommen

Der Geologe und Paläontologe Zach Wells hat sich in seiner Welt als schwarzer Uniprofessor an einem kalifornischen College mehr oder weniger gut eingerichtet. Seine Frau, eine Literaturwissenschaftlerin und Dichterin, unterrichtet ebenfalls am College. Sie leben irgendwie nebeneinander her, aber die gemeinsame 12jährige Tochter Sarah ist ihr ein und alles.
Dann passiert etwas Schreckliches: bei Sarah wird ein Gen-Defizit diagnostiziert, gegen den man noch kein Mittel hat, unheilbar! Sie wird binnen kürzester Zeit verfallen, dement werden und dann sterben. Das trifft Zach bis ins Mark. Er macht weiter wie bisher, ist aber nicht so recht bei der Sache.
Bei einem Ebay-Kauf, einer Jacke, findet sich in einer Jackentasche ein kleiner Zettel auf dem in Spanisch um Hilfe gebeten wird. Um sich von seinem Schmerz abzulenken bestellt er noch ein Hemd vom selben Anbieter und findet wieder einen solchen Zettel. Er findet heraus, woher die Pakete kommen und fährt dann nach New Mexiko. Dort stellt er fest, dass eine Gruppe von Frauen dort wie Sklaven festgehalten und zur Arbeit gezwungen werden. Er fasst den Entschluss ihnen zu helfen.
Eigentlich ist diese Geschichte todtraurig, wird jedoch in einem fast launigen Ton dargestellt. Der Autor schreibt gut, ist gut lesbar, doch sind mir die Protagonisten dieses Romans, speziell Zach Wells nie wirklich nahe gekommen. Ich konnte seine Handlungen und seine Verhaltensweisen nicht nachvollziehen. Ich begann mit Vergnügen zu lesen, doch dann wurde Zach mir immer rätselhafter. Gestört haben mich Einschübe von Texten aus Zachs Berufsleben, Funde von versteinerten Tieren aus längst vergangenen Zeiten aus einer Höhle. Diese Textschnipsel standen für mich in keinerlei Zusammenhang mit der Geschichte und trugen nicht zur fortlaufenden Handlung bei. Ich empfand sie als sinnlos. Später folgten noch andere kurze Texte, die mir unverständlich waren.
Letzten Endes konnte ich mit diesem Roman nicht so viel anfangen, er hat nicht meinen Nerv getroffen und hat mich ein wenig enttäuscht. So ist das manchmal, eine ganz persönliche Sache: Ich habe zu diesem Buch keinen wirklichen Zugang gefunden!

Bewertung vom 11.02.2025
Kohle, Stahl und Mord: Das 13. Opfer
Conrath, Martin

Kohle, Stahl und Mord: Das 13. Opfer


sehr gut

Mord untertage

Eine wirklich neue und außergewöhnliche Kulisse für einen Krimi und eine Lektüre, bei der ich viel Neues erfahren habe über die Welt der Bergarbeiter, eine mir völlig unbekannte Welt. Gleich zu Beginn schildert der Autor eindrücklich eine Fahrt hinunter ins Bergwerk und wie sich die Protagonisten dabei fühlen. Ein relativer Neuling und ein „alter Hase“ fahren in die Tiefe, um die Elektrik zu prüfen, denn ein Teil des alten Bergwerks soll demnächst als Museum eröffnet werden. Unten angekommen, gibt es ein kleines Beben im Berg, die Geröllmassen geraten in Bewegung und plötzlich finden die beiden menschliche Überreste. Der Ältere, Werner, war damals dabei, als vor 34 Jahren 12 Bergleute verschüttet wurden. Jetzt werden Knochen und Schädel von 13 Personen gefunden. Wer ist das dreizehnte Opfer? Schnell kristallisiert sich heraus, dass damals auch ein Mann verschwunden ist, der viele der Kumpel um ihr hart verdientes Geld betrogen hat, indem er ihnen Anlagen mit angeblich hoher Rendite angedreht hat. Ist er das dreizehnte Opfer? Aber wie ist er in den Stollen gekommen?

