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blätterregen

Bewertungen

Insgesamt 6 Bewertungen
Bewertung vom 09.02.2022
The Maid / Regency Grand Hotel Bd.1
Prose, Nita

The Maid / Regency Grand Hotel Bd.1


sehr gut

Eine Protagonistin, die die Welt auf ihre ganz eigene Art und Weise wahrnimmt. Ein Verbrechen in einem Hotel, in dem jeder Gast und auch so manche Mitarbeiter ihre ganz eigenen Geheimnisse haben. Ein Mord, der die liebenswerte Heldin des Buches vor ein großes Rätsel stellt – das die die perfekten Zutaten für einen absoluten Wohlfühlkrimi.
Nita Prose erzählt in ihrem Erstlingswerk „The Maid“ von der jungen Molly, einem Zimmermädchen, das in einem Londoner Hotel ihrer großen Leidenschaft nachgeht – Zimmer in einen Zustand der Perfektion zurückzuversetzen. Die sympathische Protagonistin erzählt in großem Detailreichtum von der kleinen, ordentlichen Welt in der sie lebt und ihren vertrauten und trostspendenden Abläufen. Sie ist besonders, das merkt man sofort und so wird im Laufe der ersten Seiten deutlich, dass sie sich wohl irgendwo auf dem Autismusspektrum befindet, was ihr und damit uns Leser:innen einen ganz besonderen Blick auf die Welt schenkt. Ihre sensorischen Eindrücke und Beschreibungen des Lebens, wie sie es versteht, sind erfrischend und laden ein, das bekannte Hotelsetting einmal neu wahrzunehmen.
Die Geschichte beginnt mit einer Art Vorstellung von Mollys Lebensumfeld und seinen wichtigsten Figuren. Als ein Mord geschieht und ausgerechnet sie die Leiche findet, nimmt ihr sonst so beschauliches und regelhaftes Leben eine überraschende Wendung. Sie macht sich, mehr unwissentlich auf die Suche nach den wahren Geschehnissen und stolpert in die Ermittlungen hinein. Es ist herzerweichend zuzusehen, wie sie versucht, sich in der Welt zurechtzufinden und den Geschehnissen in ihrem Mikrokosmos einen Sinn zu geben.
Der Klappentext ist etwas irreführend. Ich hatte eine anders gelagerte Geschichte erwartet. Molly ist nicht die freche aufgeweckte, investigative Zimmerdame, die das Hotel auf den Kopf stellt, sondern gerät eher zufällig in die Geschehnisse hinein. Auch werden manchmal Gedankengänge und Handlungen beschrieben, die ich so nicht bei einer Person mit autistischen Zügen erwarten würde. Das ist aber tatsächlich eher selten und hält sich in Grenzen.
Alles in allem ist es dennoch ein schönes Buch, um es an einem regnerischen Sonntag wegzuschmökern. Eine gut voranschreitende Handlung, eine besondere Hauptfigur, ein flüssiger und angenehmer Schreibstil – auf jeden Fall eine Empfehlung.

Bewertung vom 29.08.2021
Systemfehler
Harlander, Wolf

Systemfehler


ausgezeichnet

Der Thriller Systemfehler von Wolf Harlander besticht zuallererst durch sein handschmeichelndes Cover. Die alarmierenden Farben passen zur Grundstimmung des Buches und es ist definitiv ein Cover, das Aufmerksamkeit erregt und das man gern in die Hand nimmt.

Das Thema der Erzählung ist hochaktuell und spannend umgesetzt, auch Laien und im Gamingbereich eher unbewanderte Leute können der Handlung und den technischen Details problemlos folgen. Die Protagonisten sind sympathisch und glaubhaft, auch wenn ihnen ab und an ein wenig Tiefe und Facettenreichtum fehlt. Das Anliegen der Internet- bzw. Spielesucht ist meiner Meinung nach teilweise etwas harmlos dargestellt, das kann aber auch an meinen eindeutigen Ansichten dazu geschuldet sein.
Der Plot geht gleichmäßig spannend voran und verliert zu keiner Zeit den Zug. Man fiebert mit und findet schnell Figuren, mit denen man sich identifizieren kann.

