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Koblenz

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Insgesamt 3 Bewertungen
Bewertung vom 03.02.2025
Die Eigensinnige
Müller, Lucca

Die Eigensinnige


gut

Die Eigensinnige – Marie von Ebner-Eschenbach und die Macht der Worte von Lucca Müller präsentiert sich mit 448 Seiten als biografischer Roman über das Leben und Schaffen der österreichischen Dramatikerin und Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach.

Der Roman ist in drei Teile unterteilt die sich unterschiedlichen Lebensphasen widmen. Im ersten Teil lernen wir die jugendliche Marie und ihre Familienverhältnisse kennen, ihre frühe Leidenschaft für das Schreiben und die Entdeckung ihrer großen Liebe. Der zweite und dritte Teil des Buches widmet sich verschiedenen Stationen der erwachsenen Marie zwischen den Jahren 1853 und 1884. Am Rande werden auch die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse der Zeit immer wieder aufgegriffen. Die Verhältnisse des Adels zum gemeinen Volk, die Rolle der Frauen, Bildungsgrade und -wege, der Antisemitismus der Zeit und technischer Fortschritt, von allem ist etwas dabei.

Gleich zu Beginn des Romans erlebt man eine Szene die eigentlich ein Höhepunkt in Maries literarischem Schaffen werden soll, doch dann entpuppt sie sich als ein Tiefpunkt. Während man sich noch fragt, was die Hintergründe sind, reist die Geschichte zurück in die Zeit von Maries Jugend, in der sie heimlich schreibt, da sich dies für Frauen nicht gehört.

Hier zeigen sich bereits die zentralen Themen der historischen Figur Marie von Ebner-Eschenbach die sich für Aufklärung und für (Bildungs)Gerechtigkeit für Frauen einsetzte und trotz aller Hürden das eigene Schreiben nie aufgab.
Leider bleiben diese Themen aber eher oberflächlich oder nebensächlich in diesem Roman, in dem es in erster Linie um die Familie und um die gesellschaftlichen Verhältnisse geht, in denen Marie von Ebner-Eschenbach sich bewegt sowie um Ihre Liebe und ihre spätere Ehe.

Wer erwartet Einblicke in das literarische Werk von Ebner-Eschenbachs zu erhalten, der könnte hier enttäuscht werden. Wer sich keine Onlineenzyklopädien und Zeitungsartikel durchlesen möchte, der findet hier einiges über Marie von Ebner-Eschenbach heraus, wer darüber hinaus mehr aus dem Leben und Schaffen der historischen Figur erfahren möchte, sollte lieber auf eine Biografie oder wissenschaftliche Arbeiten zurückgreifen.
In einem Vorwort weist Lucca Müller darauf hin, dass der Roman keinen Anspruch auf historische Wahrheit erhebt und diesen Hinweis sollte man ernst nehmen. Schon beim Lesen von Online-Artikeln über Marie von Ebner-Eschenbach kann man nämlich schnell einige historische Ereignisse und Tatsachen finden, die Lucca Müller weggelassen oder verändert hat.

Der Schreibstil in diesem Roman ist flüssig und trotz einiger historischer Begriffe, die den historischen Roman unterstreichen, sehr flüssig zu lesen. Die Einteilung in überschaubare Kapitel und Absätze tragen sehr zu einem kurzweiligen Lesefluss bei.
Während das Miteinander der Figuren und die Dialoge sehr gut geschrieben sind, fehlt es nur leider manchmal ein wenig an bildhaften Beschreibungen der Szenerie. Dies mag daher kommen, dass Lucca Müller bisher vor allem Drehbücher geschrieben hat. Etwas mehr Beschreibung wäre demnach schön aber zu viel Beschreibung kann natürlich auch manchmal ermüdend sein.

Insgesamt handelt es sich um einen kurzweiligen historischen Familienroman, aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit einigen romantischen Einschüben. Die Probleme dieser Zeit werden angerissen, rücken aber nicht allzu sehr in den Fokus und stören die Geschichte um die Liebe und Ehe der Hauptfiguren kaum. Wer sich eine intensivere Auseinandersetzung mit Marie von Ebner-Eschenbach, ihren Themen und ihrem Schaffen erhofft, der wird hier allerdings enttäuscht werden. Es ist eher ein Roman für Leser und Leserinnen leichterer historischer Romane. Um es bildhaft zu beschreiben, Fans der Serie Bridgerton wird der Roman vermutlich eher gefallen als Literatur- und Geschichtsbegeisterten.

Bewertung vom 04.12.2024
Die Frau des Serienkillers
Hunter, Alice

Die Frau des Serienkillers


sehr gut

Serienkiller im Familienidyll
Die Frau des Serienkillers von Alice Hunter, herausgegeben bei Lübbe 2024, wartet mit knapp 400 Seiten auf, die sich aber schnell und kurzweilig lesen lassen.

Der Titel des Buches ist Programm. Wir begegnen Beth, die mit Ihrem Mann Tom und ihrer Tochter Poppy unweit von London im kleinen Dorf Lower Tew wohnt. Als Tom zu spät von der Arbeit nach Hause kommt, wird er dort schon von der Polizei für eine Befragung erwartet.
Beth kann nicht verstehen was die Polizei von Tom will, aber an seiner Unschuld kommen schnell Zweifel auf. Doch wer ist ermordet worden und wann und wie und wer hat in dem kleinen Örtchen Lower Tew womöglich noch ein Verbrechen begangen? Dies erfahren wir zumeist aus der Sicht von Toms Ehefrau Beth und gelegentlich auch aus der Sicht von Tom oder in kurzen Rückblicken.
Im Dorf Lower Tew begegnen uns einige spannende Personen. Da sind die Kita Mütter, welche die Gerüchteküche anheizen, allen voran Julia. Da ist die Pub-Besitzerin Shirley Irish, der Witwer Adam und die Cafémitarbeiterin Lucy.
Wollen sie Beth beistehen, glauben sie ihr oder führen sie anderes im Schilde?

