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Havers

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Insgesamt 8 Bewertungen
Bewertung vom 02.12.2014
Der erste Sohn
Meyer, Philipp

Der erste Sohn


ausgezeichnet

Der amerikanische Autor Philipp Meyer wird mit seinem Monumentalepos „Der erste Sohn“ einmal mehr seinem Ruf als Chronist Amerikas gerecht. Dieser haftet ihm seit seinem ersten Roman „Rost“ an, in dem er den Niedergang des „Rust Belt“, dieser ältesten Industrieregion im Nordosten der USA beschreibt.

In „Der erste Sohn“ steht die Familie McCullough im Zentrum des Geschehens, und exemplarisch an drei Vertretern aus unterschiedlichen Generationen betrachtet Meyer mehr als 150 Jahre amerikanische Geschichte mit Schwerpunkt auf der Besiedlung des „Wilden Westens“.

Drei Hauptfiguren und drei Handlungsstränge in verschiedenen Zeitebenen, die teilweise parallel erzählt werden, bieten eine differenzierte Sicht auf die Ereignisse, die im Frühjahr 1836 ihren Anfang nehmen: Genau an dem Tag, auf den die Gründung des Staates Texas fällt, wird dem Ehepaar McCullough der erste Sohn Eli geboren. Er wird der Stammvater der McCullough-Dynastie werden. Mit dreizehn Jahren verliert er seine Familie bei einem Überfall der Comanchen, die den überlebenden Halbwüchsigen verschleppen. Er passt sich an, wächst bei dem Stamm auf und eignet sich die Fertigkeiten an, die er zum Überleben braucht.

Nachdem Eli als einer der wenigen seines „Stammes“ eine Pockenepidemie überlebt, verlässt er die Indianer und geht zurück zu den Weißen. Seine Fähigkeiten und die Skrupellosigkeit, die er sich in der Zwischenzeit angeeignet hat, setzt er gezielt zu seinem Vorteil ein, und so ist es nicht verwunderlich, dass er in kürzester Zeit vom Viehbaron zum Ölmilliardär aufsteigt.

Ganz anders sein Sohn Peter, schwach, ein Schöngeist, der weder in diese Zeit noch in dieses Business passt. Seine Liebe stellt er über die Forderungen seiner Herkunftsfamilie und macht auch gegen den Widerstand seines Vaters unbeirrt seinen Weg.

Die Stärke und Gier Elis bricht erst wieder bei seiner Urenkelin Jeanne Anne durch, die sich von einer unsicheren jungen Frau zu einer Patriarchin entwickelt, die das Familienerbe verteidigt und zusammenhält, selbst um den Preis des persönlichen Glücks.

„Der erste Sohn“ ist eine Mischung aus Historie, Western und Country Noir – mit Protagonisten, die in jeder Tragödie ihren Platz finden würden, denn jeder ist sowohl Täter als auch Opfer. Gier, Gewalt und Skrupellosigkeit scheinen selbstverständliche Instrumente zu sein, um ans Ziel zu gelangen, und Moral ist hier absolut fehl am Platz.
Philipp Meyer entzaubert den Wilden Westen und wagt höchst beeindruckend einen anderen, einen schonungslosen Blick auf den Gründermythos Amerikas.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.12.2014
JETZT! Gemüse
Dickhaut, Sebastian

JETZT! Gemüse


ausgezeichnet

In den letzten Jahren hat die Zahl der vegetarischen und veganen Gemüse-Kochbücher inflationär zugenommen. Allerdings ist sowohl die Qualität als auch die Alltagstauglichkeit dieser Publikationen sehr unterschiedlich. Bei den Veganer-Gurus gibt es kaum ein Rezept, das ohne die Zugabe von irgendwelchen Soja-Produkten auskommt, bei den „normalen“ Köchen werden Zutaten benötigt, für deren Beschaffung man immensen logistischen Aufwand betreiben muss, oder aber es wird alles mit Chili und Koriandergrün dermaßen überwürzt, dass von dem ursprünglichen Geschmack des Gemüses am Ende nichts mehr übrig bleibt.

Anders bei Sebastian Dickhaut. Dessen neueste Veröffentlichung „Jetzt! Gemüse“ ist genau so, wie ein Kochbuch sein sollte: übersichtlicher Aufbau, Zutaten, die überall erhältlich sind, praktikable Rezepte von einfach bis raffiniert, für die man aber nicht stundenlang am Herd stehen muss und die den Eigengeschmack der Produkte erhalten und nicht übertünchen - und alles mit ansprechenden Fotos und informativen Textbeiträgen versehen.