Es ermitteln hauptsächlich die Hauptkommissarin Elin Akay und die forensische Psychiaterin Jana Fäller, beides Töchter aus Bergarbeiterfamilien.

Der Autor arbeitet mit ständigem Perspektivwechsel, d.h. unterschiedliche Personen berichten aus ihrem persönlichen Blickwinkel über die Geschehnisse. Ein sehr gelungenes Stilmittel, genau wie der Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit: dadurch wirkt die Geschichte sehr abwechslungsreich. In den Rückblicken aus der Sicht verschiedener Beteiligter entsteht ein sehr anschaulicher Einblick in die damalige Katastrophe.

Da den Lesern die Informationen nur häppchenweise verabreicht werden und es auch einige „Red Herrings“ gibt, bleibt der Krimi sehr spannend und die Auflösung am Ende hat mich jedenfalls völlig überrascht, ist jedoch durchaus schlüssig.

Eine sehr vielschichtige Handlung mit vielen beteiligten Personen und durch den ständigen Perspektivwechsel sehr abwechslungsreich zu lesen. Auch die Rückblicke auf die Vorgeschichte sind sehr spannend. Ein sehr gut aufgebauter, gut lesbarer und informativer Krimi mit einer ganz besonderen Atmosphäre und vielen Einblicken ins Bergmannsmilieu.

Bewertung vom 11.02.2025
Wackelkontakt
Haas, Wolf

Wackelkontakt


ausgezeichnet

Verschachtelungen

Etwas vergleichbares habe ich noch nie gelesen, eine ganz neue Leseerfahrung, die vor allem großes Vergnügen bereitet!
Es gibt zwei Hauptfiguren: Der eine ist Franz Escher, ein alleinstehender Mann in mittleren Jahren, von Beruf Trauerredner, mit einem Faible für Puzzles und Literatur jeglicher Art über die Mafia. Der andere ist Elio Russo, ein ehemaliger Mafioso und Kronzeuge gegen einen kalabrischen Ndrangheta-Clan, der nun unter anderem Namen im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms nach Deutschland umziehen wird.
Escher hat in der Küche eine Steckdose mit Wackelkontakt und wartet auf einen Elektriker. Während er wartet, beginnt er zunächst ein neues Puzzle, kann sich aber nicht recht konzentrieren, und liest dann weiter in seinem Buch über den Kronzeugen Elio Russo, alias Marko Steiner …
Elio Russo liest auch ein Buch im Gefängnis, auf Deutsch um Deutsch zu lernen. In diesem Buch geht es um einen Mann namens Escher, der einen Wackelkontakt hat und auf den Elektriker wartet.
Und so lesen die beiden immer abwechselnd das Buch über den jeweils anderen und die Geschichte bekommt allmählich Struktur.
Dass die Hauptfigur Escher heißt, ist natürlich Programm und bezieht sich auf M.C. Escher, von dessen Bild der sich gegenseitig zeichnenden Hände Escher zum 19. Geburtstag ein Puzzle bekommen hat, womit seine Puzzle-Manie in Gang gesetzt wurde. Denn genau wie bei Eschers Bildern, in denen völlig unmögliche Konstellationen dargestellt und miteinander verschränkt werden, so verschränken sich auch die zwei Handlungsstränge, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben. Abgesehen von diesem genialen Kunstgriff ist auch der Schreibstil ausgesprochen gut lesbar und der Humor kommt bei Wolf Haas naturgemäss auch nicht zu kurz.
Die Gestaltung des Schutzumschlags ist noch lobend zu erwähnen und passt hervorragend zu der Geschichte! Alles in allem ein raffiniert konstruierter Roman, kurzweilig und doch anspruchsvoll. Ich kann mir vorstellen, dass die Grundidee dieses Buches, der leicht surreale Charakter, nicht jedermanns Sache ist, aber mich hat gerade das fasziniert und begeistert und ich kann die Lektüre uneingeschränkt empfehlen. Für mich schon jetzt ein Höhepunkt des Jahres!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.12.2024
Die blaue Stunde
Hawkins, Paula

