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LichtundSchatten

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Insgesamt 327 Bewertungen
Bewertung vom 10.09.2025
Strasser, Stefan

Jungjäger-Ratgeber - Revierarbeit


ausgezeichnet

Von einem Praktiker für Praktiker und die ganz konkrete Arbeit vor Ort, im Revier. Dieses Buch vermittelt alle Aspekte der Revierarbeit und zeigt die Schritte gleich zu Beginn im übersichtlichen Jahresablauf. Dort findet man auch ein umfassendes Stichwortverzeichnis.

Das Buch vermittelt im Hauptteil übersichtlich und mit ausgeklügelten Tipps Revierverbesserungen, notwendige Maßnahmen für die Fütterungseinrichtungen und die Jagdhütte. Das Buch regt zur Eigeninitiative an und möchte Anleitungen geben, wie man vor Ort fast jedes Problem lösen kann, mit kreativen Hilfestellungen, die aus Jägern noch bessere Revierpfleger machen.

Bewertung vom 09.09.2025
Kassaei, Amir

Vom Unsinn des Lebens


ausgezeichnet

Ein Junge von 13 Jahren zieht vor der aufkommenden Khomeini-Islam-Wende und dem Irak-Krieg aus Teheran hinaus in die weite Welt, er kommt mit der Planung seiner Eltern nach Wien und lernt durch Zielstrebigkeit, Konsequenz und Ausdauer bzw. auch viel Zufall, wie man sich durchboxt und richtig gute Werbung macht. Seine Eltern gehören der ältesten Religion in Persien an, den Zoroastriern. Interessiert hätte mich, wie er seinen Kulturkreis/Religion als Grundlage seiner Motivation empfunden hat und wie er die Chancen von Islamanhängern im Westen einschätzt. Man kann dies indirekt aus seinem Verhalten ablesen, das ich mit dankbarer Hinwendung zu einer anderen Kultur, Vergeben und Verzeihen umkreisen würde. Aus Zitronen macht er immer Zitronenlimonade. In der Schule lässt man ihn merken, dass er ein Fremder ist, Kinder können wirklich sehr ausgrenzend sein. Trotzdem gibt er nicht auf, ist nicht nachtragend.

Man kann das Buch aus unterschiedlichen Perspektiven lesen. Für mich war es vor allem die Beschreibung seiner grundlegenden Werte und wie er quasi aus dem Nichts in einer 1-Zimmer-Wohnung in Wien nach oben wollte, sich immer weiter pushte und nie aufgab. Aufgeben war nie eine Option und neue Herausforderungen waren für ihn Glück und Vorwärtsgehen. Seine Dankbarkeit seinem ersten Helfer gegenüber in Wien ist zu Herzen gehend beschrieben, Amir Kassaei verurteilt andere nicht, sondern urteilt nur über sich selbst und findet immer neue Wege, das Ungewöhnliche zu erreichen.

Sein Wissen um gute Werbung holt er sich aus alten Werbe-Jahrbüchern und entwickelt Ideen einfach so für sich, nachts, während er Buchhalter in einer Werbeagentur ist. Später, bei den großen und erfolgreichen Werbeagenturen dieser Welt lässt er sich nie ein X für ein U vormachen, er lernt, noch härter gegen sich selbst zu sein, um noch bessere Ideen zu entwickeln. Entmutigen zählt nicht, er fährt sogar auf eigene Kosten zu einem Kunden, um dort, nach 12 Stunden Warten, eine Kampagne zu verkaufen.

Die Erfolge in Agenturen wie Springer Jacoby oder DDB zeigen die unverwüstliche Willenskraft von Amir Kassaei und erst ganz am Ende erfahren wir, warum und wie er aus dem Iran geflohen ist. Er durchschaute den KoranSingSang und das Elend der Kindersoldaten, die vom islamischen Führer geopfert wurden, alle ans Tor zum Paradies geführt, mit unglaublichen Versprechungen. Wer einer solchen Hölle entkommen konnte, fürchtet im Grunde nichts mehr.

Ein Buch, das mich sehr berührt hat, spannend und motivierend auf jeder Seite.

Bewertung vom 01.09.2025
Felsch , Philipp

Der Philosoph


ausgezeichnet

In Habermas’ Heim am Starnberger See atmet alles gepflegte Normalität. Philipp Felsch beschreibt seine Besuche im Haus von Habermas. Er kauft ihm Blumen am Bahnhof und die Suche nach der Vase gestaltet sich zur gemeinsamen Auftaktbesprechung ebenso wie der Hinweis von Habermas, dass der Marmorkuchen zu dick aufgeschnitten sei. Kurzum: die beiläufige Könnerschaft des Erzählers hin zum Naheliegenden hat mich in das Buch mit- und eingenommen. Im Wohnzimmer von Habermas herrscht die helle Sachlichkeit der Nachkriegsmoderne. Ich selber habe mir als Schüler Geld mit Rasenmäher verdient und hier höre ich das gedämpfte Brummen eines Rasenmähers, das Philipp Felsch beschreibt. In ein kompliziertes Thema so einfach einsteigen, es hat mich gefesselt und das Buch ganz lesen lassen. Auch weil ich bisher nahezu nichts von Habermas gewusst habe. Es war mir immer zu gedrechselt und kompliziert, ein Formulierer für die Elite des theoretischen Denkens.