Die verschiedenen Personen, die abwechselnd im Fokus stehen machen die Geschichte nahbar und halten sie spannend. Ab und zu hätte ich mir noch ein bisschen mehr Überraschungen gewünscht, das tut dem hochaktuellen und glaubhaften Zukunftsszenario aber keinen Abbruch. Das Level an Action und Drama ist wohlüberlegt und angenehm zu lesen.

Unterm Strich ein sehr spannendes und lesenswertes Buch, das sehr glaubhaft ein mögliches Zukunftsszenario der technisierten Welt ausführt, und sich für so gut wie alle Lesebegeisterten eignet.

Bewertung vom 12.08.2021
Wild Card
Thompson, Tade

Wild Card


sehr gut

Weston Kogi, der Held der Geschichte kehrt nach einer langen Zeit zur Beerdigung seiner Tante nach Westafrika zurück. Sie war es, die ihm damals die Flucht aus dem bürgerkriegszerfressenen Alcacia ermöglicht hatte. Wieder zurück in der Heimat gerät er dank seiner Großspurigkeit in eine heikle Angelegenheit und muss alles aufbieten, um heil wieder herauszukommen.

Der Protagonist ist ehrlich, fehlerhaft und trotzdem irgendwie ein Held. Das hat mir sehr gut gefallen. Man kann sehr gut mit ihm mitfühlen und seine Ängste, Gedankengänge und Gefühle gut nachempfinden. Auch die fremde Kultur wird einem sehr direkt und ganz selbstverständlich nähergebracht. Das fand ich prima.
Der Schreibstil ist gestochen scharf, man sieht trotz weniger Worte die beschriebene Szene plastisch vor sich. Vor allem die erschütternden und widerwärtigen Szenen gehen unter die Haut.
Auch die Handlung besticht durch Wendungen, Tricks und Kniffe, bringt also alles mit, was eine gute Geschichte haben sollte. Cover und Gestaltung gefallen mir sehr gut.

Alles in allem war mir das Buch allerdings zu brutal, zu eindringlich und zu plastisch- ich bin halt doch eher zart besaitet. Eigentlich wollte ich eine spannende Detektivgeschichte, habe aber eine bedrückende Erzählung der gewalttätigen Realität von Krieg, Rebellen und Elend bekommen. Eine fesselnde Sommerlektüre ist es dennoch, wenn auch nicht ganz in meinem Sinne.
Für Menschen, die gern solche harten, spannenden und schockierenden Geschichten lesen, ist es ein dramatisches, facettenreiches und aufregendes Buch ganz nach ihrem Geschmack.
Auch wenn mir das Lesen wirklich schwerfiel, gebe ich vier Sterne, weil es ein außergewöhnliches Werk ist, das in den richtigen Händen wahrhaft begeisternd sein kann.

Bewertung vom 22.07.2021
Mein Sternzeichen ist der Regenbogen
Schami, Rafik

Mein Sternzeichen ist der Regenbogen


ausgezeichnet

Rafik Schamis Geschichtensammlung ist wie ein Tablett voller bunter kleiner Pralinen. Köstliche Kleinigkeiten, die man sich auf der Zunge zergehen lassen kann. Es gibt zuckersüße und sehr bittere Exemplare; manche sind prickelnd komisch und andere sind ein nettes Bonbon für Zwischendurch. In keinem Fall sollte man aber die ganze Schachtel auf einmal essen, dafür sind die einzelnen Geschichten viel zu kunstvoll zusammengestellt und viel zu hinreißend erzählt.