Alice Hunter schreibt sehr flüssig und in angenehm kurzen Kapiteln. Sicher trägt auch die gute Übersetzung von Rainer Schumacher dazu bei, dass man dieses Buch in einem Rutsch kann. Die Entlarvung eines Killers steht hier weniger im Vordergrund. Vielmehr geht es darum, die Tat zu ergründen und die Frage wie es dazu kam, dass ein scheinbar harmloser Familienvater verdächtigt wird. Diese Form der Erzählung bietet eine interessante neue Perspektive, die man so vielleicht vorher nicht erwartet. An manchen Stellen, wenn Beth sich wiederholt fragt, wie das Dorf reagieren wird und unter der Situation leidet, sinkt die Spannung aber diese kehrt dann doch schnell wieder zurück. Die Figurenkonstellation ist spannend aber manch eine Person aus dem Dorf hätte noch etwas mehr in Erscheinung treten oder etwas mehr Tiefe erhalten dürfen. Bei der Handlung gibt es auch ein oder zwei kleinere Lücken oder Dinge die so nicht ganz logisch oder realistisch erscheinen. Darüber kann man aber aufgrund der guten und kurzweiligen Unterhaltung aber hinwegsehen.

Insgesamt eher ein Buch für diejenigen, die gerne mal einen kurzweiligen und nicht zu blutigen Thriller lesen möchten. Für die hartgesottenen Thriller-Fans ist er dann vielleicht doch zu seicht oder vorhersehbar.
In jedem Fall ist die Geschichte so gut konstruiert und geschrieben, dass man anschließend Lust bekommt zu schauen, wie Alice Hunter die weiteren Bände aus der Reihe „Die Familie des Serienkillers“ umsetzt.

Bewertung vom 08.09.2024
Blue Sisters
Mellors, Coco

Blue Sisters


sehr gut

Blue Sisters - außergewöhnliche Schwestern
Im neuen Buch der amerikanischen Autorin Coco Mellors, wunderbar übersetzt von Lisa Kögeböhn, begegnen wir den Blue Schwestern Avery, Bonnie, Nicky und Lucky.

In einem schwierigen Verhältnis zu ihren Eltern aufgewachsen, haben sich die Schwestern gegenseitig aufgefangen und dabei hat jede ihre eigene Rolle eingenommen. Avery ist die Vernünftige, Bonnie die Starke, Nicky die Fürsorgliche und Lucky das Baby. Doch als Nicky unerwartet stirbt, gerät das Gefüge der Schwestern durcheinander.
Nach Nickys Beerdigung treibt es sie in unterschiedliche Winkel der Welt und sie versuchen fortan jede für sich, die Trauer um den Verlust von Nicky zu verarbeiten.

Aber nicht nur Nickys Tod beschäftigt die Blue Schwestern. Obwohl sie alle beruflich erfolgreich sind – Avery als Anwältin, Bonnie als prämierte Boxerin und Lucky als internationales Model – tragen alle Schwestern auch Geheimnisse mit sich.
Als ihre Eltern die Familienwohnung verkaufen wollen, in der Nicky zuletzt lebte, kommen die Schwestern wieder zusammen und müssen sich erstmals gemeinsam dem Verlust von Nicky stellen und auch ihren Geheimnissen.

Durch den eingänglichen Sprachstil und die gelungene Übersetzung wird man schnell von der Geschichte der Blue Schwestern mitgenommen. Coco Mellors gelingt es dabei überzeugend die unterschiedlichen Charaktere der Schwestern und ihre Rollen in der Familie herauszuarbeiten. Vermutlich findet hier jeder etwas, womit er sich identifizieren kann.
Obwohl sie gleich zu Beginn alle Schwestern vorstellt, erfährt man mit jedem Kapitel noch etwas mehr von ihnen und auch von Nicky und den Hintergründen ihres Todes. Dadurch gelingt es der Autorin in geschickter Weise die Spannung aufrecht zu erhalten. Zugleich sind die Charaktere so überzeugend, dass man ihnen fühlt und sie an mancher Stelle beschützen und von einer Dummheit abhalten will.

In der Handlung rund um Bonnie merkt man schnell, dass Coco Mellors eigene Bezüge zum Boxsport hat, denn dieser wird hier teilweise recht detailliert beschrieben. Wer sich dafür gar nicht interessiert könnte diese Passagen vielleicht als etwas zu lang oder ausführlich empfinden.
Das Ende ist ebenfalls Geschmackssache. Coco Mellors versucht dabei rund um ihre Protagonistinnen keine allzu offenen Enden zu interlassen. Mir persönlich hat das gefallen aber manch einem könnte das Ende dadurch auch zu harmonisch erscheinen.

Insgesamt kann ich für das Buch eine klare Empfehlung aussprechen. Die Geschichte ist spannend, gut aufgebaut und vielschichtig. Ein kurzweiliges und bewegendes Buch für Millenials und Fans von mitreißenden Familiengeschichten.