Hängen bleibe ich gleich zu Beginn an einer Jugend-Sünde des Jürgen Habermas’. Er sagte über Adenauer in den 50ern: dieser betreibe eine „Politik der Normalisierung eines alten Mannes mit beschränktem Wortschatz.“ Diese intellektuelle Selbstgefälligkeit eines Konstrukteurs elaborierter Sprachspiele trifft seinen eigenen Kern bzw. die dort präsente, negative Überheblichkeit. Adenauer verstand, was vielen Theoretikern fremd blieb: dass Geschichte nicht in Seminaren geschrieben wird, sondern durch Handeln, Bündnisfähigkeit und Mut zur Entscheidung. Und auch durch eine pointierte, reduzierte, klare Kommunikation, das Gegenteil von Sprachkünstlern wie Habermas. Adenauers knappe Sprache war kein Mangel, sondern Ausdruck von Souveränität und langer Erfahrung, u.a. als OB von Köln, der Hitler die Flaggen verweigerte. Ein Politiker, der in wenigen Worten mehr Realität schuf als ganze Bibliotheken.

Wären wir damals Habermas gefolgt, wären wir heute eine demilitarisierte, neutrale Zone. Er verfasste seine Essays in der FAZ u.a. als junger Mann in den 50ern unüberhörbar im selbstgerechten Heidegger Sprech. Er formulierte so: „Der Mensch muss sich in eine vernehmende Haltung zu den Dingen bringen und lernen, sie sein zu lassen, statt sie zu beherrschen.“ Eine Kritik an Heidegger kontert dieser später mit der Tatsache, dass er seit 1953 keine Tageszeitung mehr gelesen habe. Habermas konfrontierte Heidegger mit dessen ideologischer Verstrickung in den Nationalsozialismus, kritisierte die mythische Verklärung dieser Zeit und forderte eine ernsthafte, kritische Auseinandersetzung mit der Vorgeschichte des Faschismus. „Es sei an der Zeit, lautete seine dialektisch raffinierte Schlussfolgerung, mit Heidegger gegen Heidegger zu denken.“

Immerhin, Habermas kommt nach Frankfurt, zu Adorno und steigt auf. Sein Ziel der Integration jüdischer Denker bzw. ihnen Gehör zu verschaffen verfolgt er konsequent ein Leben lang, zwei seiner Töchter tragen alt-testamentarische Namen. Das Buch von Philipp Felsch ist gut und spannend lesbar, obwohl es der Theorielastigkeit des Denkers Habermas nicht ausweichen kann. Alles in den 60er und 70ern war irgendwie so ähnlich.

Mein Lieblingsdenker Karl Popper würde Habermas vorwerfen, mit seiner Diskursethik zu sehr an eine ideale Konsensgesellschaft zu glauben und damit die Offenheit pluraler Meinungen zu unterschätzen. Aus Poppers Sicht überschätzt Habermas die Macht der Vernunft und der idealen Kommunikation, während Popper betont, dass Wissen immer vorläufig, fehlbar und durch „trial and error“ entsteht. Popper könnte kritisieren, dass Habermas’ normative Theorien eine Tendenz zum Dogmatismus haben, weil sie implizit vorschreiben, wie „vernünftig“ diskutiert werden müsse. Habermas’ Nähe zu einer großen Gesellschaftstheorie würde Popper skeptisch sehen, da er jede Form von Historizismus und teleologischen „Masterplänen“ für die Gesellschaft ablehnt. Insgesamt würde Popper fordern, dass Habermas stärker auf falsifizierbare Hypothesen und empirische Überprüfbarkeit setzt, statt auf idealisierte Modelle kommunikativer Vernunft.

Sloterdijk wirft Habermas vor, ein „moralisches Monopol“ zu beanspruchen, indem er politische und gesellschaftliche Debatten auf die Perspektive einer universalen Vernunft und Gerechtigkeit reduziert. Er kritisiert Habermas’ Diskursethik als „zu steril“ und „realitätsfern“, weil sie die leibliche, emotionale und machtpolitische Dimension menschlicher Kommunikation ausblendet. Besonders in der berühmten „Menschenpark“-Debatte (1999) attackiert Sloterdijk Habermas dafür, biotechnologische Entwicklungen vorschnell moralisch zu verurteilen, anstatt sie offen philosophisch zu reflektieren. Sloterdijk sieht Habermas’ Denken als „zu sehr vom Staatspaternalismus geprägt“, während er selbst stärker auf individuelle Selbstgestaltung und kulturelle Evolution setzt. Insgesamt wirft er Habermas eine „pädagogische Belehrungshaltung“ vor und fordert mehr Mut zur Pluralität, Provokation und ästhetischer Selbstüberschreitung im Denken.