Märchenhaft, skurril, komisch oder zum Nachdenken - so kommen Schamis 27 Geschichten daher. Die in die Kategorien Geburtstag, Lachen, Reisen, Geheimnis, Tiere und Sehnsucht eingeordneten Kapitel geben Einblick in Lebens- und Gefühlswelten nebenan und weiter weg und lassen sich, dank des schlichten Erzählstils, der nie die Eleganz verliert, leicht lesen.
Mal träumt man sich davon, mal schmunzelt man in sich hinein, mal schüttelt man ungläubig den Kopf über die Absurdität einer Geschichte. Ich hatte das Gefühl, es ist für jede Lebens- und Stimmungslage etwas dabei und jedes Mal, wenn man das Buch wieder aufschlägt, reicht es einem einen neuen Schatz aus dem schier unbegrenzten Erlebnis- und Geschichtenschatz Rafik Schamis.
Es ist eins dieser Bücher, das man bei Papa im Regal findet und sich wundert, warum er es besitzt. Dennoch nimmt man es mit und merkt beim Lesen, dass man hier ein Stückchen Weltliteratur vor sich hat. Man kann förmlich spüren, wie der Garten der eigenen Gedanken aufblüht, während man die zierlichen und rätselhaften Geschichten eines Meistererzählers erlebt.
Das Cover ist nicht ganz mein Fall, passt aber auf jeden Fall zur Diversität und Fülle der enthaltenen Geschichten und ist ein besonderer Farbklecks im Regal.

Klug ausgewählt und poetisch gemalt, ist „Mein Sternzeichen ist der Regenbogen“ ein Buch, das in keinem Regal fehlen sollte. Märchenhaft erzählt und nachdenklich gestimmt, zeigt uns Rafik Schami Ausschnitte aus seiner Welt. Unserer Welt.
Ich kann es sehr empfehlen.

Bewertung vom 29.06.2021
Im Reich der Schuhe
Wise, Spencer

Im Reich der Schuhe


sehr gut

Eine kurze Inhaltsangabe, die die Hauptfiguren Alex Cohen (Sohn), seinen Vater (reicher Großindustrieller Schuhfabrikant), Ivy (Arbeiterin in der Schuhfabrik und Quasi-Freundin von Alex) und all die anderen einführt und ihre Beziehung untereinander, sowie den Verlauf der Handlung erklärt, lasse ich weg. Wer sich für eine Rezension interessiert, hat meist den Klappentext und unzählige andere Rezensionen, die in etwa dieselbe Inhaltsangabe machen, schon gelesen und interessiert sich nur für die Meinung anderer Lesender über Schreibstil, Figuren und Lesefluss. (Zumindest tue ich das.) Deshalb fange ich hier gleich mit den essentiellen Informationen an.

„Im Reich der Schuhe“ ist meiner Meinung nach, ein grandioser Titel, der Thema und Schauplatz auf einzigartige Weise verbindet. Auch das Cover finde ich sehr gelungen und es ist eine wahre Zierde für mein Bücherregal.
Die vielfältigen Themen (Entwicklung eines jungen Mannes im Konflikt mit seinem Vater, Industrielle Probleme der Globalisierung, Missstände unter Arbeitenden, etc.) die in der Geschichte behandelt werden, sind mit großer Detailtreue und viel Hintergrundwissen erzählt, verschwimmen aber manchmal ineinander und nehmen sich gegenseitig etwas die Tiefe. Das fand ich persönlich stellenweise schade, tu dem Buch aber keinen großen Abbruch.

Der Schreibstil von Spencer Wise ist oft faszinierend. Die ersten Seiten des Buches haben mich direkt in ihren Bann gezogen. Es passiert wahnsinnig viel, die Szenerie ist fast schon erdrückend genau, detailreich, kreativ und unglaublich dicht beschrieben. Ich hatte wirklich das Gefühl mit vor Ort zu sein, und bin ganz eingetaucht in das fremdartige und farbenfrohe China. Ich habe geschmeckt, gesehen, gerochen, die Hitze gefühlt- es war großartig. Ein sehr vielversprechender Einstieg und ich habe mich sehr auf die weiteren Kapitel gefreut.