Der Autor ist nicht nur Koch und Food-Journalist, sondern auch Mitbegründer der Basic Cooking-Reihe. Und das merkt man den Rezepten an, sie sind „basic“ und orientieren sich an heimischen Produkten, die im Idealfall saisonal und nach Möglichkeit aus regionalem Anbau verwendet werden sollten, was mir äußerst sympathisch ist.

Dickhaupt verwendet zum einen die klassischen Gemüse, stellt aber auch die alten und weniger bekannten Sorten vor und animiert zum Nachkochen. Und natürlich gibt es auch Rezepte zu leckeren Gerichten aus den Urlaubsländern wie z.B. die andalusische Gazpacho.

Die Gliederung weicht von der traditionellen Art ab und orientiert sich am Verwendungszweck: Gemüse auf die Hand, Gemüse pur, Gemüse bunt, Gemüse satt, Gemüse für immer und zu guter Letzt das informative Kapitel „Speisekammer“, in dem alphabetisch geordnet halbseitige Textbeiträge zu den Sorten zu finden sind. Die Gliederung findet sich auch im Register wieder und ergänzt so die nach Rezepten geordnete A-Z Suche.

Ein tolles Kochbuch - geeignet für Veganer, Vegetarier und Allesesser!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.11.2014
Der Seidenspinner / Cormoran Strike Bd.2
Galbraith, Robert

Der Seidenspinner / Cormoran Strike Bd.2


ausgezeichnet

Alle Welt weiß mittlerweile, dass sich hinter dem Autor Robert Galbraith JK Rowling verbirgt, die mit ihren Harry Potter Romanen Leser aller Altersgruppen verzaubert hat. Nach „Der Ruf des Kuckucks“ setzt ihr neues Buch „Der Seidenspinner“ die Krimi-Reihe mit dem Privatdetektiv und Kriegsveteran Cormoran Strike und dessen Assistentin Robin Ellacott fort.

Nach seinem letzten Fall hat Cormoran Strike einen guten Ruf in der Stadt und kann sich die Klienten aussuchen. Üblicherweise nimmt er seither nur finanziell lukrative Aufträge an, die ihm ein gesichertes Einkommen garantieren und dafür sorgen, dass er seine Rechnungen regelmäßig bezahlen kann. Als aber eines Tages die verzweifelte Leonora Quine in seinem Vorzimmer sitzt, trennt er sich kurzerhand von einem solventen Klienten und übernimmt ihren Fall. Ihr Mann, der erfolgreiche Autor Owen Quine, ist ohne eine Nachricht zu hinterlassen spurlos verschwunden. Nicht zum ersten Mal, aber sehr verwunderlich zu diesem Zeitpunkt, denn vor kurzem hat er seinen neuesten Roman „Bombyx Mori“ (= lt. Name für Seidenspinner) vollendet, den er für sein Meisterwerk hält.

Mit Hilfe seiner Assistentin Robin findet Cormoran heraus, dass Quine in diesem Buch äußerst intime Details aus dem Privatleben seines Bekanntenkreises verarbeitet hat, und einige der Damen und Herren nicht sonderlich erbaut sein werden, wenn diese Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Als die Leiche des Autors entdeckt wird, stellt sich heraus, dass der Täter exakt die Mordmethode kopiert hat, die in Quines Manuskript beschrieben ist. Es muss also ein Insider gewesen sein, aber bei wem ist die Angst vor der Veröffentlichung so groß, dass er dafür tötet?

Galbraith/Rowling hat mit „Der Seidenspinner“ einen klassischen britischen Kriminalroman in der Tradition einer Agatha Christie oder einer Ngaio Marsh geschrieben. Die Anzahl der Verdächtigen ist überschaubar, sie bewegen sich in ähnlichen Kreisen. Und was das Verlagswesen angeht, kann die Autorin aus dem Vollen schöpfen, kennt sie dieses Business doch zur Genüge: Da gibt es den Verleger, der die Nase voll hat von Autoren, die sich permanent selbst überschätzen. Die Agentin, die deren Werke meistbietend an den Mann bringen soll, obwohl sie weiß, dass sie Müll verkauft. Der missgünstige Autorenkollege, der neben seinen eigenen Werken keine anderen gelten lässt. Die talentfreie Geliebte, die für ihre Schmonzetten keinen Verlag findet. Das liest sich stellenweise wie Satire pur!