Bewertung vom 31.08.2025
Otte, Max

Auf der Suche nach dem verlorenen Deutschland


ausgezeichnet

Max Otte ist durch seine zutreffenden Analysen und kritischen Kommentare zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen bekannt. Er hat sich in Deutschland als „Krisenökonom“ profiliert, vor allem durch sein Buch „Der Crash kommt“ 2006, mit dem er früh vor wirtschaftlichen Turbulenzen warnte.In diesem Buch setzt sich Max Otte mit dem Zustand Deutschlands auseinander – ökonomisch, gesellschaftlich und politisch.

Vor allem aber interessant waren für mich die privaten Erlebnisse als die Quelle seines Könnens und seiner Entwicklung. Wir lernen ihn als Schüler, Abiturienten, Studenten und Ökonomen kennen, der zwischen Deutschland und den USA pendelt.

Sein ruhiger, ausgleichender Ton schwingt auch in diesem Buch mit, das ich sehr gerne gelesen habe. Sein Weg vom Schüler zum Studenten einer Eliteuni bis hin zum Kandidaten für das Bundespräsidenten-Amt sind ein Stück gelebtes, aufrichtiges Deutschland. Er ist heute ein erfolgreicher Unternehmer und Bürger Deutschlands, aber auch der USA.

Besonders gefallen habe mir die Beschreibungen seines Heimatdorfes, die Straße, der Weg, Geschichte und Geschichten, hier schwingt liebevolle Anteilnahme, ja rührende Erinnerung und wohltuendes Gefühl der Verbundenheit mit, die ich so. noch nie gelesen habe. Sein Weg zum Kindergarten war ein 1,5 km langer Hol- und Bringdienst der Mütter in der unmittelbaren Umgebung. Aber er wollte am ersten Tag, wie so viele von uns, dort in keinem Fall bleiben. Man überzeugte ihn zum ersten Tag, mit der Antwort von ihm: „Dann bleibe ich eben. Aber eins sage ich Dir: morgen komme ich nicht wieder. „Nach dem dritten Tag blieb er, sein Bruder hatte einen monatelangen Trennungsschmerz von zuhause.

Dieser Satz berührte mich: „Bei meinen Erkundungs- und Botengängen als Kind sah ich eigentlich immer jemanden auf der Straße, oft von der Generation der Großeltern. Ich grüßte auch immer und meistens wurde freundlich zurückgegrüßt. Manchmal entwickelte sich eine kleine Unterhaltung.“ Warum? Werde ich heute von irgendjemand auf der Straße gegrüßt? Es ist eher selten bis nicht mehr präsent!

Max Otte beschreibt den Zustand seines Jugend-Dorfes in seinen einzelnen Bestandteilen nachvollziehbar bis hin zu den Bäckereien, den Friseuren, den Lebensmittelladen, dem Metzger den Restaurants, den Kneipen, Schreibwaren und Lottogeschäft und ein Wollwarengeschäft. Es steht irgendwie vor einem und gleichzeitig das Gefühl, nein, das alles ist längst verschwunden. Man spürt seine Hingabe zur Herkunft und die Fähigkeit zur präzisen Beobachtung der Dinge, vor allem auch der zwischenmenschlichen Kommunikation.

Wer also kein BlaBla, sondern echte Hinwendung zur Heimat erwartet, der liegt hier genau richtig. Die einzelnen Ortsinhalte erkennt jeder, kann sie auf seine eigene Herkunft übertragen, und das Ganze mit dem heute vergleichen. „Während der Grundschulzeit und auch in den ersten Jahren danach war ich ein Wald-Kind. Und ein Buch-Kind. Im Rückblick eine glückliche Kombination.“ Max Otte gelingt ein spannender Anschauungsunterricht aus seiner Jugendzeit, „Handys gab es keine, und bis zum Abendessen kümmerte sich niemand darum, was wir machten.“

Die erste allgemeine Schulpflicht in einem deutschen Gebiet wurde bereits 1556 im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken eingeführt – sie gilt als eine der weltweit ersten gesetzlichen Schulpflichten für Jungen und Mädchen. England hatte vor dem ersten Weltkrieg noch keine allgemein verbindliche Schulpflicht.

Max Otte beschreibt so in der Folge ein Land, das Werte, Identität und wirtschaftliche Prosperität verliert, und macht deutlich, dass hier tiefgreifende Veränderungen und Fehlentwicklungen vorliegen, die nicht nur einzelne Bereiche, sondern das gesamte Gefüge der Gesellschaft betreffen. Otte analysiert sowohl Ursachen als auch Konsequenzen dieses „Verlusts“ und sucht nach Wegen, wie Deutschland eine neue Stabilität und einen Kurs zurück zu Stärke und Selbstbewusstsein finden kann.

Ein zentrales Thema ist die ökonomische Entwicklung, die Otte als problematisch darstellt. Mit seinem Hintergrund als Volkswirt und Value-Investor bietet er nicht nur eine Einordnung der makroökonomischen Sachverhalte, sondern auch praktische Perspektiven für Anleger und wirtschaftlich Interessierte. Seine Kritik an der Eurozone, die er schon vor Jahren thematisierte, findet hier eine Erweiterung im Kontext der aktuellen Herausforderungen Deutschlands.