Die blaue Stunde


gut

Atmosphärisches Drama aus dem Kunstmilieu

Ein klassischer Krimi ist das nicht, aber ein spannendes Drama aus dem Kunstmilieu, eine Charakterstudie von Menschen aus dem Umfeld der berühmten, vor einiger Zeit an Krebs verstorbenen, Malerin und Bildhauerin Vanessa Chapman. Als in einer ihrer Installationen ein menschlicher Knochen entdeckt wird, werden alte Gerüchte wieder laut, nämlich: Wo ist Vanessas Exmann, der irgendwann spurlos verschwunden ist?
Der Kurator James Becker fährt nach Eris Island, dem langjährgen, letzten Domizil von Vanessa. Dort trifft er auf die Ärztin Grace, Vanessas Freundin und Lebensgefährtin, die viel über Vanessa weiß und sich immer noch an Vanessas Erbe klammert, obwohl diese es der Galerie überschrieben hat, für die James arbeitet. James ist der Chapman-Experte schlechthin, ein sozialer Aufsteiger, der mit Helena verheiratet ist, der adligen Exfreundin des Galeristen Sebastian.
Der Roman bewegt sich also innerhalb eines komplexen Beziehungsgeflechts, in dem immer wieder dunkle Geheimnisse zum Vorschein kommen. James begibt sich auf eine spannende Spurensuche, bei der ihm Briefe und Tagebücher aus Vanessas Nachlass helfen, die Grace ihm ausgehändigt hat.
Gegen Ende ahnt man schon die Auflösung, der inzwischen auch James gefährlich nahegekommen ist.
Die Einblicke in die Welt der Kunst sind sehr Interessant und die Geschichte ist sehr stimmungsvoll und gegen Ende auch ziemlich spannend geschrieben. Ich will nichts weiter verraten, aber das Ende hat mir persönlich gar nicht gepasst. Kein wirklicher Krimi, aber doch eine spannende, dramatische Geschichte!

Bewertung vom 06.12.2024
Tee auf Windsor Castle
Parker, Claire

Tee auf Windsor Castle


gut

Ganz nett für zwischendurch beim Nachmittagstee

In diesem Romänchen (eher eine Novelle) begleiten wir die junge Schottin Kate auf einer Besichtigungstour duch Schloss Windsor, zu der sie sich von einer Freundin hat überreden lassen. Sie hält nicht viel vom Luxusleben der Royals, kommt selbst aus eher prekären Verhältnissen. Als sie sich auf der Suche nach einer Toilette in den Dienstbotenflügel verirrt, stößt sie in einer Teeküche auf eine freundliche alte Dame namens Betty, die ihr einen Tee anbietet. Kate hält Betty für eine pensionierte Palastangestellte, die ihren Lebensabend im Schloss verbringen darf. Wir als Leser sind schon vorgewarnt durch das Times-Zitat auf dem Einband: "Wir haben es immer gewusst: Sie war nie wirklich weg!", aber Kate erweist sich als relativ begriffsstutzig, selbst als die alte Dame sich verplappert und ein Zimmer als "Onkel Davids Liebesnest" bezeichnet.
Das ist eine nette Idee, aus der man mehr hätte machen können. Der Schreibstil liest sich gut, die Geschichte ist vergnüglich mit amüsanten Dialogen. Allerdings sind die Lebensweisheiten der Queen häufig eher auf dem Niveau von Kalender- oder Glückskekssprüchen. Manches, wie Bettys Bemerkungen über König Charles, ist ganz witzig, aber Kates Figur erwacht nicht wirklich zum Leben und insgesamt ist die Geschichte etwas seicht. Gutes Format für unterwegs zum Mitnehmen in der Handtasche, kann man lesen, muss man aber nicht.