Leider verlor die Handlung im Verlauf etwas an Spannung, Glaubwürdigkeit und Farbenpracht. Das Verhalten und der Charakter der Figuren war mir nicht immer ganz klar und ab und zu hakte es im Lesefluss. Das war schade. Außerdem waren die zentralen Themen, oder Konflikte stellenweise ermüdend und wenig temporeich erzählt, was es einem schwer machte, mit dem Lesen dranzubleiben. Ein zentraler Konflikt, der mich wirklich mitgenommen hätte, fehlte mir stellenweise.

Dennoch ist dieses Buch in seiner berückend und skurril schönen Szenerie eine sinnesreiche Reise auf die andere Seite der Erde. Die ab und zu sehr originellen Figuren und die denkwürdigen Zitate, die man stellenweise finden konnte, machen „Im Reich der Schuhe“ zu einem Lesevergnügen von ganz eigener Schönheit und Relevanz. Eine klare Empfehlung für Fernwehgeplagte.

Bewertung vom 14.06.2021
Nachrichten von Männern
Decker, Anika;Berlin, Katja

Nachrichten von Männern


sehr gut

„Nachrichten von Männern" von Anika Decker und Katja Berlin ist ein humoristisches Sachbuch aus dem Hause Ullstein. Seine 192 Seiten in der Printausgabe lesen sich leicht und locker zum Kaffee oder als Klolektüre mal eben so weg.

Die Autorinnen haben darin tief in ihren Postfächern, Messengern, Whatsapp-, Intsagram- und sonstigen Nachrichteneingängen gegraben und daraus 37 Sorten von Chattern extrahiert. Sie präsentieren die Archetypen männlicher Wortegewalt in humoristischer und leicht bissiger Weise, die ab und zu zynische Untertöne hat.

Sie treffen meiner Meinung nach damit einen Nerv unserer digitale Kommunikationskultur und sezieren ihn in amüsanter und teilweise selbstironischer Weise.
Die temporeich überspitzte Darstellung moderner Unterhaltungsphänomene, hat mir mehr als einmal ein lautes Lachen entlockt. Die Beispiele der Autorinnen und ihre Beschreibungen treffen es wirklich auf den Kopf und es kam mir beim Lesen mehr als einmal ein konkreter Name oder eine Situation in den Sinn. Ab und zu schrammen die Autorinnen haarscharf am Klischee vorbei und der ein oder andere Witz zündet nicht, wie gewünscht, aber alles in allem ist „Nachrichten von Männern“ eine komödiantisch überzeichnete und doch ziemlich akkurate Beschreibung, dafür was in modernen Posteingängen so passiert.

An einigen Stellen kann man sich tatsächlich auch mal an die eigene Nase fassen und sich fragen, warum und wie man sich in solchen Konversationen bewegt und ob man nicht auch selbst schon des Öfteren mal eine Ghosterin oder eine Nachrichtenromantikerin gewesen sein könnte...
Hier hätte ich es schön gefunden, wenn es noch ein abschließendes Kapitel gegeben hätte, das die Aufzählung der Konversationstypen abrundet und den Blick etwas weitet.
Trotzdem höchst unterhaltsam und lehrreich zugleich, hält einem dieses Buch einen Spiegel vor und ist gerade für Vielschreiberinnen und Onlinedates ein augenzwinkernder Ratgeber und zeitgemäße Unterhaltung für alle, die schon mal am Wahnsinn der digitalen Kommunikation teilgenommen habe.

Ich denke "Nachrichten von Männern" ist eine amüsante Lektüre für zwischendurch und lädt zum Schmökern und immer wiederkommen ein. Eine gehörige Portion Selbstironie und ein nachsichtiger Blick auf den manchmal zu harschen Ton der Autorinnen ist dabei durchaus hilfreich. Einzig das seltsam trist anmutende und meiner Meinung nach, zusammenhanglose Cover spricht mich überhaupt nicht an, was dem Inhalt aber überhaupt keinen Abbruch tut.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.