Darüber hinaus widmet sich das Buch gesellschaftlichen Fragen: Identitätsverlust, politische Orientierungslosigkeit und die Spaltung der Gesellschaft werden aus Ottes patriotisch-konservativer Perspektive betrachtet. Dabei verbindet er persönliche Erfahrungen mit einer breiten Analyse der politischen Prozesse und kulturellen Dynamiken, die Deutschland prägen. Ottes Stil ist direkt, oft provokant, aber stets nah an den Leserinnen und Lesern, was sein Buch sowohl für ein akademisch interessiertes Publikum als auch für den interessierten Laien zugänglich macht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.08.2025

Initiative für einen handlungsfähigen Staat


sehr gut

In der Ausgangslage zu diesem Buch, einer Art weiterem Vorwort, lese ich: „Wir sind nicht wirklich verteidigungsfähig. Unsere Infrastruktur: marode. Die sicher geglaubte Versorgung mit bezahlbarer Energie: verschwunden. Die Folgen des Klimawandels, nicht beherzt genug angepackt. Bund und Länder: verhakt. Die Digitalisierung: verschleppt.“

Man kann den Analysen zu einem großen Teil beherzt zustimmen und liest Details, die einen frieren lassen. Man wundert sich besonders, weil viele der hier Vortragenden vor kurzem noch zu der desaströsen Lage beigetragen haben.

So hat sich im Vergleich zur 19. Legislaturperiode die Durchlaufzeit eines Gesetzes vom Referentenentwurf bis zum Kabinettsbeschluss in der 20. Legislaturperiode nach einem Bericht des Normenkontrollrats, beinahe halbiert: von 80 auf 44 Tage. „Doch in gerade einmal sechs Wochen kann selbst bei bestem Willen kein gutes Gesetz entstehen.“

Die Empfehlungen in diesem Buch beziehen sich auf die Gesetzgebung an sich, den Föderalismus, den digitalen Staat und die Verwaltung, die Sicherheit, Abschiebungen und Datenaustausch, Wettbewerbsfähigkeit, Datenschutz, Klima, Soziales, Bildung und Leitlinien.

Es gibt auch Bereiche, beziehungsweise Vorschläge, denn ich nicht zustimme oder inhaltlich nicht folgen kann. Gut wäre, wenn jeder diese einzelnen Punkte in den sozialen Medien diskutiert und kritisch hinterfragt werden würde. Dieses Potenzial wird von den Autoren leider nicht adäquat gesehen.

Dies ist aber sekundär, denn in naher Zukunft werden diese Dinge wirklich demokratisch von allen Seiten beleuchtet, vor allem auch in den sozialen Medien. Oder der KI. Dabei spielt die Tatsache eine große Rolle, dass der Staat an sich auf zu viele bürokratische Vorgehensweisen verzichten und das Vertrauen zurücklegen muss in die eigene Freiheit und Selbstverantwortung der Bevölkerung.

Bewertung vom 31.08.2025
Hasselhorn, Benjamin

Geschichtsmythen


ausgezeichnet

Wer sich für Geschichte interessiert, findet in diesem Buch reichlich Nahrung. Benjamin Hasselhorn erklärt anschaulich, woher Geschichtsmythen kommen, wie sie entstehen, gefördert werden und auch zum Verlöschen gebracht werden können. Geschichtsmythen sind zweifellos wirksam, aber sie müssen von uns hinterfragt und auf ihre tatsächliche Relevanz hinterfragt werden.

Dafür bietet dieses Buch jene kritischen Fragen, die wir im normalen Diskurs oft nicht bedenken. Besonders interessiert hatte mich der Mythos von Bismarck, entstanden nach der Reichsgründung 1871, und weiter gewachsen auch nach seiner Entlassung durch Wilhelm II.

Bismarck entsprach den mentalen Prägungen des deutschen Bürgertums, sie wurde durch den Reichsgründungstag und durch Bismarcks Geburtstag jährlich fortgeschrieben. Bismarck als Gründer der nationalen Einheit der Deutschen wurde nach seinem Tod noch stärker verehrt, geradezu transzendiert, von unterschiedlichsten Gruppen.

Heute wird der Name Bismarck aus der Namensgebung von Räumen der deutschen Regierung entfernt und dieser Vorgang ruft erneut Diskussionen hervor. Wir werden Geschichtsmythen nicht los und es lohnt sich, hinter die vordergründigen Argumente zu schauen, dieses Buch ist weit aktueller als es der Titel vermuten lässt, es liest sich spannend und befördert Themen, die man in der tagesaktuellen Nachrichtenlage nicht erhält.

Erzählungen, die aus der Vergangenheit kommen und uns die Hand sinnstiftend geben für die Gegenwart. Das sind Geschichtsmythen. England hat in Churchill einen wirkmächtigen Politiker, der nicht nur dort, sondern auch in Amerika heute noch wirkend agiert. Warum hat eine Büste von ihm im Oval Office für Stimmungen gesorgt? Warum wurde sie entfernt und was hat Obamas kenianischer Vater damit zu tun? Viele der Punkte in diesem Buch klingen unglaublich, aber sie sind real.