Die Geschichte entwickelt sich langsam und punktet zum einen durch die atmosphärischen Schilderungen der Stadt - was natürlich für London-Kenner einen ganz besonderen Reiz hat, zum anderen sind die Personen ganz wunderbar und mit viel Liebe zum Detail charakterisiert, und zumindest die Hauptfiguren gewinnen zunehmend an Profil. Sehr sympathisch!

Ich bin ein absoluter Fan dieser Reihe und mag die Bedächtigkeit und Stimmigkeit, mit der die Autorin ihren Plot entwickelt. Nach meinen Informationen ist diese Krimi-Reihe auf sieben Bände angelegt – absolut ein Grund zur Freude!

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.11.2014
Brunos Kochbuch
Walker, Martin

Brunos Kochbuch


ausgezeichnet

Martin Walker, der schottische Historiker und langjährige Journalist des „Guardian“, allen Krimilesern bestens bekannt als Autor der Bruno-Romane, lebt mittlerweile wie der Protagonist seiner sechs Kriminalromane im Périgord, dieser wunderschönen Landschaft im Südwesten Frankreichs, die nicht nur historische (wie z.B. die Höhlen von Lascaux und Cro-Magnon) sondern auch kulinarische Schätze zu bieten hat.

Martin Walkers Protagonist ist Bruno, Chef de Police der Kleinstadt St. Denis und begeisterter Esser und Hobbykoch. In ausnahmslos jedem Buch der Reihe kommt der Autor nicht umhin, die kulinarischen Schätze seiner Wahlheimat zu thematisieren, ganz gleich, ob das nun Trüffel, Käse oder Pasteten sind. Von hier ist es nur ein kleiner Schritt zu „Brunos Kochbuch“, in dem Walker Rezepte und Geschichten aus diesem Landstrich gesammelt hat, und in dem er seinen Lesern das Savoir-vivre der Périgourdins näher bringen möchte.

Dreh- und Angelpunkt der Rezepte sind die regionalen Produkte, die für den Autor von höchster Wichtigkeit sind. Deshalb ist der Aufbau des Kochbuchs auch nicht konventionell an der Speisenfolge orientiert, sondern richtet sich an den „Produzenten“ aus. So sind die jeweiligen Kapitel dem Jäger, dem Angler, dem Winzer, dem Sammler etc. gewidmet, beschreiben den Berufsstand und stellen deren Erzeugnisse vor. Dazu gibt es viele interessante Rezepte, die auf kulinarischen Klimbim verzichten und durch ihre Bodenständigkeit brillieren. Großformatige Fotografien lassen dem Leser das Wasser im Munde zusammenlaufen und animieren zum Nachkochen.

Martin Walker beschreibt die ehrliche Küche des französischen Südwesten, und wer dieses Gegend schon einmal bereist und dort geschlemmt hat, wird sich bereits beim Lesen voller Sehnsucht wieder an den Geschmack der Gerichte aus dem Périgord erinnern.

„Brunos Kochbuch“ ist eine Zierde für jedes Bücherregal - wunderschön, bodenständig und inspirierend, fast zu schön für den Einsatz in der Küche.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.11.2014
Anima
Mouawad, Wajdi

Anima


sehr gut

Der Begriff Anima kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Seele, wird aber auch in der Archetypenlehre von C. G. Jung verwendet und bezeichnet dort die innere Persönlichkeit. Der Bezug zu „Anima“, dem Roman des kanadischen Autors mit libanesischen Wurzeln Wajdi Mouawad, lässt sich am ehesten aus der indianischen Mythologie herleiten, in der davon ausgegangen wird, dass jedem Menschen ein spirituelles Tier zur Seite steht, das als Schutzgeist fungiert und ihn durch das Leben begleitet.

Mouawad hat einen Roman geschrieben, der nicht eindeutig einem Genre zuzuordnen ist. Die Ausgangssituation lässt einen Thriller vermuten: Wahsch Dibsch kommt nach Hause und findet dort den Leichnam sein Frau, die brutal ermordet wurde. Obwohl die Identität des Täters schnell geklärt ist, wird dieser nicht von der Polizei verhaftet und zur Rechenschaft gezogen, steht dieser doch in deren Diensten. Und so kann er unbehelligt fliehen.

Angetrieben von dem unbändigen Wunsch nach Vergeltung, nimmt Dibsch die Sache selbst in die Hand und macht sich auf die Suche nach dem Mörder. Von Kanada aus verfolgt er diesen bis nach New Mexico, wo es schließlich in den Bergen zum Showdown zwischen den beiden Männern kommt.