Ein Geschichtsmythos ist dann nachhaltig wirksam, wenn er eine Erzählung über die Vergangenheit bietet, die für eine bestimmte Gruppe in der Gegenwart Sinn und Bedeutung stiftet. Besonders spannend erscheint mir dabei die Frage, weshalb gerade die jüngere deutsche Geschichte keinen verbindenden Mythos mehr hervorbringt, der in die Zukunft getragen wird. Obwohl Persönlichkeiten wie Adenauer das Potenzial für einen solchen Mythos hätten, geraten sie zunehmend in Vergessenheit, anstatt in der kollektiven Erinnerung aktualisiert zu werden. Es könnte sein, dass der bewusste Bruch mit tradierten Geschichtsmythen dazu führt, dass auch kulturelle Identität und gemeinsames Erinnern verblassen. Wenn sich eine Gesellschaft – wie aktuell Deutschland – fast ausschließlich über Schuld und Sühne definiert, läuft sie Gefahr, orientierungslos und ohne positive Bezugspunkte in die Zukunft zu blicken.

Bewertung vom 22.08.2025
Strasser, Stefan

Jungjäger-Ratgeber - Ausrüstung


ausgezeichnet

Ich habe dieses Buch als Geschenk erworben und selber darin gelesen. Das Überraschende: viele der wirklich durchdachten Tipps eines erfahrenen Jägers kann auch jeder im Alltag anwenden, sei es vom Zipper, der leichter greifbar ist, bis zur Pflege der regenabweisenden Kleidung.

Man spürt an den Ausführungen von Stefan Straßer, welche Tiefe der praktischen Erfahrungen er mitbringt. Als literaturaffiner Leser hat mich das irgendwie berührt: „Immer dabei: Jagdmesser, Taschenmesser, Windanzeiger (Mehlfläschchen), Mauspfeifchen, Hasenklage, Kitzfiep in einem Lederetui, einen Satz Batterien für die Taschenlampe und Absehenbeleuchtung, Laser-Entfernungsmesser, Kompass, Papiertaschentücher für den Anschuss zur Schweißsuche bzw. Als Toilettenpapier (ohne Verpackung; die raschelt), Stirnlampe, Taschenlampe, Fernglas, Feldflasche mit Wasser, Gehörschutz, Erste-Hilfe-Set, Einmalhandschuhe, Müllsack, Handschuhe mit Schlauchschal, Reservemunition, für die Büchse, Kurzwaffe im geeigneten Holster (mit Spiralnebel gegen Verlust gesichert). Dazu Berghaken, bzw. Bergeschlaufe, Gesichtsmaske und dünne Handschuhe (mit Tarndruck).

Dabei wird ein perfekter Taschenplan am Mann/Frau vermittelt, so dass man Benötigtes immer in derselben Tasche finden kann. Jagdhosen haben alle Oberschenkeltaschen für Ausweise und Erlaubnisscheine in der einen und Taschenmesser, Geldbeutel, Autoschlüssel etc. Alles wird detailreich erklärt und festgelegt, so dass eine Konzentration auf die eigentliche Tätigkeit erfolgen kann. Etwas zu suchen und so organisiert sein wie eine Frauenhandtasche, es geht hier nicht.

Das Buch regt zur Eigeninitiative an und liefert Ideen auf allen Seiten, um selbst ein Bastelfuchs zu werden, der Probleme erkennt und nicht durch immer teurere Bekleidung löst, sondern durch Selber Denken und praktisch lösen. Die Buchkapitel: Bekleidung, Waffen, Optik, Munition, Schießen, Erste Hilfe, Das Mobiltelefon im Jagedeinsatz, Werkzeug, Fortbewegungsmittel des Jägers. Gleich zu Beginn ein umfangreiches Stichwortverzeichnis!

Bewertung vom 20.08.2025
Grosz, Gerald

Merkels Werk - Unser Untergang


ausgezeichnet

Gerald Grosz bietet in diesem lesenswerten Buch ein Stimmungsbild der politischen und kulturellen Erschütterungen in Deutschland und Europa seit dem berühmten Merkel-Satz „Wir schaffen das“ vom August 2015. Ausgehend von diesem Moment, den der Autor als Zäsur begreift, wird die Reaktion der Politik, der Medien und der Gesellschaft auf die massive Fluchtbewegung und Migrationskrise als historische Wende beschrieben—und als Ausgangspunkt einer tiefen Spaltung und Vertrauenskrise.

Das Buch schildert, wie Angela Merkel mit ihrem Satz die Integrationsdebatte und die Willkommenskultur einläutete. Aus Sicht des Autors wurde damit eine restriktivere Migrationspolitik einfach aufgegeben; die Entscheidung wird als einsamer Führungsakt interpretiert, dessen Auswirkungen bis heute spürbar sind: Institutionelles Multiorganversagen nennt es der Autor mit Rechtsbrüchen und einer Auflösung langjähriger Gewissheiten. Die Analyse umfasst nicht nur die deutschen Verhältnisse, sondern bezieht explizit die europäischen Nachbarländer mit ein: Der Satz steht als Damoklesschwert über Deutschland und Österreich und ist zum Symbol einer „aus den Rudern geratenen Asylpolitik“ geworden.

Der historische Rückblick weitet sich aber ganz wesentlich auch auf die Rolle des Westens im Arabischen Frühling: Der Versuch, Werte wie Demokratie und Menschenrechte mit moralischem Sendungsbewusstsein in den Nahen Osten zu exportieren, ist für den Autor gescheitert und mündete nicht in Stabilität, sondern in Rechtlosigkeit, Gewalt und anhaltende Migrationsbewegungen. Die Rede von Obama an die arabische Jugend in Kairo muss im Nachhinein als ahnungsloses Hoffnungsgeplapper eingeordnet werden.

Die politischen und medialen Unterstützer dieser amerikanischen und europäischen Politik werden als „moralisch abgewirtschaftete Elite“ angegriffen; parallele geopolitische Fehler der USA werden ebenso kritisch eingeordnet.

Die gesellschaftlichen Folgen für Deutschland sind der eigentliche Fokus von Gerald Grosz: Die Debatte um Migration wurde durch den Satz „Wir schaffen das“ zugespitzt und medial polarisiert. En tiefer Riss zog sich durch Familien und Gesellschaft. Die Spaltung bleibt bis heute bestehen, weil die Politik sich nach Ansicht des Autors nie grundlegend geändert hat, sondern die Weichen weiterhin auf Zuwanderung stellt, mit enormen Auswirkungen auf Sozialsysteme, Bildung und kulturelle Identität.

Es werden zentrale Fragen erörtert: Wer trägt die Verantwortung, wer sind die Opfer? Wie sind die langfristigen Folgen für Gesellschaft und kommende Generationen einzuschätzen? Gerald Grosz kommt zu einer sehr pessimistischen Einschätzung insgesamt, die mit der Klammer „Untergang“ umfasst wird. Dabei werden die Ereignisse und Folgen sachlich vermittelt.

„Denn die EU fungierte als Helfershelfer von Merkel, sie ist bis heute nicht in der Lage, die Grenzen wirksam zu schützen bzw. Illegale Einwanderung zu unterbinden.“ Die Lockerung äußerer Grenzen hat zu inneren Mauern der Gesellschaft geführt, die heute härter und höher gezogen werden. Der Ausblick im Buch ist düster, wir lesen hier vor allem auch Aussagen von Opfern. Michael Kyrath, der Vater eines getöteten Opfers, sagt, dass es gefährlich sei, die Moral über die Vernunft zu stellen. Die Stimmen von Opfer-Angehörigen sind es vor allem, die man in vielen Medien vermisst, Gerald Grosz aber gibt ihnen eine Stimme.

Die Schlussfolgerung des Buches: Europa hat sich abgeschafft. Wir sind verloren! Fast! Es ist fast zu spät, die Entwicklung ist zumindest für Länder wie Österreich, Frankreich und Deutschland nahezu irreversibel. Wenn sich etwas ändern soll, müssen korrigierende Maßnahmen schnellstens erfolgen.

Der zweite Teil des Buches vermittelt das Tagebuch von Gerald Grosz bzw. seine Anmerkungen zu den Ereignissen in den einzelnen Jahren. Ebenso lesenswert und geradezu hellsichtig geschrieben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.08.2025
Matt, Jean-Remy von

Am Ende


ausgezeichnet

Ich habe als jemand, der ebenso lange im gleichen Bereich tätig war, dieses Buch sehr gerne gelesen. Es ist eine muntere, kreative Reihung von Anekdoten und Regeln, Erlebnissen und Skurrilem aus einer Agentur, die das Werbegeschehen in Deutschland über Jahrzehnte dominierte. Wer eine Mutter wie Jean-Remy von Matt hatte, musste kreativ werden, ihre Tricks haben mir gefallen. Vor allem jener der Eiskühlung von Verletzungen inkl. bester Wirkung. Aber erst wenn der Schmerz weg war, durfte das Eis verspeist werden! Ihre ungewöhnlichen Ideen bereiteten dem Sohn wohl auch die spätere Karriere vor, sie war sein Starkmacher.

Seine Werbung um eine Klassenkameradin mit dem Schild „Willst Du mir mit gehen“ wiesen ebenso auf eine Tätigkeit hin, die später eine Art Dauerhochzeitsantrag werden sollte: Werbetexte verfassen. Zieht man aus diesem Buch die Storytelling-Überdrehungen, das Größte-Schönste-Geraune ab, bleibt immer noch eine Menge an Substanz, die ich als Aphorismensammler geschätzt habe. Von einem mittelmäßigen Schüler zu einer solchen Karriere zu gelangen, das muss einem erst mal einer nachmachen.