Aber ist es wirklich die Suche nach dem Mörder seiner Frau, die Dibsch antreibt? Die Wendung, die der Roman zum Ende hin nimmt, lässt anderes vermuten. Es ist die Suche nach den Wurzeln, die Frage nach dem „Woher“, deren Beantwortung ihn mit schmerzhaften Wahrheiten konfrontiert und in der finalen Aussage mündet, dass der Mensch des Menschen Wolf ist.

Das stellt nun auch den Bezug zum Tierreich her, denn der Autor lässt die Geschichte seines Protagonisten von den verschiedensten Tieren erzählen, die die jeweiligen Vorgänge beobachten und aus ihren Blickwinkeln schildern und so stellvertretend die Vielschichtigkeit und Komplexität der Welt symbolisieren. Katze, Vogel, Hund und noch so einige andere Tiere kommen auf diese Weise in den ersten zwei Dritteln des Buches zu Wort, bis dann im letzten Teil wieder ein Mensch den Part des Erzählers übernimmt.

Kurze Kapitel, aus den verschiedenen Tier-Perspektiven erzählt, bringen hohes Tempo in diesen mehrfach preisgekrönten Roman, der allerdings stellenweise dermaßen vor Gewalt strotzt, dass man sich fragen muss, ob das für die Dramaturgie der Geschichte wirklich wichtig ist. Diese schnellen Schnitte, einerseits mit aggressiven Szenen, andererseits mit Klischees gepaart, wirken eher so, als seien sie für Zuschauer und nicht für Leser gemacht. Man merkt ihnen an, dass Wajdi Mouawad vom Theater kommt und dort erfolgreich als Darsteller, Regisseur und Autor gearbeitet hat.

„Anima“ ist ein ungewöhnlicher Roman, der Poesie und Brutalität gleichermaßen in sich vereint – eine Empfehlung für Leser, die auf der Suche nach einer außergewöhnlichen Lektüre sind!

Bewertung vom 22.11.2014
Heimat
Mälzer, Tim

Heimat


gut

Es gibt ein neues Kochbuch von Tim Mälzer, Hans Dampf in allen Gassen und medial omnipräsent wie sein englischer Kollege Jamie Oliver. Und wie dieser greift er mit steter Regelmäßigkeit aktuelle Trends aus dem Ernährungsbereich auf und veröffentlicht dazu das passende Werk. Nun also „Heimat“: ein Kochbuch, das Hobbyköchen einen Überblick verschaffen und einen Querschnitt durch die regionale deutsche Küche bieten soll. Die vielfältigen Rezepte werden durch Hintergrundinformationen ergänzt, die Tim Mälzer bei seiner Reise quer durch Deutschland gesammelt hat.

Die Einteilung ist konventionell, so wie wir es von sehr vielen Publikationen in diesem Bereich kennen: Suppen, Salate, Fleisch, Fisch, Gemüse und Desserts. Viele der vorgestellten Speisen lassen sich ruckzuck zubereiten, andere benötigen eine längere Vorbereitungs- und Garzeit.

Allerdings ist nicht klar ersichtlich, wer Tim Mälzer die Rezepte geliefert hat, denn manche der hier als typisch regional bezeichneten Gerichte haben nur die Bezeichnung sowie die Grundzutat mit dem Original gemeinsam. Als Beispiel sei hier nur die schwäbische Spezialität „Maultaschen“ genannt, in deren Füllung in dem Mälzer-Rezept Bergkäse und Knoblauch zu finden ist. Keine Rede von Kalbsbrät oder Schinkenwürfeln, hier kann ich nur den Kopf schütteln, denn Käse hat in Maultaschen nichts, aber auch wirklich gar nichts, verloren. Wenn das die vollmundig in dem Klappentext angekündigte Entstaubung der Klassiker ist, dann bleibe ich doch lieber bei der traditionellen Zubereitung, denn gerade die Bewahrung von traditionellen Rezepten hat doch auch einen nicht unwesentlichen Anteil an der kulturellen Identität eines Landstrichs.

Positiv erwähnen muss man allerdings die Aufmachung dieses Kompendiums, denn unter dem goldfarbenen Textileinband werden in zahlreichen stimmungsvollen Fotografien die Rezepte und Regionen in Szene gesetzt und machen Lust darauf, sich an den Herd zu stellen.

Für Kochanfänger und Mälzer-Fans mag dieses Kochbuch hilfreich sein, jemand, der seit vielen Jahren regelmäßig und gerne kocht, wird darin leider nichts Neues finden. Und wie man Rührei oder Wiener Schnitzel zubereitet, dürfte ja jedem hinreichend bekannt sein.

9 von 17 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.