Ich erinnere mein Lieblingszitat: „Sei früher bei der Arbeit. Sei später mit ihr zufrieden.“ Es gefällt mir sehr. Immer wollte die Agentur Jung v. Matt unzufrieden bleiben und hat wohl eine Aussage von Manfred Rommel erfüllt: „Das Gute immer kritisch sehen, um das Bessere zu erreichen.“

Jean-Remy hat dieses Buch bei Nius promotet, also keine Berührungsängste mit bürgerlichen Zielgruppen, sein Auftritt zeigte seinen höflichen, zurückhaltenden Charakter. Auch bei meinen internationalen Werbeagenturen war es so, dass wir im Grunde nie über Politik geredet haben, nie sprachen wir über unsere Parteienpräferenz. Eine schöne Zeit, die heute völlig anders ist. Wichtig war immer nur die kreative Aufgabe und Regeln dabei waren Krücken für kreativ Lahme. Wir stritten wie die Kesselflicker und heute zergeht sich alles im Gleichklang von konsensualem, ödem Einheitsbrei.

Ein Buch zum Ende hin schlechter werden zu lassen hätte ich ihm als Kontakter, der ich war, nicht durchgehen lassen. Sie macht keinerlei Sinn, nicht mal Unsinn. In meinen Leben als studierter BWLer mit Diplom (ja, man wurde nicht gemocht) habe ich nacheinander diese 3 Menschentypen kennengelernt: Texter, Layouter und Fotografen. Alle haben mich motiviert, diese Dinge auch zu können, aber als 1mann Macher.

Kreative Werber leiden unter dem schlechten Image, das sie von der Hochkultur trennt. Nur einen intellektuellen, marxistischen Texter kenne ich, der richtig gut war. Sein Credo: diesen Mist mache ich mit links, aber ich verachte ihn. So geht es auch mir. Heute ist KI etwas, das mich fasziniert und eine Revolution einleitet, die Werbung zu einem Kinderspiel werden lässt. Richtig langweilige, informative Werbung schätze ich, das überdrehte „ich bin so merkwürdig, guck mich, hör mich“ - ist so was von vorgestern. Eine gut verständliche Gebrauchsanweisung ist eine echte Herausforderung an die Kreativität.

„Wir können alles außer hochdeutsch“, dieser Spruch für Baden-Württemberg ist aufgefallen, zweifellos. Bei mir und vielen Baden-Württembergern jedoch negativ. Trotz meiner Herkunft hatte ich den schönen Tonfall aufgegeben, um mich überall auf der Welt verständigen zu können. Für höfliche Schwaben ein völlig normales Verhalten des guten Miteinanders, er will nirgendwo auffallen - und schon gar nicht durch besonderen, vorlauten Witz. Ein noch größerer Murks: The Länd. Dafür hätte ich mich mit den Kreativen geprügelt und die Pappen zertrampelt.

Die Küchentisch-Gespräche eines grünen Kanzler-Bewerbers waren erkennbar Agentur-getrieben, schon das Setting nur peinlich, ganz zu Schweigen von dem, was daran gesprochen wurde. Aber Niederlagen pflastern den Weg der Kreativen, so die Eigeneinschätzung des JRvM. An Marktforschung glaubt er nicht und an Werbeerfolgskontrolle ebenso wenig. Beide behindern den großen, disruptiven Wurf, klar! Dazwischen standen immer die Berater, die auch noch die kindlichsten Dingen marketing-mäßig verpacken mussten. Alpträume plagen mich noch heute.

Wirklich kreativ ist man nur solo. Das Buch von Jean-Remy von Matt hat mich zu vielen Gesprächen, Fragen und Antworten inspiriert und ich bin der Frage nachgegangen, wer einen im Leben am meisten prägt. Das Bild der Mutter von JRvM auf Seite 160 hat sich mir eingeprägt und ich übertrage es auf einen Mann, den man bewundern kann, vor allem ob diesen Startbedingungen einer wirklich zugewandten, klugen, kreativen Mutter. „Wem Mutterwitz fehlt, dem hilft auch die beste Ausbildung wenig.“

Gefehlt hat mir ein Bekenntnis zum Unternehmer-tum, zur Freiheit und zum selbstständigen Wirken. Werber wollen aber nur spielen, sich nicht bekennen zu den wirklich wichtigen Dingen, Liebkind mit allen sein. Hier bewundere ich einen Mann, der nie nachlässt und auch nicht an sein Ende denkt, Dr. Wolfgang Herles hat ein freiheitliches, bürgerliches Credo verfasst, das mich inspiriert: „Mehr Anarchie, die Herrschaften.“

Bewertung vom 06.08.2025
Lörchner, Jasmin

Nicht nur Heldinnen


ausgezeichnet

Spannende Kurz-Biografien vom alten Ägypten bis heute – dieses Buch berichtet von mächtigen Frauen, kreativen Köpfen, Pionierinnen und Kämpferinnen. Viele von ihnen kannte ich bisher nicht, und genau das macht die Lektüre so spannend. Es ist kein Buch der plakativen „Heldinnen-Verehrung“, sondern eine Einladung, genauer hinzusehen, wie Frauen in unterschiedlichsten Epochen Verantwortung übernommen haben. Drei bleiben mir in besonderer Erinnerung: Hatschepsut, Margarete Steiff und Ruth Bader Ginsburg. Sie warteten nicht auf Erlaubnis, sondern handelten.

Im alten Ägypten war Macht göttlich legitimiert. Dass eine Frau diesen Titel beanspruchte, war ein Tabubruch. Hatschepsut ließ sich zum Pharao ausrufen, trug den Zeremonialbart und regierte mit voller Autorität. Doch sie war keine Usurpatorin, sondern eine kluge Strategin. Ihre Herrschaft war geprägt von Stabilität, wirtschaftlicher Blüte und erfolgreichen Handelsmissionen.

Das Buch zeigt, wie Hatschepsut Macht nicht primär über Kriege, sondern über Diplomatie und Infrastruktur ausübte. Sie dachte langfristig und pragmatisch – anders als viele ihrer männlichen Nachfolger. Dennoch wurde sie nach ihrem Tod aus den Inschriften getilgt. Ihre Geschichte lehrt: Frauen in Machtpositionen agieren nicht „weicher“, aber oft aus anderen Perspektiven als jene, die Machtstrukturen geschaffen haben.

Springen wir ins 19. Jahrhundert: Margarete Steiff, durch Kinderlähmung an den Rollstuhl gefesselt, begann Stofftiere zu nähen. Was als Nadelkissen begann, wurde zur Weltmarke. Sie erfand nicht nur den Teddybär, sondern prägte eine ganze Spielzeug-Philosophie. Ihre Stofftiere sollten robust sein – aber auch „eine Seele haben“.

Steiff war eine Unternehmerin, die mit Beharrlichkeit ein Unternehmen aufbaute, das bis heute für Qualität steht. Sie dachte nicht kurzfristig, sondern setzte auf emotionale Bindung und soziales Verantwortungsbewusstsein. Dass eine Frau in ihrer Situation eine Firma leitete, war revolutionär. Doch sie definierte sich nicht als „Frau in Männerwelt“, sondern als jemand, der eine Idee hatte und sie umsetzte.

Ruth Bader Ginsburg, Richterin am US Supreme Court, revolutionierte mit ihrer stillen Hartnäckigkeit die amerikanische Rechtsprechung. Sie war keine Lautsprecherin, sondern eine Meisterin der Argumentation. Ihre Strategie: das Recht gegen seine eigenen Diskriminierungen zu wenden. Schritt für Schritt öffnete sie Räume für Gleichberechtigung – ohne moralischen Zeigefinger, sondern mit juristischer Präzision.

Ginsburg zeigt, dass der Gegensatz zwischen „männlichem“ Machtstreben und „weiblichem“ Gestaltungswillen eine Illusion ist. Ihr Werkzeug war das Gesetz, ihr Ziel Gerechtigkeit – immer präzise und ohne ideologische Pose.

Verhalten sich Frauen wirklich anders als Männer?

„Nicht nur Heldinnen“ vermeidet einfache Antworten. Frauen handeln nicht „anders“, weil sie Frauen sind, sondern weil sie unter anderen Prägungen, Erwartungen und Widerständen agieren müssen. Hatschepsut, Steiff und Ginsburg handelten aus Verantwortung, nicht aus Genderidentität. Sie kämpften nicht für „Frauenrechte“ als Selbstzweck, sondern für das, was sie für richtig hielten.

Das Buch zeigt keine Heldinnenverklärung, sondern eröffnet gedankliche Erweiterungen. Es lässt den Leser eintauchen in Denkweisen, die oft hinter historischen Klischees verborgen bleiben. Besonders beeindruckend: Diese Frauen definierten sich nie über eine Opferrolle, sondern über Handeln. Sie warteten nicht, sie gestalteten.

Gerade Hatschepsut demonstriert, wie eine Frau innerhalb einer von Männern dominierten Ordnung erfolgreich regieren konnte, ohne das System grundsätzlich in Frage zu stellen – aber auch ohne sich ihm unterzuordnen. Ihre Strategie war kluge Anpassung, verbunden mit eigener Handschrift.

Margarete Steiff wiederum zeigt, wie Unternehmergeist unabhängig von Geschlecht entsteht. Hätte ein Mann in ihrer Lage genauso gehandelt? Vielleicht. Aber Steiffs Widerstände waren größer, und genau das macht ihre Leistung umso inspirierender. Sie baute eine Weltmarke, indem sie den Menschen in den Mittelpunkt stellte – nicht den Markt.

Ruth Bader Ginsburg schließlich lehrt uns, dass Veränderung nicht durch laute Parolen geschieht, sondern durch akribische Arbeit am Fundament. Ihr juristischer Kampf für Gleichberechtigung war kein ideologisches Manifest, sondern ein sachliches Ringen um Fairness innerhalb des Systems.

Das Buch regt dazu an, die Frage „Handeln Frauen anders als Männer?“ neu zu stellen: Nicht biologisch bedingt, sondern aus sozialen Prägungen und strukturellen Hindernissen heraus ergeben sich oft andere Herangehensweisen. Aber das Entscheidende ist: Diese Frauen haben gehandelt – unabhängig von der Schublade, in die man sie stecken wollte.

Dieses Buch erzählt von Frauen, die einfach das taten, was notwendig war – und damit Geschichte schrieben. Es ist eine Einladung, neu hinzusehen: Wer bestimmt, welche Biografien erzählt werden?